Im Juli 2016 ist das rund ein Jahr zuvor geschlossene Friedensabkommen zwischen dem südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir und Oppositionsführer Riek Machar gescheitert. Seither verschlechtert sich die Situation im Land zusehends. Vermehrte ethnisch motivierte Gewalt sowie Hassrhetorik von Dinka (der Ethnie des Präsidenten) und Nicht-Dinka sind die Vorboten genozidärer Gewalt. Hauptaufgabe der United Nations Mission in South Sudan (UNMISS) ist der Schutz der Zivilbevölkerung. Zwar wurde im Juli 2016 beschlossen, UNMISS durch eine regionale Schutztruppe zu verstärken. Doch selbst wenn diese entsandt wird, ist zu bezweifeln, dass UNMISS Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung außerhalb der Hauptstadt vereiteln kann. Die Streitkraft der Friedensmission reicht nicht aus, ihre Kommandostruktur scheint in entscheidenden Momenten zu versagen, die Regierung hindert sie an der Mandatsausübung, es gibt keinen glaubwürdigen Friedensprozess und eine Resolution über ein Waffenembargo scheiterte im VN-Sicherheitsrat. Auch wenn die Möglichkeiten äußerst begrenzt sind, die Zivilistinnen und Zivilisten zu beschützen, könnte die Mission effizienter gestaltet werden. Das gilt ebenso für internationale Sanktionen.
Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 hat nicht nur eine nationale Debatte über die innere Sicherheit angestoßen, sondern gibt auch Anlass zur Überprüfung der europäischen Anstrengungen gegen den internationalen Terrorismus. Die seit 2015 ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung des Austauschs polizeilicher Informationen und zur Verschärfung der Personenkontrollen beginnen zwar Früchte zu tragen. Die zusätzlich geplante Einführung intelligenter Kontrollsysteme an den EU-Außengrenzen kann jedoch nur bedingt als Antwort auf die aktuelle Bedrohungslage gelten. Intensiver diskutiert werden sollte stattdessen über die Koordinierung von Rückführungen von Drittstaatsangehörigen, über den Beitrag, den die EU-Außenpolitik zur Erhöhung der Sicherheit in Europa leisten könnte, und über die Intensivierung der europäischen geheimdienstlichen Zusammenarbeit.
Germany and Poland stand as examples of the differing interests of individual European Union (EU) member states in energy policy. However, both countries are crucial for filling an Energy Union with substance. Yet, progress in bilateral engagement has stalled, as controversies, for example over Nord Stream II, threaten to distract attention from other issues and avenues for energy cooperation. While acknowledging disagreements, the focus should be on identifying areas of agreement and opportunities for cooperation. Although the difficulty of resolving highly controversial issues is not to be discounted, addressing them will require taking steps to establish trust while designing programs and projects to transform the idea of solidarity from rhetoric into reality.
Kuba bemüht sich um eine stärkere Einbindung in internationale Wirtschaftsbeziehungen, nachdem die Eiszeit im Verhältnis zu den USA während der Obama-Ära zu Ende gegangen ist. Programmatisch hält sich Havanna dabei an seine 2011 verabschiedeten »Leitlinien« zur Aktualisierung des nationalen Wirtschaftsmodells. Wichtige Ziele sind, die eigenen Exporte zu steigern, Importsubstitution zu schaffen und mehr ausländische Direktinvestitionen anzulocken. Auf diese Weise soll Kubas Devisensituation verbessert, die Wertschöpfung im Land erhöht und die Abhängigkeit von Venezuela reduziert werden. Die Leitlinien schaffen dabei mehr Raum für private Aktivitäten; erstmals wurde etwa »Selbstbeschäftigung« erlaubt.
Vor diesem Hintergrund will Kuba auch die Wirtschaftsbeziehungen und den politischen Dialog mit der EU stärken – dem wichtigsten Handelspartner des Landes neben Venezuela. Grundlage dafür ist das europäisch-kubanische Kooperations- und Dialogabkommen von 2006. Die weiteren Perspektiven der Zusammenarbeit hängen aber stark davon ab, ob Kuba seine Wirtschaftsreformen weiter vorantreibt und dauerhaft verankert. Noch immer gibt es in dem Inselstaat ein hohes Maß an Reglementierung, das negative Voraussetzungen für interne Wirtschaftsakteure ebenso wie für externe Investoren schafft. Die Restriktionen entspringen dem Wunsch der politisch-militärischen Elite, die Kontrolle über die weitere Entwicklung zu behalten und eigene Machtquellen zu sichern. Somit steht die politische Ausgangslage in einem starken Spannungsverhältnis zu den außenwirtschaftlichen Zielen der Regierung. Positive Folgen können Kubas Abkommen mit internationalen Partnern nur dann entfalten, wenn auch die internen Rahmenbedingungen verbessert werden. EU und Deutschland sollten den politischen Dialog mit Kuba nutzen, um die Regierung in Havanna zu entsprechenden Reformschritten zu ermuntern.
Substantial progress was achieved in the bicommunal negotiations that were ongoing for almost two years and led to the decision to continue the talks in Switzerland. The aim was to create conditions conducive to a final bargaining agreement between the Greek Cypriots and Turkish Cypriots and the three guarantor states of the Republic of Cyprus: Greece, Turkey, and the United Kingdom. Although recent talks in Switzerland failed to deliver a breakthrough, negotiations continue, and hope survives. With the exception of negotiations on security and guarantees – a chapter whose negotiation inevitably also involves Cyprus’ three guarantor states – convergence on negotiations in all other chapters, namely territory, property, governance and power sharing, as well as economic and EU matters, have resulted in agreement or have brought the positions of the parties within the radius of an agreement.
A bloody coup attempt, the government responding by dismantling the state of law and an unending series of terror attacks have turned Turkey into a different country. In foreign policy, Ankara’s rapprochement with Moscow raises the question of whether the West can still consider Turkey a reliable partner. Officially, the country continues to be a candidate for membership of the European Union. However, for some time now the talk has been more of the dangers that an unstable and anti-Western Turkey creates for the EU than of how Brussels might influence Turkish politics. NATO too is concerned about Turkey. Will it remain in the Western camp? Can it recover domestically? What sort of future do the more recent developments in foreign and domestic policy predict for Turkey?
Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 haben die ägyptischen Streitkräfte ihre Aktivitäten in der zivilen Wirtschaft des Landes sukzessive weiter ausgebaut. Vor allem im Privatsektor gibt es wachsende Kritik an dieser Entwicklung. Die ägyptische Führung reagierte darauf im Oktober 2016 mit der Ankündigung, das Militär werde seine ökonomische Rolle in den nächsten zwei bis drei Jahren reduzieren. Angesichts starker Marktpositionen, abgesicherter Privilegien und historisch gewachsener Strukturen ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies tatsächlich geschieht. Vielmehr werden die Unternehmungen des Militärs, die sich unter anderem auf Versorgungs-, Energie- und Bausektor erstrecken, die ägyptische Wirtschaft auch in Zukunft prägen. Mehr als fraglich ist, ob sich unter diesen Umständen die Strukturreformen verwirklichen lassen, die Kairo im November 2016 mit dem IWF vereinbart hat. Nicht zuletzt deshalb sollten internationale Geber die ägyptische Führung dazu drängen, die Sonderrechte des Militärs zu reduzieren.
Ein blutiger Putschversuch, das Schleifen des Rechtsstaats als Reaktion der Regierung darauf und eine nicht abreißende Folge von Terroranschlägen haben aus der Türkei ein anderes Land gemacht. Außenpolitisch provoziert Ankaras Annäherung an Moskau die Frage, ob das Land noch verlässlicher Partner des Westens ist. Offiziell ist die Türkei nach wie vor Kandidat für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Doch längst ist mehr von den Gefahren die Rede, die eine instabile und antiwestlich ausgerichtete Türkei für die EU mit sich bringt, als dass man darüber spräche, wie Brüssel auf die türkische Politik einwirken kann. Auch der Nato macht die Türkei Sorgen. Bleibt das Land im westlichen Lager? Kann es sich innenpolitisch wieder fangen? Auf welche Zukunft der Türkei deuten jüngere Entwicklungen in der Außen- und Innenpolitik hin?
Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) erreichten seit Beginn 2016 etwa 22 000 Flüchtlinge aus Nigeria, 15 000 aus Eritrea und jeweils etwa 7000 aus Senegal, Gambia, Guinea und Côte d’Ivoire Europa. Die Länder, aus denen sie stammen, leiden unter großen politischen Konflikten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Vielfach sind dies aber auch Länder, mit denen die EU schon vor längerer Zeit Handelsabkommen vereinbart hat und in denen sie die Landwirtschaft und die Versorgung mit Nahrungsmitteln unterstützt. Insofern stellt sich die Frage, wie Wirtschaft, Ernährungskrisen, Konflikte und Flucht zusammenhängen und welche Rolle europäische Handels- und Agrarpolitik bei dem Bemühen spielen können, Fluchtursachen zu bekämpfen.
Dass die »Krise das neue Normal« sei, haben wir in den letzten Jahren häufig gehört. Krisen sind demnach keine Ausnahmeerscheinungen mehr, sondern Teil des politischen Alltags in einer beschleunigten, komplexeren Umwelt. Zu ergänzen wäre, dass sich Krisen kaum noch isoliert betrachten lassen, etwa geographisch, auf ein einzelnes Politikfeld bezogen oder auf eine kleine Zahl an Akteuren. Und sie sind auch nicht mehr als Zuspitzung spezifischer Situationen zu verstehen, die einen Wendepunkt erreichen, an dem es entweder zur Lösung oder zum Scheitern kommt. Krisen kann man weiterhin als Situationen begreifen, die Handlungsentscheidungen erfordern und durch Unsicherheit und Ungewissheit geprägt sind. Statt einzelner Krisen jedoch haben wir es zusehends mit zusammenhängenden Krisenlandschaften zu tun. Einzelne Landmarken oder Landschaftselemente bleiben erkennbar; sie müssen aber als Teil eines integrierten Geländes erkundet und bearbeitet werden.
Politik sollte sich auch der Erwartung widersetzen, nach und nach alle Krisen lösen zu können. Oft wird es vielmehr um intelligentes Krisenmanagement gehen – oder darum, möglichst sicher durch diese Krisenlandschaften zu navigieren.
In dieser Studie geht es darum, bestimmte Trends der internationalen Politik aufzugreifen, die 2017 für deutsche und europäische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von besonderer Bedeutung sein dürften. Wir skizzieren also nicht alle Themen der Außen- und Sicherheitspolitik, verzichten etwa auf eigenständige Beiträge zur Ukraine oder zu Syrien – zwei Länder und Konflikte, die ohnehin ein hohes Maß an politischer Beachtung erfahren und auch in zahlreichen SWP-Publikationen behandelt wurden. Dagegen thematisieren wir einzelne Politikfelder oder Regionen, die gerade nicht im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen.
InhaltsverzeichnisVolker Perthes
Einleitung: Navigieren durch Krisenlandschaften
S. 5
Laura von Daniels, Heribert Dieter
Die Globalisierung und ihre Gegner: Worüber die europäische Politik nachdenken muss
S. 11
Barbara Lippert, Kai-Olaf Lang
Politisierung, Polarisierung, Populismus und die Zukunft der EU
S. 15
Markus Kaim
Alles hybrid, alles Cyber – Neue oder alte sicherheitspolitische Bedrohungen?
S. 19
Peter Rudolf, Johannes Thimm
Mögliches Ende der »wohlwollenden Hegemonie«. Trumps außenpolitische Agenda
S. 23
Hanns Günther Hilpert, Gudrun Wacker
Ostasien: Konfliktnavigation als Normalfall
S. 27
Sabine Fischer
Vom Getriebenen zum »Gestalter«: Russland in internationalen Krisenlandschaften
S. 31
Sebastian Schiek, Franziska Smolnik, Kirsten Westphal
Drohende Instabilität in Russlands südlicher Peripherie
S. 35
Günter Seufert
Die Türkei wird Teil des Nahen Ostens
S. 39
Guido Steinberg
Islamistischer Terrorismus in der arabischen Welt: Ausbreitung und Eindämmung
S. 43
Annette Weber
Das Rote Meer – im Schatten heißer Konflikte
S. 47
Steffen Angenendt, Raphael Bossong
Ist das erst der Anfang? Zum Umgang mit Wanderungsbewegungen
S. 51
Judith Vorrath
Organisierte Kriminalität in internationalen Krisenlandschaften
S. 55
Marianne Beisheim, Susanne Dröge
Klimapolitik und 2030-Agenda – Potentiale für nachhaltiges Navigieren
S. 59
Im Herbst 2017 wird die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ihren 19. Parteitag abhalten und einen Großteil der Ämter in der Parteiführung neu besetzen. Die vorausgehende Übergangsphase wurde durch offizielle Parteidokumente eingeleitet, die eine Rückbesinnung auf das Ethos des epochemachenden Parteiführers betonen, der »als Kern des Zentralkomitees« (ZK) bezeichnet wird. Xi Jinping – chinesischer Staatspräsident, Vorsitzender der KPCh, der Zentralen Militärkommission und einer stetig gewachsenen Zahl anderer Parteigremien – erscheint somit schon vor Ende seines ersten Fünfjahresturnus deutlich mächtiger, als es seinem Vorgänger an der Parteispitze, Hu Jintao, jemals möglich war.
Auf den ersten Blick bestätigen sich damit Spekulationen einiger Beobachterinnen und Beobachter, die eine stetige Zentralisierung politischer Kompetenzen im Portfolio des Vorsitzenden sowie medial inszenierten Gehorsam der KP-Mitglieder als Indizien für Xis Absicht interpretieren, sich von etablierten Parteikonventionen, wie kollektiver Entscheidungsfindung innerhalb der Parteispitze, abzuwenden und die Macht langfristig zu personalisieren. Weil das Prinzip der kollektiven Führung seit Ende der Mao-Ära politische Stabilität gewährleistet hat, ist es wichtig, dieses Szenario ernst zu nehmen. Allerdings sollte die Widerstandskraft der kollektiven Parteiprozesse nicht unterschätzt werden. Ein offener Bruch mit Parteitraditionen dürfte nicht in Xis Interesse sein.
Mit dem Tod Fidel Castros und dem bevorstehenden Amtsantritt Donald Trumps als Präsident der USA scheint Kuba wieder einmal an einem Wendepunkt zu stehen. Der künftige Amtsinhaber in Washington verschärft den Ton gegenüber dem Regime in Havanna, das sich in einem beschleunigten Transitionsprozess befindet. Eine klare Wegmarke ist Raúl Castros Ausscheiden aus der Führungsriege bis zum Jahr 2018. Die Überwindung des stark personalistisch auf die Castro-Brüder zugeschnittenen Führungsmodells ist eine komplexe Operation, die den Umgang mit Kuba für seine Gesprächspartnerinnen und -partnern im Westen nicht leicht macht. Die EU und Deutschland sollten die interne Machtbalance auf der Zuckerinsel genau im Blick behalten und ihre Kooperationserwartungen und -angebote der Entwicklung des unsicheren Machtübergangs von der Castro-Familie auf die Nachfolgergeneration anpassen. Flexible Formate könnten erfolgversprechender sein als institutionell angelegte Modelle der Zusammenarbeit.
Die Entwicklung des chinesischen Internets hat 2016 bei ausländischen Beobachterinnen und Beobachtern immer wieder Aufsehen erregt. Verantwortlich dafür waren Rekordumsätze im Internethandel, weitreichende Hackerangriffe auf Privatfirmen und Behörden, gigantische Investitionsprogramme für Start-ups, ein neues kontroverses Internetgesetz und die Zunahme der staatlichen Internetzensur. China 4.0 steht gleichermaßen für Kontrolle und Kreativität. Wie passt das zusammen? Wie diskutiert die chinesische Öffentlichkeit über Chancen und Risiken der digitalen Transformation? Welche Ziele verfolgt die Regierung des Landes, etwa mit ihren Strategien »Big Data« und »Internet Plus«? Und was bedeutet das neue Gesetz zur Internetsicherheit, das im Juni 2017 in Kraft treten wird? Neue Rahmenbedingungen werden geschaffen, die langfristig die Zusammenarbeit mit China in Fragen der Digitalisierung definieren können. Eine Analyse von Stimmen aus Partei, Wirtschaft, Militär und Wissenschaft gibt Aufschluss über die Positionen, die den chinesischen Diskurs zu dem Thema gegenwärtig prägen. Dabei geht es auch um die Frage, inwiefern China ein Labor für die digitale Zukunft der Welt sein könnte.
Indien strebt die Aufnahme in die Nuclear Suppliers Group (NSG) an, um als ein »normaler« Kernwaffenstaat anerkannt zu werden. Zwei Modelle sind dafür denkbar: ein Beitritt qua Ausnahmeregelung, bei dem Indien keine Bedingungen erfüllen muss, oder ein Beitritt, bei dem dem Land Zugeständnisse abverlangt werden. Beide Varianten haben komplexe Auswirkungen auf den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NPT), die Zusammenarbeit in der NSG und die Sicherheit Südasiens. Deutschland ist bereits in der NSG vertreten und entscheidet daher über Indiens Aufnahmeantrag mit.