Das diesjährige Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tianjin war das bisher größte in ihrer Geschichte. Mehr als 20 Staatschefs und zehn Vertreter internationaler Organisationen nahmen an dem Gipfel teil. Während dieser SOZ+ hielt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eine Rede, in der er prominent die Global GovernanceInitiative (GGI) des Landes ankündigte. Entwicklung, Sicherheit, Zivilisation und Governance bilden für Peking die vier Säulen für den Aufbau einer »Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft der Menschheit« oder, konkreter, einer neuen Weltordnung. Daher ist es dringend geboten, dass Deutschland und Europa China in dieser Phase anhaltenden Umbruchs als globalstrategische Herausforderung begreifen.
In ihrer Außen- und Sicherheitspolitik verfolgte die Bundesrepublik Deutschland von Anfang an ein Rollenkonzept, das sich an drei grundlegenden Prämissen orientierte: »Nie wieder« (Absage an die Gräuel des nationalsozialistischen Deutschland), »niemals im Alleingang« (prinzipieller Multilateralismus), »Diplomatie statt Gewalt«. Dieses Rollenkonzept lässt sich als das einer »Zivilmacht« beschreiben. Die im Verfolg dieses Konzeptes insgesamt überaus erfolgreiche Politik verdankte sich innen- und außenpolitischen Voraussetzungen, die im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte zusehends erodierten. Innenpolitisch ermöglicht wurden die Erfolge der Zivilmacht Deutschland durch kluge Machtpolitik: Die Bundesrepublik entfaltete ein auf ihr Rollenkonzept zugeschnittenes Portfolio an Machtressourcen, die letztlich der friedlichen Wiedervereinigung eines in ein vereintes Europa eingebetteten Deutschlands den Weg bahnten. Die Kultivierung dieser Machtressourcen und eine konsequente strategische Ausrichtung am Konzept der Zivilmacht wurden in jüngster Zeit jedoch vernachlässigt. Außenpolitisch beruhten die Erfolge auf der Verfügbarkeit von inner- und außereuropäischen Partnern, leistungsfähigen internationalen Organisationen und einem internationalen Umfeld, das insgesamt in gewissem Ausmaß »zivilisiert« war: Die Anwendung von Gewalt wurde in den zwischenstaatlichen Beziehungen durch das nukleare Patt in Europa eingehegt. In seinen Grundzügen ist das Rollenkonzept der Zivilmacht für Deutschland auch unter den gegenwärtigen, wesentlich ungünstigeren äußeren Bedingungen unverzichtbar: Es ist außen- wie innenpolitisch zutiefst verwoben mit der Identität und Verfassung der Bundesrepublik als liberale Demokratie. Die Bundesregierung sollte daher auf eine konsequente Wahrung und Mehrung ihres spezifischen Machtportfolios setzen und dabei insbesondere die (Fort-)Entwicklung der internationalen und supranationalen Zusammenarbeit mit anderen liberalen Demokratien und gleichgesinnten Partnern vorantreiben.
The existential catastrophe faced by the population of the Gaza Strip currently looms large in the foreign policy and security debates. The plight of civilians there is particularly acute. Yet, severe crises persist elsewhere too – from Ukraine and Sudan to Myanmar, the Democratic Republic of Congo, and Haiti – where protracted violent conflicts continue to cause grave suffering among civilians. This grim reality is underscored in the United Nations Secretary-General’s latest annual report, released in May. At the same time, conventional mechanisms for international conflict resolution are failing in an increasing number of contexts. In light of this, it is crucial to systematically track evolving conflict dynamics and to revise approaches to the protection of civilians accordingly.
The European Union operates largely in accordance with the principles of consensus democracy – that is, it seeks to integrate as many parties spanning the political spectrum of its member states as possible. Amid the recent growth of far-right parties at both the national and European level, this approach has led to the increased participation of such forces in EU institutions. Analysis of key actors at the EU level shows that since no later than the 2024 European elections, representatives of far-right parties have been involved in all major EU decisions. The centres of their influence are the European Council and the Council of the EU, where they participate as leaders or partners in national governments. But they are increasingly becoming more influential in the European Parliament, which has shifted to the right and where alternative majorities are now possible. At the same time, significant differences remain between the far-right parties. Ultimately, the extent of their influence and which far-right trend predominates within the EU system depends mainly on the largest force in European politics – the European People’s Party.
Die Europäische Union operiert in weiten Teilen nach den Prinzipien einer Konsensdemokratie, die darauf ausgerichtet ist, möglichst das komplette politische Spektrum ihrer Mitgliedstaaten zu integrieren. Angesichts der Zuwächse von Rechtsaußenparteien auf nationaler wie auf europäischer Ebene vermehrt sich daher zunehmend auch ihr Einfluss in den EU-Institutionen. Die Analyse der zentralen Akteure auf EU‑Ebene zeigt: Spätestens seit den Europawahlen 2024 sind Vertreter:innen von Rechtsaußenparteien in nahezu allen EU-Entscheidungsprozessen präsent. Die Schwerpunkte ihres Einflusses liegen – aufgrund ihrer Teilhabe an nationalen Regierungen – im Europäischen Rat und im Rat der EU, zunehmend aber auch im nach rechts gerückten Europäischen Parlament, in dem inzwischen alternative Mehrheitskonstellationen möglich sind. Gleichzeitig bleiben die Unterschiede innerhalb des Rechtsaußenspektrums groß. Wie prägend dessen Einfluss ist und welche Strömung sich unter den Rechtsaußenparteien durchsetzt, hängt maßgeblich von der Europäischen Volkspartei (EVP) ab.
Gemeinsam mit Italien und Griechenland versucht die EU-Kommission, irreguläre Ankünfte von Migranten über Libyen zu reduzieren. Diese Bemühungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem mehrere Komponenten der EU-Migrationspolitik in Libyen als gescheitert gelten müssen. Das gilt besonders für Versuche, die Zustände in den Internierungszentren zu mildern sowie die Lage von Arbeitsmigranten und Geflüchteten im Land insgesamt zu verbessern. Welche Widerstände die europäische Migrationspolitik hervorruft, zeigte zuletzt eine Kampagne der libyschen Behörden gegen vermeintliche Bestrebungen der EU, Migranten auf Dauer im Land anzusiedeln. Was bleibt, ist der harte Kern europäischer Politik: Vereinbarungen mit Gewaltakteuren, um Überfahrten zu verhindern, sowie die Unterstützung für Abfangoperationen auf See und Rückführungen in Herkunftsländer. Diese EU-Politik ist untrennbar mit dem libyschen System willkürlicher Internierung verknüpft, das kriminellen Interessen dient. Europäische Versuche, sich von diesem System zu distanzieren, sind unglaubwürdig und stehen einer Bewertung der politischen Kosten im Wege.
The number of Indian migrants in Germany has risen sharply in recent years. In particular, they are helping alleviate the shortage of skilled workers in STEM professions. For Germany, India is the most important country of origin for labour and education migration. Currently, the profile of migration to Germany is changing: fewer experts are entering on the EU Blue Card (which, until recently, was the most important residence permit for skilled workers), while more students, trainees and professionally qualified people are coming to look for jobs or have their qualifications recognised by the German authorities. The Migration and Mobility Partnership Agreement (MMPA) concluded by Berlin and New Delhi in 2022 does not expand the German legal framework for recruiting skilled workers through the provision of new access routes. However, it does improve the practical implementation of self-organised migration from India – for example, by speeding up visa procedures. The MMPA Joint Working Group offers the opportunity not only to engage in a dialogue with the Indian government aimed at harnessing the full potential of increasing migration but also to address the challenges that have arisen from that trend, including the inadequate regulation of private recruitment agencies. The example of India shows that Germany’s external infrastructure and migration-related development cooperation must be used much more effectively in countries of origin in order to develop new approaches to the fair and successful recruitment of skilled workers for the German labour market. Migration cooperation is a bridge builder in German-Indian relations, which are becoming increasingly important. Key areas of bilateral collaboration – such as digitisation, artificial intelligence and climate protection – should be systematically linked to knowledge exchange and the mobility of skilled professionals in these sectors.