Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Washington richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Europäer auf die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen. In geopolitisch unsicheren Zeiten erscheint ein stabiles Verhältnis zu den USA für die Sicherheit Europas unverzichtbar. Unter einigen Europäern herrscht jedoch Skepsis, ob der deutsche Bundeskanzler die EU schwächen könnte, indem er, wie zuletzt der britische Premier Keir Starmer, bilaterale Absprachen mit Trump trifft. Merz steht somit vor der Herausforderung, deutsche Interessen zu vertreten, ohne das Vertrauen der Partner zu gefährden – und ohne sich zu bilateralen Zugeständnissen drängen zu lassen.
In den zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen, die für die US-Regierung strategisch relevant sind, wäre ein deutscher Alleingang jedoch ohnehin wirkungslos. Geht es um die Übernahme der Lasten der militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine, um Zölle, Verhandlungen über Regulierungsstandards oder die Politik gegenüber China, muss Merz mit den europäischen Partnern abgestimmt handeln – sonst schadet er deutschen Interessen. Der Bundeskanzler reist im »europäischen Korsett« an – das sollte Europa beruhigen und könnte ihm im Umgang mit Trump selbst nutzen.
Trump verlangt von den Europäern seit Jahren, mehr Lasten in der NATO zu übernehmen und die Verteidigungsausgaben zu steigern – zuletzt auf einen Anteil von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Merz kann in Washington die Aussage seines Außenministers Johann Wadephul unterstreichen, dass Deutschland seine Verteidigungsfähigkeiten massiv verbessern und die Ausgaben auf das von Trump geforderte Niveau steigern möchte. Zwar sollen davon nur rund 3,5 Prozent auf NATO-relevante Bereiche entfallen, doch bereits diese Ankündigung könnte Merz in Washington als Zeichen gestiegener Bereitschaft präsentieren.
Europas Rolle bei der Ukraine-UnterstützungIn einem möglichen Szenario eines US-Rückzugs aus der Ukraine-Unterstützung wächst der Druck auf die Europäer, finanziell und militärisch mehr Verantwortung zu übernehmen. Eine Garantie kann Deutschland jedoch alleine nicht leisten – weder konventionell noch nuklear. Umgekehrt könnte Merz auch nicht einfach dem Druck Trumps nachgeben und den deutschen – und damit zweitgrößten – finanziellen Anteil an der Unterstützung der Ukraine auslaufen lassen. Das würde die eigene Sicherheitslage Deutschlands gefährden. Ein gemeinsames europäisches Vorgehen ist daher essenziell.
Strittig bleibt innerhalb der EU die Frage, wie mit eingefrorenem russischem Finanzguthaben umgegangen werden soll. Während manche Staaten dafür plädieren, die Einlagen selbst zu nutzen, um über die Zinserlöse hinaus weiteres Geld für die Unterstützung der Ukraine am Kapitalmarkt zu beschaffen, ist nicht nur in Deutschland die Sorge groß, dass mit der Enteignung privater Guthaben das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verloren gehen könnte. Sollte Merz gegenüber Trump weitreichende Finanzzusagen machen wollen, bräuchte er dafür die Rückendeckung seiner europäischen Partner.
Handels- und Digitalpolitik in EU-KompetenzWeitere Forderungen aus Washington betreffen die Handelspolitik und regulatorische Fragen, darunter EU-Zölle oder die Regulierung digitaler Plattformen. In diesen Bereichen sind Merz allerdings die Hände gebunden. Zuständig ist dafür in erster Linie die Europäische Kommission, die in diesen bereits Gesetze wie den Digital Markets Act oder den Digital Services Act vorangetrieben hat, die inzwischen EU-weit gelten.
Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach einer robusteren Außenwirtschaftspolitik gegenüber China, einschließlich der Zölle auf Elektrofahrzeugimporte. Deutschland ist zwar ein wichtiger Ansprechpartner, doch eine Hebelwirkung entfaltet sich nur durch koordiniertes Handeln der gesamten EU. Maßnahmen um das Land daran zu hindern, Waren aus staatlich subventionierter Überproduktion zu geringen Preisen auf den US- und auf den europäischen Markt zu bringen, lassen sich nur gemeinsam durchsetzen.
Friedrich Merz steht bei seinem Besuch in Washington vor seiner ersten großen außenpolitischen Bewährungsprobe. Einerseits erwartet Europa von ihm, dass er die transatlantischen Beziehungen stabilisiert. Andererseits darf er dabei die europäischen Interessen nicht aus den Augen verlieren. Das »europäische Korsett« hat dabei den Nachteil, dass es flexibles Handeln erschwert. Es hat jedoch den Vorteil, dass es Merz’ Vorgehen für die europäischen Partner vorhersehbarer macht. Das schafft Vertrauen in die deutsche Außenpolitik.
Georgien befindet sich an einer Weggabelung: innenpolitisch durch den Rückbau demokratischer Errungenschaften, außenpolitisch durch eine Rekonfiguration seiner Außenbeziehungen. Beeinflusst werden diese Dynamiken durch geopolitische Disruptionen in der Region und auf globaler Ebene. Im Umgang mit dieser Herausforderung sollte die EU eine bedachtsame Nutzung von Kommunikationskanälen im Sinne der demokratischen und europäischen Zukunft Georgiens prüfen, Kooperationsfragen eng an deren Implikationen für die Bevölkerung knüpfen sowie die Resilienz der georgischen Zivilgesellschaft stärken. Fortschritte anderer EU-Beitrittskandidaten würden EU-skeptische Stimmen schwächen und könnten den gesellschaftlichen Rückhalt für Georgiens europäische Perspektive festigen.
Die EU verfügt über ein weltweit einzigartiges Netz von Freihandelsabkommen. In oft langwierigen Verhandlungen hat sie dafür Vereinbarungen geschlossen, die über eine gegenseitige Öffnung der Märkte weit hinausgehen. Vielmehr beziehen die Abkommen wirtschaftliche und außenpolitische Themen mit ein, ebenso Fragen der ökonomischen Entwicklung und des Schutzes menschenwürdiger Arbeit, der Umwelt und der Menschenrechte. Allerdings ändern sich zunehmend die Rahmenbedingungen. Dies betrifft nicht nur die neuesten Aktivitäten der US-Regierung in der Handelspolitik, die Erosion der Welthandelsorganisation (WTO) als multilateraler Ordnungsrahmen oder die geoökonomischen Prioritäten anderer Akteure sowie die zunehmende Konkurrenz mit ihnen. Auch die Handelspolitik der EU selbst hat sich gewandelt, neue Ziele definiert und neue Instrumente entwickelt. Diese Herausforderungen bieten Anlass, die bisherige Praxis der EU auf den Prüfstand zu stellen, was den Umgang mit geplanten Freihandelsabkommen angeht. Das gilt für deren Inhalt und Zuschnitt, aber auch für die Verhandlungen mit den jeweiligen Partnern sowie die EU-internen Abläufe der Zustimmung und des Abschlusses. Wesentlich muss die EU in die Lage kommen, Freihandelsabkommen erforderlichenfalls leichter und schneller abschließen zu können. Sie kann dazu ihren Partnern in einigem Umfang eine Modularisierung und Dynamisierung der Vereinbarungen anbieten, ebenso eine Kooperation bei der Umsetzung der EU-seitigen autonomen Nachhaltigkeitsinstrumente. Die EU muss aber auch intern die Zustimmung zu Abkommen und deren Abschluss erleichtern und beschleunigen. Sie kann dabei in weitem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch machen, den »Handelsteil« von Abkommen im Rahmen ihrer Handelskompetenz allein und mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat abzuschließen.
In summer 2023, the EU entered a strategic raw materials partnership with Chile. While the EU is seeking to gain better access to critical raw materials such as lithium and copper, Chile is aiming to diversify its raw materials sector and boost local value creation. Despite progress having been made in the scientific and technological spheres, industrial cooperation has so far fallen short of expectations. To fully realise the potential of the partnership, the EU should seek to ensure that its existing initiatives with Chile are more closely aligned and should make more effective use of synergies between raw materials, renewable energy and hydrogen. This will require stronger investment incentives for European companies. Given the new US trade policy, it is especially important that the EU underpins its partnership promises through concrete actions in order to demonstrate that it is a reliable partner.
Ankara’s “techno-nationalist” policies aim to place Turkey among the innovation leaders of the 21st century. The country has already achieved notable progress in its defence industry, launched its own EV brand and is preparing a space mission. But creating “native and national” (yerli ve milli) alternatives to the big global players in artificial intelligence (AI), 5G or semiconductors is not an easy task. With few commercial success stories to show, Turkey still needs international partners to develop innovation in the twenty-first century. This is likely to become more challenging under the Trump administration, whose drastic trade policies have complicated the relationships between China, Europe and the United States. With different dependencies on each of these actors (American digital corporations, Chinese network infrastructure and EU tech norms) Turkey faces a geopolitical trilemma in the field of technology.
Der Terroranschlag in Pahalgam, bei dem am 22. April insgesamt 26 Menschen ermordet wurden, hat den Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan zurück auf die internationale Bühne gebracht. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern und die diplomatische Intervention der USA haben eine Reihe von Dilemmata Indiens im Umgang mit Pakistan offenkundig werden lassen. Auf nationaler Ebene gelingt es Indien nicht, den Terror in Jammu und Kaschmir dauerhaft einzudämmen. Im regionalen Kontext ist das Land trotz seiner konventionellen Überlegenheit nicht imstande, eine wirksame Abschreckung gegenüber Pakistan aufzubauen. Auf internationaler Ebene ist die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, im Kaschmir-Konflikt zu vermitteln, für Indien ein herber diplomatischer Rückschlag.
Germany’s international and European policy environment is changing drastically. This necessitates a reorientation of Germany’s European policy. The European Union (EU) is becoming increasingly important for Germany as a powerful community of action and should be further developed into an economic and security life insurance policy for Germany and the EU’s other member states. In the coalition agreement between the CDU / CSU and the SPD, the new governing parties are claiming a pragmatic leadership role for Germany in European policy. To realise this ambition and advance key policies that are crucial for European self-determination, the new government should provide leadership that is marked by enhanced European policy coordination, grounded in an expanded partnership strategy, and aimed at strengthening the Union’s overall capacity to act.
With the reconfiguration of international supply chains, Mexico has gained importance as a location for new foreign investments. The country has been able to benefit from nearshoring, that is, the relocation of services or production processes closer to consumer markets. This is associated with lower logistics costs and often better management of supplier relationships. However, this boom in investments has abated due to various uncertainties – not least being Washington’s threats to raise tariffs, which burdens the economic prospects associated with nearshoring. Mexican President Claudia Sheinbaum is attempting to counter this trend, but in view of the increasingly urgent demand by the United States for third countries to adopt an anti-Chinese course, Mexico is at risk of being caught in the trap of “security-shoring” and losing its autonomous room for manoeuvre. This is already forcing Mexico – as well as its economic partners who have invested there – to realign their production processes.