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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 3 weeks 6 days ago

Eskalation im Nordkosovo gefährdet den Belgrad-Pristina-Dialog

Tue, 10/10/2023 - 14:12

Der Angriff auf die Kosovo-Polizei im nordkosovarischen Dorf Banjska am 24. September hat Befürchtungen vor einem neuen Krieg im Kosovo geweckt. Die Angreifer, eine serbische paramilitärische Gruppe, hatten die Attacke offensichtlich von langer Hand geplant. Darauf deuten Art und Menge der beschlagnahmten Waffen und Munition hin, darunter Panzerabwehrwaffen und gepanzerte Fahrzeuge. Der kosovo-serbische Politiker und mutmaßliche Anführer lokaler krimineller Gruppen, Milan Radoičić, bekannte sich zunächst zu dem Angriff, bei dem ein kosovo-albanischer Polizist und mindestens drei kosovo-serbische Täter ums Leben kamen. Die Polizei hatte ihn nach eigenen Angaben mit Drohnen gefilmt. Bei einer Gerichtsverhandlung am 4. Oktober beteuerte Radoičić dann jedoch seine Unschuld. Damit bleibt unklar, ob jemand den Angriff angeordnet hat oder ob Radoičić auf eigene Faust gehandelt hat. Der Politiker steht seit 2021 auf der Sanktionsliste der USA für organisierte kriminelle Aktivitäten wie Drogen- und Waffenschmuggel. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić feiert ihn als Nationalheld. Kosovos Regierungschef Albin Kurti beschuldigt Vučić, den Überfall befohlen zu haben, was Serbien zurückweist.

Notwendigkeit einer unabhängigen Untersuchung

Unabhängig davon, ob Vučić der Befehlshaber der Attacke war oder nicht, ist die regionale Stabilität und Sicherheit bedroht. Die erste Option – dass Vučić den Befehl gab – würde bedeuten, dass er mit seiner semi-autoritären Politik systematisch die Grenzen des Westens ausgetestet hat, dass er erkannt hat, dass ihm keine Konsequenzen für sein destabilisierendes Verhalten drohen, und dass er die Situation zu einem Territorialkonflikt eskalieren ließ. Durch den Einsatz paramilitärischer Gruppen kann er seine Einmischung plausibel leugnen, solange es keine handfesten Beweise für eine direkte Befehlslinie gibt. Dies würde auch bedeuten, dass er weiterhin bereit wäre, die Grenzen des Westens im Kosovo zu testen.

Die zweite Option – dass Radoičić auf eigene Faust gehandelt hat – würde bedeuten, dass Vučić die Kontrolle über die alternativen Sicherheitsstrukturen im Nordkosovo verloren hat und dass Teile des serbischen Sicherheitsapparats, wahrscheinlich um Aleksandar Vulin, den Direktor des serbischen Geheimdienstes mit engen Verbindungen zu Russland, gegen die Interessen des Staatschefs gehandelt haben. Dies wiederum würde bedeuten, dass die Attacke in Banjska nicht die letzte ihrer Art gewesen sein könnte. Wie tief die vermutete Spaltung innerhalb des serbischen Sicherheitsapparats geht, ist ebenfalls unklar und würde nichts Gutes verheißen.

Handlungsbedarf für die EU und USA

Angesichts der Implikationen dieser beiden möglichen Szenarien ist es wichtig, dass die EU, gemeinsam mit den USA, Druck auf Serbien ausübt, eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse vom 24. September zuzulassen und mit der kosovarischen Justiz zusammenzuarbeiten. Sollte sich die erste Option als korrekt erweisen, würde dies ein Umdenken in der Beschwichtigungspolitik der EU und der USA gegenüber Serbien erfordern. Sollte sich die zweite Option als richtig erweisen, wäre das Fazit das gleiche. Dann läge es aber im Interesse der EU und der USA, die Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit im Kosovo mit einer verstärkten KFOR-Truppe und der EULEX-Mission zu gewährleisten.

Solange die KFOR-Truppe der Nato im Kosovo stationiert ist, ist ein flächendeckender Krieg unwahrscheinlich. Sie muss auch gestärkt werden, um als eine Abschreckung gegen weitere potentiell destabilisierende Attacken zu dienen. Das Vereinigte Königreich und potentiell auch Deutschland haben bereits die Entsendung weiterer Truppen angekündigt und zum Teil auch schon durchgeführt, was ein gutes Zeichen ist. Obwohl ein offener Krieg mit der Nato nicht im Interesse Serbiens ist, da es dann politisch und ökonomisch isoliert wäre, hat die Vergangenheit gezeigt, dass Krieg in autoritären Systemen zum Machterhalt beitragen kann.

Auswirkungen auf den Belgrad-Pristina-Dialog

Die jüngsten Ereignisse in Banjska haben auch weitreichende Implikationen für den Belgrad-Pristina-Dialog, der seit 2011 von der EU vermittelt wird. Die EU hat im Laufe des Dialogs gezeigt – und das ist seit der Vereinbarung des Normalisierungsabkommens von Februar und März 2023 noch deutlicher geworden –, dass ihre bisherigen Hebel nicht ausreichen, um die Umsetzung des Abkommens zu erreichen. Dies betrifft nicht nur Serbiens Verpflichtung, Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht zu blockieren, sondern auch Kosovos Verpflichtung, den Gemeindeverband der Kommunen mit serbischer Mehrheit zu etablieren. Umso wichtiger ist es, dass die EU alle ihr zur Verfügung stehenden diplomatischen und wirtschaftlichen Druckmittel einsetzt, um beide Seiten zur Rückkehr zum Dialog zu bewegen. Dazu gehört unter anderem die Verhängung von Strafmaßnahmen gegen Serbien, um ein Ende der Beschwichtigungspolitik zu signalisieren. Dabei sollte der Westen berücksichtigen, dass sich die Strafmaßnahmen gegen den Machterhalt der autoritären Politiker und nicht gegen die Bevölkerung richten.

Die Gründung des Gemeindeverbands der Kommunen mit serbischer Mehrheit im Kosovo wird in naher Zukunft wahrscheinlich keine hohe Priorität haben. Selbst wenn er etabliert wird, wird er nur in abgeschwächter Form realisiert werden, da der Anschlag in Banjska erneut die Verbindungen zwischen der größten kosovo-serbischen Partei, der organisierten Kriminalität im Norden und dem destabilisierenden Einfluss Belgrads auf das politische Leben im Kosovo aufgezeigt hat. Dies bedeutet, dass ein Gemeindeverband nicht dazu dienen darf, dass Belgrad die Kosovo-Serben weiterhin für seine innenpolitischen Zwecke instrumentalisiert. Umso wichtiger ist es, dass das Kosovo auf seine Bürgerinnen und Bürger im Norden zugeht, denn auch sie wollen nicht in einem rechtsstaatlichen Vakuum leben. Es liegt im Interesse aller am Dialog Beteiligten, dass die Menschen im Kosovo, im Norden wie im Süden, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ein menschenwürdiges Leben führen können.

 

More Trade, Less Aid

Tue, 10/10/2023 - 14:00

 

Germany’s Federal Ministry of Economic Cooperation and Development - BMZ’s new Africa Strategy, unveiled in January 2023, acknowledges that creating an enabling environment for new jobs that have a social and environmental impact, and at the same time empowering is important. Reading through the BMZ’s six Africa Strategy focus areas, energy transition partnerships, sustainable infrastructure, establishing a new green hydrogen industry, processing food locally, more intra-African trade or better access to credit for women are highlighted. Digital technology is also mentioned as an important transformation lever, especially for the young generation.

On paper, this reads like Germany is beginning a policy discussion with Africa rather than about Africa, which has been done previously. This had begun under Chancellor Merkel, who visited Africa more than 25 times and hosted a summit for African heads of state and government in Berlin four times. A driver for this was managing migration and seeking to improve conditions in countries of origin. In 2017, Merkel used Germany’s G20 presidency to relaunch Germany’s Africa policy, partly through the Compact with Africa (CwA). Twelve African nations are part of the CwA, but what are the results is debated, despite upbeat official reports.

Migration, development, and security looked to be the prime focus of the coalition government's Africa policy back in 2021 and the German private sector was conspicuously absent. However, what are key German interests in Africa currently is ill-defined. Strategic and critical minerals, counterterrorism and managing migration still need spelling out more clearly as key German foreign policy objectives.

Sharpen Bilateral Policy

The African continent is 85 times the size of Germany but Africa’s diversity and how German policy navigates this needs sharper definition. It is fashionable to talk about multilateralism, but Berlin needs to define its bilateral relations with Africa’s states more clearly. With 43 diplomatic missions Africa is home to more than a quarter of Germany’s embassies worldwide. These embassies should become key building blocks, underpinning bilateral and sub-regional strategy. Their effectiveness should require better trade and investment promotion, and this will require more German diplomats trained for trade rather than aid and with more Africa expertise. This is something the UK is struggling with. Having left the EU and reduced its aid-budget, the UK is finding that many African governments increasingly want to focus on deepening bilateral commercial arrangements and access FDI from the City of London. Old style diplomacy is no longer fit for purpose.

Between 2016 and 2020, US$9.7 billion flowed from Germany to Africa in foreign direct investment. However, compared to other European nations, it still only spent half as much as France and three-fifths as much as the UK, according to an analysis by EY consulting. If you compare globally, only 1% of the investment of €163.7 billion ($173 billion) made by German companies in foreign countries in 2022 was in the African continent. In 2021, around 76% of the German capital went to European countries, while the Americas ranked second with 9%, and Asia took third place with 13%. Africa falls far behind and remains a low priority. More than half of Germany's direct investment flows to Africa go to South Africa, where more than 400 German companies employ some 65,000 people.

Educate and Mitigate Risk

This low level of German FDI into Africa is partly about perception. A survey conducted by the Federation of German Industry (BDI) of German companies and their Africa appetite highlighted corruption, political instability, bureaucratic hurdles, and the lack of skilled workers as the main problems they face in doing business on the continent. That the continent is risky and investment and trade unfriendly is often true, but not always and everywhere. It also begs the question if German companies are more risk-adverse than others, and to understand why this may be the case.

Africa’s potential and that there are bankable project and investment opportunities needs to be better promoted. Setting up effective measures to make investing in Africa more attractive and less risky for German firms, should be a priority such as expanding a fund for German investment in Africa and improved risk protection for German companies.

Germany’s Economy Minister Robert Habeck at an opening of a German African business conference in Johannesburg in December 2022 highlighted that, “There will be additional incentives to invest in regions like sub-Saharan Africa where we want more German investments and more German trade.” This is a welcome statement of intent but needs action.

Strategic Diversification

Berlin needs to find new markets to diversify trade and supply chains, particularly away from Russia and China. German companies want to boost their Africa trade especially in areas such as green hydrogen and liquefied natural gas, with 43% planning to increase investment in the continent, according to a survey by the German African Business Association. The Association, which claims it represents around 85% of German businesses active in Africa, wants the German government to also provide support through improved conditions for export credit insurance and investment guarantees.

Africa is also important for Germany’s energy transition and its metallic raw materials such as cobalt, lithium or the platinum group metals are important for the green transformation of industry. According to a study by the German Institute for Economic Research, Germany is 100% dependent on foreign suppliers for 21 out of 27 raw materials that are deemed critical. Sustainable extraction and further processing of the raw materials locally as well as security of supply of critical and strategic minerals for German companies is clearly important as Germany seeks to diversify its trade relations.

The African Free Continental Trade Area (AfCFTA) will also create a market with 1.3 billion people and a cumulative gross domestic product of US$3.4 trillion. Reducing intra-African economic barriers would make the continent more attractive for German investment and German development policy should make the implementation of the AfCFTA a priority, including by investing in intra-Africa trade and industrialisation

Germany also needs to make it easier for African countries to manage their debts including by providing budgetary support. Germany is a member of the G20, the Paris Club and the fourth-largest shareholder of the IMF. Germany with its European partners can also look at the question of how to better involve private lenders based in Europe in debt restructuring negotiations – for instance in the framework of IMF programmes.

African Migration

Like many countries in Europe, Germany is facing a shortage of skilled workers. The German government also in 2023 has given its final approval for a law that will make it easier for skilled workers from outside the EU to move to Germany. A new German Africa strategy should focus on supporting legal immigration options from African countries in the future while avoid predatory ‘cherry picking’ of talented Africans and weakening African states. Opening an honest debate on future German labour and the importance of a circular migration strategy with Africa is needed.

There is an opportunity for Berlin to re-engineer German-Africa strategy, drawing it away from overly humanitarian to putting a strategic, business focused spine through it. This will require Germany and African states and regions to define their interests such as what are their trade and investment needs. Otherwise, such a strategy could just result for some countries a sharper neo-colonial German mercantilist policy.

 

Dr Alex Vines OBE directs the Africa Programme at Chatham House and is an assistant professor at Coventry University and an honorary fellow of the Nigerian Institute of International Affairs, Lagos.

Responsibility for content, opinions expressed and sources used in the articles and interviews lies with the respective authors.

More Trade, Less Aid

Tue, 10/10/2023 - 14:00

 

Germany’s Federal Ministry of Economic Cooperation and Development - BMZ’s new Africa Strategy, unveiled in January 2023, acknowledges that creating an enabling environment for new jobs that have a social and environmental impact, and at the same time empowering is important. Reading through the BMZ’s six Africa Strategy focus areas, energy transition partnerships, sustainable infrastructure, establishing a new green hydrogen industry, processing food locally, more intra-African trade or better access to credit for women are highlighted. Digital technology is also mentioned as an important transformation lever, especially for the young generation.

On paper, this reads like Germany is beginning a policy discussion with Africa rather than about Africa, which has been done previously. This had begun under Chancellor Merkel, who visited Africa more than 25 times and hosted a summit for African heads of state and government in Berlin four times. A driver for this was managing migration and seeking to improve conditions in countries of origin. In 2017, Merkel used Germany’s G20 presidency to relaunch Germany’s Africa policy, partly through the Compact with Africa (CwA). Twelve African nations are part of the CwA, but what are the results is debated, despite upbeat official reports.

Migration, development, and security looked to be the prime focus of the coalition government's Africa policy back in 2021 and the German private sector was conspicuously absent. However, what are key German interests in Africa currently is ill-defined. Strategic and critical minerals, counterterrorism and managing migration still need spelling out more clearly as key German foreign policy objectives.

Sharpen Bilateral Policy

The African continent is 85 times the size of Germany but Africa’s diversity and how German policy navigates this needs sharper definition. It is fashionable to talk about multilateralism, but Berlin needs to define its bilateral relations with Africa’s states more clearly. With 43 diplomatic missions Africa is home to more than a quarter of Germany’s embassies worldwide. These embassies should become key building blocks, underpinning bilateral and sub-regional strategy. Their effectiveness should require better trade and investment promotion, and this will require more German diplomats trained for trade rather than aid and with more Africa expertise. This is something the UK is struggling with. Having left the EU and reduced its aid-budget, the UK is finding that many African governments increasingly want to focus on deepening bilateral commercial arrangements and access FDI from the City of London. Old style diplomacy is no longer fit for purpose.

Between 2016 and 2020, US$9.7 billion flowed from Germany to Africa in foreign direct investment. However, compared to other European nations, it still only spent half as much as France and three-fifths as much as the UK, according to an analysis by EY consulting. If you compare globally, only 1% of the investment of €163.7 billion ($173 billion) made by German companies in foreign countries in 2022 was in the African continent. In 2021, around 76% of the German capital went to European countries, while the Americas ranked second with 9%, and Asia took third place with 13%. Africa falls far behind and remains a low priority. More than half of Germany's direct investment flows to Africa go to South Africa, where more than 400 German companies employ some 65,000 people.

Educate and Mitigate Risk

This low level of German FDI into Africa is partly about perception. A survey conducted by the Federation of German Industry (BDI) of German companies and their Africa appetite highlighted corruption, political instability, bureaucratic hurdles, and the lack of skilled workers as the main problems they face in doing business on the continent. That the continent is risky and investment and trade unfriendly is often true, but not always and everywhere. It also begs the question if German companies are more risk-adverse than others, and to understand why this may be the case.

Africa’s potential and that there are bankable project and investment opportunities needs to be better promoted. Setting up effective measures to make investing in Africa more attractive and less risky for German firms, should be a priority such as expanding a fund for German investment in Africa and improved risk protection for German companies.

Germany’s Economy Minister Robert Habeck at an opening of a German African business conference in Johannesburg in December 2022 highlighted that, “There will be additional incentives to invest in regions like sub-Saharan Africa where we want more German investments and more German trade.” This is a welcome statement of intent but needs action.

Strategic Diversification

Berlin needs to find new markets to diversify trade and supply chains, particularly away from Russia and China. German companies want to boost their Africa trade especially in areas such as green hydrogen and liquefied natural gas, with 43% planning to increase investment in the continent, according to a survey by the German African Business Association. The Association, which claims it represents around 85% of German businesses active in Africa, wants the German government to also provide support through improved conditions for export credit insurance and investment guarantees.

Africa is also important for Germany’s energy transition and its metallic raw materials such as cobalt, lithium or the platinum group metals are important for the green transformation of industry. According to a study by the German Institute for Economic Research, Germany is 100% dependent on foreign suppliers for 21 out of 27 raw materials that are deemed critical. Sustainable extraction and further processing of the raw materials locally as well as security of supply of critical and strategic minerals for German companies is clearly important as Germany seeks to diversify its trade relations.

The African Free Continental Trade Area (AfCFTA) will also create a market with 1.3 billion people and a cumulative gross domestic product of US$3.4 trillion. Reducing intra-African economic barriers would make the continent more attractive for German investment and German development policy should make the implementation of the AfCFTA a priority, including by investing in intra-Africa trade and industrialisation

Germany also needs to make it easier for African countries to manage their debts including by providing budgetary support. Germany is a member of the G20, the Paris Club and the fourth-largest shareholder of the IMF. Germany with its European partners can also look at the question of how to better involve private lenders based in Europe in debt restructuring negotiations – for instance in the framework of IMF programmes.

African Migration

Like many countries in Europe, Germany is facing a shortage of skilled workers. The German government also in 2023 has given its final approval for a law that will make it easier for skilled workers from outside the EU to move to Germany. A new German Africa strategy should focus on supporting legal immigration options from African countries in the future while avoid predatory ‘cherry picking’ of talented Africans and weakening African states. Opening an honest debate on future German labour and the importance of a circular migration strategy with Africa is needed.

There is an opportunity for Berlin to re-engineer German-Africa strategy, drawing it away from overly humanitarian to putting a strategic, business focused spine through it. This will require Germany and African states and regions to define their interests such as what are their trade and investment needs. Otherwise, such a strategy could just result for some countries a sharper neo-colonial German mercantilist policy.

 

Dr Alex Vines OBE directs the Africa Programme at Chatham House and is an assistant professor at Coventry University and an honorary fellow of the Nigerian Institute of International Affairs, Lagos.

Responsibility for content, opinions expressed and sources used in the articles and interviews lies with the respective authors.

Wie weiter nach den Angriffen der Terrormiliz Hamas auf Israel?

Tue, 10/10/2023 - 07:40
Seit dem Wochenende herrscht im Nahen Osten der Ausnahmezustand. Der Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel hat tiefe Wunden gerissen. Israel hat den Kriegszustand ausgerufen, den Gazastreifen inzwischen komplett abgeriegelt und 300.000 Reservisten einberufen. Wie die Lage sich weiter entwickeln könnte, darüber wollen wir mit dem Israel-Experten Dr. Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Das wird eine neue Phase im Konflikt einläuten

Mon, 09/10/2023 - 13:16
Es ist unklar, ob es einen größeren Plan hinter den Hamas-Angriffen gibt, sagt Peter Lintl, Experte für Israel und den Nahostkonflikt. Im WDR-Interview redet er auch über die Risiken einer Bodenoffensive.

Experte Lintl zum Kriegsgeschehen in Israel

Mon, 09/10/2023 - 09:30
Nahost-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht unter anderem über die Rolle der Hisbollah im Krieg in Israel, die Versäumnisse des israelischen Geheimdienstes und die operationalen Ziele der Hamas. Seiner Ansicht nach wird der Konflikt so lange andauern, bis die Streitfragen des Kernkonfliktes gelöst werden. Die Bereitschaft den Konflikt friedlich beizulegen ist nach Meinung des Experten endenwollend.

»Putin kann diesen Krieg nicht ohne Sieg beenden«

Fri, 06/10/2023 - 13:00
Hat »Chauvinismus« Moskau in den Krieg getrieben? Forscherin Sabine Fischer sagt, das Regime funktioniere mit einer Mischung aus Nationalismus, Sexismus und Autokratie. Und dieses Denken dürfte Russland noch lange begleiten.

Das dänische Modell ist nicht übertragbar

Fri, 06/10/2023 - 06:50
Dänemarks Asylpolitik lässt sich nicht einfach kopieren, so der Politologe Raphael Bossong. Das Land habe einen besonderen Rechtsstatus in der EU. Zudem würden strengere Maßnahmen die Menschen auch nicht davon abhalten, nach Europa zu kommen.

Afrikanisch sein oder nicht?

Thu, 05/10/2023 - 14:42

 

Am 25. Juli 2021 ergriff Kais Saied die uneingeschränkte Macht in Tunesien. Erst 2019 war er demokratisch zum tunesischen Präsidenten gewählt worden. Anschließend löste er das Parlament auf und schaffte die erste und einzige demokratische Verfassung ab, die Tunesien jemals gehabt hatte.

In einer Erklärung vom 21. Februar 2023 sprach er davon, dass Tunesien von „Horden illegaler Migranten“ belagert werde, die eine Ursache für „Gewalt, Verbrechen und inakzeptablen Taten“ seien. Damit meinte er afrikanische Migrant*innen, die versuchten, über Tunesien nach Europa zu gelangen.

Saied betonte, dass ihre Anwesenheit in Tunesien schnell ein Ende finden müsse. Diese illegale Einwanderung sei Teil eines „kriminellen Unterfangens“, das zu Beginn des Jahrhunderts geplant worden sei, um die demographische Zusammensetzung Tunesiens zu verändern“. Das Ziel dieser Verschwörung sei es, Tunesien in ein „rein afrikanisches“ Land zu verwandeln und seinen „arabisch-muslimischen Charakter“ zu verdrängen.

Diese Rede hatte dramatische Folgen. Auf menschlicher Ebene führte sie zu einer regelrechten Hetzjagd auf schwarze Menschen. Studierende mit regulärem Aufenthaltsstatus wurden auf der Straße belästigt; viele wandten sich an ihre Konsulate mit der Forderung, sie in ihre Herkunftsländer zurückzubringen. Ganze Familien wurden aus ihren Wohnungen vertrieben. Racial Profiling wurde zur Norm, von der auch dunkelhäutig gelesene Tunesier*innen betroffen waren. Schlimmer noch, Migrant*innen wurden an die libysche Grenze zurückgebracht und dort mitten in der Wüste ohne Wasser und Lebensmittel sich selbst überlassen.

Auf politischer Ebene hat dieser Skandal Tunesiens Image weiter beschädigt – ein Land, das 2011 mit seiner demokratischen und friedlichen Revolution den sogenannten Arabischen Frühling auslöste und damit der Stolz der arabischen Welt und Afrikas war.

Vor allem aber hat diese düstere und beschämende Episode der modernen Geschichte Tunesiens gezeigt, wie tief drei große Fragen reichen, die nicht nur Tunesien, sondern den gesamten Maghreb beschäftigen: jene nach der Identität, der regionalen Integration und der geostrategischen Verortung.

Die Rede des Putschisten-Präsidenten drehte sich im Kern um die nach wie vor ungelöste Frage, wer wir, die Tunesier*innen und Maghrebiner*innen, eigentlich sind.

Auf diese Frage gibt es in Tunesien, wie im übrigen Maghreb, zwei Antworten, die relativ eng mit der sozialen Zugehörigkeit verbunden sind. Für einen konservativen Teil der Bevölkerung mit niedrigerem sozioökonomischen Status ist unsere Identität ohne Zweifel arabisch-maghrebinisch. `Maghreb´ bedeutet im Arabischen `Westen´, was darauf verweist, dass wir am westlichen Rand der arabisch-muslimischen Welt sind.

Für das westlich orientierte und weitgehend säkularen Bürgertum sind wir in erster Linie Anrainer*innen des Mittelmeerraums, Bewohner*innen des südlichen Westens, wobei mit Westen hier Europa gemeint ist.

Insbesondere in Algerien, Marokko und Libyen werden außerdem zunehmend Stimmen laut, die eine identitäre Zugehörigkeit zur Kultur der Berber oder Amazigh beanspruchen.

Dagegen gibt es keine Stimmen, die sich auf eine afrikanische Identität berufen – obwohl ein Teil der Bevölkerung, insbesondere im Süden der Maghrebstaaten, aus Subsahara-Afrika stammt. Sogar das Wort `Afrika´ selbst leitet sich von dem Begriff `Ifriqiya´ ab, der ursprünglich den Nordwesten Tunesiens bezeichnete und später auf den gesamten Kontinent ausgeweitet wurde.

Die Ablehnung der afrikanischen Identität hat ihren Ursprung in einem Rassismus nach brasilianischem Muster. Bis heute werden Menschen umso niedrigerer auf der sozialen Leiter eingeordnet, je dunkler ihre Hautfarbe ist. Mit diesem latenten Rassismus und der impliziten Zurückweisung unseres Afrikanisch-seins spielte nun der gegenwärtige Putschisten-Präsident. Er erntete dafür Beifall, denn nichts funktioniert heutzutage besser als die populistische Rhetorik der extremen Rechten, die die niedrigsten Instinkte einer Gesellschaft anspricht.

Die menschliche Natur ist leider überall und zu allen Zeiten die gleiche. Deshalb betrachtete der Maghreb im Laufe seiner Geschichte Subsahara- Afrika nur als ein Gebiet, in dem es Reichtümer (hauptsächlich Gold und Menschen für den Sklavenhandel) zu plündern und die eigene Sprache und Religion zu verbreiten galt. Es ist die gleiche Art von kolonialer Beziehung, die der Kontinent unter europäischer Herrschaft erlitten hat.

Die zweite Frage, die durch die rassistische Tirade des Präsidenten mit Gewalt auf die Tagesordnung gesetzt wurde, ist eine politische: In welchen regionalen Raum sollen sich unser Land und der Maghreb integrieren?

Die Arabische Liga ist seit ihrer Gründung im Jahr 1945 eine leere Hülle. Das 1989 in Marrakesch gegründete Projekt der Union des Arabischen Maghreb (UAM), die Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien umfassen sollte, ist aufgrund des Konflikts zwischen Marokko und Algerien um die Westsahara tot und begraben. Die Versuche des ehemaligen marokkanischen Königs Hassan II, der Europäischen Union (EU) beizutreten, lehnte Europa höflich ab. Was also bleibt übrig?

Für die maghrebinischen Politiker*innen, die ihren Gesellschaften ausnahmsweise einmal voraus waren, war die Suche nach engeren Verbindungen mit den Ländern südlich der Sahara die Lösung für die Blockade der interarabischen und intermaghrebinischen Integration.

Der Wettlauf um Subsahara-Afrika wurde durch Libyen unter Muammar Gaddafi eröffnet, der sich als König von Afrika träumte. Weniger folkloristisch und besser organisiert war die marokkanische Politik, die Märkte Zentral- und Westafrikas zu erschließen. Algerien folgte Marokko im Zuge einer Rivalität in alle Himmelsrichtungen. Tunesien war unter Präsident Ben Ali in diesem Rennen völlig außen vor. Diese Abwesenheit, die in erster Linie meinem Land geschadet hat, musste so schnell wie möglich behoben werden.

Nach meinem Amtsantritt als Interims-Präsident 2011 besuchte ich zahlreiche afrikanische Hauptstädte in Begleitung einer Delegation mit rund 100 Unternehmensvertreter*innen, um Beziehungen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Handel zu knüpfen.

Wir wurden überall sehr herzlich empfangen und brachten Kooperationsvorhaben, insbesondere im Gesundheits- und Bildungsbereich, auf den Weg. Diese ganze Arbeit wurde nun durch einen inkompetenten und unverantwortlichen Diktatorenlehrling zunichte gemacht.

Es bleibt allerdings festzuhalten, dass Tunesien, wie alle Maghrebstaaten, mit einem realen Problem konfrontiert ist, das sich weiter verschärfen wird, und das mit seiner geostrategischen Lage verbunden ist.

Aufgrund politischer Instabilität, des Klimawandels, wirtschaftlicher Krisen und einer rasanten demographischen Entwicklung, hat die Jugend in Afrika südlich der Sahara keine andere Wahl als zu emigrieren, vor allem in Richtung Europa. Der Maghreb liegt dabei auf der kürzesten Route und sieht sich Druck aus zwei Richtungen ausgesetzt: dem Migrationsdruck aus dem Süden und dem politischen Druck aus dem Norden, diese Migrationsbewegungen zu stoppen – einschließlich wirtschaftlicher Erpressung als Hebel).

Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Kräften gefangen, stehen Tunesien und der Maghreb grundsätzlich vor unmöglichen Entscheidungen.

Unsere eigenen wirtschaftlichen und politischen Krisen schüren den Ansturm gen Norden, der in den Zielländern starke politische Reaktionen auslöst. Heute nutzt die extreme antidemokratische Rechte in Europa die Angst vor Migration und versucht Europa in die 1930er Jahre zurückzuführen. Welche Folgen hätte es für die Demokratie und die Welt, wenn Europa in die dunkelsten Stunden seiner Geschichte zurückkehren würde?

Diese drei großen Fragen konfrontieren alle Maghrebiner*innen – und nicht nur sie – mit enormen Herausforderungen.

Die Frage der irregulären Migration von Nordafrikaner*innen und Afrikaner*innen südlich der Sahara kann nur durch eine großangelegte und langfristige Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gelöst werden – eine Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika als Regionen mit einem geteilten Schicksal.

Die Identitätsfrage stellt sich aufgrund der Globalisierung weltweit. Nur wenn wir unsere Vorstellung von Identität verändern, können wir das gefährliche Monster namens Rassismus in Schach halten. Für uns Maghrebiner*innen bedeutet dies, dass wir aufgrund unserer Geographie und Geschichte arabisch-berberisch-afrikanisch-mediterran sind und unser Afrikanisch-Sein in gleichem Maße annehmen sollten wie die anderen drei Komponenten unserer Identität.

Allein die Integration innerhalb der Region, das heißt die Wiederbelebung der UAM, kann die Wirtschaft unserer Region ankurbeln und damit die Gründe für die Auswanderung unserer Jugend verringern – und zwar auch die der qualifizierten Jugend, die jedoch nur selten von den aufnehmenden Ländern als Geschenk der Ärmsten an die Wohlhabendsten verstanden wird.

Zum Schluss bleibt noch die Frage nach der menschenwürdigen Behandlung von Migrant*innen. Die Maghrebiner*innen würden die schlechteste aller Lösungen wählen, wenn sie die Region in ein von Europa finanziertes Internierungslager verwandeln würden. Für die Europäer*innen wiederum wäre es die schlechteste aller Lösungen, den Kontinent in eine belagerte Festung umzubauen.

Es geht schließlich um unserer aller Zukunft und mehr noch, um unsere Ehre.

Dr. Moncef Marzouki war von 2011 bis 2014 der erste demokratisch gewählte Präsident der Republik Tunesien. Vor der Revolution von 2011 war Marzouki Medizinprofessor und Menschenrechtsaktivist. 2015 gründete er die Partei al-Irada, die sich 2019 in al-Harak umbenannte.

Die Verantwortung für die im Artikel vorgetragenen Inhalte, Meinungen und Quellen liegt beim Autor.

Der Euro angesichts der Dollar-Dominanz

Thu, 05/10/2023 - 02:00

Die Frage der internationalen Rolle des Euros, der nach dem Dollar die zweitwichtigste Währung im internationalen Finanzsystem ist, sollte bei den Bemühungen um eine Stärkung der strategischen Autonomie der EU einen höheren Stellenwert haben. Das Haupthindernis für eine weitere Internationalisierung des Euros sind das Fehlen eines Souveräns, der hinter ihm steht, sowie die Heterogenität und die strukturellen Probleme der Mitgliedstaaten. Der internationale Status des Euros kann aktiv verbessert werden, indem seine Rolle bei der grünen Transformation und bei der weiteren Vertiefung und Integration des Finanzmarkts in Europa gestärkt wird – und durch eine Förderung des Projekts »Digitaler Euro«. Die gegenwärtigen Tendenzen einer wachsenden geopolitischen Rivalität, der Digitalisierung und des Aufstiegs von Plattformunternehmen in der Weltwirtschaft werden sich auf die Entwicklung des internationalen Finanzsystems hin zu einer stärkeren Regionalisierung auswirken.

„Wir müssen konkrete Angebote machen, ohne neue Abhängigkeiten zu schaffen.“

Wed, 04/10/2023 - 13:31

 

Megatrends Afrika (MTA): Welche aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen machen es nötig, dass Deutschland seine Afrikapolitik neu ausrichtet?

Dr. Karamba Diaby (KD): Afrikas Gewicht in der Welt wächst stetig. Der Kontinent verfügt über ein immenses Potenzial für erneuerbare Energien, Digitalisierung und landwirtschaftliche Produktion, über Rohstoffvorkommen und eine chancenreiche junge Bevölkerung. Die Afrikanische Union und andere Regionalorganisationen gewinnen international erheblich an Bedeutung.

Während der Corona-Pandemie ist viel Vertrauen in die globale Solidarität verloren gegangen. Wir beobachten, dass sich immer mehr afrikanische Staaten nach Alternativen zum „westlichen Modell“ umsehen. Bei den jüngsten Machtwechseln in Burkina Faso, Mali und Niger haben lokale Akteure auch Kritik an westlichen Partnerländern geübt. Seit Beginn seines Angriffskriegs auf die Ukraine steht zudem der Einfluss Russlands auf dem afrikanischen Kontinent bei uns auf der politischen Tagesordnung.

Doch globale Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen. Der Klimawandel wird Krisenherde verschärfen und Auswirkungen auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 haben. Um vorhandene Partnerschaften zu stärken und neue aufzubauen, müssen wir auf aktive Diplomatie setzen. Wir müssen afrikanischen Staaten konkrete Angebote machen, ohne neue Abhängigkeiten zu schaffen.

MTA: Wie sollte die deutsche Afrikapolitik neugestaltet werden, um die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten zu verbessern und die nachhaltige Entwicklung in Afrika zu fördern?

KD: Die deutschen Afrikapolitik orientiert sich an den Zielen der afrikanischen Staaten selbst. Diese formulieren selbstbewusst Zukunftsstrategien, die wir mit unserer Afrikapolitik flankieren. Im Bereich Frieden und integrierte Sicherheit heißt das auch die Zusammenarbeit mit den einschlägigen Regionalorganisationen zu stärken. Sie kennen die lokalen Gegebenheiten am besten.

Weiterhin bleibt es wichtig, unser Engagement an den 17 Nachhaltigkeitszielen auszurichten, die Klimaversprechen einzuhalten und die Zusammenarbeit im Bereich der Globalen Gesundheit und der Erneuerbaren Energien zu fördern. Zentral ist dabei, unsere Afrikapolitik an den Erwartungen von Frauen und marginalisierten Gruppen auszurichten. Diese progressiven Inhalte greift die neue Afrikastrategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf und sollen auch in die Leitlinien der Bundesregierung einfließen. Dazu gehören Initiativen wie der Klimaclub von Bundeskanzler Olaf Scholz, das Bündnis für globale Ernährungssicherheit von Ministerin Svenja Schulze und unser Engagement für Just Energy Transition Partnerships.

MTA: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die deutsche Afrikapolitik sowohl die eigenen Interessen als auch die Bedürfnisse und Prioritäten der afrikanischen Staaten und Gesellschaften berücksichtigt?

KD: Neu ist, dass wir unseren Partnern nicht nur unsere Konzepte aufzwingen. Wir hören den afrikanischen Staaten mit ihren individuellen Zukunftsstrategien zu und fragen: Wie lauten Eure Prioritäten? Was erwartet Ihr euch von einer Zusammenarbeit?

Die Anerkennung von kolonialen Kontinuitäten und die entscheidende Rolle von Frauen, der Jugend und indigenen Minderheiten werden endlich explizit benannt. Progressive Afrika-Politik bedeutet, dekolonial zu denken, also koloniale Kontinuitäten aufzubrechen; die 54 afrikanischen Länder und ihre Prioritäten differenziert zu betrachten und nicht immer nur von dem „einen Afrika“ zu sprechen. Und besonders: von den Menschen vor Ort zu lernen.

Es bedeutet, in der afrikapolitischen Betrachtung weg von der alleinigen Entwicklungszusammenarbeit zu kommen und weitere Handlungsfelder mitzudenken. Das Muster, wir müssten „Afrika helfen“, ist mehr als veraltet! Wir sollten die vielfältige Zivilgesellschaft aktiv miteinbeziehen. So gelingt eine Ausrichtung unserer Politik an den konkreten lokalen Bedürfnissen. Gleichzeitig gilt es, uns ehrlich zu machen und eigene Interessen im Dialog mit den Partnerländern klar zu benennen.

MTA: Welche blinden Flecken nehmen Sie in der deutschen Afrikapolitik wahr, die Sie gerne stärker auf die politische Agenda setzen würden?

KD: Im Bereich Digitalisierung und Digitalwirtschaft bietet der Kontinent enormes Potenzial, von dem Deutschland noch lernen kann. Diese Chancen ebenso wie der sozial gerechte Übergang zu Erneuerbaren Energien gehören auf unsere Agenda.

Auch im Ausbau der sozialen Sicherungssysteme bieten sich stärkere Kooperationen an. Das hat sich die Bundesregierung ausdrücklich vorgenommen. Deutschland kann bei der Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme ein verlässlicher Partner sein. Bereits jetzt fördern wir die lokale Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika. Wissenschafts- und Bildungskooperationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Aber: Wir verlieren Vertrauen, wenn wir uns einerseits für Bildungs- und Forschungsförderung; das aber andererseits nicht für Visa-Gerechtigkeit und vereinfachte Migrationsverfahren tun.

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bleibt ein zentraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik. Schwerpunkt sollte darüber hinaus eine faire Handelspolitik sein, die die nachhaltige Wertschöpfung in Afrika selbst zum Ziel hat. Die afrikanische Freihandelszone ist eine Chance für den Kontinent, die Deutschland zusammen mit der Europäischen Union stärker unterstützen sollte.

Dr. Karamba Diaby (SPD) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, sowie dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieses schriftliche Interview wurde im August 2023 geführt und ist Teil unserer Mini-Serie „Vier Fragen“, in denen wir Abgeordnete nach ihren Prioritäten für die neuen Afrikapolitischen Leitlinien fragen.

Abwahl McCarthy: "Es ist jetzt erst einmal ein Machtvakuum da"

Wed, 04/10/2023 - 09:49
Der Chef des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, ist abgewählt worden. Ein parteiinterner Streit hatte hierzu geführt, denn der rechte Flügel der Republikaner empfand den Politiker als zu nachsichtig. Wie die Demokraten darauf reagieren und wie handlungsfähig die Regierung nun ist, weiß Johannes Thimm von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

«Russland spielt auf Sieg», sagt Claudia Major – die Sicherheitsexpertin schliesst Frieden in der Ukraine auf absehbare Zeit aus

Mon, 02/10/2023 - 13:43
Die russische Regierung unter Wladimir Putin hat gelernt, dass man seine Interessen mit Kriegen aggressiv verfolgen und durchsetzen kann

Endspurt bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Thu, 28/09/2023 - 15:00

Noch steht nicht fest, ob das Asyl- und Migrationspaket der EU-Kommission vor den Europawahlen 2024 verabschiedet werden kann; viele Elemente bleiben im Rat sowie zwischen Rat und Parlament umstritten. Angesichts der hitzigen Debatte über die asyl- und migrationspolitische Handlungsfähigkeit der EU und der Wahlerfolge rechts­populistischer Parteien steht viel auf dem Spiel. Die ursprünglich angestrebte Balance von restriktiven und schutzorientierten Elementen wurde im Rat deutlich in Rich­tung Abschreckung verschoben. Aktuell zeigt sich das insbesondere bei der sogenann­ten Krisen-Verordnung. Die Bundesregierung sollte sich in den weiteren Verhand­lungen dafür einsetzen, dass diese Verordnung nicht für sachfremde Ziele instrumen­talisiert wird, dass mit Blick auf das gesamte Reformpaket die Überwachung grund­rechtlicher Standards glaubwürdiger und robuster wird und dass sich die EU mit den Reformen nicht noch abhängiger von autokratischen Drittstaaten macht.

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