Mitte Februar fanden in Indonesien die weltweit größten Wahlen statt – und das an einem einzigen Tag. Rund 205 Millionen Wahlberechtigte wurden an die Urnen gerufen, um einen neuen Präsidenten, einen neuen Vizepräsidenten sowie fast 20 000 Abgeordnete für das nationale Parlament, die Provinz- und die Bezirksparlamente zu bestimmen. Der Fokus lag vor allem auf der Wahl des Präsidenten, weil dieser im politischen System des Landes eine hervorgehobene Stellung hat. Sieger ist nach Hochrechnungen der ehemalige General Prabowo Subianto. Seine Wahl zum Staatschef wird von einigen Beobachtern als Bedrohung der indonesischen Demokratie oder gar als Rückkehr zur Diktatur gewertet. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Prabowo die Politik seines Vorgängers Jokowi fortsetzen wird, die vor allem der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes verpflichtet war. Demokratische Institutionen und Verfahren dürften indes weiter geschwächt werden. Deutschland und die EU sollten sich zugleich darauf einstellen, dass Indonesien unter Prabowo außenpolitisch aktiver und selbstbewusster auftreten wird. Leiten lassen wird sich Jakarta dabei wohl von einem dezidiert transaktional geprägten Verständnis internationaler Kooperation.
Als letzte große klimapolitische Initiative vor den Europawahlen hat die scheidende Europäische Kommission ihre Mitteilung für ein 2040-Ziel veröffentlicht. Mit ihrer Empfehlung eines 90%-Netto-Reduktionsziels im Vergleich zu 1990 schlägt sie erste strategische Pflöcke für die nächste Legislaturperiode ein. Dabei unterstreicht sie die zunehmende Bedeutung industriepolitischer Flankierung der Klimapolitik, besonders von Carbon-Management-Technologien. Zwar beginnt die Ausgestaltung der klimapolitischen Architektur für die Jahre 2031 bis 2040 erst nach den Europawahlen. Doch die Mitteilung zum 2040-Ziel gibt einen Vorgeschmack auf die politischen Herausforderungen, denen sich auch die Bundesregierung stellen muss.
Far-right parties are gaining support across Europe. Their level of participation in national governments is increasing, and they are expected to make further gains in the European Parliament elections in June 2024. As their influence over European Union (EU) policy rises, it is imperative to assess how they are positioning themselves on crucial dimensions of EU foreign and security policy. A closer look shows that geostrategic issues remain a cleavage point that is contributing to the fragmentation of the far-right spectrum. Their positions fluctuate between a transatlantic orientation and clear support for Ukraine among the national-conservative European Conservatives and Reformists (ECR), to fundamental opposition with an anti-Western stance among parts of the right-wing populist to extremist parties in the Identity and Democracy (ID) Group. Due to the intergovernmental nature of EU foreign and security policy, the biggest challenges will come with national elections and coalition-making.
Rechtsaußenparteien gewinnen europaweit an Zustimmung. In immer mehr Staaten der Europäischen Union (EU) sind sie an nationalen Regierungen beteiligt, und für die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) im Juni 2024 wird erwartet, dass sie weitere Zuwächse erreichen. Angesichts der zunehmenden Mitentscheidungsrolle dieser Parteien ist es für die außen- und sicherheitspolitisch herausgeforderte EU wichtig, wie sie sich in diesem Politikfeld positionieren. Ein genauerer Blick zeigt, dass die geostrategische Positionierung sehr unterschiedlich ausfällt und zur Fragmentierung des Rechtsaußenspektrums beiträgt. Die Positionen reichen von transatlantischer Orientierung und deutlicher Unterstützung für die angegriffene Ukraine, wie sie die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) vertreten, bis hin zu fundamentaler Opposition mit antiwestlicher Ausrichtung unter Teilen der rechtspopulistisch bis rechtsextremen Parteien der Fraktion Identität und Demokratie (ID). Bedeutend für die Handlungsfähigkeit und Kohärenz der EU-Außen- und ‑Sicherheitspolitik werden die nationalen Wahlen und Koalitionsentscheidungen sein.
Russische Schiffe sind seit einigen Jahren damit beschäftigt, kritische Infrastruktur in den Gewässern rund um Europa auszukundschaften. Dieses »Mapping« dient offenbar der Vorbereitung möglicher Sabotageakte und stellt somit eine erhebliche Sicherheitsbedrohung dar. Nach internationalem Seerecht können Küstenstaaten solche Mapping-Aktivitäten jenseits staatlicher Territorialgewässer nicht ohne weiteres unterbinden. Welche Eingriffsbefugnisse Küstenstaaten in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone haben, ist umstritten. Eine einheitliche Staatenpraxis ist nicht erkennbar. Dies eröffnet Argumentationsspielräume, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen Schiffe zu rechtfertigen, die an solchen Aktivitäten beteiligt sind. Kommt es zu Sabotageakten, die die Schwelle zum bewaffneten Angriff überschreiten, besteht ein Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.
Feministische Außenpolitik (FAP) setzt einen politischen Gestaltungsrahmen für das Handeln von Regierungen sowie für Prozesse und Strukturen innerhalb der Ressorts. Mit der Einführung eines solchen Rahmens wird ein Politikwandel verbunden, der zum Abbau diskriminierender Machtasymmetrien beitragen soll. Feministische Außenpolitik ist ein neues politisches Konzept, entstanden im Kontext zunehmenden Genderbewusstseins in der internationalen Politik. Die schwedische Regierung war die erste, die ihre Außenpolitik im Jahr 2014 offiziell als feministisch bezeichnete. Nach und nach folgten weitere Staaten aus verschiedenen Regionen. Deutschland schloss sich im März 2023 an, als das Auswärtige Amt die Leitlinien für eine feministische Außenpolitik und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik veröffentlichten. Beide Ressorts verstehen ihre Papiere als unfertige Konzepte, die – auch mithilfe der Forschung – angepasst und weiterentwickelt werden sollen. Die vorliegende Studie mit ihren elf anwendungsorientierten Analysen kann dazu einen Beitrag leisten. Neben den Kernelementen der nationalen Konzepte feministischer Außenpolitik werden die deutsche/europäische Politik gegenüber ausgewählten Ländern (den osteuropäischen Staaten, der Türkei, den palästinensischen Gebieten und Iran) sowie einzelne Politikfelder und Instrumente internationaler Politik (Handel, Digitalpolitik, Migration, Flucht und Vertreibung, Stabilisierung und Sanktionen) hinsichtlich der Grenzen und Potenziale einer Umsetzung von FAP untersucht.
Das Schlagwort »Kokainschwemme« macht derzeit die Runde, es beschreibt den gestiegenen Zufuhrdruck der Droge in Richtung Europa. Dabei betreiben Gruppen der organisierten Rauschgiftkriminalität den Einfuhrschmuggel von Kokain meist über europäische Containerhäfen, in deren Logistikbereichen sie über Kontaktpersonen verfügen. Die EU-Kommission hat nun eine »Europäische Hafenallianz« angestoßen, um verstärkt die europäischen Seehäfen als Einfallstore für Drogen in den Blick zu nehmen. Die Methoden im Kampf gegen den Kokainschmuggel sollen harmonisiert werden, damit sich der Unterwanderung dieser Drehkreuze durch kriminelle Gruppen effektiv begegnen lässt. Doch erschweren dynamische Täterstrukturen und Deliktsphänomene den gewünschten Durchgriff von Polizei und Zoll. Unabdingbar sind Kooperationen mit den Ausgangshäfen und entlang der gesamten Lieferkette von Drogen.
On January 5, 2024, UN Secretary-General António Guterres appointed María Ángela Holguín Cuéllar as his Personal Envoy on Cyprus. Her role is to determine the ‘common ground’ from which peace talks can be resumed after standing still since 2017. The shift in Greece-Turkey relations holds regional potential, which could lead to progress in Cyprus. Nonetheless, there is an urgent need for creative diplomacy given the stalemate and changing regional dynamics. A new agenda based on regional integration could further efforts to establish common ground through process innovation, phased negotiations, deadlines, and the establishment of safeguards against future stalls.
Over the past decade, Turkey’s defence industry has undergone rapid development and its products have repeatedly proved their military capability. The Bayraktar-TB2 drone – a product of the Turkish manufacturer Baykar – is exported to numerous countries. In Ukraine, it is being used extensively against the Russian army. In Nagorno-Karabakh, it turned out to be a game changer in favour of Azerbaijan in the conflict with Armenia. And it has left its mark on the battlefields of Syria as well as in northern Iraq and Libya. But the TB2 drone is only the most visible sign of what is a new era for Turkey’s defence policy. The innovation ecosystem that has emerged in the Turkish military-industrial complex is intended to position the country as a “tekno-nation”. For Turkey’s NATO partners, this recalibration presents strategic challenges for further cooperation with Ankara.
Nach wie vor bestehen eine Reihe von UN-Waffenembargos, deren Zweck es ist, den Zufluss von Kriegsgerät und militärischem Material in Konfliktgebiete zu unterbinden. Zwar ist der UN-Sicherheitsrat bei diesem Thema nicht generell blockiert, doch hat er während der letzten zehn Jahre nur in wenigen Fällen relevante Beschlüsse zur Ausgestaltung der Embargos gefällt. Mit den Änderungsentscheiden aus jüngerer Zeit wurden im Wesentlichen Ausnahmen für Sicherheitskräfte der jeweiligen nationalen Regierung geschaffen oder erweitert. Diese sollten so gegenüber nichtstaatlichen Gewaltakteuren gestärkt werden. Begleitende Kontrollmechanismen sind dabei zunehmend umstritten – in den betroffenen Ländern wie unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates. Zugleich haben sich die politische Steuerung der Embargos und deren Anpassung an das Konfliktgeschehen als schwierig erwiesen. Die Studie widmet sich vor allem den relativ aktiven UN-Waffenembargos zu Somalia, Libyen, der DR Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Hier zeigen sich übergreifende Herausforderungen bei der Um- und Durchsetzung: a) Schmuggel und irreguläre Lieferungen, die auch die zunehmende Internationalisierung der Konflikte widerspiegeln, b) Ausnahmeregelungen für Regierungskräfte bei hohem Risiko, dass Waffen aus offiziellen Beständen abgezweigt werden, sowie c) vermehrter Einsatz von Technologien wie Drohnen und improvisierten Sprengsätzen, deren Komponenten als »dual use«-Güter kontrolliert werden müssten. Daraus lässt sich weiterer Reformbedarf bei Waffenembargos ableiten. Vor allem müssten diese aber besser an politische Prozesse angebunden werden, gerade an solche in der betroffenen Region. Nützlich können solche Embargos auch insofern sein, als sie sich zur Informationsgewinnung oder als Verhandlungschip gegenüber der jeweils anerkannten Regierung einsetzen lassen.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) haben am 16. Januar 2024 beschlossen, im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einen Beitrag zur Sicherstellung der Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer zu leisten. Seit November 2023 greifen dort jemenitische Rebellen westliche Schiffe an. Sie wollen damit ein Ende der israelischen Kampfhandlungen im Gaza-Streifen erzwingen. Deutschland beteiligt sich mit der Fregatte Hessen an der EU-Operation Aspides – dem bislang gefährlichsten GSVP-Einsatz. Das Mandat der Operation zielt darauf ab, handelspolitische Interessen durchzusetzen. Die geopolitischen Gründe, die Anlass für die Huthi-Angriffe sind, bearbeitet Aspides explizit nicht. Mit der am 19. Februar gestarteten Mission begeben sich Deutschland und die EU in Abhängigkeit von Faktoren, die sie selbst nicht steuern können: einem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, dem militärischen Engagement der USA in der Region und der Politik Teherans. Um den Erfolg von Operation Aspides zu gewährleisten, muss die im Vordergrund stehende Verteidigung handelspolitischer Interessen außen- und sicherheitspolitisch stärker flankiert werden.