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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 day 22 hours ago

Deutschland und die Zukunft der nuklearen Rüstungskontrolle

Tue, 17/12/2024 - 14:24

Ein Pfeiler der deutschen Rüstungskontrollpolitik, nämlich die vertragsbasierte Begrenzung der Atomwaffenarsenale Russlands und der USA, steht vor dem Aus. Zur Kooperation ist Russland nicht mehr bereit. Die Bundesregierung erkennt die Lage als Zäsur und will ihre Politik neu ausrichten. Sie verfügt jedoch bislang über keinen Plan, um die russische Kooperationsverweigerung zu überwinden. Idealtypisch ist eine Neukonzeption der deutschen Politik in drei Richtun­gen denkbar: abrüstungsorientiert, stabilitätsorientiert oder wettbewerbsorientiert. Mit allen dreien sollen Atomkriege verhütet werden, aber auf unterschiedliche Weise: indem militärisches und pronukleares Denken geächtet wird (Abrüstung), indem destabilisierende Waffen limitiert werden (Stabilität) oder indem Rüstungskontrolldeals das Wettrüsten so kanalisieren, dass es zum eigenen Vorteil ausfällt (Wettbewerb). Deutschlands Politik vereint bisher abrüstungs- und stabilitätsorientierte Elemente. Doch Berlin sollte wissen, dass es nur über die USA Einfluss bei der Begrenzung von Russlands Arsenal ausüben kann und dass die US-Rüstungskontrollpolitik heute schon kompetitiv ist und dies auch bleiben wird. Um zur wettbewerbsorientierten US-Politik beizutragen, sollte Deutschland an seinen Plänen festhalten, landgestützte Mittelstreckenwaffen zu stationieren. Zugleich sollte es sich für einen Rüstungskontrollvorschlag einsetzen, der die Beseitigung dieser Waffen in Europa vorsieht. Berlin sollte den Druck auf Moskau weiter erhöhen, indem es die europäische Luftverteidigung ausbaut und den Aufbau von Fähigkeiten zur Aufklärung und Informationsbeschaffung im Weltraum unterstützt. Damit Stabilitätsrisiken minimiert werden, sollte Deutschland flankierend für eine intensive Nutzung der Kanäle zur Krisenkommunikation zwischen Russland und den USA eintreten.

Neue Verhältnisse – schwierige Beziehungen

Tue, 17/12/2024 - 10:20

Die SWP hat in ihrem Orientierungsrahmen für die Forschung 2024–2026 vier Themenlinien definiert, zu denen sie ihre Expertise bündelt. Diese Themenlinien betreffen politisch dringliche und grundlegende Fragen von großer inhaltlicher Komplexität: Autokratisierung als Herausforderung für die deutsche und europäische Politik, die Neugestaltung der europäischen Sicherheitsordnung, Kooperation im Kontext syste­mischer Rivalität, wirtschaftliche und technologische Transformationen. Neun Kurzanalysen, die im Kontext der Themenlinien entstanden sind, werden in dieser Sammelstudie vorgestellt. Den politischen Hintergrund für die Themenlinien liefern tiefgreifende Veränderungen, die bis in die 2010er Jahre zurückreichen und auf nationaler, europäischer und globaler Ebene neue politische (Macht-)Verhält­nisse schaffen. Schwierige Beziehungen zeichnen sich gerade mit jenen Ländern in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent und im »Globalen Süden« ab, auf die es nach deutscher Interessenlage besonders ankommt, sei es im materiellen oder politisch-normativen Sinne. Deutschland hat nach der Zeitenwende von 2022 begonnen, in der Außen- und Sicherheitspolitik neue Prioritäten zu setzen. Dieser Prozess sollte im Sinne einer klugen Machtpolitik fortgeführt werden. Wichtig wäre es, einen auf Prinzipien gegründeten Pragmatismus zu ver­folgen, also für das Völkerrecht und universalistische Werte einzutreten, sich in multilateralen Institutionen zu engagieren und für deren Reform auch mit Blick auf Länder des »Globalen Südens« offen zu sein. Für lange Zeit sind massive Investitionen in die Verteidigung der Ukraine und die Bundeswehr erforderlich. Zügig und systematisch zu reduzieren gilt es die Verwundbarkeit in strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren und bei kritischen Rohstoffen.

Die internationale Dimension europäischer Klimapolitik

Tue, 17/12/2024 - 10:11

Mit dem Green Deal hat die EU in den vergangenen Jahren nicht nur eine deutliche Ambitionssteigerung ihrer Klimapolitik vollzogen, sondern die europäische Klima­innenpolitik um eine internationale Dimension erweitert. Tatsächlich betreffen zahl­reiche Rechtsakte der EU direkt oder indirekt auch internationale Partner. Dennoch werden interne und externe Dimension der Klimapolitik in der neuen EU-Kommis­sion nicht systematisch zusammengeführt, eine strategische diplomatische Flankierung der Maßnahmen ist nicht gegeben. Gerade mit Blick auf die erhöhte Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit und geopolitischen Konstellationen eröffnet sich die Chance für einen neuen Strategieprozess. Dieser könnte dazu beitragen, dass EU-Institutionen und Mitgliedstaaten die externe Dimension koordinieren und eine sinn­volle Weiterentwicklung der europäischen Klimapolitik erreichen.

Freiwilligkeit statt Zwang: Eine entwicklungsorientierte Rückkehrpolitik für Syrien

Mon, 16/12/2024 - 13:46

Trotz der anhaltend unsicheren politischen Lage in Syrien gewinnt die Diskussion um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in Deutschland und Europa zunehmend an Bedeutung. Aus den Nachbarländern Syriens kehren seit dem Sturz des Assad-Regimes tausende Syrer:innen zurück. Der Premierminister der syrischen Übergangsregierung, Mohammed al-Baschir, hat bereits deutlich gemacht, dass sie alle willkommen sind. Doch die Rückkehr in ein vom Krieg zerstörtes Land birgt enorme Herausforderungen.

Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal: Weite Teile des Landes sind zerstört, 90 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sie kämpft mit den physischen und psychosozialen Folgen von Krieg und Flucht. Zudem kontrolliert die Übergangsregierung nicht das gesamte Staatsgebiet. Da die Kämpfe andauern, sind weitere Fluchtbewegungen abzusehen. So wurden seit Beginn der Offensive der Aufständischen am 27. November etwa eine weitere Million Menschen vertrieben. 

Freiwilligkeit und informierte Rückkehrentscheidung

Eine übereilte Rückkehrpolitik würde nicht nur die ohnehin fragile Infrastruktur belasten, sondern auch die soziale Stabilität gefährden. Rückkehrbewegungen sollten daher nicht erzwungen werden. Ziel sollte es vielmehr sein, die Rückkehrpolitik so zu gestalten, dass sie zu einer inklusiven, friedlichen Transformation, Aufarbeitung und Aussöhnung sowie zu einem umfassenden Wiederaufbau des Landes beitragen kann. Den wichtigsten Aufnahmeländern syrischer Flüchtlinge - wie Deutschland - kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. 

Von freiwilliger Rückkehr sind die größten positiven Entwicklungswirkungen zu erwarten.  Syrer:innen in Deutschland sollten die Möglichkeit haben, sich vor einer Entscheidung selbst ein Bild von den Verhältnissen in Syrien zu machen. Aktuell riskieren sie jedoch ihren Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutzstatus in Deutschland, wenn sie nach Syrien reisen. Dies ist zwar rechtlich konsequent, erschwert aber eine gut vorbereitete Rückkehr. 

Angesichts der volatilen Sicherheitslage im Land und der Vielzahl bewaffneter extremistischer Gruppierungen erscheint es der unmittelbaren Stabilisierung nicht dienlich, die Abschiebung von Gefährder:innen und kriminellen Syrer:innen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten voranzutreiben. 

Eine entwicklungsorientierte Rückkehrpolitik

Die durch Vertreibung entstandenen transnationalen Verbindungen und Diasporanetzwerke in Deutschland haben großes Potential zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Wiederaufbau Syriens beizutragen, etwa über Investitionen oder Wissensaustausch. Für die zukünftige Entwicklung Syriens sollte Deutschland daher gemeinsam mit anderen Aufnahmeländern rechtliche Lösungen für dauerhafte Mobilität finden, fördern und so einen positiven Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leisten.  

Eine der Herausforderungen bei der Rückkehr wird der Konflikt um Land- und Eigentumsfragen sein. Binnenvertriebene haben sich verlassenen Wohnraum angeeignet, Gewaltakteure haben Eigentum beschlagnahmt. In Syrien kommt noch das vom Assad-Regime erlassene Gesetz Nr. 10 hinzu, das zur Enteignung von geflohenen Syrer:innen führte. Um eine gewaltsame Eskalation der zwangsläufig entstehenden Konflikte zu vermeiden und Vertrauen in eine gerechte Nachkriegsordnung aufzubauen, ist der Zugang zu einer unparteiischen und unbestechlichen Justiz und Streitschlichtung unabdingbar. Dieser Bereich sollte in Wiederaufbau- und Entwicklungsprogrammen daher priorisiert werden.  

Als eines der Hauptaufnahmeländer von Flüchtlingen weltweit - nicht nur aus Syrien - hat Deutschland eine Vorbildfunktion für eine verantwortungsvolle Rückkehrpolitik. Diese sollte nicht innenpolitischen Erwägungen zum Opfer fallen, sondern genutzt werden: Rückkehr sollte freiwillig sein und auf der Grundlage einer informierten Entscheidung der Betroffenen erfolgen. Aufnahmeländer sollten also nicht die schnelle Rückkehr von Syrer:innen in den Vordergrund stellen, sondern diese so gestalten, dass sie Teil eines umfassenden Friedens- und Wiederaufbauprozesses ist. 

Ein Mandat für Donald Trump

Fri, 13/12/2024 - 13:20

Mit dem Sieg Donald Trumps bei den jüngsten US-Präsidentschaftswahlen ist end­gültig klar geworden, dass sein Einzug ins Weiße Haus 2017 kein Ausrutscher war. Vielmehr ist es einem populistischen, in vielerlei Hinsicht extremen und undemo­kratischen Kandidaten grundsätzlich möglich, in den Vereinigten Staaten eine Mehr­heit der Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Trump interpretiert den Wahlsieg als umfassendes Mandat für seine radikale Agenda. Ungeachtet dessen, ob diese Deutung korrekt ist, dürfte sie sein Handeln anleiten. Wie weit er hierbei gehen kann, wird vor allem davon abhängen, ob die Republikaner im Senat seine Pläne ge­schlossen und vorbehaltlos unterstützen.

The EU-Brazil Partnership and the New Climate Geopolitics

Thu, 12/12/2024 - 01:00

The new EU Commission is promising to improve the bloc’s geoeconomic resilience, make progress on decarbonisation and increase competitiveness. Achieving these aims will mean working with emerging economies like Brazil – where the EU’s influ­ence is waning as China’s expands. The EU lacks a long-term strategy and is poorly positioned to engage with a newly assertive Brazil in an increasingly multipolar world. This is increasingly problematic for the EU’s strategic agenda.

Neue Kräfteverhältnisse auf der 29. Weltklimakonferenz

Thu, 12/12/2024 - 01:00

Auf der 29. Weltklimakonferenz (COP29) vom 11. bis 24. November 2024 wurde deutlich, dass sich die Kräfteverhältnisse in der internationalen Klimapolitik nach den Wahlen in den USA verschieben. China spielte bei den Verhandlungen zu internationaler Klimafinanzierung eine konstruktive Rolle. Vulnerable Länder waren dennoch zu schmerzhaften Kompromissen bei der Klimafinanzierung gezwungen. Saudi-Arabien und andere Schwellenländer blockierten den Themenkomplex Emissionsminderung stärker denn zuvor. Die Kritik mittlerer Mächte an Klimaschutzmaßnahmen der EU wuchs. Um eine fortschreitende Isolation der EU und negative Implikationen für ihre klima- und wettbewerbspolitische Agenda zu verhindern, muss die neue Europäische Kommission ihre klima­diplomatischen Anstrengungen anders ausrichten.

Lessons to Be Learned: Germany’s Crisis Management in Mali (2013–2023)

Tue, 10/12/2024 - 01:00

Germany was heavily involved in international crisis management in Mali for ten years, from 2013 to 2023. Important lessons can be drawn for effective and adaptive foreign and security policy, in particular concern­ing Germany’s internal structures and processes. Germany’s engagement in Mali was shaped by its commitments to allies and the United Nations. This was a legitimate interest, but left Berlin without strategic goals of its own in Mali. The lack of strategic and political orientation has resulted in less than optimal use of the very substantial resources invested. Interministerial cooperation failed to meet expectations, despite a number of new instru­ments (including in security force assistance) and institutional innova­tions (the Sahel Task Force, CIVAD). Although Germany’s participation in MINUSMA was operationally successful, it was inadequately anchored politically and strategically. MINUSMA as a whole failed to achieve its political goals. In the field of crisis management, Germany’s organisational learning pro­cesses occur mainly from one deployment to the next, less so during a given operation. Despite the duration of the Mali engagement, learning and adjustment processes occurred only at the operational-tactical level. Fundamental course corrections were not made, despite the obvious need to do so. Interministerial cooperation was insufficient to facilitate effec­tive strategy-building. The learning culture within and between govern­ment departments proved inadequate.

The Global Struggle for Sexual and Reproductive Health and Rights

Tue, 10/12/2024 - 01:00

In numerous countries, more restrictive regulations on abortions have recently led to a weakening of sexual and reproductive health and rights (SRHR). These legislative developments at the national level are reflected in the discussions at international forums, as they hinge upon human rights standards and access to health services. Although Germany has always advocated for the broad protection of SRHR, it is strik­ing that the German government is not very active in international forums when it comes to addressing the content of this set of rights. This approach of diplomatic restraint carries the risk of providing those who oppose a broad interpretation of SRHR – be they governments, organisations or individuals – with a means to undermine the concept. If the German government wants to pursue its international com­mit­ment to human rights and individual freedoms in global health as well, more active advocacy is required.

From Biden to Trump: Waning Turkish‑American Relationship Demands Greater European Engagement

Mon, 09/12/2024 - 01:00

President Biden’s term is coming to an end. Turkish-American relations have reached a low, with Erdoğan noting that Biden is the first US president with whom he has had no meaningful dialogue. The Erdoğan government believes this is due to the Biden administration’s “overemphasis” on democracy and human rights, and hopes that elec­tion of Donald Trump will open a new page. However, the bilateral problems are deeper than Erdoğan realises and relations will remain at a low level for the foresee­able future. Turkey’s strategic importance to the United States is in decline not only because of Washington’s “pivot to Asia”, but also due to Erdoğan’s considerable liabil­ities, his waning political credibility, and diverging interests between Ankara and Washington in the region. This steady downturn has direct implications for the Euro­pean Union, which does not have the luxury of downgrading its engagement and will have to take the lead.

Regionale Personenfreizügigkeit als Chance im Umgang mit Klimamobilität

Thu, 05/12/2024 - 01:00

Die Zahl der Menschen, die infolge von Umweltveränderungen ihre Heimat über Grenzen hinweg verlassen müssen, nimmt mit dem fortschreitenden Klimawandel zu. Gleichzeitig mangelt es ihnen an sicheren, geordneten und regulären Migrations­wegen. Regionale Personenfreizügigkeit kann die Handlungsspielräume der vom Klimawandel besonders Betroffenen erweitern. Die afrikanischen Regionalorganisa­tionen ECOWAS und IGAD haben jeweils Abkommen geschlossen, die eine solche Freizügigkeit gewährleisten könnten. An ihrem Beispiel zeigen sich die Potentiale, aber auch die Hürden in der Umsetzung entsprechender Regelungen. Um die Vorteile dieser Abkommen im Sinne der Klimamobilität zu nutzen, sollte sich die deutsche und europäische Entwicklungs- und Migrationspolitik stärker für die Implementierung regionaler Personenfreizügigkeit engagieren. Ebenso gilt es, die Verankerung von Klimaaspekten in den Abkommen zu unterstützen. Kooperationen der EU mit einzelnen afrikanischen Staaten sind zu hinterfragen, sofern sie die Personenfrei­zügigkeit in Afrika durch Migrationsmanagement und Grenzsicherung zu behindern drohen.

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