Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind ein immer wieder kontrovers diskutiertes Instrument des deutschen Krisenmanagements. Wie in einem Brennglas lassen sich an den Diskussionen die »Reifungsprozesse« sowie die Bruchlinien deutscher, europäischer und transatlantischer Sicherheitspolitik ablesen. Zwar dürften Auslandseinsätze noch lange notwendig bleiben, sie sind jedoch einem erkennbaren Wandel unterworfen. Die Rahmenbedingungen für ihre Weiterentwicklung lassen sich entlang von drei Dimensionen nachzeichnen: dem Wandel des Kriegsgeschehens, den Veränderungen des internationalen politischen und rechtlichen Kontexts sowie schließlich dem Wandel des institutionellen Rahmens für diese Einsätze.
Mit all diesen Herausforderungen muss die deutsche Politik umgehen und kann gleichzeitig nur begrenzt Einfluss auf den beschriebenen Wandel nehmen. Grundsätzlich werden Entscheidungen über Auslandseinsätze in einem Dreieck aus Problemdruck (Krisen und Konflikte), Verantwortung (völkerrechtliche Verpflichtungen, Bündnisse, politische Bindungen) sowie der politischen Situation und Stimmung in Deutschland selbst getroffen.
Die Entwicklungen, welche die Handlungsspielräume in diesem Dreieck bestimmen, mögen schwer abzusehen sein. Doch die schlechteste aller Lösungen wäre, sich nur anlassbezogen und kurzfristig mit den beschriebenen Herausforderungen auseinanderzusetzen, zumal sie nicht allein Auslandseinsätze betreffen. Mit den Leitlinien zum Krisenmanagement von 2017 und dem Weißbuch 2016 hat die Bundesregierung einen Rahmen für das deutsche Engagement gesetzt, den es nun zu füllen gilt. Zudem sind die Erwartungen der Partner Deutschlands in EU, Nato und UNO größer geworden, was auch weitere militärische Beiträge erfordern wird.
Die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist kein neues Thema. Aufgrund wachsender internationaler Herausforderungen an die EU nimmt die Diskussion jedoch wieder Fahrt auf. Befürworter plädieren dafür, das Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen, um die GASP effektiver zu machen. Allerdings sind die rechtlichen Möglichkeiten dafür ohne Vertragsänderung begrenzt. Mehrheitsentscheidungen in der GASP sind zudem dann problematisch, wenn sie die Legitimität der EU nach innen und ihre Glaubwürdigkeit nach außen schwächen. Hier böte sich ein doppelter Ansatz an: Mittelfristig ließe sich die EU-Außen- und Sicherheitspolitik durch Flexibilisierung stärken. Langfristig könnte die Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Kultur durch den Aufbau europäischer Analysefähigkeiten unterstützt werden.
In the run-up to the Russian presidential elections on 18 March 2018, the Kremlin further tightened the federal “vertical of power” that Vladimir Putin has developed since 2000. In the North Caucasus, this above all concerns the republic of Dagestan. Moscow intervened with a powerful purge, replacing the entire political leadership. The situation in Chechnya, which has been ruled by Ramzan Kadyrov since 2007, is conspicuously different. From the early 2000s onwards, President Putin conducted a policy of “Chechenisation” there, delegating the fight against the armed revolt to local security forces. Under Putin’s protection, the republic gained a leadership which is now publicly referred to by Russians as the “Chechen Khanate”, among other similar expressions. Kadyrov’s breadth of power encompasses an independent foreign policy, which is primarily orientated towards the Middle East.
Kadyrov emphatically professes that his republic is part of Russia and presents himself as “Putin’s foot soldier”. Yet he has also transformed the federal subject of Chechnya into a private state. The ambiguous relationship between this republic and the central power fundamentally rests on the loyalty pact between Putin and Kadyrov. However, criticism of this arrangement can now occasionally be heard even in the Russian president’s inner circles. With regard to Putin’s fourth term, the question arises just how long the pact will last. The price that Moscow was willing to accept for Chechnya’s “pacification” by Kadyrov and his supporters includes serious human-rights violations. Since 2017 these have increasingly moved back into the focus of international politics and reporting.
Seit der Unabhängigkeit Malaysias 1957 regierte ununterbrochen das Parteienbündnis Nationale Front (Barisan Nasional, BN) unter Führung der konservativen, malaiisch dominierten United National Organisation (UMNO). Aus den Parlamentswahlen im Mai 2018 ging indes zum ersten Mal die Opposition als Sieger hervor. Der neue Premier ist jedoch ein alter Bekannter: Mahathir bin Mohamad bekleidete schon zwischen 1981 und 2003 das Amt des Regierungschefs und war in dieser Zeit auch Parteivorsitzender der UMNO. Der deutliche Wahlsieg, den die Allianz der Hoffnung (Pakatan Harapan, PH) mit Mahathir an der Spitze verbuchte, eröffnet die ungeahnte Möglichkeit, das von endemischer Korruption durchsetzte, stark autoritär geprägte politische System des Landes zu liberalisieren. Mehr noch, Malaysias Wahlergebnis könnte über das Land hinaus von Bedeutung sein und den Oppositionsbewegungen in Nachbarländern wie Kambodscha, Thailand oder Singapur Auftrieb geben.
Unter dem Leitmotiv »Global Britain« versucht die britische Regierung, den Brexit als einzigartige Möglichkeit darzustellen, die eigene Außen- und Sicherheitspolitik neu zu konzipieren, und zwar globaler, einflussreicher und schlagkräftiger. Kernelemente sind eine weltweite Vernetzung und bilateral verhandelte Abkommen, die den Verlust der europäischen Einbettung kompensieren sollen. Doch scheint der anstehende Brexit die britische Außenpolitik bislang eher zu schwächen und dem künftigen Nicht-EU-Staat vor allem die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit aufzuzeigen. Für Europa kann ein geschwächter und verunsichert handelnder Nachbar zu einem Risiko werden. Um London auch in Zukunft einzubinden, sollte Deutschland parallel zu den Brexit-Verhandlungen seine bilateralen Beziehungen intensivieren und neue Formate für die außenpolitische Konsultation in Europa vorschlagen.
With the current developments in the field of artificial intelligence, the process of digitalisation has reached a new stage. Artificial intelligence makes it possible to analyse the large amounts of data collected today in completely new ways. Companies and countries are spending considerable resources to take advantage of these analytical possibilities. However, artificial intelligence is also dependent on the quality of the underlying data; it is completely unsuited for many tasks and has, so far, largely escaped human control. Germany should therefore use its influence in international forums to regulate the use of artificial intelligence in politically sensitive areas. In addition, the Federal Government should carefully examine on what data basis, for what purposes, and under what conditions artificial intelligence can make a contribution to the planning of foreign policy strategy.
Since the arrest of the former head of the Catalan government, Carles Puigdemont, a solidarity movement has emerged that paints him as a victim of the justice system. However, even if the German government prevents his extradition this is hardly likely to influence the trials against his colleagues remanded in custody in Madrid. The Spanish public prosecutor’s office accuses them not only of rebellion, but also of embezzling money from the autonomous communities’ liquidity fund (FLA) for their independence campaign. Since the 2012 financial crisis, Madrid has had to subsidise heavily indebted regions, including Catalonia, with loans. Barcelona annually receives between 6.7 billion (2012) and 11.1 billion euros (2015). This financial dependence motivates Catalans to bid for independence, in the expectation that it will lead to direct access to the European Central Bank (ECB). Europeans need to reflect on who should be given their solidarity. A Catalan state would be born with a mountain of debt, which the other Spanish regions and the European taxpayer would ultimately have to shoulder.
Once again, we have the same old story: The negotiations on a new financial framework for the European Union (EU) will also influence the Common Agricultural Policy (CAP). Critics of the CAP are increasingly using its development policy (side) effects in the debate: European subsidies would promote poverty and food insecurity in developing countries through cheap European exports and destroy prospects for those populations, especially for young people in rural areas. But is this accusation justified, and what implication does it have for the future CAP?
Im März 2016 traf die Einheitsregierung (GNA) in Tripolis ein. Seitdem hat eine Handvoll lokaler Milizen einen Großteil der libyschen Hauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht. Nominell sind diese Gruppen regierungstreu, tatsächlich aber haben sie sich die Regierung untertan gemacht. Dabei wandelten sie sich zu kriminellen Netzwerken, die in Politik, Wirtschaft und Verwaltung operieren. Die Plünderung staatlicher Ressourcen – ein Wesensmerkmal der politischen Ökonomie Libyens – kommt nun einem engeren Kreis von Personen zugute als zuvor. Akteure, die von diesem Kartell ausgeschlossen sind, bilden Allianzen, um die Kräfteverhältnisse in Tripolis gewaltsam zu verändern. Neue Sicherheitsarrangements für die Hauptstadt sind dringend nötig, um neue Konflikte abzuwenden und den Boden für eine politische Lösung zu bereiten.
Es ist wieder einmal so weit: Bei den Verhandlungen über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für die Europäische Union (EU) werden auch Festlegungen für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) getroffen, den nach wie vor größten Ausgabenblock. Kritiker der GAP verweisen in der Debatte wieder einmal auf deren entwicklungspolitische (Neben-)Wirkungen: Demnach fördern europäische Subventionen durch billige Exporte Armut und Ernährungsunsicherheit in Entwicklungsländern. Aber stimmt dieser Vorwurf?
Die USA sehen sich durch China und Russland herausgefordert und in ihrem Führungsanspruch bedroht. Beide gelten als »revisionistisch« und als Mächte, die die internationale Ordnung zu ihren Gunsten zu verändern suchen. Und beide Mächte beanspruchen eine eigene Interessensphäre. Dies läuft dem traditionellen geopolitischen Kerninteresse der USA zuwider: zu verhindern, dass eine oder mehrere feindliche Großmächte die Kontrolle über die Ressourcen Eurasiens gewinnen.
In einer Welt wachsender Machtkonkurrenzen wollen die USA erklärtermaßen ihre militärische Überlegenheit bewahren. Doch das Streben, ihre militärische Superiorität aufrechtzuerhalten, birgt Risiken: Es könnte das Sicherheitsdilemma im Verhältnis der USA zu Russland und zu China verschärfen, in der Folge eine Konfliktspirale antreiben und zur Verfestigung von Konfliktformationen beitragen.
Geopolitisch begründete Interessen sind mit dem Risiko eines Krieges behaftet. Damit ändert sich auch der Stellenwert nuklearer Abschreckung. Nukleare Abschreckung beruht im amerikanischen Denken, wie es sich in der »Nuclear Posture Review« vom Februar 2018 manifestiert, auf der Fähigkeit, im Falle eines Konflikts über eine große Bandbreite abgestufter und flexibel nutzbarer nuklearer Optionen zu verfügen, darunter den Einsatz von Atomwaffen mit relativ geringer Sprengkraft. Die USA werden zusehends vor der Herausforderung stehen, im Interesse globaler Kooperation und der Vermeidung eines Kriegsrisikos eine geopolitische Verständigung mit China und Russland zu suchen.