Die US-Administration hat angekündigt, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt nach den Parlamentswahlen in Israel ihren »Jahrhundert-Deal« zur Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts vorzulegen. Auch wenn die Details des Plans bislang ein wohlgehütetes Geheimnis sind: Aufgrund bisheriger Signale der Trump-Regierung ist davon auszugehen, dass die Initiative keine Konfliktregelung auf Basis von zwei souveränen Staaten vorsieht, internationales Recht nicht als Richtschnur nimmt und palästinensische Rechte israelischen Interessen unterordnet. Eine Zustimmung der palästinensischen Führung ist nicht zu erwarten. Die nächste israelische Regierung dürfte dies als grünes Licht dafür sehen, jene Elemente des Plans umzusetzen, die dazu dienen, dauerhaft die Kontrolle über strategische Gebiete der West Bank und über Ost-Jerusalem aufrechtzuerhalten. Dies birgt auch das Risiko, dass die ohnehin schon prekäre israelisch-palästinensische Kooperation beim Konfliktmanagement zusammenbricht. Deutschland und seine Partner in der EU sollten die Veröffentlichung des amerikanischen Plans zum Anlass nehmen, die Prinzipien einer Konfliktregelung auszubuchstabieren, von denen ihre Unterstützung abhängt. Ebenso sollten sie klarstellen, welche Folgen eine Annexion von Teilen der West Bank für die europäische Politik hat.
Das Ergebnis der für April 2019 angesetzten Parlamentswahlen in Israel könnte den Charakter des Staates nachhaltig prägen. Das gilt für sein demokratisches Selbstverständnis ebenso wie für die Politik gegenüber den Palästinensern. Die Parteien am rechten Rand sind erstarkt, und im rechten Lager werden Positionen vertreten, die lange als randständig galten. Zentrale Wahlkampfthemen der Rechten sind nun die (Teil-)Annexion des Westjordanlandes und eine weitgehende Einschränkung der Arbeit des Obersten Gerichtshofs. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu steht diesen Entwicklungen nicht unkritisch gegenüber. Weil ihm aber eine Anklage wegen Korruption droht, ist er politisch nur eingeschränkt manövrierfähig. Er könnte einem Strafprozess entgehen, wenn ihm das Parlament Immunität gewährt. Dafür ist der Premier auf die Stimmen der rechten Parteien angewiesen. Sein Herausforderer Benny Gantz wirbt hingegen für eine Regierung, die Rechtsstaatlichkeit und nationale Einheit in den Mittelpunkt stellt. Drei Szenarien für die Zeit nach der Wahl sind denkbar. Eher unwahrscheinlich wäre dabei ein Sieg des Mitte-Links-Lagers. Ein Mitte-Rechts-Bündnis wäre durch die mögliche Anklage gegen Netanyahu belastet. Bildet sich eine reine Rechtskoalition, könnten eine Annexion des Westjordanlandes und eine gravierende Schwächung der Prinzipien liberaler Demokratie die Folge sein.
Fast vier Jahrzehnte herrschte Robert Mugabe über Simbabwe, bis er im November 2017 zum Abgang gezwungen wurde. Welche Entwicklung hat das Land seither genommen? Sind die Reformen, die Mugabes Nachfolger Emmerson Mnangagwa angekündigt hat, bereits umgesetzt oder zumindest initiiert worden? Die Analyse zeigt, dass die derzeitige Akteurskonstellation in Simbabwe einem wirklichen politischen und ökonomischen Wandel im Wege steht. Dem Präsidenten ist es nicht gelungen, Zweifel an seiner Reformwilligkeit zu zerstreuen und sichtbare Veränderungen zu bewirken. Machtkämpfe in der Mehrheitspartei ZANU-PF blockieren die Reformprozesse. Zudem hat sich die Polarisierung zwischen der Regierung einerseits und der Opposition und Teilen der Zivilgesellschaft andererseits seit den Wahlen im Juli 2018 weiter verschärft.
Internationale Geber befinden sich in einer Zwickmühle. Sie registrieren die Zuspitzung der ökonomischen und sozialen Krise in Simbabwe, können aber angesichts der Schwerfälligkeit des Reformprozesses und des gewaltsamen Vorgehens gegen die Opposition nicht einfach zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Simbabwe übergehen. Die Studie plädiert trotzdem dafür, von neuen Sanktionen abzusehen und den Dialog mit der simbabwischen Regierung aufrechtzuerhalten. Denn Sanktionen würden höchstwahrscheinlich zur Abkopplung Simbabwes vom Westen führen und die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung weiter verschlechtern. Die desperate ökonomische Situation des Landes bietet einen Hebel, um auf die Führung in Harare einzuwirken. Deutschland und die EU sollten dieses Gelegenheitsfenster nutzen, sich für ein geschlossenes Auftreten aller Geber einsetzen und klare Bedingungen formulieren, die die Regierung Simbabwes erfüllen muss, bevor sie auf Unterstützung rechnen darf.
Seit zehn Jahren verharrt die EU in einer phasenweise existentiellen Dauerkrise. Zwar konnte ein Zerfall abgewendet werden, ausgestanden ist die Krise aber noch nicht. Damit Europa wieder zu einem Projekt wird, das mit Zukunft und Zusammenhalt verbunden wird und für das man sich und andere begeistern kann, müssen nachhaltige Krisenlehren gezogen werden.
Dazu werden in dieser Studie die exogenen und endogenen Krisenquellen mit dem Ziel diskutiert, Aus- und Irrwege aus der Krise aufzuzeigen. Denn Europa wird gebraucht: Frieden und Sicherheit, Freiheit und Demokratie, Wohlstand und soziale Teilhabe, globale Mitgestaltung und Mitbestimmung – in einer im Guten wie Gefahrvollen verflochtenen Welt können Europas Nationalstaaten all dies nur als Werte- und Handlungskollektiv erreichen.
Das macht Europas Banalität des Guten aus. Nicht nur, aber gerade für Deutschland. Wenn Europa scheitert, scheitert auch Deutschland, weil sein Wohlergehen massiv gefährdet wäre. Deutschland kann in Europa kein Hegemon sein, und eine (Europäische) Union von Nationalstaaten kann nur gedeihen, wenn alle nationale Eigenverantwortung übernehmen und europäische Solidarität üben. Geschichte, Geografie und Größe machen Deutschland zu einem Akteur mit besonderer Verantwortung und besonderen Möglichkeiten. Es sollte deshalb massiv in Europa und das deutsch-französische Zusammenwachsen investieren, was unbequeme Entscheidungen auch in der Verteidigungs- und Rüstungspolitik erfordert. Dies zu erklären und zu vertreten ist eine politische Führungsaufgabe in Deutschland.
Since Nicolás Maduro took over as Venezuela’s president in 2013, the country’s gross domestic product and oil production have fallen by more than 50 percent. Political institutions, on the other hand, have doubled: there are two legislative bodies, two Supreme Courts and, since Juan Guaidó’s self-appointment in early 2019, two competing presidents. The international community is divided – many states stand behind the regime, many others behind the opposition. Groups of states are addressing the Venezuela issue in various initiatives, without the participation of the parties in the conflict. The EU and its member states should refrain from any action that could increase the risk of military intervention and bloodshed. Instead, they should exert diplomatic pressure to protect the population from repression, hunger and disease, and to strengthen the opposition. Furthermore, they should support a conflict resolution process that is upheld by national actors and embedded in Latin America, and which has democracy as a long-term goal.
Die Staatschefs der westafrikanischen Staaten haben 2013 beschlossen, gemeinsam für mehr maritime Sicherheit im Golf von Guinea zu sorgen. Damit haben sie den nach dem Tagungsort benannten Yaoundé-Prozess in die Wege geleitet. Seitdem hat sich das Risiko von Geiselnahmen auf Schiffen jedoch erhöht: 2018 entfielen von weltweit 83 entführten Besatzungsmitgliedern 78 Personen auf den Golf von Guinea. Dennoch kann der Yaoundé-Prozess auch Erfolge vorweisen, die auf den ersten Blick in der Statistik nicht erkennbar sind.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass diese Fortschritte zum großen Teil nur mit umfangreicher internationaler Hilfe erreicht worden sind und es auch Rückschläge gab. Da die Ursachen von Seeräuberei an Land liegen, ist die ausschließliche Konzentration auf das Seegebiet ein »Geburtsfehler« des Yaoundé-Prozesses. Mittelfristig müssen diese Ursachen bekämpft werden, wenn Piraterie wirksam zurückgedrängt werden soll.
Als Erstes muss die Zunahme an Geiselnahmen auf offener See gestoppt werden. Dazu benötigen die Marinen der westafrikanischen Staaten neben weiterer Ausbildung, Wartung und Logistik auch Schiffe. Das Hauptaugenmerk sollte auf Nigeria und Ghana liegen: Nigeria ist einerseits am stärksten von Sicherheitsvorfällen auf See betroffen, andererseits verfügt das Land, wie Ghana, über eine große Signalwirkung in der Region.
Die internationale Gemeinschaft sollte das klare Signal vermitteln, dass Erfolge und Engagement einer afrikanischen Initiative durch weitere Unterstützung belohnt werden. Dabei geht es nicht um die Entlassung der afrikanischen Staaten aus der Verantwortung für ihre eigene Sicherheit – im Gegenteil: Die Anrainerstaaten müssen ihre gemeinsamen Anstrengungen fortsetzen. Dafür bietet der Yaoundé-Prozess den richtigen Rahmen.
A referendum on a constitutional amendment is to be held in Egypt at the beginning of May, which would enable President Abdel-Fatah al-Sisi to continue governing after the end of his current term. In the face of massive repression, approval seems certain. This would largely complete the power consolidation of the Sisi-regime, which emerged from the military coup of July 2013. But how will this regime develop in the future? Possible scenarios are a successful development dictatorship, decades of political and economic stagnation, as under Hosni Mubarak, or imminent failure. While a development dictatorship is unrealistic due to a lack of willingness to reform, the other two scenarios entail major risks for Germany and its European partners. In the future, they should therefore link new budgetary assistance to improvements in human and civil rights, focus on humanitarian crisis prevention in line with the “do no harm” approach, and expand contacts with representatives of the Egyptian opposition outside of Egypt.
France’s yellow vests (gilets jaunes) are heterogeneous, make contradictory demands, and refuse to give up. Since November 2018 they have been demonstrating for more purchasing power and greater democracy. Having made financial concessions, President Emmanuel Macron is now playing for time. He has initiated a “grand national debate”, in which all citizens were called on to voice their opinions concerning future political issues. This debate is likely to help him win the European Parliament (EP) elections in May and facilitate splintering the yellow vests. To avert further protests that could paralyse the country, delegitimise his government and ensure that his presidency fails, Macron needs to improve the way he communicates his reform agenda. Merely playing for time will not make France reformable and governable for this president, any more than it did for his predecessors.
Anfang Mai soll in Ägypten ein Referendum über eine Verfassungsänderung abgehalten werden, die Präsident Abdel-Fatah al-Sisi nach dem Ende seiner laufenden Amtszeit ein Weiterregieren ermöglichen würde. Angesichts massiver Repression scheint die Zustimmung gewiss. Damit wäre die Machtkonsolidierung des Sisi-Regimes, das aus dem Militärputsch vom Juli 2013 hervorgegangen ist, weitgehend abgeschlossen. Doch wie wird sich dieses Regime in Zukunft entwickeln? Denkbare Szenarien sind eine erfolgreiche Entwicklungsdiktatur, jahrzehntelange politische und wirtschaftliche Stagnation wie unter Mubarak oder ein baldiges Scheitern. Während eine Entwicklungsdiktatur mangels Reformbereitschaft unrealistisch ist, sind die beiden anderen Szenarien für Deutschland und seine europäischen Partner mit großen Risiken verbunden. Sie sollten daher künftig die Vergabe neuer Budgethilfen an eine Verbesserung der Menschen- und Bürgerrechte knüpfen, auf humanitäre Krisenprävention im Sinne des »Do-No-Harm«-Ansatzes setzen und die Kontakte mit Vertretern der ägyptischen Opposition auch im Ausland ausbauen.
Das neue Präsidialsystem in der Türkei ist für seine Verfechter der Schlüssel, um alle Probleme des Landes zu lösen – ob es um die endgültige Überwindung bürokratischer Vormundschaft über die gewählte Regierung geht oder um eine Verkürzung der Entscheidungswege, die eine effektive Wirtschaftspolitik ermöglichen soll. Doch bietet das System tatsächlich die Grundlage dafür, dass die Türkei innenpolitisch zur Ruhe kommt? Garantiert es wirklich mehr Stabilität, und eröffnet es so die Chance, allmählich zu demokratischen Reformen zurückzukehren? Schafft es vielleicht sogar die Bedingungen dafür, den EU-Beitrittsprozess des Landes wieder aufzunehmen, wie es die türkische Regierung in den letzten Wochen und Monaten verkündet hat? Pragmatiker hoffen darauf, dass Präsident Erdoğan sich bereits nach den nächsten Wahlen seiner Macht vollkommen sicher sein und deshalb zu einer gemäßigten Politik zurückkehren werde. Denn nach den Kommunalwahlen, die für den 31. März 2019 angesetzt sind, habe die türkische Regierung fast fünf Jahre ohne Urnengänge vor sich und könne deshalb erneut Reformpolitik betreiben.
Doch wie ist es um die Reformfähigkeit der Türkei bestellt, wenn die Konzentration aller Macht in den Händen des Staatspräsidenten dessen politischen Spielraum gar nicht erweitert, sondern im Gegenteil beschränkt? Wenn die Sicherung der eigenen Kontrolle mit dem Verlust politischer Gestaltungskraft erkauft wird? Wenn nur der Schulterschluss mit Kräften, die jegliche Reformagenda ablehnen, das Monopol der Macht erhält? Vieles spricht dafür, dass genau damit die heutige Situation in der Türkei umschrieben ist.
Europe is increasingly required to assume greater responsibility for its own well-being and security. The debate about strengthening Europe’s ability to exert influence and act on its interests revolves around concepts such as strategic autonomy and – above all in France – European sovereignty. But rarely are these terms defined, or their political and practical implications explained.
In this publication strategic autonomy is defined as the ability to set priorities and make decisions in matters of foreign policy and security, together with the institutional, political and material wherewithal to carry these through – in cooperation with third parties, or if need be alone. This understanding encompasses the entire spectrum of foreign policy and security, and not just the dimension of defence. Autonomy is always relative. Politically it means growing readiness, a process rather than a condition. Autonomy means neither autarchy nor isolation, nor rejection of alliances. It is not an end in itself, but a means to protect and promote values and interests.
The authors of this collaborative study offer more than definitions. They explore what Germany needs to do, on its own and in cooperation with its European partners, to achieve greater strategic autonomy. What difficulties and conflicts of goals are to be expected. What is necessary and urgent? What is possible at all? What resources will Germany and Europe need to commit? What red lines will Germany encounter in its own internal politics and among its partners? And which questions will need further political discussion?
Elections to the European Parliament (EP) will take place in May 2019. Politicians and experts fear that the election process might be disrupted by disinformation campaigns and cyber attacks. In December 2018, the European Commission presented an action plan against disinformation. It provided 5 million euros for raising awareness amongst voters and policymakers about manipulation, and for increasing the cyber security of electoral systems and processes. The strategy relies on voluntary and nonbinding approaches by Internet companies to fight disinformation. To protect the integrity of elections in the medium term, independent research into technical, legal and market-regulating reforms must be boosted. The objective should be to preserve the functionality of democracies and elections in the age of digitalisation.
NATO faces a problematic threat landscape in the Mediterranean. The Alliance has to deal with hot topics that range from Russia’s robust military posture and involvement in the Syrian Civil War to ISIS terrorism and the migrant crisis. To address all of these challenges, NATO should boost its engagement with partner nations, produce a new maritime security approach, and counterbalance Moscow’s strategic foothold in the eastern Mediterranean.