Die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) verändern ihren Charakter: Von einer Abstimmung zweiter Ordnung werden sie zu einer Richtungswahl für die Entwicklung des politischen Systems der EU. Fünf Veränderungen in der europäischen Parteienlandschaft kommen zusammen: Europaweit verlieren die Parteien rechts und links der Mitte an Zustimmung, die bisher die EU-Integration dominiert haben – die Europäische Volkspartei und die Sozialdemokratische Partei Europas –, ihr interner Zusammenhalt ist unter Druck geraten, das liberale Spektrum formiert sich mit Emmanuel Macrons La République En Marche neu, EU-skeptische Parteien streben eine geeinte Fraktion im EP an und der verschobene Brexit wirbelt zusätzlich die Konstituierung der Fraktionen im EP durcheinander.
In der Studie werden diese Umwälzungen ebenso analysiert wie ihre Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und die politische Orientierung der EU. Trotz ihres Charakters als Dachverbände nationaler Parteien ist die Bedeutung europäischer Parteien für das politische System der EU nicht zu unterschätzen: Sie sorgen für Mehrheitsverhältnisse im EP, spielen eine führende Rolle bei der Besetzung von EU-Spitzenpositionen und tragen jenseits staatlicher Diplomatie zu einem Interessenausgleich in Europa bei. Kurzfristig werden sich die Umwälzungen im europäischen Parteiensystem nach den Europawahlen vor allem auf die Besetzung der EU-Kommission und der Ämter der Hohen Vertreterin und des Präsidenten des Europäischen Rates auswirken, langfristig auf die politische Ausrichtung und Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlaments.
The arduous process of withdrawing the United Kingdom (UK) from the European Union (EU) began shortly after the Brexit referendum in June 2016. The “leave” vote plunged the British government into an existential crisis and led to dramatic special summits at the EU level. Looking at the British exit vote against the history of EU-related referendums reveals its peculiarities and pitfalls. The resulting mandate left the government some room for manoeuvre and initially offered plenty of options for its negotiations with Brussels. However, the government in London was not able to translate the tight “No” vote into a viable negotiating position. The EU insisted on negotiating exclusively with Her Majesty’s Government. Paradoxically, referendums in member states illustrate the European multi-level system’s dependence on states. Member states and the EU can both learn lessons by observing the British government’s handling of the exit referendum.
The mandate of the United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (Minusma) ends on 30 June 2019. There is little doubt that the UN Security Council will extend the mission. Less clear is how Minusma contributes to Mali’s stabilisation and how the mandate could be altered to increase the mission’s effectiveness. In light of changing conditions in Mali, the Security Council should consider a stronger Minusma engagement in central Mali. But for this to happen, cuts must be made in the north.
Gegenwärtig werden wieder Forderungen nach einem Verbot illegaler Bereiche im Internet – sogenannter Dark Nets – laut. Im Entwurf des Bundesinnenministeriums für das neue IT-Sicherheitsgesetz soll das »Zugänglichmachen von Leistungen zur Begehung von Straftaten« über internetbasierte Dienste unter Strafe gestellt werden. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren insbesondere die negativen Aspekte des Dark Nets: illegaler Waffen- und Drogenhandel, Cyber-Kriminalität und Kinderpornografie. Neuere Daten zeigen jedoch, dass die Bedrohungen, die vom Dark Net ausgehen, weitaus geringer sind als häufig angenommen. Daher ist zu fragen, ob ein Verbot dieser Technologie sinnvoll, ohne negative Kollateraleffekte umsetzbar und zudem verhältnismäßig ist. Statt das Dark Net als solches verbieten zu wollen, sollte der Fokus darauf gerichtet werden, in neuen Ermittlungstechniken zu schulen und die internationale Kooperation bei der Strafverfolgung zu intensivieren. Dies wäre eine nachhaltige Lösung, da diese Fähigkeiten auch im Kampf gegen das weitaus größere Problem – Cyber-Kriminalität im regulären Internet – von Nutzen wären.
Seit dem Machtantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping 2012/2013 hat sich in Chinas Innen- und Außenpolitik ein fundamentaler Wandel vollzogen. Zwei zentrale Motive bestimmen Xis Kurs: zum einen die Konzentration der Macht auf die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) und seine Person, verbunden mit intensiver Kontrolle der Gesellschaft; zum anderen die Stärkung des chinesischen Nationalismus. In der Außenpolitik hat Xi ambitionierte Ziele gesetzt: Der regionale und globale Einfluss der Volksrepublik soll weiter ausgebaut werden. 40 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Peking und Washington sehen die USA in China zunehmend eine Bedrohung für ihre globale Macht und ihre demokratischen Werte.
Am 28. April 2019 finden in Spanien vorgezogene Parlamentswahlen statt. Sie sind Ergebnis von drei Blockaden, mit denen das Land seit mehr als zehn Jahren konfrontiert ist und die es unmöglich machen, stabile Regierungen zu bilden. Als Blockaden wirken eine politische Polarisierung, die zu einem Lagerdenken geführt hat, das keine übergreifenden Koalitionen zulässt; die Auswirkungen der Katalonien-Krise, die diese politischen Lager weiter verfestigt, und die innere Konfrontation als Folge des Migrationsdrucks aus Afrika, der massive innenpolitische Verwerfungen verursacht hat. Nach bisherigen Umfragen ist nicht zu erwarten, dass das Wählervotum dazu beitragen wird, die innere Spaltung zu überwinden und klare Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Den Regionalparteien könnte erneut eine Schlüsselrolle zufallen, womit Einzelinteressen wieder die Oberhand behielten. Als Folge würde die (nach einem möglichen Brexit) viertgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU) auch in der kommenden Legislaturperiode durch innere Konflikte in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sein. Außerdem würde das Vorhaben, im europäischen Konzert eine größere Gestaltungsrolle zu spielen, an den politisch und regionalistisch geprägten Blockaden scheitern.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte in ihrer Rede auf der Berliner Sicherheitskonferenz 2018, die europäische Verteidigungsunion sei im Werden und alle Initiativen dienten der Verzahnung der Streitkräfte sowie dem Aufbau gemeinsamer Fähigkeiten. Zurzeit plant das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) den Aufbau einer multinationalen Transporteinheit mit 13 Airbus-Flugzeugen des Typs A400M, die Deutschland gekauft hat, aber selbst nicht nutzen will. Es gibt jedoch Alternativen zum Vorschlag des BMVg: Deutschland könnte diese Maschinen der EU für Missionen oder Operationen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zur Verfügung stellen – dies wäre ein konkreter Schritt in Richtung einer europäischen Verteidigungsunion. Damit könnte die Bundesrepublik ein Signal für weitere Vorhaben setzen, zum Beispiel für ein europäisches Ausbildungsprogramm.
Anlässlich des 70. Gründungsjubiläums der nationalen Marine findet am 23. April 2019 vor der Küste von Qingdao eine Flottenparade mit mehr als dreißig chinesischen Schiffen statt. Chinas Marine hat sich – auch dank jahrzehntelanger russischer Rüstungshilfe – zur größten Asiens entwickelt; Moskau hat »den Drachen gefüttert«. Aus Sicht Pekings haben die chinesischen Streitkräfte aber ein schwerwiegendes Manko: mangelnde Einsatzerfahrung. Auch hier unterstützt der Kreml. Seit dem ersten gemeinsamen Manöver im Jahr 2005 hat die Zusammenarbeit auf vielen Ebenen zugenommen. Sino-russische Seemanöver dienen inzwischen auch als Drohkulisse für Chinas Besitzansprüche im Südchinesischen Meer oder bei den sino-japanischen Streitigkeiten im Ostchinesischen Meer. Moskau und Peking nutzen die gemeinsamen Marineübungen, um geopolitische Signale zu setzen. Allem Misstrauen zum Trotz scheint die Kooperation auf einem relativ stabilen Fundament partnerschaftlicher Beziehungen zu ruhen. Aber handelt es sich deshalb schon um eine Allianz?
In December 2018, the ruling African National Congress (ANC) and the opposition party, Economic Freedom Fighters (EFF), agreed to draft an amendment to the constitution in the South African Parliament. Its intention is to give concrete form to existing options to expropriate land without compensation. The narrative of land reform discussions in South Africa often creates the impression that the expropriation of land owned by white farmers without compensation could solve the country’s problem of unequal income distribution. It would, however, take a whole set of political reforms to create more social justice. Visible successes might help appease those groups that are disappointed with South African democracy 25 years after the end of apartheid, but if the reforms fail then this will likely exacerbate the already palpable sense of frustration felt by ordinary South Africans.
After 16 years of Tayyip Erdoğan in power and with almost total control of the bureaucracy and the mainstream media, it has become hard to imagine a Turkey in which he and his party, the Justice and Development Party (AKP), would not win an election. Yet, after a long nail-biter of an election night, Turkey woke up on April 1 to results indicating a major shift: Defying expectations, Turkish voters had delivered a challenge to the dominance of the governing coalition. While this came as a surprise to some, it points to growing discontent among voters that was able to find expression through institutional means. This was made possible by various parts of the opposition that ran effective alliance strategies and campaigns as well as the election-night process. This accomplishment of the opposition, however, does not necessarily mean an easy shift to a democratic path in Turkey. Much depends on how various actors in the governing coalition respond to this new picture.
Am 30. Juni 2019 endet das Mandat der United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (Minusma). Eine Verlängerung des Mandats durch den VN-Sicherheitsrat gilt als sicher. Dabei ist unklar, welchen Beitrag die Mission zur Stabilisierung Malis zu leisten vermag und wie das Mandat geändert werden könnte, um die Mission effektiver zu gestalten. Angesichts der sich verändernden Rahmenbedingungen in Mali sollte der Sicherheitsrat ein stärkeres Minusma-Engagement in Zentralmali erwägen. Dafür müssen aber auch Abstriche im Norden gemacht werden.
Nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 begann ein windungsreicher Prozess der Loslösung des Vereinigten Königreichs von der Europäischen Union (EU). Das Leave-Votum stürzte die britische Regierung in eine Existenzkrise und bescherte der EU dramatische Sondergipfel. Eine Einordnung in die Geschichte der EU-bezogenen Referenden zeigt die Besonderheiten und Fallstricke des britischen Austrittsvotums. Denn der daraus resultierende Auftrag an die Regierung ließ Spielräume, die Ausgangssituation für Verhandlungen mit Brüssel war zunächst optionenreich. Jedoch vermochte es die Regierung in London nicht, das knappe No-Votum in eine tragfähige Verhandlungsposition zu überführen. Die EU-Seite beharrte strikt darauf, nur mit der Regierung Ihrer Majestät zu verhandeln. Volksentscheide in Mitgliedstaaten verdeutlichen paradoxerweise die Staatenabhängigkeit des europäischen Mehrebenensystems. Aus dem Umgang der britischen Regierung mit dem Austrittsreferendum lassen sich Lehren für die Mitgliedstaaten und die EU ziehen.
In 2014, in response to the Ukrainian “Euromaidan”, Russia annexed Crimea and provoked a war in eastern Ukraine. The ensuing conflict still claims lives today. For the past five years Germany and its Western partners have been trying to resolve the conflict politically, to date without success. The Minsk ceasefire agreements of 2014 and 2015 have still not been implemented.
All the directly involved actors bear responsibility. The separatist “People’s Republics” in Donetsk and Luhansk have established dictatorial quasi-state structures but remain almost completely dependent on Moscow. Russia refuses to acknowledge its role as a party to the conflict. Ukraine has fulfilled some of its obligations under the Minsk Agreements, but neglected others. The situation is exacerbated by negative dynamics on all levels. Kyiv and the “People’s Republics” are drifting steadily apart, while millions living along the line of contact experience terrible humanitarian suffering. This threatens to establish a state of permanent poverty and underdevelopment in the regions affected by the conflict.
The European Union and its member states pursue a division of labour. Brussels maintains Union-wide sanctions against Russia and forges ahead with implementing the Association Agreement with Ukraine. Germany and France conduct peace talks in the so-called Normandy Format. All conflict parties must be reminded to avoid escalation risks. Much greater attention must be directed to the local level and especially the humanitarian crisis. Action at this level is limited in reach but imperative for progress towards peace.
Die Wählerinnen und Wähler in Nigeria haben mit 55,6 % der Stimmen den amtierenden Präsidenten Buhari wiedergewählt. Sein größter Konkurrent Abubakar hat es auch im vierten Anlauf nicht geschafft, Präsident zu werden. Letztendlich hat bei der Wahl im bevölkerungsreichsten Land Afrikas der vertrauenswürdigere Kandidat gewonnen: Ihm traut die Bevölkerung noch am ehesten zu, die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen. Und diese ist zunehmend schwieriger geworden. Neben der nach wie vor angespannten Lage im Nigerdelta, der Piraterie im Seegebiet vor Nigeria, den marodierenden Banden im Nordwesten, dem weiterhin offenen Konflikt zwischen Bauern und Viehhirten (Fulani) im Middle Belt, der separatistischen Bewegung der »Indigenous People of Biafra« (IPOB) im Südosten drängt sich Boko Haram im Nordosten wieder stärker in den Vordergrund. Seit November 2018 ist die Zahl der Angriffe massiv gestiegen. Sie richten sich nicht mehr wahllos gegen die Zivilbevölkerung, sondern gezielt gegen die Sicherheitskräfte. Möglicherweise gewinnt der »Islamische Staat« (IS) in Westafrika an Gewicht.
Unter Präsident Wladimir Putin erstarkte ein Konservatismus, mit dem sich Russland von einem angeblich traditionsfeindlichen Westen abgrenzt. Vor allem in Putins dritter Amtszeit (2012–2018) wurde die Zusammenarbeit des Kreml mit der Russischen Orthodoxen Kirche ausgebaut. Gemeinsam widmete man sich etwa der patriotischen Präsentation der Geschichte Russlands als einer Großmacht, die einer »vom Westen dominierten Weltordnung« entgegentritt. Dabei versteht sich das Moskauer Patriarchat zwar nicht als Erfüllungsgehilfe des Kreml und hat seinerseits auf die Regierungsführung nur sehr begrenzten Einfluss. Aber in einem gemeinsamen Wertediskurs betonen kirchliche und staatliche Sprecher die »kulturelle Souveränität« und »einzigartige Zivilisation« ihres Landes, und die kirchlichen Außenbeziehungen verschränken sich in einigen Fällen mit der staatlichen Außenpolitik. Besonderes Aufsehen erregte der Streit um eine vom Moskauer Patriarchat getrennte eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine, der im April 2018 aufflammte, in Kiew wie auch in Moskau politisiert wurde und weite Kreise zog. Schon diese grenzüberschreitende Auseinandersetzung fordert es geradezu heraus, sich eingehender mit nationalen und außenpolitischen Akzenten von Orthodoxie und mit dem Verhältnis von Kirche und Staat in Russland zu befassen.
US President Donald Trump has announced a “deal of the century” to resolve the Israeli-Palestinian conflict. The plan is to be revealed at an undetermined date sometime after the Israeli parliamentary elections. While the details remain a well-kept secret, the US Administration’s record to date suggests that the initiative will prioritise Israeli interests over Palestinian rights, ignore fundamental principles of international law, and steer well away from the idea of two sovereign states. The Palestinian leadership’s rejection must therefore be expected. The incoming Israeli government is likely to treat that as a green light to implement those elements of the plan that serve to maintain its permanent control over East Jerusalem and strategic areas of the West Bank. This course also risks breakdown of the already precarious Israeli-Palestinian cooperation on conflict management. The EU and its member states should take the publication of the US plan as an occasion to spell out the principles of the kind of conflict resolution that they could support, and state the consequences for European policy of Israeli annexation of parts of the West Bank.
Mit dem drohenden Ende des Vertrags über das Verbot landgestützter Mittelstreckenwaffen (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty, INF) rückt die Frage stärker in den Vordergrund, wie der Aufrüstung bei dieser Waffenkategorie begegnet werden kann. Es ist nicht zu erkennen, dass auf den Ruinen des INF-Vertrags eine Vereinbarung entsteht, die eine größere geografische Reichweite hat oder einen breiteren Verbotstatbestand enthält als das Abkommen selbst. Jenseits des noch bestehenden Verbots landgestützter Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern wird es daher wohl zunächst darauf ankommen, einen unkontrollierten Rüstungswettlauf in Europa zu verhindern und der Verbreitung von Mittelstreckenwaffen in weitere Staaten entgegenzuwirken. Politische Bemühungen sollten sich zudem auf die Verlängerung des New-START-Vertrags und auf ein Verbot besonders destabilisierender Waffensysteme wie etwa nuklearer Marschflugkörper konzentrieren. Europa könnte auch versuchen, vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zwischen der Nato und Russland anzustoßen.