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Diplomacy & Defense Think Tank News

Georgien am Scheideweg

SWP - Tue, 03/06/2025 - 08:00

Georgien befindet sich an einer Weggabelung: innenpolitisch durch den Rückbau demokratischer Errungenschaften, außenpolitisch durch eine Rekonfiguration seiner Außenbeziehungen. Beeinflusst werden diese Dynamiken durch geopolitische Dis­ruptionen in der Region und auf globaler Ebene. Im Umgang mit dieser Herausforderung sollte die EU eine bedachtsame Nutzung von Kommunikationskanälen im Sinne der demokratischen und europäischen Zukunft Georgiens prüfen, Kooperations­fragen eng an deren Implikationen für die Bevölkerung knüpfen sowie die Resilienz der georgischen Zivilgesellschaft stärken. Fortschritte anderer EU-Beitrittskandidaten würden EU-skeptische Stimmen schwächen und könnten den gesellschaftlichen Rück­halt für Georgiens europäische Perspektive festigen.

Schluss mit den Preisexzessen

Gestiegene Wohnkosten belasten vor allem arme Menschen. Die neue Regierung muss jetzt Leerstände bekämpfen und Immobiliengewinne fair besteuern. Dafür braucht sie Mut. , Das Wohnen ist eine der drängendsten sozialen Fragen. Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren nicht nur unter der hohen Inflation gelitten, sondern auch unter stark gestiegenen Wohnkosten und fehlendem angemessenem Wohnraum. Das vertieft die wirtschaftliche und soziale Kluft und verschärft ...

Public expenditure efficiency and foreign direct investment in developing countries

This paper examines the effect of public expenditure efficiency on FDI inflows, using data on a panel of 100 developing countries from 1990 to 2017. We find robust evidence that improvements in public expenditure efficiency significantly increase FDI inflows. This effect is complementary to institutional quality, per capita income and binding fiscal frameworks such as fiscal rules. Our findings highlight that, in addition to promoting the sustainability of public finances, the efficient use of public resources can exert significant positive spillover effects on the attractiveness of developing countries to foreign investors.

Adama Ouedraogo is a Ph.D. candidate at the University of Clermont-Auvergne and CERDI, in Clermont-Ferrand, France.

Public expenditure efficiency and foreign direct investment in developing countries

This paper examines the effect of public expenditure efficiency on FDI inflows, using data on a panel of 100 developing countries from 1990 to 2017. We find robust evidence that improvements in public expenditure efficiency significantly increase FDI inflows. This effect is complementary to institutional quality, per capita income and binding fiscal frameworks such as fiscal rules. Our findings highlight that, in addition to promoting the sustainability of public finances, the efficient use of public resources can exert significant positive spillover effects on the attractiveness of developing countries to foreign investors.

Adama Ouedraogo is a Ph.D. candidate at the University of Clermont-Auvergne and CERDI, in Clermont-Ferrand, France.

Public expenditure efficiency and foreign direct investment in developing countries

This paper examines the effect of public expenditure efficiency on FDI inflows, using data on a panel of 100 developing countries from 1990 to 2017. We find robust evidence that improvements in public expenditure efficiency significantly increase FDI inflows. This effect is complementary to institutional quality, per capita income and binding fiscal frameworks such as fiscal rules. Our findings highlight that, in addition to promoting the sustainability of public finances, the efficient use of public resources can exert significant positive spillover effects on the attractiveness of developing countries to foreign investors.

Adama Ouedraogo is a Ph.D. candidate at the University of Clermont-Auvergne and CERDI, in Clermont-Ferrand, France.

Präsidentschaftswahl Polen: »Es wird keinen geopolitischen Reset geben«

SWP - Mon, 02/06/2025 - 13:36
Wie steht es um die polnisch-europäischen Beziehungen? Sicherheitsexperte Kai-Olaf Lang sieht den neuen Präsidenten Nawrocki auf dem Kurs seines Vorgängers.

Militärische Emissionen in der internationalen Klimapolitik

SWP - Mon, 02/06/2025 - 13:01
Zur Konvergenz klima- und sicherheitspolitischer Ziele

Die Arktis im Brennpunkt: Klimakatastrophe im Schatten der Geopolitik

Zahlreiche Studien weisen seit Jahrzehnten eindrücklich auf die planetaren Auswirkungen des Klimawandels in diesen Gebieten hin. Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Geopolitisierungstrends erhält die Ausarbeitung wirksamer Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels allerdings eine geringere politische Priorität – auch in den Arktisregionen selbst, obwohl klimabedingte Veränderungen das Leben der dort lebenden Menschen bereits stark prägen. Im Fall der Arktisregionen führt Geopolitisierung zu: 1. einer Abkehr von regionaler Kooperation, 2. einer Fokussierung auf zwischenstaatliche Kooperationen mit „like-minded“ Partner*innen und der Priorisierung militärischer Sicherheitsfragen, 3. einer Schwächung lokaler und nicht-staatlicher Akteur*innen in politischen Entscheidungsprozessen sowie einer Schwächung der Entwicklung wirksamer Handlungsstrategien im Umgang mit der Klimakatastrophe.

Die Arktis im Brennpunkt: Klimakatastrophe im Schatten der Geopolitik

Zahlreiche Studien weisen seit Jahrzehnten eindrücklich auf die planetaren Auswirkungen des Klimawandels in diesen Gebieten hin. Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Geopolitisierungstrends erhält die Ausarbeitung wirksamer Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels allerdings eine geringere politische Priorität – auch in den Arktisregionen selbst, obwohl klimabedingte Veränderungen das Leben der dort lebenden Menschen bereits stark prägen. Im Fall der Arktisregionen führt Geopolitisierung zu: 1. einer Abkehr von regionaler Kooperation, 2. einer Fokussierung auf zwischenstaatliche Kooperationen mit „like-minded“ Partner*innen und der Priorisierung militärischer Sicherheitsfragen, 3. einer Schwächung lokaler und nicht-staatlicher Akteur*innen in politischen Entscheidungsprozessen sowie einer Schwächung der Entwicklung wirksamer Handlungsstrategien im Umgang mit der Klimakatastrophe.

Die Arktis im Brennpunkt: Klimakatastrophe im Schatten der Geopolitik

Zahlreiche Studien weisen seit Jahrzehnten eindrücklich auf die planetaren Auswirkungen des Klimawandels in diesen Gebieten hin. Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Geopolitisierungstrends erhält die Ausarbeitung wirksamer Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels allerdings eine geringere politische Priorität – auch in den Arktisregionen selbst, obwohl klimabedingte Veränderungen das Leben der dort lebenden Menschen bereits stark prägen. Im Fall der Arktisregionen führt Geopolitisierung zu: 1. einer Abkehr von regionaler Kooperation, 2. einer Fokussierung auf zwischenstaatliche Kooperationen mit „like-minded“ Partner*innen und der Priorisierung militärischer Sicherheitsfragen, 3. einer Schwächung lokaler und nicht-staatlicher Akteur*innen in politischen Entscheidungsprozessen sowie einer Schwächung der Entwicklung wirksamer Handlungsstrategien im Umgang mit der Klimakatastrophe.

Die Freihandelsabkommen der EU

SWP - Mon, 02/06/2025 - 10:38

Die EU verfügt über ein weltweit einzigartiges Netz von Freihandels­abkommen. In oft langwierigen Verhandlungen hat sie dafür Vereinbarungen geschlossen, die über eine gegenseitige Öffnung der Märkte weit hinausgehen. Vielmehr beziehen die Abkommen wirtschaftliche und außenpolitische Themen mit ein, ebenso Fragen der ökonomischen Ent­wicklung und des Schutzes menschenwürdiger Arbeit, der Umwelt und der Menschenrechte. Allerdings ändern sich zunehmend die Rahmenbedingungen. Dies betrifft nicht nur die neuesten Aktivitäten der US-Regierung in der Handelspolitik, die Erosion der Welthandelsorganisation (WTO) als multilateraler Ordnungsrahmen oder die geoökonomischen Prioritäten anderer Akteure sowie die zunehmende Konkurrenz mit ihnen. Auch die Handelspolitik der EU selbst hat sich gewandelt, neue Ziele definiert und neue Instrumente entwickelt. Diese Herausforderungen bieten Anlass, die bisherige Praxis der EU auf den Prüfstand zu stellen, was den Umgang mit geplanten Freihandels­abkommen angeht. Das gilt für deren Inhalt und Zuschnitt, aber auch für die Verhandlungen mit den jeweiligen Partnern sowie die EU-internen Abläufe der Zustimmung und des Abschlusses. Wesentlich muss die EU in die Lage kommen, Freihandelsabkommen erforderlichenfalls leichter und schneller abschließen zu können. Sie kann dazu ihren Partnern in einigem Umfang eine Modularisierung und Dynamisierung der Vereinbarungen anbieten, ebenso eine Koope­ration bei der Umsetzung der EU-seitigen autonomen Nachhaltigkeits­instrumente. Die EU muss aber auch intern die Zustimmung zu Abkommen und deren Abschluss erleichtern und beschleunigen. Sie kann dabei in weitem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch machen, den »Handelsteil« von Abkommen im Rahmen ihrer Handelskompetenz allein und mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat abzuschließen.

Deutschlands Beitrag zu Syriens Wiederaufbau durch Dezentralisierung

Bonn, 02. Juni 2025. Wiederaufbau nach Konflikten muss über Infrastruktur hinausgehen und das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Staat wiederherstellen. Dezentrale Verwaltung mit lokaler Kontrolle über Finanzen und Dienstleistungen kann die Reaktionsfähigkeit, Legitimität und langfristige Stabilität fördern. Besonders in fragilen Kontexten wie Syrien könnte lokale Selbstverwaltung die staatliche Leistungsfähigkeit und das Vertrauen in die Institutionen stärken. Der Weg dorthin ist jedoch lang und eine inklusive Ordnung erfordert Zugeständnisse auf zentraler wie lokaler Ebene. Dank seiner Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Wiedervereinigung und seines föderalen Systems kann Deutschland eine strategische Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen und zu einer inklusiven Entwicklung durch Dezentralisierung beitragen.


Nach 1945 war der Marshallplan in Westdeutschland Katalysator für einen Strukturwandel durch soziale Marktwirtschaft. Beruhend auf Dezentralisierung und institutionellen Reformen legte dieses Modell den Grundstein für eine inklusive Entwicklung. Starke Institutionen auf Bundes- und Landesebene ermöglichten es Deutschland, nach der Wiedervereinigung 1990 eine flexible Integrationsstrategie für die neuen Bundesländer umzusetzen, mit Fokus auf lokale Entwicklung und nachhaltige Finanztransfers durch föderale Mechanismen. Dieser Ansatz zeigt die Vorteile von Dezentralisierung, wenn sie in eine gut konzipierte Mehrebenen-Governance eingebettet ist. 


In Syrien hat der blutige Bürgerkrieg auch die Stärken lokaler Gemeinschaften in Gebieten außerhalb der staatlichen Kontrolle offenbart. Schon früh boten Lokale Koordinationskomitees (LCCs) staatliche Dienstleistungen an, was ironischerweise an Syriens nicht umgesetztes Dekret 107 von 2011 erinnert. Ab 2014 zeigte die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES), dass lokale Selbstverwaltung durch gewählte Räte und integrative Entscheidungsfindung trotz aller Herausforderungen möglich ist. Sie bietet damit ein praktisches Modell für eine Nachkriegs-Dezentralisierung


Natürlich unterscheidet sich die aktuelle Situation in Syrien sehr von Nachkriegsdeutschland, und die Wiedervereinigung baute auf wesentlich stabileren politischen Verhältnissen in Ost und West, war aber mit ihren eigenen Schwierigkeiten behaftet. So ist der Lebensstandard im Osten immer noch niedriger und die soziopolitischen Gräben wurden nicht vollständig überwunden. Dennoch kann Deutschland seine Dezentralisierungserfahrung einbringen und in Syrien als strategischer Partner und nicht nur als Geber auftreten. Dort hat die zentralistische Herrschaft die staatlichen Institutionen ausgehöhlt und jahrzehntelang eine Teile-und-herrsche-Taktik angewandt. Der Bürgerkrieg hat das Land weiter fragmentiert, wie die Massaker in der alawitischen Küstenregion, die Gewalt im drusisch dominierten Süden und die anti-kurdische Offensive der Türkei im Nordosten zeigten. Das neue Syrien sollte die Fehler der Vergangenheit vermeiden, denn Zentralismus und Fragmentierung bergen die Gefahr erneuter Gewalt.


Dezentralisierung kann Integration statt Fragmentierung bewirken, wenn zentrale und lokale Regierungen zusammenarbeiten und die Grenzen ihrer jeweiligen Mandate kennen. Die Zentralregierung sollte Dezentralisierung nicht als Zugeständnis sehen, sondern als notwendigen Schritt, um Missstände zu beseitigen, die schon vor dem Konflikt zu Syriens Fragilität beitrugen. Das in Deutschland geltende Subsidiaritätsprinzip könnte ein Vorbild für Syrien sein: Entscheidungen werden auf der niedrigsten institutionellen Ebene getroffen, die unmittelbar davon betroffen ist. Lokale Regierungen wiederum müssen einsehen, dass bestimmte staatliche Aufgaben der souveränen Zentralregierung vorbehalten sind, wie etwa Verteidigung, internationale Vertretung oder Währungspolitik. Ein solider Gesellschaftsvertrag erfordert klare Zuständigkeiten und fiskalische Autonomie eindeutig zwischen zentralen und lokalen Behörden, um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden. 


Deutschland kann mit seinen Förderinstrumenten eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen. Institutionen wie GIZ und KfW sind in der Lage, auch in konfliktbetroffenen Kommunen und eingeschränkten zivilgesellschaftlichen Räumen zu unterstützen. Darüber hinaus sind Organisationen wie die Humboldt-Stiftung und der DAAD mit syrischen Alumni eng vernetzt. Dass Deutschland syrische Geflüchtete aufgenommen hat, stellt zudem eine einzigartige Brücke zu syrischen Gemeinden dar. Deutschland sollte daher nicht nur technische Hilfe leisten, sondern auch mit lokalen und Diaspora-Initiativen zusammenarbeiten, um den Aufbau von Institutionen und einen echten intersyrischen Dialog zu fördern. Die deutsch-syrische Zusammenarbeit bietet die Chance für einen bedarfsorientierten, partizipativen Wiederaufbau, der Lebenswirklichkeiten vor Ort widerspiegelt. 


Deutschland kann seine Erfahrungen, starken Institutionen, Entwicklungskapazitäten und moralische Glaubwürdigkeit nutzen, um ein dezentralisiertes Regierungssystem im neuen Syrien zu verankern. Es sollte lokale Akteure stärken, nicht überkommene Strukturen: Der Wiederaufbau muss zu einer inklusiveren Ordnung führen und nicht zum alten zentralistischen Modell, das von Spaltung und Misstrauen geprägt ist. Dezentralisierung kann die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft stärken und den syrischen Gesellschaftsvertrag in Richtung Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit prägen – schließlich wünschen das die Syrer*innen selbst.

 

Musallam Abedtalas ist Ökonom und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Jan Mohammad ist ein kurdisch-dänischer Forscher im Bereich der internationalen Betriebswirtschaft, mit Schwerpunkt auf wirtschaftlicher Governance und der politischen Ökonomie Syriens.

Tina Zintl ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

 

Deutschlands Beitrag zu Syriens Wiederaufbau durch Dezentralisierung

Bonn, 02. Juni 2025. Wiederaufbau nach Konflikten muss über Infrastruktur hinausgehen und das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Staat wiederherstellen. Dezentrale Verwaltung mit lokaler Kontrolle über Finanzen und Dienstleistungen kann die Reaktionsfähigkeit, Legitimität und langfristige Stabilität fördern. Besonders in fragilen Kontexten wie Syrien könnte lokale Selbstverwaltung die staatliche Leistungsfähigkeit und das Vertrauen in die Institutionen stärken. Der Weg dorthin ist jedoch lang und eine inklusive Ordnung erfordert Zugeständnisse auf zentraler wie lokaler Ebene. Dank seiner Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Wiedervereinigung und seines föderalen Systems kann Deutschland eine strategische Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen und zu einer inklusiven Entwicklung durch Dezentralisierung beitragen.


Nach 1945 war der Marshallplan in Westdeutschland Katalysator für einen Strukturwandel durch soziale Marktwirtschaft. Beruhend auf Dezentralisierung und institutionellen Reformen legte dieses Modell den Grundstein für eine inklusive Entwicklung. Starke Institutionen auf Bundes- und Landesebene ermöglichten es Deutschland, nach der Wiedervereinigung 1990 eine flexible Integrationsstrategie für die neuen Bundesländer umzusetzen, mit Fokus auf lokale Entwicklung und nachhaltige Finanztransfers durch föderale Mechanismen. Dieser Ansatz zeigt die Vorteile von Dezentralisierung, wenn sie in eine gut konzipierte Mehrebenen-Governance eingebettet ist. 


In Syrien hat der blutige Bürgerkrieg auch die Stärken lokaler Gemeinschaften in Gebieten außerhalb der staatlichen Kontrolle offenbart. Schon früh boten Lokale Koordinationskomitees (LCCs) staatliche Dienstleistungen an, was ironischerweise an Syriens nicht umgesetztes Dekret 107 von 2011 erinnert. Ab 2014 zeigte die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES), dass lokale Selbstverwaltung durch gewählte Räte und integrative Entscheidungsfindung trotz aller Herausforderungen möglich ist. Sie bietet damit ein praktisches Modell für eine Nachkriegs-Dezentralisierung


Natürlich unterscheidet sich die aktuelle Situation in Syrien sehr von Nachkriegsdeutschland, und die Wiedervereinigung baute auf wesentlich stabileren politischen Verhältnissen in Ost und West, war aber mit ihren eigenen Schwierigkeiten behaftet. So ist der Lebensstandard im Osten immer noch niedriger und die soziopolitischen Gräben wurden nicht vollständig überwunden. Dennoch kann Deutschland seine Dezentralisierungserfahrung einbringen und in Syrien als strategischer Partner und nicht nur als Geber auftreten. Dort hat die zentralistische Herrschaft die staatlichen Institutionen ausgehöhlt und jahrzehntelang eine Teile-und-herrsche-Taktik angewandt. Der Bürgerkrieg hat das Land weiter fragmentiert, wie die Massaker in der alawitischen Küstenregion, die Gewalt im drusisch dominierten Süden und die anti-kurdische Offensive der Türkei im Nordosten zeigten. Das neue Syrien sollte die Fehler der Vergangenheit vermeiden, denn Zentralismus und Fragmentierung bergen die Gefahr erneuter Gewalt.


Dezentralisierung kann Integration statt Fragmentierung bewirken, wenn zentrale und lokale Regierungen zusammenarbeiten und die Grenzen ihrer jeweiligen Mandate kennen. Die Zentralregierung sollte Dezentralisierung nicht als Zugeständnis sehen, sondern als notwendigen Schritt, um Missstände zu beseitigen, die schon vor dem Konflikt zu Syriens Fragilität beitrugen. Das in Deutschland geltende Subsidiaritätsprinzip könnte ein Vorbild für Syrien sein: Entscheidungen werden auf der niedrigsten institutionellen Ebene getroffen, die unmittelbar davon betroffen ist. Lokale Regierungen wiederum müssen einsehen, dass bestimmte staatliche Aufgaben der souveränen Zentralregierung vorbehalten sind, wie etwa Verteidigung, internationale Vertretung oder Währungspolitik. Ein solider Gesellschaftsvertrag erfordert klare Zuständigkeiten und fiskalische Autonomie eindeutig zwischen zentralen und lokalen Behörden, um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden. 


Deutschland kann mit seinen Förderinstrumenten eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen. Institutionen wie GIZ und KfW sind in der Lage, auch in konfliktbetroffenen Kommunen und eingeschränkten zivilgesellschaftlichen Räumen zu unterstützen. Darüber hinaus sind Organisationen wie die Humboldt-Stiftung und der DAAD mit syrischen Alumni eng vernetzt. Dass Deutschland syrische Geflüchtete aufgenommen hat, stellt zudem eine einzigartige Brücke zu syrischen Gemeinden dar. Deutschland sollte daher nicht nur technische Hilfe leisten, sondern auch mit lokalen und Diaspora-Initiativen zusammenarbeiten, um den Aufbau von Institutionen und einen echten intersyrischen Dialog zu fördern. Die deutsch-syrische Zusammenarbeit bietet die Chance für einen bedarfsorientierten, partizipativen Wiederaufbau, der Lebenswirklichkeiten vor Ort widerspiegelt. 


Deutschland kann seine Erfahrungen, starken Institutionen, Entwicklungskapazitäten und moralische Glaubwürdigkeit nutzen, um ein dezentralisiertes Regierungssystem im neuen Syrien zu verankern. Es sollte lokale Akteure stärken, nicht überkommene Strukturen: Der Wiederaufbau muss zu einer inklusiveren Ordnung führen und nicht zum alten zentralistischen Modell, das von Spaltung und Misstrauen geprägt ist. Dezentralisierung kann die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft stärken und den syrischen Gesellschaftsvertrag in Richtung Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit prägen – schließlich wünschen das die Syrer*innen selbst.

 

Musallam Abedtalas ist Ökonom und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Jan Mohammad ist ein kurdisch-dänischer Forscher im Bereich der internationalen Betriebswirtschaft, mit Schwerpunkt auf wirtschaftlicher Governance und der politischen Ökonomie Syriens.

Tina Zintl ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

 

Deutschlands Beitrag zu Syriens Wiederaufbau durch Dezentralisierung

Bonn, 02. Juni 2025. Wiederaufbau nach Konflikten muss über Infrastruktur hinausgehen und das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Staat wiederherstellen. Dezentrale Verwaltung mit lokaler Kontrolle über Finanzen und Dienstleistungen kann die Reaktionsfähigkeit, Legitimität und langfristige Stabilität fördern. Besonders in fragilen Kontexten wie Syrien könnte lokale Selbstverwaltung die staatliche Leistungsfähigkeit und das Vertrauen in die Institutionen stärken. Der Weg dorthin ist jedoch lang und eine inklusive Ordnung erfordert Zugeständnisse auf zentraler wie lokaler Ebene. Dank seiner Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Wiedervereinigung und seines föderalen Systems kann Deutschland eine strategische Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen und zu einer inklusiven Entwicklung durch Dezentralisierung beitragen.


Nach 1945 war der Marshallplan in Westdeutschland Katalysator für einen Strukturwandel durch soziale Marktwirtschaft. Beruhend auf Dezentralisierung und institutionellen Reformen legte dieses Modell den Grundstein für eine inklusive Entwicklung. Starke Institutionen auf Bundes- und Landesebene ermöglichten es Deutschland, nach der Wiedervereinigung 1990 eine flexible Integrationsstrategie für die neuen Bundesländer umzusetzen, mit Fokus auf lokale Entwicklung und nachhaltige Finanztransfers durch föderale Mechanismen. Dieser Ansatz zeigt die Vorteile von Dezentralisierung, wenn sie in eine gut konzipierte Mehrebenen-Governance eingebettet ist. 


In Syrien hat der blutige Bürgerkrieg auch die Stärken lokaler Gemeinschaften in Gebieten außerhalb der staatlichen Kontrolle offenbart. Schon früh boten Lokale Koordinationskomitees (LCCs) staatliche Dienstleistungen an, was ironischerweise an Syriens nicht umgesetztes Dekret 107 von 2011 erinnert. Ab 2014 zeigte die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES), dass lokale Selbstverwaltung durch gewählte Räte und integrative Entscheidungsfindung trotz aller Herausforderungen möglich ist. Sie bietet damit ein praktisches Modell für eine Nachkriegs-Dezentralisierung


Natürlich unterscheidet sich die aktuelle Situation in Syrien sehr von Nachkriegsdeutschland, und die Wiedervereinigung baute auf wesentlich stabileren politischen Verhältnissen in Ost und West, war aber mit ihren eigenen Schwierigkeiten behaftet. So ist der Lebensstandard im Osten immer noch niedriger und die soziopolitischen Gräben wurden nicht vollständig überwunden. Dennoch kann Deutschland seine Dezentralisierungserfahrung einbringen und in Syrien als strategischer Partner und nicht nur als Geber auftreten. Dort hat die zentralistische Herrschaft die staatlichen Institutionen ausgehöhlt und jahrzehntelang eine Teile-und-herrsche-Taktik angewandt. Der Bürgerkrieg hat das Land weiter fragmentiert, wie die Massaker in der alawitischen Küstenregion, die Gewalt im drusisch dominierten Süden und die anti-kurdische Offensive der Türkei im Nordosten zeigten. Das neue Syrien sollte die Fehler der Vergangenheit vermeiden, denn Zentralismus und Fragmentierung bergen die Gefahr erneuter Gewalt.


Dezentralisierung kann Integration statt Fragmentierung bewirken, wenn zentrale und lokale Regierungen zusammenarbeiten und die Grenzen ihrer jeweiligen Mandate kennen. Die Zentralregierung sollte Dezentralisierung nicht als Zugeständnis sehen, sondern als notwendigen Schritt, um Missstände zu beseitigen, die schon vor dem Konflikt zu Syriens Fragilität beitrugen. Das in Deutschland geltende Subsidiaritätsprinzip könnte ein Vorbild für Syrien sein: Entscheidungen werden auf der niedrigsten institutionellen Ebene getroffen, die unmittelbar davon betroffen ist. Lokale Regierungen wiederum müssen einsehen, dass bestimmte staatliche Aufgaben der souveränen Zentralregierung vorbehalten sind, wie etwa Verteidigung, internationale Vertretung oder Währungspolitik. Ein solider Gesellschaftsvertrag erfordert klare Zuständigkeiten und fiskalische Autonomie eindeutig zwischen zentralen und lokalen Behörden, um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden. 


Deutschland kann mit seinen Förderinstrumenten eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen. Institutionen wie GIZ und KfW sind in der Lage, auch in konfliktbetroffenen Kommunen und eingeschränkten zivilgesellschaftlichen Räumen zu unterstützen. Darüber hinaus sind Organisationen wie die Humboldt-Stiftung und der DAAD mit syrischen Alumni eng vernetzt. Dass Deutschland syrische Geflüchtete aufgenommen hat, stellt zudem eine einzigartige Brücke zu syrischen Gemeinden dar. Deutschland sollte daher nicht nur technische Hilfe leisten, sondern auch mit lokalen und Diaspora-Initiativen zusammenarbeiten, um den Aufbau von Institutionen und einen echten intersyrischen Dialog zu fördern. Die deutsch-syrische Zusammenarbeit bietet die Chance für einen bedarfsorientierten, partizipativen Wiederaufbau, der Lebenswirklichkeiten vor Ort widerspiegelt. 


Deutschland kann seine Erfahrungen, starken Institutionen, Entwicklungskapazitäten und moralische Glaubwürdigkeit nutzen, um ein dezentralisiertes Regierungssystem im neuen Syrien zu verankern. Es sollte lokale Akteure stärken, nicht überkommene Strukturen: Der Wiederaufbau muss zu einer inklusiveren Ordnung führen und nicht zum alten zentralistischen Modell, das von Spaltung und Misstrauen geprägt ist. Dezentralisierung kann die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft stärken und den syrischen Gesellschaftsvertrag in Richtung Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit prägen – schließlich wünschen das die Syrer*innen selbst.

 

Musallam Abedtalas ist Ökonom und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Jan Mohammad ist ein kurdisch-dänischer Forscher im Bereich der internationalen Betriebswirtschaft, mit Schwerpunkt auf wirtschaftlicher Governance und der politischen Ökonomie Syriens.

Tina Zintl ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

 

Trouver un appartement à Marseille : conseils pratiques pour une recherche réussie

RMES - Sun, 01/06/2025 - 22:30
Vous rêvez de vous installer dans la cité phocéenne ? La recherche d’un appartement à Marseille peut vite devenir un véritable casse-tête. Entre la forte demande locative et les spécificités de chaque quartier, il est facile de se sentir dépassé. La ville compte plus de 860 000 habitants et attire chaque année de nouveaux arrivants, ...

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Israel-Experte: Kaum ein Land unterstützt den Krieg in Gaza noch

SWP - Fri, 30/05/2025 - 17:27
Am Donnerstag gab es wieder schwere Angriffe der israelischen Armee mit Toten im Gazastreifen. Israel-Experte Peter Lintl sagt, in Netanjahus Regierung gebe es Kräfte, die weiterhin volle Härte zeigen wollen.

Women, gender fluidity and Shona kinship structure in Zimbabwe

This article discusses the complexities of Shona kinship structure and how it positions women through relationships that are based on consanguinity and affinity. The article, which is an auto-ethnographic discussion emanating from my insider status as a participant observer in Shona kinship structure, addresses women’s fluctuation between being women and “social men” in their patrilineages. Shona patriarchy involves the positioning of women in a kinship structure in which social hierarchy, status and gender are fluid and not necessarily aligned with biology. Women’s status in Shona kinship structure is not homogeneous and fixed, but contingent upon a flexible interpretation of gender. Este artigo discute a complexidades da estrutura de parentesco Shona e como ela posiciona as mulheres por meio da relacionamentos que são baseados na consanguinidade e na afinidade. O artigo, que é uma discussão autoetnográfica que emana do meu status de insider como uma observadora-participante na estrutura de parentesco Shona, aborda a flutuação das mulheres entre mulheres e “homens sociais” em suas patrilinhagens. O patriarcado Shona envolve o posicionamento das mulheres em uma estrutura de parentesco na qual a hierarquia social, o status e o gênero são fluidos e não necessariamente alinhados com a biologia. O status das mulheres na estrutura de parentesco Shona não é homogêneo e fixo, mas contingente a uma interpretação flexível do gênero.

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