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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 month 3 weeks ago

Der Donbas-Konflikt: Ein Gipfeltreffen im Normandie-Format birgt Gefahren

Wed, 09/10/2019 - 17:00

Seit der Wahl Wolodymyr Selenskyjs zum ukrainischen Präsidenten gibt es Bewegung im Donbas-Konflikt. Nun strebt er ein Treffen auf höchster Ebene im »Normandie-Format« mit Deutschland, Frankreich und Russland an. Um das zu erreichen, hat Selenskyj die sogenannte Steinmeier-Formel akzeptiert – und damit heftige Proteste in der ukrainischen Bevölkerung ausgelöst.

Die nach Bundespräsident und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier benannte Formel soll die Umsetzung eines Teils der Minsker Vereinbarungen ermöglichen, die seit Februar 2015 die Grundlage für eine friedliche Lösung des Donbas-Konflikts bilden. Der 2016 unterbreitete Vorschlag sieht vor, dass am – noch zu bestimmenden – Tag der Kommunalwahlen in den besetzten Gebieten ein Sonderstatus in Kraft tritt, der durch ein ukrainisches Gesetz festgelegt wird. Sollten die Abstimmungen von der OSZE als frei und fair bezeichnet werden, erhielten die Gebiete dauerhaft diesen Sonderstatus.

Die Konfliktparteien haben unterschiedliche Erwartungen

Selenskyjs Kalkül scheint zu sein, dass ein Treffen im »Normandie-Format« als ein weiterer Erfolg in seinen Friedensbemühungen gewertet wird. In der Tat ist es den Konfliktparteien in den letzten Wochen gelungen, sich auf wichtige Schritte wie den Bau einer dringend benötigten Brücke in Stanyzja Luhanska zu einigen. Als Erfolg kann Selenskyj auch den Gefangenenaustausch verbuchen, bei dem er unter anderem den renommierten Regisseur Oleh Senzow und 24 ukrainische Marinesoldaten, die im November 2018 von Russland beschossen und gefangen genommen worden waren, nach Hause holte.

Die russische Seite verspricht sich von dem Sonderstatus Einfluss auf die ukrainische Innen- und Außenpolitik. Ihre Hoffnung scheint darin zu bestehen, eine moskautreue Führung der sogenannten Volksrepubliken durch Kommunalwahlen zu legitimieren. Kiew müsste dann deren Teilnahme an nationalen Entscheidungsprozessen akzeptieren. Ein solches Arrangement konterkariert allerdings das ukrainische Interesse, die volle Kontrolle über die besetzten Gebiete wiederzuerlangen und so den Einfluss Moskaus auf die Ukraine deutlich zu verringern.

Die wichtigsten Fragen sind noch offen

In diesem Kontext wirft die Akzeptanz der »Steinmeier-Formel« mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Sie soll den Weg zu Kommunalwahlen ebnen. Aber unter welchen Umständen können diese Wahlen abgehalten werden, und wer entscheidet, ob diese Umstände gegeben sind? Laut den Minsker Vereinbarungen sollen die Wahlen nach ukrainischem Recht und entlang den Kriterien der OSZE stattfinden, was Selenskyj in einer Presse-Konferenz am 1. Oktober bekräftigt hat. Doch wie lässt sich das sicherstellen? Weder die Ukraine noch die OSZE verfügen über den vollen Zugang zu den besetzten Gebieten. Der sicherheitspolitische Kontext der Wahlen bleibt ebenfalls ungeklärt: Können die Wahlen erst dann stattfinden, wenn alle illegalen und ausländischen militärischen Einheiten die besetzten Gebiete verlassen haben? Und wenn ja, wer bestätigt, dass dies eingetreten ist? Schließlich ist die Frage der ukrainisch-russischen Grenze weiterhin ungelöst. Laut Selenskyj muss die ukrainische Seite noch vor den Wahlen die volle Grenzkontrolle wiedererlangen. Das widerspricht nicht nur den Interessen der russischen Seite, sondern auch den Minsker Vereinbarungen.

Eine weitere Frage betrifft die Ausgestaltung des Sonderstatus. Das entsprechende Gesetz hatte das ukrainische Parlament bereits im Oktober 2014 verabschiedet. Es wurde allerdings im März 2015 bis zur Durchführung freier und fairer Wahlen in den betroffenen Gebieten außer Kraft gesetzt. Die Regelung läuft Ende 2019 aus; ein neues Gesetz hat Selenskyj bereits angekündigt – und wird es im Parlament auch durchbekommen. Seine Partei verfügt hier seit den Parlamentswahlen im Juli über eine Mehrheit. Es ist aber noch völlig offen, worin der Sonderstatus für die zurzeit besetzten Gebiete bestehen wird.

Die Einigung auf die sogenannte Steinmeier-Formel ist nur ein Scheinfortschritt. Sie gibt keine Antworten auf die wirklich brisanten Fragen. Zudem ist die Reihenfolge der Schritte strittig. Spätestens 2017 hatte sich die ukrainische Seite mit ihrer Forderung de facto durchgesetzt, dass ein Minimum an Sicherheit in den besetzten Gebieten gewährleistet werden muss, bevor politische Schritte wie die Einführung des Sonderstatus und die Abhaltung von Kommunalwahlen erfolgen konnten. Russlands Beharren auf der »Steinmeier-Formel« kann als Versuch gedeutet werden, diesen stillschweigenden Konsens – erst Sicherheit, dann Politik – wieder infrage zu stellen.

Das Gipfeltreffen weckt falsche Hoffnungen

Die derzeitigen Proteste gegen die »Steinmeier-Formel« in Kiew und anderen ukrainischen Städten sind Zeichen einer wachsenden politischen und gesellschaftlichen Instabilität. Viele befürchten, Selenskyj könnte – eventuell ermuntert durch westliche Akteure – Russland zu weit entgegenkommen und dadurch die bereits eingeschränkte ukrainische Souveränität gefährden. Andere sind kriegsmüde und verbinden mit Selenskyj die Hoffnung, dass er der Gewalt im Donbas ein Ende setzt.

Ein Gipfeltreffen im »Normandie-Format« würde zwar dem vorhandenen Momentum in den ukrainisch-russischen Verhandlungen Rechnung tragen. Ein wirklicher Durchbruch ist aber nicht zu erwarten. Dafür sind noch zu viele Fragen offen, die nur durch harte Arbeit auf anderen Verhandlungsebenen gelöst werden können. Wichtig wäre, dass sich Deutschland und Frankreich vor einem solchen Treffen auf ihre Erwartungen an die ukrainische und die russische Seite sowie auf ihre eigenen roten Linien einigen. Nur so können sie die Vorschläge der Konfliktparteien angemessen bewerten und ihrer Vermittlerrolle gemeinsam und effektiv gerecht werden.

Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt

Tue, 08/10/2019 - 16:30

∎ Das amerikanisch-chinesische Konfliktsyndrom setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Ihm zugrunde liegt eine regionale, aber auch zunehmend globale Statuskonkurrenz.

∎ Diese Konkurrenz um Einfluss mischt sich mit einem ideologischen Antagonismus, der auf amerikanischer Seite inzwischen stärker in den Mittelpunkt gerückt ist.

∎ Da sich die USA und China als potentielle militärische Gegner sehen und die Planungen danach ausrichten, prägt auch das Sicherheitsdilemma die Beziehungsstruktur.

∎ Die strategische Rivalität ist besonders an der maritimen Peripherie Chinas ausgeprägt, dominiert von militärischen Bedrohungsvorstellungen und der amerikanischen Wahrnehmung, China wolle in Ostasien eine exklusive Einflusssphäre etablieren.

∎ Die globale Einflusskonkurrenz ist aufs engste mit der technologischen Dimension der amerikanisch-chinesischen Rivalität verwoben. Es geht dabei um die Vorherrschaft im digitalen Zeitalter.

∎ Für die internationale Politik birgt die sich intensivierende strategische Rivalität zwischen den beiden Staaten die Gefahr, sich zu einem strukturellen Weltkonflikt zu verdichten. Dieser könnte eine De-Globalisierung in Gang setzen und zwei Ordnungen entstehen lassen, die eine von den USA dominiert, die andere von China.

Russlands Krise der Repräsentation

Tue, 08/10/2019 - 00:00

Die Zustimmungswerte des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin und der Regierungspartei Einiges Russland befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Die Hauptstadt Moskau erlebte im Juli und August im Vorfeld der Regionalwahlen vom 8. September die größten Demonstrationen seit der Protestwelle 2011–2013. Doch die Stabilität des Regimes ist vorerst nicht in Gefahr, von einer Legitimationskrise lässt sich noch nicht sprechen. Dem Kreml steht weiterhin ein breites Spektrum an Mitteln zur Verfügung, um dem wachsenden Verlangen von Teilen der Gesellschaft nach politischer Repräsentation entgegenzuwirken. Hierzu gehören Wahlmanipulation und Formen selektiver Repression. An Deutschland gerichtete Vorwürfe, sich in Russlands innere Angelegenheiten einzumischen, sollen von hausgemachten Problemen ablenken. In den nächsten Jahren dürften sich die Spannungen verschärfen, die aus dem Gegensatz zwischen Forderungen nach Grundrechten und Mitbestimmung von unten und repressiver Reaktion von oben resultieren.

Für eine friedliche Transition im Sudan

Wed, 02/10/2019 - 00:00

Die guten Nachrichten vom Horn von Afrika scheinen nicht enden zu wollen. Erst übernimmt mit Abiy Ahmed ein junger Reformer die Führung in Äthiopien, ein Jahr später wird Sudans Diktator Omar al-Bashir nach dreißig Jahren Herrschaft gestürzt. Ausgerechnet das sudanesische Militär hatte nach Monaten ziviler und friedlicher Proteste den Machthaber aus dem Amt gedrängt. Knapp vier Monate später steht eine Regierung aus Zivilisten und Militärs, die von Abdalla Hamdok angeführt wird, einem Ökonomen mit jahrzehntelanger Erfahrung bei den Vereinten Nationen. Ob sich der Übergang weiterhin positiv entwickelt, wird von der Bereitschaft des Sicherheitsappa­rats abhängen, die Macht an eine zivile Führung zu übergeben. Entscheidend für die Stabilisierung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes wird aber auch sein, ob und in welchem Ausmaß externe Akteure den sudanesischen Transforma­tionsprozess unterstützen.

Amazonas-Schutz und Freihandel

Tue, 01/10/2019 - 00:00

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach im Juni 2019 von einem »histo­rischen Augenblick«, als sich die EU und die vier Staaten des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) nach 20 Jahren grundsätzlich über ein Freihandelsabkommen verständigt hatten. Drei Monate später steht das Abkommen jedoch unter massivem Druck der Öffentlichkeit und von zumindest vier EU-Mitgliedstaaten: Ange­sichts der Brände im Amazonas-Gebiet und der konfrontativen Haltung von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro drohen die Regierungen Frankreichs, Irlands und Luxemburgs wie auch das österreichische Parlament damit, das Abkommen nicht zu ratifizieren. Auch im Europäischen Parlament artikuliert sich massiver Widerstand, Boykott-Andro­hungen überschatten die geplante Öffnung des europäischen Marktes für Agrar­produkte aus dem Mercosur. Doch das Regionalabkommen eignet sich kaum dafür, Konflikte mit nur einem Partner auszutragen. Zweckmäßiger wäre es vielmehr, die Schwach­punkte beim Arten- und Waldschutz mit effektiven Überwachungsverfahren zu beseitigen und die Schutzpolitik mit bestehenden Instrumenten zu vertiefen.

Rückkehr und Reintegration

Mon, 30/09/2019 - 00:00

In Deutschland herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass abgelehnte Asylsuchende und andere Ausreisepflichtige das Land so bald wie möglich verlassen sollen. Ab­schie­bungen sind aber aufwendig, teuer und vor allem dann gesellschaftlich heftig um­strit­ten, wenn die politische Situation im Zielland instabil und die Sicherheitslage dort an­gespannt ist. Um Anreize für freiwillige Rückkehr zu bieten, hat die Bundesregierung daher ihre Programme zur Rückkehrförderung ausgebaut und um Reintegrationsmaßnahmen vor Ort ergänzt. Dabei setzt sie auf die Entwicklungszusammenarbeit. Nichtregierungsorganisationen kritisieren dies, da sie eine Vermischung migrations- und entwicklungspolitischer Ziele ablehnen. Jenseits dieser nor­ma­tiven Debatte wird aber zu wenig diskutiert, inwieweit Entwicklungsprogramme überhaupt geeignet sind, die individuellen und strukturellen Herausforderungen von Rückkehr zu bewältigen.

Zusammenhänge zwischen Handelspolitik und Migration

Fri, 27/09/2019 - 00:00

∎ Handelsabkommen können langfristig zu Entwicklung und damit zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen – wenn sie dezidiert auf nachhaltige Entwicklung und echte Marktöffnung hin gestaltet sind.

∎ Neuere Theorien und Empirie zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Handel und Migration äußerst komplex ist. Vielfach spielen andere Fak­toren (wie Kriege, Wirtschaftskrisen etc.) für Wanderungsbewegungen eine größere Rolle als Handelspolitik und ‑abkommen.

∎ Nur eines ist eindeutig: Migration wirkt sich immer positiv auf Handelsströme aus.

∎ Umgekehrt beeinflussen Handelsabkommen Migration mal positiv, mal negativ: Führen sie zu einer Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, können sie kurzfristig Migration sogar anheizen. Denn erst ab einem bestimmten Einkommensniveau sind Menschen zur Auswanderung überhaupt in der Lage.

∎ In Handelsabkommen lassen sich aber – im Bereich der Dienstleistungen – legale Möglichkeiten der Migration einräumen, was den Anreiz zu illegaler Migration mindert. Das Thema ist erst recht für die EU von Bedeutung, die sich künftig mit dem Problem des Arbeitskräftemangels in den alternden Gesellschaften ihrer Mitgliedstaaten konfrontiert sieht.

∎ Ökologische und soziale Aspekte des Handelns und Wirtschaftens kön­nen in allen Freihandelsabkommen ausgebaut werden. Spielraum für eine Erweiterung des Marktzugangs besteht vor allem gegenüber Ländern des nördlichen Afrika und Südafrika. Für die meisten Länder südlich der Sahara hat die EU ihren Markt bereits vollständig geöffnet.

∎ Um Widersprüche zwischen Handels- und Migrationspolitik abbauen und berechtigten Sorgen vor unkontrollierter Zuwanderung begegnen zu kön­nen, sind die Instrumente aus beiden Politikbereichen besser aufeinander abzustimmen.

How Germany Can Benefit from the Global Compact for Migration

Fri, 27/09/2019 - 00:00

In December 2018, 152 United Nations (UN) member states adopted the Global Com­pact for Safe, Orderly and Regular Migration. The document sets out 23 objectives that guide countries of origin, transit and destination in how to deal with the chal­lenges arising in the context of international migration and forced displacement. If practical progress is to be made in the management and organisation of global migra­tion flows, this requires a twofold commitment – internal and external – on the part of the states involved. The German government – just like other governments inter­ested in effective, sustainable and coherent migration policies – should use the Com­pact to identify further needs for internal reform and to win international partners for strategically selected key issues. The Compact’s review process, the core of which is the International Migration Review Forum (IMRF), provides an opportunity for both.

Kooperation, Vertrauen, Sicherheit?

Thu, 26/09/2019 - 00:00

∎ Vor dem Hintergrund einer erodierenden europäischen Sicherheits­ordnung hat die OSZE und mit ihr die lange vernachlässigte Wirtschafts- und Umweltdimension eine neue Dynamik entwickelt.

∎ Der Kooperation bei vermeintlich weniger verfänglichen Wirtschafts- und Umweltthemen wird das Potential zugeschrieben, Vertrauen zu generieren. Dieses Vertrauen kann sich dann, so die Annahme, wiederum positiv auf die Zusammenarbeit in anderen Feldern auswirken und insgesamt zu mehr Sicherheit in Europa beitragen.

∎ Die Ergebnisse der Studie legen diesbezüglich ein pragmatisches Erwartungsmanagement nahe: Die Chancen von Kooperation bei Themen der »zweiten Dimension« der OSZE sollten mit nüchternem Blick betrachtet werden.

∎ Weder bedeutet ein höheres Maß an zwischenstaatlicher Kooperation automatisch ein Mehr an Vertrauen, noch stellen sich zwingend Spill­over-Effekte zwischen »low politics« und »high politics« ein.

∎ Deutschland sollte daher zusammen mit den EU-Partnern dem »Wie« der Aufwertung der Wirtschafts- und Umweltdimension der OSZE besondere Beachtung schenken.

∎ Eine Verknüpfung zwischen den OSZE-Dimensionen sollte aktiv forciert werden; die Debatten in der »zweiten Dimension« könnten mehr noch als bisher an die Diskussion über den erodierenden Grundkonsens in Bezug auf eine regelbasierte Ordnung und gemeinsame Prinzipien angeschlossen werden.

Shifting Boundaries of the EU’s Foreign and Security Policy

Wed, 25/09/2019 - 00:00

∎ Europe’s foreign and security policy needs to become more effective. To this end, the executive autonomy of European governments should be maximised, and legal constraints from EU law minimised – this view is only seemingly plausible. Only an EU foreign and security policy anchored in the rule of law based on the EU treaties is realistic and sustain­able.

∎ The EU is under pressure to meet human rights standards on the one hand, and demands to limit migration on the other. Three trends are evident: First, the EU is making new arrangements with third countries to control migration; second, it is using CFSP/CSDP missions to secure borders; third, the EU agencies Frontex and Europol are increasingly operating in the EU neighbourhood.

∎ Current trends in EU foreign and security policy pose a challenge to the protection of fundamental rights. For example, CSDP missions such as the EU operation “Sophia” in the Mediterranean are largely exempt from judicial review by the Court of Justice of the European Union.

∎ Lawsuits have already been filed with the European Court of Human Rights and the International Criminal Court against Italy and the EU for aiding and abetting human rights violations in Libya. Anyone who does not respect international law also threatens the rule of law at home. This also applies to the EU.

∎ The EU should resume the process of formal accession to the European Convention on Human Rights. The legal limits and performance of the EU’s foreign and security policy would be made clearer. The German Coun­cil Presidency in 2020 should place the rule of law at the heart of European foreign and security policy.

 

 

Options for EU trade policy to enhance climate action

Wed, 25/09/2019 - 00:00
Strategic and tactical considerations for incentivising low-carbon investment and addressing carbon leakage

Mozambique Still At Risk

Thu, 19/09/2019 - 00:00

In early August 2019 the president of Mozambique and the leader of the largest oppo­si­tion party signed a new peace agreement. This has revived the peace process between the Mozambican National Resistance (RENAMO) and the Mozambique Liberation Front (FRELIMO), which has been in power since 1994. Great challenges remain, such as the disarmament and reintegration of RENAMO fighters.

Furthermore, new trouble spots have emerged: Since October 2017, a wave of vio­lence has cost the lives of well over 300 people in Cabo Delgado Province. Although “Islamic State” (IS) has claimed responsibility for some of the attacks, the motives and structures of the group responsible remain unclear. Its occurrence points to pro­found social cleavages and alienation between the population and the political elite. At the same time, the north of Mozambique has become a hub for the illicit economy. Criminal transactions are above all symptoms of state neglect and extensive impunity. Experience from other conflict regions shows that this constellation can have fatal consequences. For this reason, international actors including the German government should press for rapid and far-reaching measures that go beyond the official peace process.

UN-Gipfel – Jetzt mal Taten statt Worte?

Thu, 19/09/2019 - 00:00

In New York treffen sich Ende September viele Staats- und Regierungschefs der Welt, um zur Eröffnung der 74. UN-Generalversammlung über drängende Fragen des Über­lebens der Menschheit zu diskutieren: nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, globale Gesundheit und die dazugehörige Finanzierung. Doch was können diese Gipfel an­gesichts der geopolitischen Situation überhaupt bewirken? Eine Analyse mit Fokus auf den SDG-Gipfel zeigt Möglichkeiten und Grenzen.

 

Sondergipfel in New York: Guterres macht Tempo beim Klimaschutz

Thu, 19/09/2019 - 00:00

Seit der Ankündigung des US-Präsidenten, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen, wächst die Führungslücke in der internationalen Klimapolitik. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich vorgenommen, sie zu schließen: Seit 2017 setzt er sich mit Nachdruck für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ein. 2018 reiste er gleich zwei Mal zu Verhandlungen unter dem Dach der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCC) nach Katowice, Polen, wo das Regelbuch für das internationale Klimaabkommen festgezurrt wurde. Nun empfängt er am 23. September Staats- und Regierungschefs, Unternehmen, Jugendvertreter und Nichtregierungsorganisationen zu einem Sondergipfel in New York.

Der neue Nationalismus gefährdet den Klimaschutz

In den USA hatten günstige Trends im Energiemarkt – ein Wechsel von Kohle zu Gas – und eine beherzte Klimaschutzpolitik unter Präsident Obama zu sinkenden Emissionen geführt. Unter Präsident Trump wurden die Klimaschutz-Regularien wieder abgeschafft. Zwar bleiben viele US-Bundesstaaten dennoch am Ball, indem sie eigene Gesetze verabschieden und die erneuerbaren Energien voranbringen. Der nötige Schwung, mit dem sich das verkündete US-Klimaziel erreichen ließe, ist jedoch dahin. Die chinesische Regierung, die vor zwei Jahren gegenüber der EU und Kanada zugesagt hatte, sich für das Pariser Abkommen einzusetzen, ist nun vollauf damit befasst, die Folgen der US-Handelspolitik abzuwehren. Zudem treibt China die »Neue Seidenstraßen«-Initiative voran, die vor allem durch den Bau von Kohlekraftwerken und CO2-intensive Infrastrukturprojekte in den Nachbarländern auffällt. Gegen die Wirkungen, die dieser Rückfall der beiden größten Verursacher des Klimawandels entfaltet, ist schwer anzukommen. Verschärfend kommt hinzu, dass sich im letzten Jahr mit dem Amtsantritt von Jair Bolsonaro auch Brasilien dem klimapolitisch folgenreichen Nationalismus verschrieben hat. Die Freigabe des Amazonas für unkontrollierte Brandrodungen, einhergehend mit einer massiven Freisetzung von Treibhausgasen, sorgt zwar aktuell für internationale Empörung, beeinflussen lässt sich diese Politik von außen aber nur schwer. Die Verfechter einer zügigen Umsetzung des Pariser Abkommens, allen voran die kleinen Inselstaaten, die Europäische Union, Kanada und Mexiko, stellt dies vor große außenpolitische Herausforderungen

Guterres setzt in dieser Situation auf die große Bühne der UN-Generalversammlung, die gleichzeitig als Pranger und als Schaufenster fungiert. »Bringt Pläne, nicht Reden«, lautet seine Aufforderung an die Staats- und Regierungschefs vor dem Sondergipfel am kommenden Montag. Denn im nächsten Jahr bei der Vertragsstaatenkonferenz COP26 sind alle Länder aufgefordert, sowohl ihre mittel- als auch ihre langfristigen nationalen Vorhaben zur Klimapolitik einzureichen. Der Generalsekretär schlägt den Staaten mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel vor, sich an einer Reduktion der Emissionen von 45 Prozent bis 2030 zu orientieren; weiterhin sollen sie, so der Vorschlag, den Abbau von Subventionen für fossile Energien und den Verzicht auf neue Kohlekraftwerke ab 2020 vorantreiben. Damit setzt Guterres auch auf die Messbarkeit von Erfolgen und gibt Anhaltspunkte dafür, was er unter »ehrgeizigen« Ambitionen und Glaubwürdigkeit versteht. Der Gipfel soll schließlich auch dazu beitragen, gemeinsam mit nichtstaatlichen Akteuren Aktivitäten in insgesamt neun Kernfeldern weiter voranzutreiben. Dazu haben sich im Vorfeld Koalitionen aus UN-Mitgliedstaaten, Vertretern verschiedener Regierungsebenen, zum Beispiel aus US-Bundesstaaten, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und Jugendgruppen gebildet. Guterres zeigt damit, dass er die Stellschrauben für eine Klimawende kennt und sich nicht allein auf die Staatenlenker verlässt.

Die Klimadiplomatie im Dauer-Stresstest

Neben dem Klimaschutz ergibt sich durch die Neupositionierungen der großen Staaten eine klimadiplomatische Herausforderung, die allein die Verhandler der UN-Klimarahmenkonvention oder einzelne Akteure wie die EU nicht stemmen können. Denn das Pariser Abkommen funktioniert nur, wenn eine Vielzahl von Staaten ihre Bemühungen nach oben schraubt, in Umsetzungsfragen kooperiert und dem Prinzip der Transparenz folgt. Es gilt insofern, der Macht der abtrünnigen Staaten die Macht der großen Zahl entgegenzusetzen. Und immerhin wollen sich am 23. September in New York rund 100 Staaten mit eigenen Klimaplänen beteiligen. 20 Länder wie Finnland, Großbritannien, Frankreich oder Costa Rica reisen mit einem deutlichen Bekenntnis zur Klimaneutralität an. Damit stützen sie aktiv das langfristige Ziel des Pariser Abkommens, ab 2050 weltweit ausgeglichene Klimabilanzen vorzuweisen. Guterres kann sich somit darauf verlassen, dass es Staaten und weitere Akteure gibt, die die Umsetzung des Pariser Abkommens voranbringen, sich auf der großen Bühne zeigen wollen und sich zum Multilateralismus bekennen.

Ergebnisse des Klimakabinetts als Signal

Dass der anstehende Sondergipfel im Vorfeld Wirkung entfaltet hat, zeigt sich an der deutschen Klimaagenda. Wenn das Klimakabinett der Bundesregierung am 20.9. tagt, wird sein Augenmerk darauf liegen, was die Bundeskanzlerin nach New York mitnehmen kann. Neben dem Bekenntnis zum Neutralitätsziel für 2050 werden konkrete Maßnahmen wie der CO2-Preis sowie Konzepte für einen gerecht gestalteten Strukturwandel dazu gehören. Zwar ist der deutsche Beitrag noch nicht ambitioniert genug, um zügig und dauerhaft die Emissionen zu senken,  doch für die Klimadiplomatie ist er ein wichtiges Signal. Schlechter bestellt ist es um den Auftritt der EU. Sie ist aufgrund des noch ausstehenden Antritts der neuen EU-Kommission am 1. November nicht in der Position, mit neuen Angeboten nach New York zu fahren.

Mit Blick auf die anstehenden Vertragsstaatenkonferenzen in Santiago de Chile im Dezember (COP25) und 2020 in Glasgow (COP26) ist der New Yorker Gipfel ein wegweisendes Ereignis. Vor allem dank der Führungsstärke des Generalsekretärs: Er stärkt die Sichtbarkeit der Vereinten Nationen gegenüber den nationalistischen Regierungen, bindet jene Akteure ein, die den Klimaschutz umsetzen können, und nimmt die Staatenlenker direkt in die Verantwortung. Zuletzt drohte er sogar mit einem Entzug des Rederechts für jene, die weiterhin auf Kohleverstromung setzen wollen.

Der Bundeswehreinsatz gegen den IS – das richtige Signal

Wed, 11/09/2019 - 00:00

Seit 2015 beteiligt sich Deutschland am militärischen Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS). Diese Mission, die im Rahmen einer internationalen Koalition durchgeführt wird, besteht aus zwei Komponenten: Zum einen unterstützt die Bundeswehr die Ausbildung der Milizen der weitgehend autonomen irakischen Provinz Kurdistan in Arbil sowie der irakischen Streitkräfte in Bagdad. Zum anderen leistet sie von Jordanien aus Aufklärung für Anti-IS-Einsätze der internationalen Militärkoalition im syrischen Luftraum. Am Wochenende haben sich die Koalitionsfraktionen nach längerer Kontroverse auf eine Fortführung des Mandats geeinigt, das ansonsten am 31. Oktober 2019 ausgelaufen wäre; die Entscheidung im Bundestag hierüber steht aus. Aller Voraussicht nach werden die Oppositionsfraktionen mit zwei Argumenten dagegen stimmen: Der IS sei besiegt und Deutschland dürfe keinen Beitrag zur Umsetzung der amerikanischen Nahostpolitik leisten. Doch eine Reihe von Argumenten sprechen für diese Mission.

Der IS bleibt eine Bedrohung für Deutschland

Erstens ist der IS noch nicht besiegt; dies lässt sich allenfalls für das von ihm errichtete »Kalifat« behaupten. Der IS aber war erst im Laufe der Zeit zu einem quasi-staatlichen Akteur mit Territorium und politischen Funktionen geworden. Erfolgreich war er im Jahr 2014 vor allem mit Guerilla-Attacken gegen die nationalen Sicherheitskräfte in Syrien und im Irak sowie mit terroristischen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung im Nahen Osten, seit 2015 auch in vielen westlichen Städten. Vier Anschläge in Deutschland wurden durch ihn vorbereitet oder inspiriert, darunter der Angriff auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016. Aktuell deutet nichts darauf hin, dass der IS die Fähigkeit zu solchen Aktionen verloren hat, im Gegenteil, die terroristische Dimension des IS gewinnt angesichts des Endes des »Kalifats« wieder an Bedeutung: So schätzt die amerikanische Regierung, dass der IS weiterhin über eine Kriegskasse von 400 Mio. US-Dollar und 18 000 Kämpfer verfügt, die in Syrien und dem Irak untergetaucht sind. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist nicht auf den Nahen Osten beschränkt. Erst im August hat eine Expertenkommission der Vereinten Nationen nachdrücklich davor gewarnt, dass der IS noch vor dem Jahresende terroristische Anschläge in Europa mit dem Ziel verüben könnte, existierende politische und gesellschaftliche Bruchlinien im Umgang mit Muslimen und Migration zu vertiefen. Der Kampf gegen den IS liegt daher im originären Interesse Deutschlands.

Es geht um die Solidarität mit Bündnispartnern

Zweitens: Trotz der veränderten amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump und der substantiellen Differenzen zwischen Berlin und Washington ist ein wichtiges Argument für diesen Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht entfallen, nämlich das der Solidarität mit Bündnispartnern. Zwar haben sich die USA seit dem Januar 2017 inhaltlich weit von der deutschen Außenpolitik entfernt; einen Konsens bezüglich der Politik im Nahen Osten gibt es nur in Umrissen. Doch gerade weil die deutsch-amerikanischen Beziehungen an einem Tiefpunkt angekommen sind und die Regierung Trump droht, Deutschland auf Dauer als sicherheitspolitisch unzuverlässigen Verbündeten einzuordnen, wäre ein abruptes Ende des Mandates ein fatales Signal. Zudem ist das überwölbende Ziel der Regierung Trump gerade nicht, den militärischen Kampf gegen den IS unbegrenzt fortzuführen. Stattdessen setzt die amerikanische Regierung, ebenso wie die Bundesregierung und weite Teile des Bundestages, auf eine verantwortungsbewusste, zeitlich abgestufte Reduzierung der Streitkräfte.

Schließlich ist der Einsatz weniger Ausdruck transatlantischer, sondern vor allem europäischer Bündnistreue und enger deutsch-französischer Beziehungen. Denn es waren die Terroranschläge des IS in Paris im November 2015, die zum Einsatz der Bundeswehr in Syrien und dem Irak geführt haben, nicht eine Anfrage Washingtons. Zum ersten Mal aktivierte eine europäische Regierung dabei die Solidaritätsklausel des Lissaboner Vertrages und bat ihre Partner um Hilfe und Unterstützung. Wer also auf Dauer eine verbesserte sicherheitspolitische Kooperation der EU-Mitglieder anstrebt, sollte vorsichtig sein, die wenigen substantiellen Formen der Zusammenarbeit einseitig zu beenden. Insofern ist die Entscheidung, das Mandat zu verlängern, auch eine sinnvolle politische Investition in eine europäische Sicherheitspolitik.

Der Autor ist bis Juli 2020 Helmut Schmidt Fellow der Zeit-Stiftung und des German Marshall Fund in Washington.

Anti-chinesische Proteste in Kasachstan: Was steckt dahinter?

Tue, 10/09/2019 - 00:00

Anfang September kam es in mehreren Städten Kasachstans zu Kundgebungen, die eine schon seit Längerem schwelende anti-chinesische Stimmungslage in Teilen der Bevölkerung offenbaren. Ausgelöst wurden die im Hinblick auf die Zahl der Teilnehmer unspektakulären, jedoch über mehrere Tage anhaltenden Proteste durch Gerüchte, dass China beabsichtige, Fabriken und chinesische Arbeitskräfte in die Provinz Mangystau im Westen des Landes zu transferieren. Dort befinden sich Kasachstans große Ölreserven, die mit Hilfe ausländischer Investoren, darunter auch der China National Petroleum Corporation (CNPC), gefördert werden. Namentlich in dieser Region wird seit Jahren gegen schlechte Arbeitsbedingungen, die Besserstellung ausländischer Fachkräfte gegenüber den Kasachen und für mehr Jobs protestiert; im Dezember 2011 waren dort bei der Niederschlagung von Massendemonstrationen durch die Polizei Dutzende zu Tode gekommen. Doch blieben die jüngsten Proteste nicht auf Westkasachstan beschränkt: Auch in anderen Landesteilen wandten sich Aktivisten gegen einen befürchteten Ausverkauf des Landes an China. Unter dem Slogan »Nein zur chinesischen Expansion« forderten sie die Regierung auf, die Beziehungen mit der Volksrepublik zu überdenken und gar den Staatsbesuch von Präsident Tokajew in Peking am 10. September abzusagen. Vertreter von Regierung und Behörden bemühten sich eilends, die Protestierenden darüber aufzuklären, dass es sich bei den vermeintlichen »chinesischen Fabriken« um kasachisch-chinesische Hightech-Unternehmen handele, die zur Modernisierung des Landes beitragen und insbesondere den Lebensstandard in den unterentwickelten Provinzen heben würden. Keineswegs würden ausschließlich chinesische Technologien und Materialien verwendet, zudem würden hauptsächliche lokale Arbeitskräfte eingestellt.

Wachsende wirtschaftliche Verflechtungen…

Tatsächlich sind die Investitionsprojekte, die solche Unruhe verursachen, Teil eines Pakets über insgesamt 55 Joint Ventures im Wert von rund 27 Milliarden US$, die unter dem Dach der sogenannten Seidenstraßeninitiative (Belt and Road) und ihres kasachischen Komplementärprojekts, der Konnektivitätsstrategie »Weg in die Zukunft« (Nurly Zhol) schon vor Längerem vereinbart worden waren. Kasachstan, in dessen Hauptstadt die chinesische Strategie zur Erschließung neuer Märkte 2013 offiziell vorgestellt worden war, ist dabei als Energielieferant und Transportkorridor von zentraler Bedeutung für China. Umgekehrt bietet sich mit Belt and Road für Kasachstan die Möglichkeit, mit Hilfe chinesischer Investitionen und Technologien die lange vernachlässigte Modernisierung der Wirtschaft voranzutreiben und zu einem der weltweit größten Warenumschlagplätze aufzusteigen. Zu diesem Zweck setzt man seit einiger Zeit verstärkt auf die Privatisierung von Staatsunternehmen. Anteile von Unternehmen des Bergbau- und Metallurgiesektors, der Öl- und Gasindustrie sowie von Unternehmen des Energie-, Transport- und Kommunikationswesens stehen zum Verkauf; durch Public Private Partnerships werden zudem Projekte im Wohnungsbau, den kommunalen Dienstleistungen sowie im Gesundheitswesen realisiert. Durch die großangelegte Privatisierung will man den staatlichen Anteil an der Gesamtwirtschaft bis 2021 auf 15 Prozent senken. Es liegt auf der Hand, dass diese Pläne ohne chinesisches Kapital nicht zu verwirklichen sind. Doch über die Bedingungen der Investitionen und die Modalitäten ihrer Allokation werden nur Informationen allgemeiner Art kommuniziert.

… und ihr Preis

Dass die wachsende ökonomische Verflechtung mit China in Kasachstan Unbehagen bereitet, ist nicht nur eine Folge von Informationsdefiziten. Projekte, die unter dem Dach von Belt and Road in Entwicklungs- und Schwellenländern umgesetzt werden, sind oft an Bedingungen geknüpft, die der Bevölkerung keinen erkennbaren Nutzen bringen. In die Kritik geraten ist vor allem die Bevorzugung chinesischer Firmen und chinesischer Fach- und Arbeitskräfte in von China finanzierten Projekten, die auch in Kasachstan moniert wird; höchst umstritten ist nicht zuletzt die Implementierung von digitalen Überwachungssystemen aus China zur Kontrolle des öffentlichen Raumes, die offenbar zum Standard wird in Ländern, die sich ökonomisch eng an die Volksrepublik binden. Dazu zählen auch die zentralasiatischen Nachbarländer Kasachstans, von denen einige bei China hoch verschuldet sind.

Nicht nur die Angst vor der ökonomischen Dominanz des Nachbarn ist für anti-chinesische Einstellungen in Kasachstan verantwortlich. Chinas Politik gegenüber der muslimischen Bevölkerung in der an Kasachstan grenzenden Provinz Xinjiang ist seit Monaten Thema in der kasachischen Öffentlichkeit; auch bei den Protesten Anfang September wurde sie zur Sprache gebracht. In Kasachstan erregt die chinesische Religionspolitik besondere Abscheu, weil unter den hunderttausenden Muslimen, die seit 2017 in chinesischen Umerziehungslagern verschwanden – ein Bericht der Vereinten Nationen von 2018 nennt die Zahl von einer Million – rund zehntausend ethnische Kasachen sind, die Verwandte in Kasachstan haben. Von der kasachischen Regierung wird das Problem heruntergespielt und zu einer inneren Angelegenheit Chinas erklärt. Der Leiter einer NGO in Almaty, die die Angehörigen von Verschollenen bei der Suche nach Aufklärung unterstützt, wurde im März unter Hausarrest gestellt, Unterlagen und Dokumente verschwanden – und viele vermuten, dass dies auf Betreiben Chinas geschah. Sie fürchten eine zunehmende politische Abhängigkeit Kasachstans von Peking. Zwar wurde der Aktivist im August wieder auf freien Fuß gesetzt, erhielt allerdings für sieben Jahre Berufsverbot.

Der Verlust an politischer Autonomie, der mit der wachsenden ökonomischen Dependenz von China einherzugehen droht, ist eine Herausforderung, der sich die politische Führung Kasachstans stellen muss. Die Initiierung einer breiten gesellschaftlichen Debatte darüber böte Präsident Tokajew die Chance, aus dem Schatten seines politischen Ziehvaters herauszutreten und dem legitimen Bedürfnis nach Transparenz und Mitbestimmung, das sich in den Protesten artikuliert, entgegenzukommen.

Streitkräfte europäischer denken

Thu, 05/09/2019 - 00:00

Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat von ihrer Vor­gängerin einige Baustellen übernommen. Neben den großen Themenfeldern Rüstung und Haushalt kommt der Trendwende Personal, wie es in der Bundeswehr heißt, besondere Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, aus dem EU-Ausland dringend benötigte Fachkräfte wie IT-Spezialisten und Ärzte für die Bundeswehr anzuwerben. Dabei gilt deren Augenmerk vor allem in Deutschland lebenden und Deutsch sprechenden Staatsbürgern aus Polen, Italien und Rumänien, insgesamt rund 595 000 Personen. Wichtige Themen der Debatte sind potentielle Loyalitäts­konflikte, die Attraktivität der Gehälter sowie die Qualität der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Junge Bewerber legen vor allem auf die letzten beiden Punkte Wert. Die Staatsbürgerschaft spielt dagegen keine entscheidende Rolle.

 

Vergleich der Besoldung europäischer Streitkräfte

Thu, 05/09/2019 - 00:00
Ist die Bundeswehr mit ihrer Besoldung im europäischen Vergleich konkurrenzfähig?

Stühlerücken in Georgien

Wed, 04/09/2019 - 00:00

Am 2. September reichte der georgische Premierminister Mamuka Bachtadse seinen Rücktritt ein. Einen Tag später nominierte die Regierungspartei »Georgischer Traum« den umstrittenen Innenminister Giorgi Gacharia als seinen Nachfolger. Damit kommt es nach nur 14 Monaten erneut zu einem Wechsel an der Spitze der georgischen Regierung; Gacharia wird der fünfte Premierminister seit der Regierungsübernahme durch den »Georgischen Traum« 2012. Georgische Medien hatten einen möglichen Kabinettsumbau bereits seit längerem diskutiert und Gacharia als potenziellen Nachfolger gehandelt; dabei wurden, wie bei früheren Wechseln auch, unterschiedliche Spekulationen über die Gründe für die Demission angestellt. Weitgehend einig war man sich hingegen darin, dass Bidsina Iwanischwili, Gründer und Vorsitzender des »Georgischen Traums« sowie reichster Mann des Landes, sowohl beim Rücktritt als auch bei der Nachbesetzung eine entscheidende Rolle gespielt haben muss. Giorgi Gacharia gilt als enger Vertrauter des Parteivorsitzenden und war von ihm in die Politik gebracht worden. Diese enge Verbindung teilt Gacharia mit seinen Vorgängern: Bachtadse galt als »von Iwanischwili eingesetzt«; von Beginn an wurde ihm mangelnde Autorität attestiert. Die ehemaligen Premiers Irakli Gharibaschwili und Giorgi Kwirikaschwili waren zudem zuvor für Unternehmen der Familie Iwanischwili tätig.

Dass Gacharia vor seinem Eintritt in die georgische Politik knapp 20 Jahre in Moskau lebte und arbeitete, wird insbesondere für die politische Opposition in Georgien ein gefundenes Fressen sein. Iwanischwili selbst war 2012 mit dem Versprechen angetreten, die Beziehungen mit Russland zu normalisieren, und sprach sich, in deutlicher Abkehr zur Politik seines Vorgängers Micheil Saakaschwili, für Pragmatismus gegenüber Russland aus. Das brachte ihm und seiner Partei von weiten Teilen der politischen Opposition sowie der Zivilgesellschaft immer wieder den Vorwurf ein, zu nachgiebig gegenüber Moskau zu agieren. Dass Gacharia von eben dort Gratulationen zur Nominierung erhielt, dürfte weiter Öl ins Feuer gießen.

Von der Rücktrittsforderung zur Beförderung

Es gibt allerdings auch handfestere Gründe dafür, warum die Besetzung des Premierministeramtes mit Giorgi Gacharia vermutlich eher zu weiterer innenpolitischer Konfrontation anstatt zu Befriedung führen wird: Ende Juni 2019 war es vor allem in der Hauptstadt Tbilisi zu Massenprotesten gekommen. Deren unmittelbarer Auslöser war ein Auftritt des russischen Abgeordneten Sergei Gawrilow im georgischen Parlament. Die Proteste richteten sich aber auch gegen die Regierung. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstrierenden wurden über 240 Personen verletzt. Die Protestierenden machten Innenminister Gacharia für die Polizeigewalt verantwortlich. Dass sich nun auch der »Georgische Traum« für Gewalt gegen Demonstranten und Demonstrantinnen zu verantworten hatte – ähnlich wie zuvor Saakaschwili und seine »Vereinte Nationale Bewegung« – werteten Beobachterinnen und Beobachter als bedeutenden Legitimitätsverlust. Der Rücktritt Gacharias ist seitdem eine der zentralen Forderungen der parlamentarischen Opposition und junger Aktivistinnen und Aktivisten. Der »Georgische Traum« und sein Vorsitzender allerdings hielten trotz wochenlangem Protest an dem umstrittenen Minister fest. Dass dieser nun nicht nur im Amt gehalten, sondern nach nur gut zwei Monaten auf das formal wichtigste Amt des Landes befördert werden soll, dürfte die innenpolitische Stimmung wieder und weiter aufheizen.

Polarisierung, Protest und Politikverdrossenheit

Georgien ist nicht erst seit der »Causa Gawrilow« stark innenpolitisch polarisiert. Da ist zum einen die Fehde zwischen der Regierungspartei »Georgischer Traum« und der vormaligen Saakaschwili-Partei »Vereinte Nationale Bewegung« bzw. deren Absplitterung »Europäisches Georgien«. Bis heute haben die Parteien keinen produktiven Modus parteipolitischen Wettbewerbs im parlamentarischen System Georgiens gefunden. Stattdessen werfen sie sich gegenseitig vor, ihre jeweilige Rolle für partikulare Machtinteressen zu missbrauchen. Zum anderen gibt es eine junge Generation von Aktivistinnen und Aktivisten, die immer wieder gegen die Politik der Regierung auf die Straße geht. Sie ist bemüht, sich und ihre Protestaktionen von keiner politischen Partei vereinnahmen zu lassen, was angesichts des äußerst umkämpften politischen Felds Georgiens mit einem oft eher schematischen »Freund-Feind«-Denken keine einfache Aufgabe ist. Der größte Teil der georgischen Gesellschaft allerdings hat sich von der Politik und ihren Querelen abgewandt. Vor den Wahlen der letzten Jahre war der Anteil derjenigen, die auch kurz vor dem Urnengang noch keine politische Präferenz äußern konnten, beständig hoch. Laut Daten einer Umfrage des National Democratic Institute vom April 2019 waren 81 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Politiker die Polarisierung im Land beförderten. Gefragt, welche Partei sie wählen würden, sollten für den nächsten Tag Parlamentswahlen angesetzt sein, entschieden sich nur magere 17 Prozent für den »Georgischen Traum«, 14 Prozent für die »Vereinte Nationale Bewegung«.

Die Sommerferien bedeuteten eine Atempause für die politischen Auseinandersetzungen in Georgien. Das dürfte sich nun ändern. Die erste Sitzung des georgischen Parlaments nach der Sommerpause, bei der Gacharias Nominierung bekannt gegeben wurde, ist von lautstarken Protesten inner- und außerhalb des Parlamentsgebäudes begleitet worden.

After the S-400 Purchase: Where Are Turkish-Russian Relations Heading?

Tue, 03/09/2019 - 00:00
Russia’s Syrian magnet

Cooperation in Syria has proved functionally and mutually beneficial for both Russia and Turkey sides, as illustrated by the tripartite Astana and Sochi processes (also including Iran). It is clear that neither process would have got off the ground without Russia. But it was Turkey that lent them international legitimacy and acceptance. Without Ankara, they would have been merely gatherings of the pro-regime powers in Syria. It is unlikely that Macron and Merkel would have joined the Astana trio’s meeting in Istanbul in October 2018, had it not been hosted by NATO member Turkey. The Syrian crisis has therefore been the glue in Turkish-Russian relations in recent years.

A modicum of caution is warranted here, because the Syrian crisis is also the most challenging test of the relationship, given Turkey and Russia’s different priorities and visions for the Syrian endgame. The recent Russian-Syrian assault on Idlib, including the targeting of Turkey’s military outposts, illustrates the shaky nature of Turkish-Russian cooperation in Syria. Syria has become leverage for Russia to shape Turkish-US relations, particularly within the context of Syria.

Cooperation in strategic industries

Cooperation between Turkey and Russia is increasingly shifting to industries and areas that create path dependencies. No longer do construction, tourism, textiles, and fruits or vegetables define Turkish-Russian economic ties. Instead, cooperation has shifted to strategic industries that create long-lasting mutual dependencies – from the TurkStream pipeline project to the construction of the Akkuyu Nuclear power plant and the purchase of the Russian S-400 air defence system. By the time the S-400 deal is completed, Russia is expected to have more than 13 percent supplier share in Turkey’s arms market. What is emerging, however, is an asymmetric dependency favouring Russia more than Turkey. So Turkey’s search for autonomy in foreign policy and security might in fact culminate in greater dependency on Russia.

The crisis of Turkish-Western relations

The health of Turkish-Western relations – currently crisis-ridden – is a key factor shaping the Turkish-Russian relationship. No longer content with its previously hierarchical relations, Turkey wants recognition from the West as a major regional power. Neither the Cold War framework of Turkish-American relations (Turkey joined NATO in 1952 and the Turkish-US alliance was a product of the Cold War) nor the EU accession framework will be capable of resolving Turkey’s status anxiety in its relations with the West. This aspect of the crisis also indicates the limits of personality-centric readings of the present state of Turkey’s relations with Russia and the West. It is obvious that the personal chemistry between Erdogan and Putin, similarities in their style of governance and grievances vis-à-vis the West helped to improve relations between Ankara and Moscow. But the crisis in Turkish-Western relations is structural. It predated Erdogan and will outlast him.

In spite of these factors, it is too early to assert that Turkey is joining Russian orbit. The Turkish elites – both Ottoman and republican – have always been alert to Russian geopolitical ambitions. Denying Russia a significant presence south of Turkey’s borders has been a consistent position since the Ottoman Empire.

Unlike Turkey’s ties to the West, which traditionally enjoyed strong backing among elites and institutions (especially the foreign policy and security establishment) and were underpinned by a certain world view (historically speaking, prioritizing secular modernization and progress), Turkey’s current relationship with Russia lacks such an overarching framework and arguably still has limited political and bureaucratic backing. Whether this remains the case will depend on how long Turkish-Russian relations continue in the current cooperative modes of engagement.

Turkey and Russia’s competing regional aspirations and different security concerns (see Syria) also put a ceiling to their relationship. On the other side of the equation, the meaning of Turkey’s membership in Western clubs is changing dramatically. No longer do these institutions provide the framework – or even a point of reference – for Turkey’s foreign and security policy choices. Yet despite the crisis in Turkish-Western relations, Turkey’s membership in major Western institutions, including NATO, is not going to end any time soon.

This is why Turkey does not believe it is giving up its place in the Western camp. Unlike many in the West, Turkey does not see itself making a choice between Russia and the West through its purchase of the Russian S-400. Instead Turkey is giving up the idea that its relations with the West in general and the United States in particular are indispensable, and therefore it has to approach all its other relations through these Western lenses. Turkey believes that its interests are better served through a balancing act between traditional ties to the West and recently improving relations with countries like Russia and China. This in turn means that instead of joining the Russian orbit, the next phase of Turkish foreign policy will be ad-hoc, transactional, issue-based and lacking any overarching framework or orientation.

Galip Dalay is IPC-Mercator Fellow at the Centre for Applied Turkey Studies at Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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