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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 week 1 day ago

Politische Gefangene in Sisis Ägypten

Mon, 30/08/2021 - 02:00

In Ägypten sind Tausende Personen wegen ihrer politischen und weltanschaulichen Ansichten inhaftiert worden, seit dort 2013 das Militär die Macht übernommen und Abdel-Fatah al-Sisi nachfolgend das Präsidentenamt erlangt hat. Nicht nur die huma­nitären Folgen dieser Politik sind dramatisch. Sie befördert in zunehmenden Maße Radikalisierung, verstärkt die Ablehnung staatlicher Institutionen und behindert die zivilgesellschaftliche wie wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Damit werden auch die Bemühungen Deutschlands untergraben, über Finanzhilfen und Entwicklungs­zusammenarbeit das bevölkerungsreichste Mittelmeerland zu stabilisieren. Die Bun­desregierung sollte deshalb ihren Druck auf Ägyptens Staatsführung erhöhen und eine weitreichende Amnestie einfordern. Dabei gilt es, die persönliche Verantwortung des Präsidenten herauszustellen und künftige Kredite und Umschuldungen an konkrete Schritte zu knüpfen, mit denen die willkürlichen Inhaftierungen beendet werden.

Die Chance der Taliban

Fri, 27/08/2021 - 16:51

Die zweite Machtübernahme der Taliban nach 1996 findet in einem regionalen Kontext statt, der das Regime einerseits vor Herausforderungen stellt, ihm aber andererseits auch neue Chancen eröffnet. Vor 25 Jahren übernahmen die Taliban ein weitgehend vom Bürgerkrieg zerstörtes Land, heute finden sie ein leidlich funktionsfähiges Staatswesen vor. Damals wurde das Taliban-Regime nur von drei Staaten international anerkannt: Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Pakistan. Dagegen unterstützten Iran, Russland und Indien den bewaffneten Widerstand der gegnerischen Nord-Allianz. Auch nach 2001 blieb Afghanistan Schauplatz regionaler Auseinandersetzungen. Während sich Pakistan hinter die Taliban stellte, wurde Indien ein strategischer Partner der afghanischen Regierung. Die gemeinsame Feindschaft gegen die USA ermöglichte sogar eine Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den Taliban – trotz ihrer ideologischen Gegensätze.

Anerkennung und Zusammenarbeit gegen Sicherheitsgarantien

Die Stabilität des neuen Taliban-Regimes wird davon abhängen, inwieweit es ihm gelingt, eine neuerliche internationale Isolation und Stellvertreterkriege in Afghanistan zu vermeiden. Im Zentrum steht dabei sowohl im Verhältnis zu den westlichen Staaten als auch zu den Nachbarn die Frage von Sicherheitsgarantien der Taliban gegen politische Anerkennung und wirtschaftliche Unterstützung.

Nicht nur die USA und die anderen westlichen Staaten, sondern auch Afghanistans regionale Nachbarn haben die Taliban aufgefordert, gegen Terrorgruppen vorzugehen, die von ihren Rückzugsgebieten in Afghanistan aus den Eroberungsfeldzug der Taliban im Frühsommer unterstützten. Die westliche Staatengemeinschaft hat dabei vor allem Gruppen wie »Al Qaida« und den »Islamischen Staat (Khorasan-Provinz)« (ISKP) im Blick. Russland und die zentralasiatischen Republiken fürchten ein unmittelbares Übergreifen islamistischer Militanz auf ihr Staatsgebiet, sei es durch den ISKP oder durch extremistische Gruppen wie die »Islamische Bewegung Usbekistans«, die »Jamoat Ansarullah«, die sich vor allem aus Tadschiken rekrutiert, oder durch tschetschenische Gruppen. Chinas sicherheitspolitische Interessen in Afghanistan richten sich ebenfalls gegen den ISKP und gegen militante uigurische Gruppen wie die »East Turkestan Islamic Movement« (ETIM). Pakistan, das als engster Verbündeter der Taliban gilt, fordert von der neuen Führung in Kabul, dass sie gegen die pakistanischen Taliban der »Tehrik-i-Taliban Pakistan« (TTP) vorgeht, die von Afghanistan aus Anschläge in Pakistan durchführt. Der mehrheitlich schiitische Iran wiederum hat sein Augenmerk auf Gruppen wie die sunnitische, dem ISKP nahestehende »Dschundollah« gerichtet, die von Afghanistan aus operiert.

Um ihre Herrschaft zu stabilisieren, müssen die Taliban somit Wege finden, den Aktionsradius der ausländischen militanten Gruppen in Afghanistan soweit glaubhaft einzuschränken, dass sie den Sicherheitsbedenken der jeweiligen Nachbarstaaten Rechnung tragen. Am einfachsten erscheint dies mit Blick auf den ISKP, den die Nachbarn ebenso wie die westlichen Staaten als Gefahr einstufen. Da die Taliban und der ISKP aber verfeindet sind, ist hier mit weiteren Kampfhandlungen zwischen beiden Gruppen zu rechnen. Schwieriger könnte die Abgrenzung der Taliban von den anderen militanten Gruppen werden. Das »Haqqani-Netzwerk«, das als militärisches Rückgrat der Taliban gilt, verfügt über enge Beziehungen zur »Al Qaida«. Andere islamistische Gruppen sind durch unterschiedliche Loyalitäten mit einzelnen Fraktionen innerhalb der afghanischen Taliban verbunden.

Die Durchsetzung von Sicherheitsgarantien wird folglich nicht nur friedlich ablaufen und dürfte Ausgangspunkt für neue Gewalt in Afghanistan werden. Dennoch könnten die Taliban in mehrfacher Hinsicht davon profitieren. Erstens werden sie im Gegenzug die politische Anerkennung der Nachbarstaaten gewinnen, was ihre internationale Legitimität erhöht. Zweitens können sie damit einen Grundstein für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes legen. Afghanistan ist von zentraler Bedeutung für eine Reihe wirtschaftlicher Großprojekte, die den Güter- und Energietransport zwischen Zentral- und Südasien erleichtern würden und von denen auch die Taliban profitieren könnten. Pakistan ist an der Umsetzung dieser Projekte ebenso interessiert wie Usbekistan und China. Peking könnte mittelfristig auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afghanistan im Rahmen seiner »Neuen Seidenstraße« verstärken. Drittens würden die Taliban auch militärisch von einer solchen Zusammenarbeit profitieren. Sie könnten dadurch das Risiko minimieren, dass erneut eine bewaffnete Opposition – wie in den 1990er Jahren die Nord-Allianz – Unterstützung von den Nachbarstaaten erhält.

Die Taliban profitieren von geopolitischen Rivalitäten

Zugleich bieten das veränderte geopolitische Umfeld und die geostrategischen Rivalitäten der westlichen Staaten mit Russland und China den Taliban jetzt mehr Optionen der Zusammenarbeit. Die USA und Europa werden ihre künftigen Beziehungen zu dem neuen Regime von Zugeständnissen in Sicherheitsfragen, bei Menschenrechten und der Beteiligung von Frauen abhängig machen. Dagegen werden Nachbarn wie China, Russland, die zentralasiatischen Staaten, Iran und Pakistan zwar ebenfalls ihre sicherheitspolitischen Interessen gegenüber den Taliban betonen, jedoch weniger Wert auf Menschenrechtsfragen legen. Diese Konstellation dürfte die Möglichkeit des Westens, auf die künftige politische und gesellschaftliche Entwicklung Afghanistans Einfluss zu nehmen, erheblich einschränken.

Risiken und Neben­wirkungen deutscher und europäischer Rückkehrpolitik

Wed, 25/08/2021 - 02:00

Die Rückkehr ausreisepflichtiger Migrantinnen und Migranten hat einen hohen Stellenwert auf der politischen Agenda Deutschlands und der EU. Neben dem Ziel, die Rückkehrzahlen zu steigern, haben verstärkte rückkehrpolitische Bemühungen auch eine symbolische Funktion: Sie dienen dazu, die Durchsetzungskraft des Rechtsstaats zu demonstrieren, und gelten als wichtiges Mittel, das weitere Erstarken rechtsextremer Parteien zu verhindern. In der Praxis erweist es sich allerdings als schwierig, die Ausreisepflicht durchzusetzen – im europäischen Durchschnitt gelingt dies nur in etwa einem Drittel der Fälle. Als einer der zentralen Gründe hierfür wird die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer genannt. Auf europäischer Ebene finden derzeit dynamische Entwicklungen in der internen und externen Dimension statt, was die Frage der Rückkehr be­trifft. Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern zu verbessern sowie innereuropäische Abläufe effektiver zu gestalten. Die fortwährenden Bemühungen, die Rückkehrzahlen zu erhöhen, gehen mit entwicklungs-, außen- und sicherheitspolitischen Kosten einher, die oft nicht hinreichend beachtet werden. So kann der Druck zur rückkehrpolitischen Kooperation demokratische Transitionsprozesse in Herkunftsländern gefährden oder europäische Verhandlungsmacht in anderen Bereichen schwächen. Die Studie plädiert dafür, diese Zielkonflikte systematischer als bisher in eine umfassende Kosten-Nutzen-Abwägung von Rückkehrpolitik einzu­beziehen. Auf Basis dieser Abwägung sollten europäische Regierungen pragmatisch über Alternativen zu Rückkehr nachdenken.

A Delicate Mission: The Frigate Bayern, the Rules-Based International Order and the Status of Diego Garcia

Tue, 24/08/2021 - 14:58

The frigate Bayern set sail for the Indo-Pacific at the beginning of August, as a German contribution to upholding the "rules-based international order". Berlin increasingly views the rules-based international order as under threat, not least through China's vast territorial claims, including its artificial islands, in the South China Sea. The German government has repeatedly drawn attention to China’s disregard for international law, especially in the context of its refusal to abide by a ruling of the Permanent Court of Arbitration which had declared its territorial claims in the South China Sea illegal under international law in 2016. Yet the German warship’s chosen route takes it to a US base whose status under international law is to say the least contested, thus torpedoing the implicit criticism of China.

Diego Garcia is the largest island in the Chagos Archipelago, which formerly belonged to the British Indian Ocean colony of Mauritius. In 1965 the British illegally retained the Chagos Islands in order to construct a military base there. London declared the archipelago a restricted military area and deported its entire population to Mauritius and the Seychelles. Since then the base on Diego Garcia has largely been used by the United States. London has leased the island to Washington until 2036.

Violation of the Right to Self-Determination

Mauritius has been seeking to reclaim its sovereignty over the Chagos Archipelago since the 1980s. An advisory opinion by the International Court of Justice (ICJ) in 2019 found that London’s claim to the archipelago contradicted the right to self-determination and called on the UN member states to "co-operate with the United Nations to complete the decolonization of Mauritius". A resolution adopted by a large majority of the UN General Assembly called for the United Kingdom to "withdraw its colonial administration". Most European states abstained, including Germany. While the advisory opinion and resolution are not legally binding they certainly possess normative power. A ruling by the International Tribunal for the Law of the Sea (ITLOS) in Hamburg in 2021 concurred with the ICJ’s interpretation. A separate issue of fundamental human rights is also involved: The US base housed a detention facility where terror suspects are known to have been tortured. Unlike Guantanamo Bay, the Diego Garcia facility remained completely secret until it was revealed by investigative journalists in 2003.

A so-called bunker call at Diego Garcia is the obvious option for keeping the warship’s replenishment as simple as possible on the long leg from Karachi, Pakistan, to Perth, Australia. Calling at a NATO ally’s port is easy to arrange, with simplified procedures for procuring food and fuel. Resupplying inSri Lanka or Indonesia, for example, would be much more complex.

Alternative Route Possible

The obvious operational benefits are outweighed by the cost to the mission’s normative objectives: Calling at Diego Garcia will inevitably invite accusations of double standards. London’s open defiance of the ICJ opinion and UN resolution means that visits to the Chagos Islands implicitly accept – if not openly support – a status quo that is at the very least problematic under international law. The bunker call would run counter to both the ICJ opinion and the ITLOS ruling, as well as boosting Beijing’s narrative that the West is selective in its application of the rules of an already Western-dominated international order. At a juncture where international norms and rules are increasingly contested in the context of Sino-American rivalry, none of this is in Germany’s strategic interest.

There are alternatives to replenishing at Diego Garcia. Changing the route would involve costs but would also underline Germany’s interest in upholding the rules-based international order. One possible outcome of a re-evaluation of the current route planning would be to omit the call at Diego Garcia but at the same time to take the vessel closer than currently planned to the contested Chinese-built artificial islands in the South China Sea. In connection with a detour avoiding Diego Garcia, that would represent a gesture boosting international law rather than a demonstration of military might towards China. Germany could show that it is willing to comply with international law even where doing so contradicts its own immediate operational interests and its partners’ expectations.

This text was also published at fairobserver.com.

Flucht vor den Taliban – was nun getan werden kann

Fri, 20/08/2021 - 18:29

In den Tagen nach der Machtübernahme der Taliban dauern die Evakuierungsmaßnahmen der internationalen Kräfte am Flughafen Kabul an. Für die Rettung der Ortskräfte, die aufgrund ihrer Tätigkeit für westliche Streitkräfte und Organisationen gefährdet sind, läuft die Zeit ab. Noch schwieriger ist es, von den Taliban bedrohte politische und zivilgesellschaftliche Akteure, insbesondere Frauenrechtlerinnen, zu schützen, für deren Rettung keine Vorkehrungen getroffen wurden.

Humanitäre Hilfe für die afghanische Bevölkerung

Auch weitere Faktoren verschärfen die humanitäre Notlage im Land: circa 14 Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen; hinzukommen Extremwetterereignisse wie etwa Dürren und Überschwemmungen. Das hat schon vor der Machtübernahme der Taliban zu einer steigenden Zahl an Binnenvertriebenen geführt. Ihre Zahl hat sich von circa 4,7 Millionen zu Jahresbeginn allein aufgrund des aktuellen Konfliktgeschehens um weitere 550.000 Menschen erhöht und droht weiter zu steigen – obwohl die Taliban keine gezielte Vertreibungsstrategie zu verfolgen scheinen. Angesichts der immensen Not ist es unerlässlich, die im Land verbliebenen humanitären Organisationen weiter zu finanzieren und die Hilfe für die Bevölkerung auszubauen, unabhängig davon, welches Regime an der Macht ist.

Aufnahmeländer humanitär unterstützen

Neben Binnenvertriebenen wird auch die Zahl derjenigen zunehmen, die ins Ausland fliehen – auch wenn die Kontrolle der Taliban grenzüberschreitende Fluchtbewegungen erschweren. Schätzungen zu Folge beherbergen Iran und Pakistan zusammen bereits bis zu sechs Millionen Afghaninnen und Afghanen. Beide Länder verstärken daher seit einiger Zeit ihren Grenzschutz, um weitere unkontrollierte Wanderungsbewegungen zu verhindern.

Dennoch sollten die Bundesregierung und ihre internationalen Partner den Austausch mit den Anrainerstaaten suchen, um die Aufnahme und Versorgung der dort zu erwartenden Flüchtlinge vorzubereiten. Denn eine der zentralen Lehren aus den Fluchtbewegungen 2015/16 war, dass eine mangelhafte Unterstützung der aufnehmenden Nachbarländer Menschen zur Weiterwanderung zwingt, etwa, wenn es nicht genug zu essen gibt. Allerdings bleibt die Zusammenarbeit über humanitäre Hilfe hinaus politisch und menschenrechtlich heikel: Pakistan unterstützt die Taliban; das iranische Regime ist mit Sanktionen belegt und könnte deren Ende als Zugeständnis einfordern. Frauenrechte werden in beiden Staaten vielfach verletzt. Daher sollte die Bundesregierung ihre Beiträge zu bestehenden Unterstützungsmaßnahmen, etwa durch den UNHCR und das Welternährungsprogramm, erhöhen und darauf achten, dass alle weiteren Leistungen gezielt über internationale Hilfsorganisationen laufen.

EU-Türkei-Zusammenarbeit fortsetzen

Auch die Türkei befürchtet Fluchtbewegungen aus Afghanistan, vornehmlich über den Iran. Anders als die syrischen Flüchtlinge haben Menschen aus Afghanistan dort aber keinen Zugang zu Hilfsprogrammen; ihre Situation wird zunehmend prekär. Die EU sollte die aktuellen Verhandlungen über die Fortsetzung der finanziellen Unterstützung im Rahmen der EU-Türkei-Erklärung dazu nutzen, den Schutz und die Versorgung auch der afghanischen Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. Dazu gehören Zugeständnisse, vor allem bei den seit langem versprochenen Visaerleichterungen und der Modernisierung der Zollunion. Gleichzeitig sollten sich die EU und die Bundesregierung für die Ausdehnung des temporären Schutzstatus' auch auf afghanische Flüchtlinge, die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips – das verbietet, Menschen in gefährliche Situationen zurückzuschicken – sowie die Verbesserung der Menschenrechtssituation in der Türkei einsetzen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, die Regierung Erdoğans aufzuwerten und die bestehende migrationspolitische Abhängigkeit der EU von der Türkei zu verstärken.

Resettlement-Kontingente ausweiten

Vorsorglich hat die griechische Regierung schon damit gedroht, Afghaninnen und Afghanen an der eigenen Grenze zurückzuweisen. Eine solche Abwehrrhetorik, die auch in anderen Mitgliedstaaten zu hören ist, wird weder der internationalen Verantwortung Europas für die Erhaltung des internationalen Flüchtlingsschutzes gerecht, noch ermöglicht sie einen international abgestimmten Umgang mit den Fluchtbewegungen. Die Bundesregierung sollte sich deshalb auf EU-Ebene dafür einsetzen, das Flüchtlingsrecht einzuhalten. Zudem sollte sie sich in einer internationalen Koalition für das Resettlement engagieren, also für die organisierte Umsiedlung von afghanischen Flüchtlingen aus den Erstaufnahmeländern. Die dafür bereitgestellten Plätze müssten den besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen zugutekommen, das heißt: Frauen und Mädchen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren. Die Bundesregierung könnte angesichts der derzeit niedrigen Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber neben den zu rettenden Ortskräften bis zu 50.000 Menschen durch Resettlement aufnehmen. Dabei würde sie noch unter der von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbarten »Obergrenze« für Schutzsuchende von 180.000 bis 220.000 pro Jahr bleiben. Das könnte auch die Aufnahmebereitschaft der USA und anderer Staaten wie Kanada und Großbritannien, die bereits eigene Resettlement-Kontingente zugesagt haben, weiter erhöhen. Nur mit substantiellen Resettlement-Programmen kann den Erstaufnahmeländern signalisiert werden, dass man sie mit ihrer Aufgabe nicht allein lässt.

The Rush for the North Pole

Mon, 16/08/2021 - 02:00

Russia assumed the Chairmanship of the Arctic Council at the 12th Ministerial in Reykjavik, on 20 May 2021. Russian Foreign Minister Sergey Lavrov described his first meeting with US Secretary of State Antony Blinken the previous day as “constructive”. Two days before the meeting, however, Lavrov warned the West against encroaching in the Arctic: “It has been absolutely clear for everyone for a long time that this is our territory.” But what exactly did he mean? The polar region claimed by Russia in its March 2021 submission to the Commission on the Limits of the Continental Shelf? Or the ongoing disputes over the Northern Sea Route? Moscow is working to fortify its positions in the Arctic through a combination of aggressive rhetoric and offers of dialogue, in another example of its ambivalent policy mix of security and cooperation.

Eine heikle Mission: Die Fregatte »Bayern« zeigt Flagge im Indopazifik

Thu, 12/08/2021 - 16:41

Anfang August ist die Fregatte »Bayern« in Richtung Indopazifik aufgebrochen. Mit der Mission will die Bundesregierung Verantwortung für den Erhalt der »regelbasierten internationalen Ordnung« übernehmen. Hintergrund sind unter anderem Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer, die der Ständige Schiedshof in Den Haag 2016 für völkerrechtswidrig erklärte. Die unausgesprochene Kritik an der Volksrepublik wird allerdings durch die unglückliche Route des deutschen Kriegsschiffs massiv geschwächt. Denn diese führt die Fregatte auch über den völkerrechtlich äußerst umstrittenen US-Militärstützpunkt Diego Garcia.

Diego Garcia, die größte Insel des Chagos-Archipels im Indischen Ozean, gehörte einst zur britischen Inselkolonie Mauritius. Im Jahr 1965 wurde sie völkerrechtswidrig zu einer separaten Verwaltungseinheit umgewandelt, um dort den Bau eines britischen Militärstützpunktes zu ermöglichen. London erklärte den gesamten Archipel zum militärischen Sperrgebiet und deportierte die Bewohner nach Mauritius und auf die Seychellen. Auf der Militärbasis sind seither überwiegend US-Soldaten stationiert. Das Vereinigte Königreich hat die Insel bis 2036 an die USA verpachtet.

Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Seit den 1980er Jahren versucht Mauritius die Souveränität über den Chagos-Archipel wieder zu erlangen. In einem Gutachten stufte der Internationale Gerichtshof (IGH) 2019 den Anspruch Londons auf den Archipel als völkerrechtswidrig ein und rief die UN-Mitgliedstaaten dazu auf, an der Dekolonisierung mitzuwirken. Eine mit großer Mehrheit verabschiedete Resolution der UN-Generalversammlung forderte daraufhin den Rückzug der »kolonialen Verwaltung«. Die meisten europäischen Staaten enthielten sich ihrer Stimme, darunter auch Deutschland. Das Gutachten und die Resolution sind zwar rechtlich nicht bindend. Sie haben jedoch auf normativer Ebene durchaus Signalwirkung. 2021 schloss sich der Internationale Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg in einem Urteil der Einschätzung des IGH an. Daneben geht es aber auch um grundlegende Menschenrechte: Auf Diego Garcia befand sich nachweislich ein US-Gefangenenlager, in dem mutmaßliche Terroristen gefangen gehalten, verhört und gefoltert wurden. Bis zur Aufdeckung durch Medienrecherchen 2003 war das Lager anders als zum Beispiel Guantanamo Bay komplett geheim.

Um auf der langen Reiseroute von Karatschi in Pakistan nach Perth in Australien die Nachversorgung der Fregatte »Bayern« so einfach wie möglich zu halten, mag ein sogenannter Bunkerstopp auf Diego Garcia durchaus Sinn ergeben. Das Anlaufen des Hafens eines NATO-Verbündeten ist ohne größeren diplomatischen Aufwand möglich; vereinfachte Verfahren erleichtern den Erwerb von Kraftstoff und Lebensmitteln. Ein Hafenbesuch in Sri Lanka oder Indonesien wäre mit deutlich höherem Aufwand verbunden.

Eine alternative Route ist möglich

Den klaren operativen Vorteilen steht jedoch der gewichtige Nachteil in Bezug auf die normativen Ziele der Mission gegenüber. Bleibt es bei der geplanten Route, ließe sich mit Blick auf die Verteidigung der regelbasierten Ordnung und des internationalen Rechts eine gewisse Doppelmoral kaum von der Hand weisen. Aus der offenen Weigerung Londons, der UN-Resolution und dem IGH-Urteil Folge zu leisten, folgt, dass durch Besuche des Archipels der völkerrechtlich mindestens problematische Status quo wenn nicht offen unterstützt, so doch de facto akzeptiert würde. Ein derartiges Vorgehen würde sowohl der IGH-Stellungnahme wie auch dem ISGH-Urteil zuwiderlaufen. Zudem würde dem chinesischen Narrativ einer selektiven Auslegung der aus Sicht Pekings ohnehin westlich-dominierten internationalen Ordnung Vorschub geleistet. In einer Zeit, in der im Kontext der sich weiter verschärfenden sino-amerikanischen Großmächterivalität internationale Normen und Regeln zunehmend in Frage gestellt werden, ist all dies sicherlich nicht im strategischen Interesse Deutschlands.

Der Bunkerstopp auf Diego Garcia ist nicht alternativlos. Eine Änderung der Route wäre zwar mit höherem Aufwand verbunden. Sie würde aber das eigene Interesse an einer regelbasierten, auf dem Völkerrecht beruhenden internationalen Ordnung unterstreichen. Ein mögliches Ergebnis einer Evaluation der derzeitigen Routenplanung könnte wie folgt aussehen: Kein Bunkerstopp auf Diego Garcia und darüber hinaus eine Fahrt der Fregatte »Bayern« dichter als bisher geplant vorbei an den von China errichteten und völkerrechtlich umstrittenen künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer. Letzteres wäre weniger eine militärische Machtdemonstration gegenüber China, sondern, im Zusammenhang mit der Umfahrung Diego Garcias, ein Zeichen zugunsten einer Stärkung des Geltungsanspruchs des Völkerrechts. Deutschland würde zeigen, dass es bereit ist, diesem auch dann zu entsprechen, wenn es den eigenen kurzfristigen operativen Interessen wie auch den Erwartungen von Partnerländern ein Stück weit widerspricht.

The “Axis of Resistance”

Thu, 12/08/2021 - 02:00

Since 2011 the Islamic Republic of Iran has significantly extended its influence in the Middle East. The expansion reached its apex in 2018. It has since entered a new phase in which Tehran, despite not suffering any strategic military setbacks, is hitting a wall. Iran’s biggest fundamental problem is that a majority of its allies in Lebanon, Syria, Iraq and Yemen are primarily military and terrorist actors. They frequently succeed in armed confrontations. Yet they are subsequently incapable of ensuring political and economic stability. The best option for German and European policymakers is a strategy of containment so as to put an end to Iran’s expansion in the four countries mentioned above, but also to acknowledge in the short term that Tehran and its allies are in a position of strength. Part of such a containment strategy would be to impose the most far-reaching isolation and sanctions possible on Iran’s armed partners. This includes adding Lebanese Hezbollah, the Hezbollah Battalions, Asa’ib Ahl al-Haqq and other militias loyal to Iran, including their leaders, to all relevant terrorism lists. Should Iranian institutions and actors involved in its policy of expansion in the Middle East also be listed as terrorists? The close ties between the Quds Corps – which is in charge of Iran’s policy towards its Arab neighbours – and unequivocally terrorist organisations such as Lebanese Hez­bollah suggest that this step is necessary.

Die Logik von Verteidigungshilfe für die Ukraine

Thu, 12/08/2021 - 02:00

Die jüngste Debatte über eine mögliche Verteidigungshilfe Deutschlands für die Ukraine ist von Relevanz, was die Bemühungen angeht, den gegenwärtigen Stillstand im Minsker Prozess wie im Normandie-Format zu überwinden und einer Lösung im Konflikt um den Donbas näherzukommen. Sie betrifft aber auch weitergehende Fra­gen zur Rolle der Bundesrepublik in Europa und ganz allgemein in der internationalen Sicherheitspolitik. Dabei geht es um die Fähigkeit Deutschlands, sich auf Situa­tio­nen einzustellen, in denen andere Länder bereit sind, Konflikte militärisch zu lösen. In diesem Sinne passt die Diskussion auch zu den Überlegungen für eine stär­ker geo­politisch ausgerichtete EU. Der Bundesregierung bietet sich hier ein Weg, der gewalt­samen Veränderung bestehender Grenzen aktiver entgegenzutreten und so ihrem Engagement für die Sicherheit und Stabilität Europas mehr Nachdruck zu verleihen.

Aus der Not geboren: Nord- und Südkorea nähern sich wieder an

Wed, 11/08/2021 - 17:18

Als der südkoreanische Staatschef Moon Jae-in vor seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Mai die Agenda für sein letztes Amtsjahr vorstellte, bezeichneten sie einige Beobachter als idealistisch, manche gar als illusorisch. Moon hatte neben der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Erholung auch über die Aussöhnung mit Nordkorea gesprochen. In der Tat hatten sich die Beziehungen beider Länder nach einer Entspannungsphase 2018 und 2019 spürbar verschlechtert. Neben dem Scheitern des zweiten Gipfeltreffens zwischen dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un und dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump nahm Nordkorea auch die wiederholten Ballonaktionen, mit denen südkoreanische Aktivistinnen und Aktivisten unter anderem die Menschenrechtssituation in Nordkorea anprangerten, zum Anlass, alle Kommunikationsverbindungen zu trennen und das innerkoreanische Verbindungsbüro in Kaesong zu sprengen.

Ende Juli verkündete das Präsidialamt in Seoul jedoch, dass Moon Jae-in und Kim Jong Un bereits seit April 2021 wieder in direktem Kontakt stehen. In ihrem Briefaustausch haben beide vereinbart, das Vertrauen zwischen den zwei Seiten wiederherzustellen und die Beziehungen zu verbessern. An dem symbolträchtigen Datum des 27. Juli, dem 68. Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zur Beendigung des Koreakriegs, gaben Nord- und Südkorea bekannt, dass sie sich auf die Wiederherstellung aller innerkoreanischen Kommunikationskanäle geeinigt haben. Seither findet ein täglicher Austausch über die wiedereröffnete Hotline zwischen beiden Staatschefs statt.

Warum Nordkorea wieder mit Südkorea spricht

Für die Moon-Administration ist die Wiederaufnahme der Kommunikation mit Nordkorea ein Kernbestandteil ihrer auf Einbindung und Kooperation abzielenden Nordkoreapolitik, die der südkoreanische Präsident trotz zahlreicher Widerstände und Herausforderungen auch in seinem letzten Amtsjahr voranzutreiben versucht. »Ich sehe das verbleibende Jahr als letzte Gelegenheit, von einem unvollkommenen Frieden zu einem unumkehrbaren zu kommen«, sagte er im Mai in einer Ansprache anlässlich seines vierjährigen Amtsjubiläums. Ob dies gelingen wird, hängt nicht zuletzt auch davon ab, welche Ziele Nordkorea mit der Wiederaufnahme des Dialogs verfolgt. Zwar hat es sich abgesehen von einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA nicht explizit zu seinen Motiven geäußert. Die Entwicklungen der vergangenen Monate lassen jedoch darauf schließen, dass nicht der Wunsch nach innerkoreanischer Aussöhnung, sondern die prekäre wirtschaftliche Situation in Nordkorea hinter der jüngsten Annäherung steht.

Wie ernst die wirtschaftliche Lage in Nordkorea ist, belegen nicht zuletzt wiederholte Äußerungen Kim Jong Uns. So räumte er im April 2021 in einem beispiellosen Schritt ein, dass sein Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes gescheitert ist. »Das Ziel der fünfjährigen nationalen Wirtschaftsentwicklungsstrategie wurde in fast allen Sektoren weit verfehlt«, zitierte die KCNA aus seiner Eröffnungsrede auf dem achten Kongress der Partei der Arbeit Koreas. Im Rahmen einer Gedenkfeier an den Koreakrieg im Juli 2021 attestierte er, dass die Covid-19-Pandemie und die internationalen Sanktionen eine »Krise des Elends« ausgelöst hätten, die in ihrer Dramatik dem Konflikt in den 1950er-Jahren in nichts nachstünden. Ende Juli meldete die südkoreanische Zentralbank, dass Nordkoreas Wirtschaft im Jahr 2020 den stärksten Rückgang seit 23 Jahren erlitten hat. Und nach Angaben des Welternährungsprogramms fehlen dem Land rund 860.000 Tonnen Lebensmittel.

Die jüngste Wiederaufnahme der Kommunikation mit Südkorea, die nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes auf das Ersuchen Kim Jong Uns erfolgte, könnte daher darauf abzielen, Hilfe von der internationalen Gemeinschaft zu bekommen. Nicht nur ist sich Pjöngjang der Haltung der südkoreanischen Regierung bewusst, die wiederholt Hilfsangebote an den Norden machte. Auch dienten die innerkoreanischen Beziehungen Nordkorea wiederholt als »Sprungbrett« zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA. So ist die Annäherung des Nordens nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes auch mit der Erwartung verbunden, dass Seoul eine proaktive Rolle bei der Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA spielt. Hierfür spricht auch, dass Südkoreas stellvertretender Vereinigungsminister Choi Young-jun im September eine Reise nach Washington plant, »um einen Konsens über die Nordkorea-Politik zu erzielen, nachdem die innerkoreanischen Kommunikationslinien wiederhergestellt wurden«, wie ein Sprecher des Wiedervereinigungsministeriums betont. Nordkorea testet, ob Diplomatie sowohl mit Südkorea als auch mit den USA funktioniert, insbesondere im Hinblick auf Ausnahmeregelungen von den internationalen Sanktionen für die innerkoreanische wirtschaftliche Zusammenarbeit, für die sich auch Südkorea einsetzt.

Keine grundlegende Änderung in Sicht

Die Wiederherstellung der Kommunikationskanäle zwischen Nord- und Südkorea ist zweifelsohne zu begrüßen. Gleichwohl bleiben die grundlegenden Herausforderungen auf der koreanischen Halbinsel bestehen. So zum Beispiel die Abhängigkeit der innerkoreanischen von den US-Nordkorea-Beziehungen und unterschiedliche Vorstellungen zur Lösung der Nuklearfrage. Es gibt also noch viele Hürden auf dem Weg zu einer Wiederaufnahme von Verhandlungen – sowohl zwischen Seoul und Pjöngjang als auch zwischen den USA und Nordkorea. Dabei scheint Nordkorea nicht aus einem politischen Willen zur Aussöhnung, sondern vielmehr aufgrund seiner akuten Notlage zu handeln. Dies öffnet einerseits zwar Räume für Kooperationen. Andererseits ist vor diesem Hintergrund die Dauerhaftigkeit dieser Kommunikationsinitiative in Frage zu stellen. Die anstehenden Militärübungen zwischen den USA und Südkorea werden die Belastbarkeit des gegenwärtigen Dialogs auf die Probe stellen. Die nächsten Wochen werden daher entscheidend dafür sein, ob es zu diplomatischen Fortschritten zwischen Pjöngjang, Seoul und Washington kommt oder ob die Kommunikation zwischen Nord- und Südkorea wieder eingestellt wird.

Erdoğan the Builder in Northern Cyprus

Fri, 06/08/2021 - 02:00

Ahead of his trip to Turkish-occupied northern Cyprus on July 20, 2021, the Turkish President announced that he would be bringing “good news” to the Turkish Republic of Northern Cyprus (TRNC). Speculation ran rampant that Erdoğan would use the 47th anniversary of the Turkish invasion to announce that Azerbaijan, Pakistan, or Kyrgyzstan would establish diplomatic relations with the TRNC, which is currently recognized only by Turkey. But Erdoğan merely unveiled the construction of a pomp­ous presidential palace that would befit a future, independent “Turkish Cypriot State”. The Turkish president is still reluctant to back up his words of international recognition of the TRNC with deeds. But the visit shows that Ankara is working to­ward the final division of the island, and Erdoğan’s actions made it clear once again that he alone calls the shots in northern Cyprus.

Turkish-Russian Relations in Light of Recent Conflicts

Wed, 04/08/2021 - 02:00

Syria is central to the current shape of Turkey-Russia relations. It offers a model of partnership for both countries in a context where their interests are competitive. However, the Syrian-centric cooperation between Turkey and Russia is also special and is thus unlikely to be replicated elsewhere due to structural constraints and contextual nuances. The limits of the Syrian-style model of cooperation between Ankara and Moscow can be observed in Libya as well as Nagorno-Karabakh. Even though the institutional and elite ownership of Turkey’s Western relations has weakened, no similar institutional basis exists in Turkey’s relations with Russia. As such, the current Ankara-Moscow axis is to a great extent defined by the personal ties between the countries’ leaders and geopolitical imperatives. However, if the current shape of relations endures much longer, these personalised relations will gain structural foundations. A major problem for Turkey in its relations with Russia remains the asymmetry, even if interdependent, in favour of Moscow. Yet, the nature of asymmetry is dynamic and subject to change, as Turkey has engaged in what can be termed dependency reduction on Russia, both geopolitically and structurally (energy-wise). Developments at the broader international level, a new administration in the US, and rising tension between Ukraine and Russia indicate that Turkey would face more constraints and higher costs for its hitherto geopolitical balancing act between the West and Russia. The close relations in recent years between Ankara and Moscow also point to the need for Turkey and the West to redefine the nature of their relations, as the Cold War framework of Turkey-US relations and the accession framework of Turkish-European relations increasingly appear to be ill-suited to the present realities.

Erdoğan als Bauherr in Nordzypern

Mon, 02/08/2021 - 02:00

Vor seiner Reise in den türkisch besetzten Norden der Insel am 20. Juli 2021 kündigte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine »frohe Botschaft« für die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) an. Spekula­tio­nen schossen ins Kraut, der Präsident werde zum 47. Jahrestag der türkischen Invasion verkünden, Aserbaidschan, Pakistan oder Kirgistan stünden bereit, diplomatische Beziehungen mit der TRNZ aufzunehmen. Doch Erdoğan gab lediglich den Bau eines pompösen Präsidentenpalastes bekannt, der einem künftigen, unabhängigen »Zyperntürkischen Staat« angemessen sein soll. Noch schreckt der türkische Präsident also davor zurück, seinen Worten von der internationalen Anerkennung der TRNZ Taten folgen zu lassen. Doch der Besuch zeigt, dass Ankara auf die endgültige Teilung der Insel hinarbeitet – und außerdem, dass in Nordzypern einzig und allein Erdoğan das Sagen hat.

Nord Stream 2 and the Energy Security Dilemma

Wed, 28/07/2021 - 02:10

Washington and Berlin have settled their differences over the gas pipeline through the Baltic Sea. For the time being, this has halted the spiralling energy security dilemma. While Washington is sending a clear signal that constructive relations with Berlin are important, the German government is now called upon to implement a variety of measures. Still, the project remains a political issue. Kyiv and Warsaw have already signalled their opposition. A grand bargain that is not only bilaterally agreed upon but also involves Ukraine and commits Russia has not yet been achieved.

Normalisation and Realignment in the Middle East

Wed, 28/07/2021 - 02:00

Between 2020 and 2021, Israel concluded normalisation agreements with four Arab states. They were celebrated internationally as a breakthrough. Meanwhile, since 2018, and largely unnoticed by the public, Arab states have started repairing their relations with Syria. Finally, in January 2021, Egypt, Bahrain, Saudi Arabia and the United Arab Emirates (UAE) ended their boycott of Qatar during the meeting of the Gulf Cooperation Council (GCC) in Al-Ula, Saudi Arabia. Changing assessments of the regional security situation and converging interests have enabled these rap­prochements. However, these developments do not mean that the region is moving towards peace and stability; on the contrary, long-lasting conflicts remain unresolved and the threat perceptions of third actors are being exacerbated. Germany and its partners in the EU should avoid being co-opted by local and regional conflicting par­ties and should instead focus on supporting regional conflict management.

Nord Stream 2 und das Energie-Sicherheitsdilemma

Tue, 27/07/2021 - 02:00

Washington und Berlin haben ihre Differenzen über Nord Stream 2 beigelegt. Damit ist zunächst einmal die Negativspirale eines Energie-Sicherheitsdilemmas angehalten, in die das Projekt geraten war. Während die Biden-Administration ein klares Signal setzt, dass ihr konstruktive Beziehungen zu Deutschland wichtig sind, ist die Bundes­regierung nun gefragt, die vereinbarten Punkte umzusetzen. Die Gaspipeline durch die Ostsee bleibt jedenfalls ein Politikum. Kiew und Warschau haben bereits deutlich gemacht, dass sie die deutsch-amerikanische Übereinkunft ablehnen. Ein »Grand Bargain« über Nord Stream 2, der nicht nur bilateral abgestimmt ist, sondern auch die Ukraine einbindet und Russland verpflichtet, ist noch nicht erreicht.

Challenges to Iran’s Role in Iraq in the Post-Soleimani Era

Thu, 22/07/2021 - 02:00

On January 3, 2020, the Iranian Quds Force commander, Maj. Gen. Qassem Soleimani, was assassinated by the United States in Iraq. He was considered the mastermind behind Iran’s regional strategy, especially in Syria and Iraq. A year and a half later, the Islamic Republic continues to wield considerable influence in Iraq, and Iran-backed militias continue to violently pressure US forces to leave Iraq. However, Iran now faces a series of serious challenges that are directly and indirectly related to Soleimani’s death. In the geopolitical and economic spheres, the influence of Iran’s rivals in Iraq has increased, while Tehran’s room for maneuver has become increasingly limited. In the political arena, divisions among Iran-backed forces in Iraq have increased, while Iran’s direct influence over the Iraqi government has been declining. At the same time, rising anti-Iranian sentiments among the Iraqi people have reduced Iran’s social capital in the neighboring country. The combination of these factors seems to be limiting Iran’s influence in Iraq. The EU should build upon this opportunity to sup­port a strong Iraqi government that pursues a multi-vector foreign policy.

Internationale Asyl- und Migrationspolitik: »Städte spielen noch eine zu geringe Rolle«

Tue, 20/07/2021 - 11:27

Çetin Demirci: Sie schreiben in Ihrer Studie, dass in der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Flucht und Migration auf Regierungsebene kaum Fortschritte erkennbar seien. Städte würden hingegen zunehmend als Hoffnungsträgerinnen betrachtet. Was machen sie besser?

Nadine Biehler: Aus unserer Sicht spielen Städte noch eine zu geringe Rolle. Dabei sind sie längst aktiv, was sich in Initiativen wie beispielsweise »Solidarity Cities« zeigt. Das sind Städte, die sich bereit erklären, Menschen auf der Flucht aufzunehmen.

Steffen Angenendt: In der internationalen Debatte wird klar, dass Regierungen ihre Städte als Akteure sehen, aber immer etwas zwiespältig. Städte müssen beispielsweise für die Menschen, die zugewandert sind, Integrationsleistung erbringen. Die Regierungen haben also ein Interesse daran, dass die Städte aktiv sind, einerseits. Andererseits wollen sie aber in der Migrations- und Asylpolitik und gerade bei der Frage, wer ins Land kommen darf, keine Kompetenzen und Finanzen an die Städte abgeben – obwohl viele gute Anregungen, wie Migrations- und Asylpolitik besser gestaltet werden kann, von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kommen.

Wie sieht eine migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und europäischen Städten aus?

Biehler: In vielen europäischen Ländern geht es darum, wie Städte sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ihrer Integration engagieren wollen. In afrikanischen Städten geht es eher um die Gestaltung und das Management des Wachstums. Die Geburtenraten sind hoch und der Zuzug in afrikanische Städte ist groß, vor allem durch Migrantinnen und Migranten, aber auch Flüchtlinge. Die Interessen der europäischen und afrikanischen Städte sind daher durchaus unterschiedlich, aber es gibt auch Schnittmengen.

Angenendt: Auf europäischer Seite haben viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einen Arbeitskräftemangel, etwa im Pflegebereich und in Handwerksbetrieben. Auf afrikanischer Seite können sie vor allem jüngeren Leuten nicht ausreichend Jobs und Perspektiven bieten. Bislang kam es in wenigen konkreten Fällen zu gemeinsamen Projekten. Wir hatten jetzt eine Diskussion zwischen Mailand und Freetown, da ging es auch um Jobs in der Modeindustrie. Aber die Umsetzung ist extrem schwierig. Man braucht Leute in den Verwaltungen, die das können. Man braucht finanzielle Mittel, um sich zu treffen. Städtepartnerschaften können da helfen.

Sind die Städte in einer besseren Position das Ganze zu organisieren als die Regierungen?

Biehler: Nicht immer. Ja, wenn es beispielsweise darum geht, wie man Menschen unterbringen kann. Oder dass Kinder eine Schule besuchen können. Wie man Gesundheitsinformationen in der richtigen Sprache zur Verfügung stellen kann. Da sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister näher dran. Das heißt aber nicht, dass sie auch die personellen Kapazitäten und finanziellen Ressourcen haben, um die Probleme zu bewältigen. Insbesondere in ärmeren Ländern, zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent.

Wo sehen Sie die größten Hürden, aktuell und zukünftig?

Angenendt: Die größten Hürden sind Kompetenzen. Städte können nur das machen, wozu sie autorisiert sind. Wenn man in einem zentralistischen Staat lebt, in dem die Regierung alle Entscheidungen trifft und keine Macht abgibt, dann haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ein Problem. Fehlende Dezentralisierung heißt auch: keine eigenen Mittel oder nur wenig zur Verfügung zu haben. Dazu kommt, dass die Verwaltungen oft nicht ausreichend Kapazitäten haben – besonders in schnell wachsenden Städten. Vor allem in Afrika sind das die mittelgroßen Städte; sie werden in den nächsten Jahren großen Bevölkerungszuwachs erleben und brauchen Unterstützung.

Wie müsste die Unterstützung aussehen?

Angenendt: Es wäre gut, von deutscher Seite bereits bestehende Netzwerke zwischen Städten zu fördern und stärken, die sich mit solchen Fragen beschäftigen. Das ist aber nur ein erster Schritt, denn Ideen müssen auch praktisch umgesetzt werden. Es geht immer um dieselben großen Themen: Wie kann man gemeinsam Arbeitsmigration steuern, etwa über Ausbildungspartnerschaften? Das andere große Thema ist die Aufnahme und der Schutz von Flüchtlingen.

Auf europäischer Seite besteht Interesse an Fachkräften. Aber braucht die afrikanische Seite sie nicht selbst?

Biehler: Deswegen ist es so wichtig, nicht einseitig von europäischer Seite Fachkräfte anzuwerben, sondern tatsächlich für Partnerschaften zu sorgen, die sicherstellen, dass genug Leute ausgebildet werden – am besten parallel auch für den afrikanischen Bedarf. Sonst ist es für diese Staaten und ihre Bildungssysteme ein enormer Verlust.

Angenendt: Ideal wäre, in einem doppelten Programm auszubilden. Einmal für den einheimischen Markt in den Partnerländern und gleichzeitig spezifisch für den europäischen Markt. Das eine könnte man mit dem anderen finanziell verbinden. Der Pflegenotstand bei uns ist keine Erfindung, der ist real. Aber ebenso in den Partnerländern. In jedem Fall müssen wir wegkommen vom simplen Anwerben. Es ist unglaublich, wie viele Institutionen und Betriebe aus Europa in den Entwicklungsländern unterwegs sind, um dort Leute anzuwerben. Das ist ein richtiges Business. Und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bekommen das unmittelbar zu spüren, wenn sie den Bedarf in ihren kommunalen Kliniken nicht mehr decken können. Der Handlungsdruck steigt. Deshalb ist es wichtig, Städte zum Handeln zu befähigen.

Und dafür müssten Regierungen mehr Kompetenzen übertragen und die EU jene Netzwerke finanziell unterstützen?

Angenendt: Nicht nur die Netzwerke unterstützen, sondern auch die Vorschläge umsetzen, die aus den Diskussionen entstehen. Es nützt ja nichts, gute Ideen zu haben, wenn dann kein Geld da ist, um sie zu realisieren. Dafür braucht die Entwicklungszusammenarbeit eine ausreichende, mehrjährige und flexible Finanzierung.

Das Interview führte Çetin Demirci von der Online-Redaktion der SWP.

Canal Istanbul: Turkey’s Controversial Megaproject

Tue, 20/07/2021 - 02:00

On June 26, the Turkish government began constructing the first bridge over Canal Istanbul, the huge waterway project designed to run parallel to the Bosporus Strait. Ankara has presented the megaproject as a strategic move that will turn Turkey into a logistics base and grant it geo-political leverage over both regional and international trade and transportation routes. However, Turkey’s political opposition considers Canal Istanbul to be a rent-seeking project designed to attract international – prob­ably Chinese and Arab – investment in the hope of reviving Turkey’s deteriorating economy. The Canal may also affect the Montreux Convention, the decades old treaty that governs the Turkish Straits. Given the rivalry between the US and Russia, ques­tions around the Montreux Convention will add another point of contention, increase tensions and may also present serious consequences for Turkey.

Städte und ihre Netzwerke in der europäisch-afrikanischen Migrationspolitik

Fri, 16/07/2021 - 10:00

In der internationalen migrationspolitischen Debatte werden Städte zunehmend als Hoffnungsträgerinnen betrachtet, weil sie schnelle, wirksame und nachhaltige Lösungen für flucht- und migrationsbezogene Probleme finden müssen – diese Einschätzung ist allerdings nach wie vor strittig. Aus europäischer Sicht ist die Zusammenarbeit mit afrikanischen Städten relevant, weil zu erwarten steht, dass die Zuwanderung aus Afrika mittel- und langfristig zunehmen wird. Aus afrikanischer Sicht besteht Interesse an einer Ausweitung der legalen Migrationsmöglichkeiten und an inter­kontinentaler Mobilität. Die bestehende Zusammenarbeit von afrikanischen und europäischen Städten zeigt, dass die beteiligten Akteure dabei höchst unterschiedlichen Interessen folgen. Die Möglichkeiten ihres Engagements sind beschränkt, zugleich aber stark von ihrem politischen Willen und vom jeweiligen Kontext abhängig. Sollen die Potentiale der Zusammenarbeit von Städten insbesondere bei der Gestaltung der legalen Migration genutzt werden, sind die Koopera­tionsinstrumente so anzulegen, dass die Städte über genügend Finanz­mittel und hinreichende Zuständigkeiten verfügen. Spaltungen zwischen Stadt und Land sollten nicht vertieft, gesellschaftliche Konflikte nicht verschärft werden. Aus öffentlichen Mitteln sollten vornehmlich bestehende Netzwerke insbesondere von kleineren und mittelgroßen Städten gefördert werden, wobei die Städte vor allem in die Gestaltung der Arbeitsmobilität und ‑migration und in die Aufnahme von Flüchtlingen einbezogen werden sollten. Zusätzlich kann eine philanthropische Finanzierung von Städten und Städtenetzwerken etwa durch große Stiftungen hilfreich sein, um die Potentiale kommunaler Akteure zu nutzen.

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