Brazil has been one of the hardest hit countries by the Covid-19 pandemic. Far-right populist president Bolsonaro promoted social polarisation and politicised the crisis, while neglecting the seriousness of the health emergency. Despite the consequences ofthe lack of response by the federal government to contain the high infection rates, Bolsonaro’s approval ratings remained stable and slightly increased during the outbreak. Against this background, this article turns to the question on how populist politicians in government have used communication to frame the Covid-19 pandemic and navigate the crisis. Looking at the case of Brazil, we ask: how was the Covid-19 pandemic framed or used by a populist leader like Bolsonaro? How did he communicate the pandemicin his social media speeches? By mobilising literature on populism from both theideational and discursive perspective, we formulated a rubric and analysed Bolsonaro’s speeches on social media according to a “populist-crisis” approach, using the holistic grading method. Our findings suggest that, aligned with the literature, populists like Bolsonaro use crises to advance some strategies that can help them maintain support: the creation and blaming of enemies, an alleged proximity to “the people”, and the projection of a paradoxical image of “exceptionality” and “ordinariness” of the populist leader.
Am 1. Juni wurde die UN-Dekade zur Ozeanforschung feierlich eröffnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel, UN-Generalsekretär António Guterres und andere Redner*innen hoben dabei nicht nur den Stellenwert des Ozeans als Nahrungsquelle, Energieversorger und Handelsweg hervor, sondern stellten vor allem seine Funktion als Kohlenstoffsenke in den Vordergrund. Diese Funktion macht den Ozean zu einem Kerngegenstand der Klimawandelforschung. Dennoch spielt er in der Klimapolitik sowie in Klimaverhandlungen bisher nur eine untergeordnete Rolle. Wie mehrere hochrangige Redner*innen betonten, wissen wir mehr über den Mond als über den Ozean. Entsprechend ist die Ausweitung mariner CO2-Beobachtungen ein essentielles Anliegen der UN-Dekade, da Langzeitbeobachtungen von marinem Kohlenstoff die Grundlage für die Erforschung des Kohlenstoffkreislaufs des Erdsystems abbilden.
Der Ozean hat seit der vorindustriellen Zeit fast 40% der fossilen Kohlenstoffemissionen absorbiert. Der Anstieg der Emissionen strapaziert diese Kapazität jedoch zunehmend, da die Ozeantemperatur und -versauerungsraten steigen. Diese Entwicklungen wirken sich direkt auf die Fähigkeit des Ozeans aus, Kohlenstoff zu speichern, beeinflussen aber auch die atmosphärischen Bedingungen und bedrohen Meeres- und Küstenökosysteme. Zunehmend wenden sich auch Diskussionen zur Kohlenstoffspeicherung dem Ozean zu. Solche Ansätze zielen darauf ab, nicht nur den oben genannten negativen Trend aufzuhalten, sondern die Kapazität des Ozeans zur Aufnahme von atmosphärischem CO2 noch zu erhöhen. Dies verdeutlicht die enge Verbindung zwischen marinen Kohlenstoffwerten und dem Erreichen globaler Klimaziele. Marine CO2-Messungen liefern wesentliche Inputs für (inter-)nationale Klimawandelszenarien, Klimaverhandlungen und -politik. Entsprechend haben marine Kohlenstoffmessungen eine inhärente politische Dimension.
Aufgrund dieser politischen Dimension ist es besonders wichtig, Daten über marine CO2-Beobachtungen offen zu teilen, sowie sie für verschiedene Nutzer*innen kognitiv zugänglich und vertrauenswürdig zu machen. Hierfür müssen Daten in verständliche Produkte übersetzt werden, die transparent Unsicherheiten sowie Verhandlungen, die bei ihrer Erstellung stattfinden, darlegen. Während das internationale Netzwerk mariner CO2-Beobachtungen bereits eng miteinander verknüpft ist und in der Wissenschaft ein weitgehender Konsensus über die Notwendigkeit eines offenen Datenaustauschs herrscht, erschweren administrative Hürden und begrenzte Kapazitäten noch immer den Prozess. Ebenso wie der Ausbau mariner Kohlenstoffbeobachtungen stellt dies eine wichtige Herausforderung dar, die es zu bewältigen gilt, um nicht nur „einen vorhersehbaren Ozean“, sondern auch „einen zugänglichen Ozean“ gemäß den Zielen der UN-Ozeandekade zu schaffen.
Wie der Global Ocean Science Report der UN zeigt, existieren große globale Unterschiede in Bezug auf die vorhandene Infrastruktur und Technologie für Meeresforschung. Die USA, Japan, Australien, die EU, Südkorea und Kanada stellen die größten Budgets für Meeresforschung bereit und haben die höchste Anzahl an Forschungsschiffen. Da diese Regionen über die am stärksten ausgebaute Forschungsinfrastruktur verfügen, entscheiden sie darüber, wo und welche Art von Daten gesammelt werden und welche Themen wissenschaftlich untersucht werden sollen.
Die Untersuchung dieser globalen Ungleichheiten ist wichtig, da verschiedene Weltregionen und Länder auf unterschiedliche Art und Weise auf den Ozean angewiesen sind und mit ihm interagieren. Laut dem Ocean Science Report spezialisiert sich die Forschung in Sub-Sahara Afrika beispielsweise primär auf den Ozean in Bezug auf menschliche Gesundheit und Wohlbefinden. Auf globaler Ebene spielt diese Dimension im Vergleich zu Themen wie Meerestechnik oder Blue Growth jedoch kaum eine Rolle. Ungleichheiten in Bezug auf Forschungsfinanzierung und Infrastruktur führen daher zu Ungleichgewichten beim wissenschaftlichen Agenda-Setting und bei der Relevanz des produzierten Wissens.
Die Ausweitung biogeochemischer Messungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der sozialen und politischen Dimensionen mariner CO2-Beobachtungen erfordert einen inter- und transdisziplinären Forschungsprozess, zu dem das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Rahmen des C-SCOPE Projekts beiträgt. Hier untersuchen Forscher*innen Pfadabhängigkeiten und Machtkonstellationen auf (inter-)nationaler Ebene und die Art und Weise, wie diese die Datenproduktion sowie ihre Verarbeitung, Bereitstellung und Kommunikation prägen. Sie betrachten Forschung als einen sozialen Prozess und vollziehen nach, wie äußere Einflüsse wie Geschlecht und kulturelle Vielfalt die Interaktionen zwischen Forschenden prägen und welche Rolle sie bei der Datenanalyse und -kommunikation spielen. Während diese Art von Forschung noch selten ist, stellt die UN-Ozeandekade eine einzigartige Gelegenheit dar, ein umfassendes, transparentes und zugängliches Informationssystem über marine Kohlenstoffbeobachtungen aufzubauen, das die Erreichung des Pariser Abkommens unterstützt und gleichzeitig die Gleichberechtigung zwischen verschiedenen Wissensnutzern und -anbietern fördert.
Der Ozean ist ein existenzieller Teil der kulturellen Identitäten und des kulturellen Erbes Südostasiens. Gleichzeitig ist die Region den Folgen des globalen Meeresspiegelanstiegs und weiteren komplexen Risiken in höchstem Maße ausgesetzt. Dortige Küstengemeinden sind in ihrer Historie von Katastrophenereignissen geprägt, wodurch sie umfassendes Wissen sammeln und Überlebensstrategien entwickeln konnten. Diese reichen jedoch angesichts rasanten Bevölkerungswachstums, zunehmender Mobilität, Infrastruktur und technologischer Entwicklungen nicht länger aus. Kürzlich betonte Peter Schoof, deutscher Botschafter in Indonesien, dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und Timor-Leste, wie wichtig ein Wandel der internationalen Perspektive in Bezug auf Südostasien und den Indopazifik sei, nicht nur im Hinblick auf dessen großen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, sondern auch auf seine Resilienz gegenüber Naturkatastrophen. Die UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung hat gerade erst begonnen – und Südostasien wird 2022 im Fokus mehrerer dort stattfindender politischer Prozesse stehen.
Das Wissen südostasiatischer Länder in Bezug auf den Ozean gründet auf ihrer kulturellen Vielfalt sowie ihrer Verbundenheit. Letztere steht im Zentrum der Vision der ASEAN-Gemeinschaft und stärkt die Resilienz im täglichen Umgang mit meeresbedingten Gefahren. Doch welche Erkenntnisse und aktuellen Herausforderungen sind mit dem Risikomanagement und der Förderung von Ocean Literacy in der Region verbunden?
Die ASEAN-Staaten zeichnen sich sowohl als einzelne Akteure als auch in ihrer Gemeinschaft durch vorbildliche Leistungen bei der überregionalen Koordination aus. In den letzten Jahren haben sie erheblich in Infrastruktur für den Hochwasser- und Küstenschutz investiert, etwa in Dämme und Polder sowie in gemeinsame Programme zur Katastrophenvorsorge und Risikominimierung wie Tsunami-Frühwarnsysteme oder das Koordinierungszentrum der ASEAN für humanitäre Hilfe im Bereich Katastrophenmanagement (AHA). Durch den Aufbau von Institutionen mit erweiterten Kapazitäten zum Notfallmanagement soll die „letzte Meile“ erreicht werden: die verbesserte Resilienz von Küstengemeinden. Dennoch lassen sich technologische Fortschritte bei Frühwarn- und Risikomanagement-Systemen nur mit einem größeren Verständnis der Bedeutung einer verantwortungsbewussten Ocean Governance erzielen. Die südostasiatischen Länder sollten noch stärker zusammenarbeiten um die Nachhaltigkeit der erreichten Fortschritte zu gewährleisten und für den Umgang mit meeresbedingten Gefährdungen nicht nur auf rein landbezogene Maßnahmen zurückgreifen. Zudem muss Ocean Governance integraler Bestandteil nationaler Leitstrategien werden. Hingegen ist es etwa während Präsident Joko Widodos zweiter Amtszeit um ein solches Konzept, Indonesien zu einem globalen maritimen Knotenpunkt zu machen, sehr still geworden.
Wollen wir das Bewusstsein für Küstenrisiken stärken, muss dies auf dem Verständnis gründen, „dass der Ozean und die Menschen untrennbar miteinander verbunden sind“ – eines der Grundprinzipien der Ocean Literacy, welche die internationale Forschungsgemeinschaft gemeinsam entwickelt hat. Dies bedeutet auch, dass wir bei der Vermittlung von Meereswissen innovative Wege einschlagen müssen. Überregionale Veranstaltungen wie das Ozeanforum auf dem ASEAN-Südkorea-Sondergipfel 2019 vertiefen den Austausch an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik. Kreative Formen der Wissenschaftskommunikation umfassen interaktive Plattformen oder Ausstellungen, Kunstprojekte, Filme, Graphic Novels und Schulprojekte. Diese modernen Ansätze verbinden aktuelle Forschungserkenntnisse und -narrative mit überliefertem Wissen. Gleichzeitig ermöglichen sie in einer digitalisierten Gesellschaft eine breitere Zugänglichkeit, denn die Nutzung sozialer Medien und mobiler Apps in Südostasien gehört zu den höchsten weltweit. Jene Art von Wissensbildung um Risiken, ergänzt durch Technologien, kräftigt und stellt die bedrohten Gemeinden sowie die Menschen selbst in den Mittelpunkt. Sicherlich können auch hier gezielte Fehlinformationen Ängste schüren, zu Misstrauen in Risikowarnsysteme führen oder, ganz im Gegenteil ein falsches Gefühl der Sicherheit hervorrufen. Der Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004 ist jedoch eines der besten Beispiele dafür, wie fundiertes Meereswissen die Resilienz stärkt: Die Zerstörung und die inspirierenden Geschichten von Überlebenden markierten einen Wendepunkt im Bereich Ocean Literacy und Katastrophenmanagement.
Im nächsten Jahr richtet sich die Aufmerksamkeit erneut auf Südostasien: Indonesien wird den Vorsitz der G20 übernehmen und die Global Platform for Disaster Risk Reduction in Bali ausrichten. Zudem wird das World Climate Research Program (WCRP) die internationale Konferenz „Regional Sea Level Change and Coastal Impacts“ in Singapur abhalten. Anlässlich dieser Veranstaltungen sollten die südostasiatischen Inselstaaten ihre Führungsqualitäten im Bereich internationaler Zusammenarbeit sowie Ocean Governance und Förderung von Ocean Literacy unter Beweis stellen. 2022 ist ein gutes Jahr, um das Bild der Region in der Welt zu verändern und deren Erfahrungen zu Beginn der Ozeandekade dafür zu nutzen, eine bessere und sicherere Zukunft zu schaffen.
Rural communities are particularly vulnerable to weather shocks and ecosystem decline. Traditionally, farmers have adapted to climate variability and extremes through various risk management strategies, either individually or cooperatively. However, climate change amplifies the frequency and intensity of extreme weather events and exacerbates environmental degradation processes.
Market-based risk transfer instruments are now being developed as complements to these conventional risk management strategies to shield rural households from increasing climate risks. At present, risk transfer solutions play a central role in the global climate and development agenda. International- and regional-level initiatives such as the InsuResilience Global Partnership support vulnerable developing countries to increase their financial protection coverage through climate risk finance and insurance, including through innovative micro-level schemes such as weather index insurance.
Over the last decade, index-based weather insurance has been gaining attention in the climate resilience discourse. These schemes compensate insured individuals based on a pre-defined weather index instead of individual losses, as with traditional types of insurance. Therefore, this instrument has several advantages, including greater time- and cost-effectiveness and reduced moral hazard risk.
Although weather-index insurance holds great promise, there are several challenges in designing and promoting it in developing countries. First, on the demand side, there is a lack of accessibility to affordable insurance, especially for the poorest rural populations exposed to climate hazards. Second, on the supply side, insurance providers are facing an elevated risk of paying larger claims due to the increasing frequency and severity of weather extremes, while reinsurance services are often missing. Third, the ecological effects of implementing weather index microinsurance initiatives receive little attention in research and policy. Yet, protecting the environment and building ecological resilience are critical policy dimensions of climate risk management in rural regions, where the poor disproportionately depend on ecosystem goods and services for a living, as they often lack alternative livelihood strategies.
Looking into the key challenges to microinsurance initiatives and drawing upon findings of a review of literature on weather index insurance and field research, this Briefing Paper derives recommendations for development cooperation, governments and insurers for an enhanced action agenda on climate risk insurance. The discussion is focused on the specific case of weather index insurance for the rural poor at the micro level. We emphasise the importance of enhancing knowledge on the potential positive and negative ecological effects of weather insurance schemes, and the need to develop a diverse set of climate risk management strategies for the poor, including social protection mechanisms.
The European Green Deal conveys the EU’s ambition to adjust and “green” its economic growth trajectory and become climate-neutral by 2050, as part of its contribution to the Paris Agreement and the Sustainable Development Goals. While being ambitiously pursued within the Union’s own borders, the Green Deal also has strong external ramifications, as the EU leaves a tremendous ecological footprint in other parts of the world. The EU has referred to this “external dimension” of the Green Deal without further defining it, and appears to primarily understand it as a reflection of the internal strategies and as a call for the EU’s partner countries to follow a sustainable recovery trajectory similar to its own.
A number of proposed EU domestic strategies (e.g. biodiversity, blue economy or farm-to-fork) contain chapters on global aspects, yet the EU seems to follow a predominantly sectoral logic to implementing the external dimension of the Green Deal. This approach has certain shortcomings. For one, it creates uncertainty for partner countries on how to adapt to the EU’s new rules, regulations and standards, and the extent of EU support for adjusting to this. It also creates a vacuum for member state engagement by means of their economy, finance, climate and foreign policies. Last but not least, it lacks clear governance mechanisms to address potentially conflicting policy objectives and to strive for greater coherence of domestic and external EU policies.
Ultimately, the EU needs to define the different external dimensions of the Green Deal and promote an integrated approach. Whereas this applies universally to all partner countries of the EU, we focus in particular on developing countries in this paper. We consider these dimensions to be (1) promoting the Green Deal in bilateral and regional cooperation, (2) ensuring coherence and addressing negative spillovers, both in trade and domestic policies and (3) the EU’s global leadership in multilateral fora. Combining those three dimensions and governing them across EU institutions and member states allows for the external response to become an integral part of the EU Green Deal.
Such an integrated approach allows the EU to claim leadership vis-à-vis other global powers, make credible commitments in multilateral fora for successful “green diplomacy”, and use its market and regulatory power to transform itself and others. In its bilateral relationships, the EU needs to strike a “deal” in the true sense of the word: together formulating and “owning” cooperation agendas that are clear in terms of what is in it for the EU’s partners and how the EU will cushion the potential negative adjustment costs of partners. Overall, the EU needs to avoid a “projectisation” of the external dimension of the Green Deal and clarify how the different Commission services and member states aim to work together to deliver the Green Deal, including through its various external policy areas, of which development is just one.
Achieving the ambitious Sustainable Development Goals of the 2030 Agenda requires strong and accountable institutions. However, the focus on sustainability outcomes set forth in the Agenda’s 17 SDGs has side-lined the debate on accountability mechanisms to ensure effective policy implementation. Six years into the adoption of the 2030 Agenda, it is time to assess progress made in this regard. Drawing on theories of public interest and rational choice, this paper argues that horizontal accountability between different state organs will be key to the emergence of national SDG accountability regimes. We provide evidence on monitoring and evaluation mechanisms for SDG progress based on an original database (AccountSDG) built through a document analysis of 136 Voluntary National Reviews (VNR) submitted between 2016 and 2019. Our analysis provides the first systematic cross-national empirical analysis of the role assigned to parliaments, Supreme Auditing Agencies (SAI), and National Human Rights Institutions (NHRI) in national processes of SDG implementation. We conclude that horizontal accountability, especially the role of SAI and NHRI, remains under-institutionalized in most countries. We conclude by discussing best practices and addressing the most important lacunae, as well as by pointing out limitations of our study and avenues for future research.
Wichtige Forschungserkenntnisse lassen Bedrohungsszenarien eher unrealistisch erscheinen, die davon ausgehen, dass die Erderwärmung schon bald viele Millionen von »Klimaflüchtlingen« nach Europa treibt. Nach Ansicht des Autors muss die Wissenschaft noch stärker dazu beitragen, alarmistische Szenarien zu überwinden und politische Lösungen für Betroffene des Klimawandels voranzubringen.
Der diesjährige Weltflüchtlingstag gibt wenig Anlass, optimistisch auf das Thema Flucht und Vertreibung zu blicken: In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Geflüchteten weltweit verdoppelt. Was aber können wir anders machen, um – wie gerade von der Entwicklungspolitik angestrebt – Fluchtursachen zu mindern? Wir müssen zunächst die Art und Weise hinterfragen, wie Politik und Gesellschaft in Deutschland über Flucht und ihre Ursachen diskutieren.
Ein Blick auf Zeitungsartikel, Redebeiträge oder öffentliche Diskussionen zum Thema Fluchtursachen zeigt: Es wimmelt nur so von Fehlvorstellungen und Mythen. Dazu zählt die Annahme, dass Europa am Anfang einer Zuwanderungswelle aus Afrika oder anderen Teilen des globalen Südens von gigantischem Ausmaß stünde. Begrifflichkeiten wie „Völkerwanderung“ oder „Massenmigration“ sind nicht nur am rechten Rand schnell zur Hand. Menschliche Mobilität wird zu einer pauschalen Bedrohung und häufig werden Migration und Flucht gar nicht mehr unterschieden. Auch die Ursachen von Migration oder Flucht werden in Politik und Medien stark simplifiziert: Einzelne Faktoren wie Armut, Bevölkerungswachstum, die Corona-Pandemie oder der Klimawandel werden schnell und gerne als Hauptgründe für Flucht herangezogen. Die erzwungene Migration ist in einer solchen Betrachtungsweise zwangsläufig das Ergebnis eines einfachen Reiz-Reaktions-Schemas: je höher die Armut oder je heftiger die Auswirkungen des Klimawandels, desto mehr Flucht – fertig ist die Fluchtarithmetik!
Ein Blick auf die Forschungslage jedoch zeigt: Flucht und Migration haben sehr komplexe und vielschichtige Ursachen, die politischer, sozialer, ökonomischer und ökologischer Natur sind. Auch bei der Frage, was Flucht und Vertreibung in den Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas eigentlich mit unserer Lebens- und Wirtschaftsweise im globalen Norden zu tun hat, sollten wir uns von einem simplen Benennen von „Hauptschuldigen“ hüten. Kolonialismus oder historische Treibhausgasemissionen der OECD-Länder etwa haben sicherlich einen Anteil an vielen Fluchtprozessen im globalen Süden. Dafür müssen wir Verantwortung tragen – aber gleichzeitig entlässt dies lokale Eliten nicht aus ihrer Verantwortung. Das heißt auch, dass Fluchtursachen in erster Linie von den betroffenen Ländern selbst bewältigt werden müssen. Entwicklungspolitik kann nur unterstützen. Und auch wenn sich etwa bei der aus europäischer Sicht irregulären Migration aus Subsahara-Afrika klassische Migrationsmotive (z.B. das Streben nach besseren wirtschaftlichen Perspektiven) mit tatsächlichen Fluchtgründen (z.B. Konflikte) vermischen: Das hektische Verlassen eines Bürgerkriegslandes ist wahrlich nicht vergleichbar etwa mit dem Antreten einer neuen Stelle im Ausland. Auch muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass ein Großteil der weltweiten Migrations- und Fluchtbewegungen innerhalb des globalen Südens stattfindet (z.B. innerhalb West-Afrikas). Nicht zuletzt verhindert die in diesen Regionen verbreitete Armut größere Migrationsbewegungen in Richtung Europa. Aber auch bei dieser Süd-Süd-Migration ergeben sich durchaus positive wirtschaftliche Impulse: Geldsendungen von Migrierenden an ihre Familien in die Herkunftsländer sind ein globaler Wirtschaftsfaktor, der Millionen von Haushalten im globalen Süden bessere Lebensgrundlagen ermöglicht.
Fluchtursachen lassen sich nicht reduzieren, indem man ihre Komplexität reduziert. Mythen und Pauschalisierungen bieten vermeintlich einfache Erklärungen und sprechen Menschen emotional an. Die Vielschichtigkeit menschlicher Mobilität und ihrer Ursachen, Konsequenzen und Begleitumstände macht aber differenziertere Betrachtungsweisen notwendig. Politik, Medien und Gesellschaft sollten sich auf eine tiefgründigere Auseinandersetzung einlassen. Auch muss die Politik den häufig geäußerten Vorsatz „Fluchtursachen bekämpfen, aber nicht Flüchtlinge“ ernst nehmen. Das bedeutet: sich gleichzeitig für eine Reduktion der Fluchtursachen und eine bessere Unterstützung von Geflüchteten in den Hauptaufnahmeländern und für eine Migrations- bzw. Zuwanderungspolitik einzusetzen, die dem Interessensausgleich aller Beteiligten verpflichtet ist. Hier ist auch die Innenpolitik gefragt. Ein Festhalten an holzschnittartigen (Fehl-)Annahmen führt leicht zu politischen Trugschlüssen, Enttäuschungen oder gegenläufigen Entwicklungen. Ein Beispiel ist hier der EU-Treuhandfonds für Afrika (EUTF), der stark auf der Annahme fußt, dass nicht zuletzt Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und Grenzsicherung irreguläre Migration und Flucht verhindern. Leider stellen wachsende Zahlen von Geflüchteten in der EUTF-Schwerpunktregion Sahel diese Annahme durchaus in Zweifel. Wenn wir also die Mythen der „Fluchtursachenbekämpfung“ nicht stärker hinterfragen, dann helfen auch keine noch so ausgefeilten Beiträge für eine bessere „Fluchtursachenbekämpfung“, wie etwa die vor wenigen Wochen veröffentlichten Empfehlungen der „Fachkommission Fluchtursachen“ der Bundesregierung.
This study provides early ex-post empirical evidence on the effects of provisionally applied Economic Partnership Agreements (EPAs) on trade flows between the European Union (EU) and the African, Caribbean and Pacific Group of States (ACP). Employing the gravity model of trade, we do not find a general EPA effect on trade between ACP countries and the EU, but identify heterogeneous effects across specific agreements and economic sectors. While the CARIFORUM-EU EPA rather reduced imports from the EU overall, other EPAs seem to have partly increased EU imports, particularly for the Southern Africa Development Community (SADC) EPA partner countries. On the sectoral level, by comparison, we find increases in the EU's agricultural exports to SADC, Eastern and Southern Africa (ESA) and the Pacific. In the area of manufactures trade, we find decreases of exports of the ESA and SADC countries to the EU, but increases in EU imports for SADC countries.
The Covid-19 crisis encompasses multifaceted and interconnected risks and vulnerabilities, which extend to wide-ranging humanitarian, social, economic and environmental dimensions. The pandemic and its consequences also challenge the efforts to realize the 2030 Agenda and its Sustainable Development Goals (SDGs) in a holistic manner. As stated by the UNSG, Antonio Guterres, at the recent SDG Summit, “the 2030 Agenda is designed to address the very fragilities and shortcomings that the pandemic has exposed”. Almost one year later, what can be said about national recoveries and the extent to which these have used the transformative ambition and design of the 2030 Agenda? How can we ensure that recovery plans and investments do move us closer towards SDG achievements and not the other way round? These and many other questions were raised and discussed in a series of high-level dialogues jointly organized by IDDRI and the DIE (German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik) that brought together a group of government officials, specialized agencies and international organisations, as well as think tank representatives from all regions of the world. Some initial insights and takeaways are presented in this blog post.
Langanhaltende Krisen und das vermehrte Auftreten von Naturkatastrophen führen dazu, dass eine nie dagewesene Zahl von Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Doch die Kluft zwischen dem Bedarf und den verfügbaren Mitteln der internationalen Gemeinschaft wird immer größer. Um diese Ressourcenlücke zu schließen, will die Europäische Union (EU) verstärkt sogenannte „Emerging Donors“ wie China, dazu ermutigen, ihre Finanzbeiträge zu erhöhen. Obgleich Chinas Beteiligung im internationalen humanitären System bislang zurückhaltend war, deutet sein verstärktes Engagement während der Corona-Pandemie auf eine veränderte Haltung hin. So hat China Hunderte Tonnen an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ins Ausland geliefert, medizinische Teams entsandt und 100 Millionen USD an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Vereinten Nationen (UN) gespendet.
Trotz der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und der EU eröffnet der verstärkte humanitäre Einsatz Pekings die Möglichkeit für die EU, sich gemeinsam mit China im humanitären Sektor zu engagieren. Dabei sollte die EU eine langfristige Strategie für eine mögliche Zusammenarbeit im humanitären Bereich entwickeln. Ein Dialog, der die unterschiedlichen Ansätze beider Akteure berücksichtigt und sich auf Gemeinsamkeiten fokussiert, könnte die Tür zu einer möglichen Zusammenarbeit öffnen. Diese könnte nicht nur dazu beitragen, die Finanzierungslücke zu verkleinern, sondern würde auch das Potenzial für eine bessere Koordinierung bei der Bereitstellung von Hilfsmaßnahmen bergen.
China begreift humanitäre Hilfe als einen Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit, leistet den Großteil seiner Hilfe bilateral und engagiert sich hauptsächlich nach Naturkatastrophen. Die EU hingegen trennt ihre humanitäre Hilfe von Entwicklungszusammenarbeit und leistet humanitäre Hilfsmaßnahmen über Nichtregierungsorganisationen (NGOs), UN-Agenturen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).
Diese Analyse und Stellungnahme arbeitet die Merkmale der chinesischen humanitären Hilfe heraus und skizziert zwei Bereiche, auf die sich die EU in ihrem Bemühen um einen Dialog mit China konzentrieren könnte.
• Ernährungssicherheit: Ernährungsfragen und die Unterstützung bei der Lebensmittelversorgung stellen einen Schlüsselbereich des Engagements beider Akteure dar. Die EU sollte sich dafür einsetzen, dass China seine Beiträge zur globalen Ernährungssicherheit über das Welternährungsprogramm (World Food Programme – WFP) aufstockt. Damit könnte ein politischer Dialog darüber einhergehen, wie sich die Zusammenarbeit bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit intensivieren ließe.
• Vorausschauende humanitäre Hilfe: China hat besonders beim Umgang mit Naturkatastrophen eine große Expertise aufgebaut. Eine verbesserte Katastrophenvorsorge ist eine der Prioritäten im Strategieplan der Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (DG ECHO) für 2020–2024. Da beide Parteien ein Interesse an vorausschauender humanitärer Hilfe haben, kann der Wissensaustausch in diesem Bereich ein Wegbereiter für eine zukünftige Zusammenarbeit sein.
How has the COVID-19 pandemic affected armed conflict and political violence within countries? Focusing on Africa, a continent with a particularly high number of ongoing conflicts, this policy brief analyses the immediate and long-term implications of the pandemic on conflict and reflects on its implications for international peacebuilding efforts.
In the short term, conflict patterns on the continent are marked more by a continuation of previous trends than by a strong direct impact of COVID-19. Regarding armed confrontations, there was a rise in conflict intensity in some countries and one new war erupted in the Tigray region of Ethiopia in November 2020. As to lower-scale political violence, especially in the beginning of the pandemic, many states used excessive state violence against civilians when enforcing Corona measures.
Perhaps more important than the immediate effect of the pandemic, the consequences of the pandemic are very likely to accelerate violent conflict in the medium to long term. This is firstly because the pandemic exacerbates structural weaknesses, including the sharpening of societal divisions, severe disruptions in the education sector and deteriorating socio-economic circumstances. Secondly, the pandemic has curtailed actors and institutions that might be able to reduce the risk of violent escalation. Trust in the state and security institutions has suffered in many countries due to dissatis-faction with the handling of the pandemic. Moreover, demo¬cratic processes are hampered by the postponement of elections and increasing levels of government repression. At the same time, international peace support is negatively affected by social distancing and further threatened by looming cuts of commitments in official development assistance.
Bringing together both the short-term and longer-term effects of the pandemic on conflict clearly shows the risk that the pandemic poses to peace in Africa. It is therefore vital for the international community to:
1. Stay engaged and stay alert. If the international community continues to focus on handling the domestic consequences of the pandemic rather than international challenges, conflict will further increase in intensity and spread geographically. COVID-19 has already led to a reduction in international peace support, including peacebuilding initiatives and mediation. However, these instruments are vital to foster peace and prevent emerging and renewed conflict.
2. Invest in conflict prevention. The adverse effects of COVID-19 on economic, social and political structures can, and very likely will, provide the breeding ground for larger-scale conflicts, both in least developed countries (LDCs) and middle-income countries. Thus, conflict prevention must be taken seriously, including the strengthening of open and participatory (democratic) processes that enable societies to deal with societal conflicts peacefully.
3. Pay special attention to post-conflict countries. Many African countries have experienced large-scale civil wars in their history and continue to be LDCs struggling with societal tensions. The risk of renewed conflict in these places is particularly high.
Protracted crises and frequent natural disasters have generated an unprecedented number of people in need of humanitarian assistance. The international community faces a great challenge in supporting these populations, as the gap between needs and available funding is growing. To close this resource gap, the European Union (EU) aims to step up its engagement with emerging donors, particularly China, to increase their level of funding. Although China has previously been reluctant to engage in the international humanitarian system, its response to the COVID-19 pandemic indicates a change in attitude. Over the past year, China has delivered hundreds of tonnes of personal protective equipment (PPE) to over 150 countries and dispatched medical teams abroad. It has also donated $100 million to the World Health Organization (WHO) and the United Nations (UN) and pledged to establish a global humanitarian response depot and hub in China in cooperation with the UN.
Amidst increasing geopolitical tensions between China and the EU, China’s growing humanitarian engagement opens an opportunity for the EU to engage with China in the humanitarian sector. However, rather than framing China’s increased engagement in solely financial terms, the EU should develop a long-term strategy as to how to engage with China on humanitarian matters. A dialogue that takes both parties’ different approaches towards humanitarian aid into account and searches for common ground could open the door towards possible cooperation. This would not only help in narrowing the funding gap but carry the potential for greater coordination and consequently more effective assistance provision.
China conceptualises humanitarian aid as a subcategory of development aid and provides the majority of its assistance bilaterally. Beijing’s state-centric approach to humanitarian assistance means in practice that it engages mostly in the aftermath of natural disasters rather than conflict settings. The EU, on the other hand, has a separate humanitarian aid policy that guides the allocation of funds and provides its humanitarian assistance through non-governmental organisations (NGOs), UN agencies and the International Committee of the Red Cross (ICRC).
This Briefing Paper maps out the characteristics of Chinese humanitarian aid and outlines two areas on which the EU’s tentative steps towards a dialogue with China could focus.
• Food security sector: Food insecurity is a key component in existing humanitarian needs, only exacerbated by the COVID-19 pandemic. Food assistance and nutrition are already a key area of engagement for the EU and China. The EU should advocate for China to scale up its contributions to global food security through the World Food Programme (WFP), with whom China has a good working relationship. This could be combined with a political dialogue on how to foster cooperation on food security assistance.
• Anticipatory humanitarian aid: Disaster risk reduction, preparedness and response play an increasingly important role in global humanitarian aid. China has built up its most significant expertise in response to natural disasters. Enhancement of disaster risk reduction is one of the strategic priorities of the Directorate-General for European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (DG ECHO) for 2020–2024. In light of both parties’ interest in anticipatory humanitarian aid, knowledge exchange in this area has the potential to open the door for future cooperation.
Generating decent employment is key to the creation of a new social contract and social cohesion in Sub-Saharan Africa. The crucial question is, thus, how can more decent jobs be created? Much of the extant research has focused on the role of states and businesses in shaping employment relations. In this paper, we draw attention to a third type of actor that has been largely absent in the literature on the determinants of employment relations in developing countries: financial institutions. Based on data from 38 interviews of Kenyan manufacturing firms, financiers and labour representatives before and during the COVID-19 pandemic, we examine the relationship between the patience of capital and labour relations. In particular, the evidence presented in this paper suggests that access to more patient sources of capital may help to enhance the quantity and quality of jobs in African countries. We discuss three mechanisms through which this occurs. Our paper contributes to the growing body of research on patient capital (which largely focuses on developed countries) by extending it to the context of lower income African countries; it also speaks to the broader debates about how to enhance the contribution of finance capital to social cohesion.
Jedes Jahr am 22. Mai feiern die Vereinten Nationen den Internationalen Tag der biologischen Vielfalt, um an den Tag im Jahr 1992 zu erinnern, an dem das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) in Kraft trat. Das CBD ist der weltweit umfassendste Naturschutzvertrag, der zwar bisher den Erhalt von Arten in Schutzgebieten erfolgreich gefördert hat, allerdings weniger erfolgreich ist, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt durch Wirtschaftssektoren zu sichern. Da der Verlust der biologischen Vielfalt immer schneller voranschreitet, sollten sich die Vertragsstaaten der CBD dringend mit den Folgen des Wirtschaftswachstums auseinandersetzen.
Studien aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen eine starke Korrelation zwischen dem weltweiten Wirtschaftswachstum und dem Verlust der biologischen Vielfalt. Konkret gesprochen geht das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zum Beispiel mit Landnutzungsänderungen durch eine intensivierte Produktion und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen sowie mit einer Ausdehnung von Städten und Infrastrukturen einher. Die Folge: die Entstehung von Monokulturen und die Fragmentierung von Lebensräumen. Auch die Treibhausgasemissionen nehmen mit einem wachsenden BIP zu, und die daraus resultierende Erderwärmung hat zur Folge, dass viele Arten aussterben. Im Zuge der mit dem weltweiten Wirtschaftswachstum einhergehenden Ausweitung der globalen Handelsrouten werden vermehrt gebietsfremde Arten in weit entfernte Lebensräume eingeschleppt, wo sie heimische Arten bedrohen. Die Hoffnungen, dass wirtschaftliche Effizienzgewinne das Wirtschaftswachstum deutlich vom Ressourcenverbrauch entkoppeln, haben sich bisher nicht erfüllt. In China, Indien und Südafrika war zwar eine beträchtliche relative Entkopplung zu beobachten, das heißt, das BIP ist schneller gestiegen als der Ressourcenverbrauch, global nimmt die Ressourcennutzung allerdings weiterhin zu, während die biologische Vielfalt abnimmt.
In Anbetracht der fortdauernden Herausforderungen, die mit dem materiellen Wachstum verbunden sind, haben zwei hochrangige Gremien jüngst wissenschaftliche Berichte veröffentlicht – den Global assessment report on biodiversity and ecosystem services, veröffentlicht vom Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services – IPBES) im Mai 2019, und den von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen und im Februar 2021 veröffentlichten Dasgupta-Bericht zur Ökonomie der biologischen Vielfalt – in denen politische Entscheidungsträger*innen aufgefordert werden, ihre Wirtschaftspolitik von Grund auf neu auszurichten. Beide Berichte betonen die Notwendigkeit eines transformativen wirtschaftlichen Wandels, den der IPBES als „grundlegende, systemweite Umstrukturierung über technologische, wirtschaftliche und soziale Faktoren hinweg“ definiert. Zu den erforderlichen Maßnahmen gehören der Abbau biodiversitätsschädigender wirtschaftlicher Anreize (z. B. Agrarsubventionen), die Umsetzung umweltfreundlicher Anreize, die Anwendung von Vorsorgeansätzen im Ressourcenmanagement sowie strengere Umweltgesetze und -richtlinien. Allerdings berücksichtigt keines der beiden Dokumente systematisch mögliche Alternativen zum Wirtschaftswachstum, wie z. B. Postwachstum, als Lösung für das sechste Massenaussterben. Postwachstumsgesellschaften funktionieren auch ohne konstantes Wirtschaftswachstum. In ihnen haben das Allgemeinwohl und kooperative Ansätze Priorität, und es wird zwischen gutem (z. B. Bildung, Gesundheit) und schlechtem (z. B. Waffen, fossile Brennstoffe, Fast Fashion) Wachstum unterschieden. Es gibt zahlreiche Postwachstumsszenarien, und vielerorts werden Postwachstumsansätze bereits heute verfolgt. Eines der möglichen Zukunftsszenarien ist Degrowth. Insoweit Entwicklung nicht automatisch an das Wirtschaftswachstum gekoppelt ist und sich Degrowth an den vielen, im Globalen Süden praktizierten Umweltschutzansätzen orientiert, wäre das Konzept praktikabel, müsste aber unter Einbeziehung aller Akteur*innen diskutiert werden – so wie es auch im Globalen Norden erforderlich wäre.
Die Länder des Globalen Nordens stellen aktuell Überlegungen an, wie sie ihre Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie neu aufstellen können. Die Corona-Krise sollte als politische Chance begriffen werden, unser gesamtes Wirtschaftssystem zu transformieren. Auf internationaler Ebene werden die Vertragsstaaten der CBD im Oktober dieses Jahres voraussichtlich einen neuen strategischen Rahmen für das nächste Jahrzehnt und darüber hinaus verabschieden. Wenn dieses Rahmenwerk berücksichtigt, dass wirtschaftliches Wachstum eine Gefahr für die biologische Vielfalt darstellen kann, könnte dies zu einem wichtigen normativen Bezugspunkt für die Vertragsstaaten der CBD werden. In Deutschland sollten die Parteien angesichts der anstehenden Wahlen zeigen, wie „grün“ ihre Wirtschaftspolitik wirklich ist, indem sie den Fokus nicht länger einzig und allein auf das Wachstum des BIP legen.
Waterscapes with mining activities are often sites of water resource degradation and contestation. To prevent this, policy-makers deploy an increasing number of measures that purportedly align the interests of different water users. In Mongolia, mining-related protests led to the prohibition of mining in and close to rivers. However, implementation of these regulations has been slow. In this paper, we investigate why that is the case, drawing on an extended elaboration of the Institutional Analysis and Development (IAD) framework to disentangle the web of formal and informal rules, incentive structures, discourses, and other elements that characterize Mongolian miningscapes. We find that i) a combination of insufficient resources for lower-level actors, large areas to cover and high mobility of extractive operations, ii) a lack of information among implementing entities, combined with time pressure on decision-making and a lack of involvement of local actors, and iii) cultural norms and political context conditions that privilege the pursuit of private interests are key obstacles. Irrespective of these challenges, the prohibition of mining in riverbeds entrenches a social imaginary in the Mongolian governance framework that prioritizes water resources protection over resource extraction, offering a counterweight to dominant discourses that cast mining as a necessary requirement for social and economic development. Our analysis illustrates the usefulness of looking at implementation processes through the lens of mining- and waterscapes to identify how social power is embedded in social-political artifacts and impacts hydro-social outcomes. Strong discrepancies between the formal description of governance processes and interactions on the ground support the need to look at how processes play out in practice in order to understand implementation obstacles.
Das Umfeld deutscher Entwicklungspolitik hat sich seit Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor 60 Jahren grundlegend verändert. Damals gingen viele Partnerländer ihre ersten Schritte in neu gewonnener Unabhängigkeit. Heute sind sie politisch und wirtschaftlich etablierte, eigenständige Nationalstaaten. Die bipolare Ordnung der 1960er bis 1980er Jahre ist einer komplexeren, dynamischen Welt gewichen. Neben den Großmächten USA, China, Russland und EU prägen auch die großen Schwellenländer und Regionalmächte wirtschaftliche und politische Verflechtungen. Wie Zukunft aussehen kann – wirtschaftlich, sozial, ökologisch, kulturell – ist damit vielgestaltiger. Die liberale, demokratisch organisierte Marktwirtschaft steht einer Vielzahl von politischen Regimetypen gegenüber. Gleichzeitig nehmen globale Herausforderungen und der Bedarf nach gemeinsamen Antworten zu. Für Deutschland im Wahljahr stellen sich somit in den externen Politikfeldern einige Fragen: Wie kann die kräftezehrende Konkurrenz zwischen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Klimapolitik zu einer fruchtbaren Komplementarität werden? Was ist das Zukunftsmodell der deutschen Entwicklungspolitik?
Das Zukunftsmodell einer deutschen Entwicklungspolitik für eine nachhaltige Zukunft liegt im Fördern und in der Ausgestaltung von gleichberechtigten Kooperationsbeziehungen auf Augenhöhe – mit Ländern aller Einkommensgruppen, auch der OECD. Weder verhaftet in einer Attitüde des Helfens, noch getrieben von dem Ziel, Gefahren abzuwehren. Sondern fokussiert darauf, gemeinsam sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunftsmodelle zu erarbeiten und zu verfolgen. Basierend auf den Menschenrechten und idealerweise geteilter demokratischer, freiheitlicher Werte. Stets mit dem Ziel, Strukturen und Standards für globale Gemeinwohlsicherung im partnerschaftlichen Austausch zu entwickeln und gesellschaftlich zu verankern, um globalen Herausforderungen entgegen zu treten.
Wir sehen sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik im 21. Jahrhundert:
1. Wir begreifen Entwicklungspolitik als transformative Strukturpolitik für nachhaltige Entwicklung. Es bedarf eines Umbaus unserer Sozial- und Wirtschaftssysteme, um menschliche Existenz innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen. Wir benötigen institutionelle, technologische und ökonomische Infrastrukturen, die katalysierend einen nachhaltigen Umgang mit gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen ermöglichen.
2. Entwicklung ist eine universelle, geographisch ungebundene Herausforderung, in deren Zentrum das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen steht. Es gilt, die strukturellen Voraussetzungen für ein globales Miteinander so weiterzuentwickeln, dass Selbstbestimmung, also emanzipierende Handlungsfreiheit, für alle Menschen möglich und insbesondere für die unteren 40% gefördert wird. Dieser Strukturwandel bedarf der entwicklungspolitischen Kooperation Deutschlands mit Niedrigeinkommens-, Schwellen- und Hocheinkommensländern.
3. Entwicklung ist nicht das einfache Ergebnis von Wirtschaftswachstum oder der Überwindung von Armut. Vielmehr entsteht Entwicklung durch Prozesse des Erdenkens und Verwirklichens nachhaltiger Zukünfte. Folglich beginnt Entwicklung erst dann, wenn absolute Armut überwunden und soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe möglich ist.
4. Diese Zukünfte nachhaltig zu gestalten, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschrieben, ist eine ressort-, skalen- und sektorübergreifende Aufgabe binnen- und außenorientierter Politik. Sie kann nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Ressorts, Entscheidungsebenen (lokal, national, regional, global) und von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. Nachhaltigkeit bedarf somit einer starken Governance-Architektur, die mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen und Ressourcen ausgestattet ist.
5. Zukünfte sind je nach Kontext unterschiedlich und nur erreichbar, wenn sie von lokalen Akteursstrukturen verwirklicht werden. Zukunft entsteht nicht durch Vorgaben oder Unterstützung von außen. Daher sind entwicklungspolitische Bemühungen stets gleichberechtigte Kooperationen auf Augenhöhe. Weder mehr, noch weniger. Kooperation macht einen kontinuierlichen Austausch und Dialog möglich, der die Verständigung auf gemeinsame Werte und Voraussetzungen für Zukunft erlaubt und existierende Strukturen transformiert.
6. Politik für nachhaltige Entwicklung und globales Gemeinwohl im 21. Jahrhundert muss einen planetaren Blick einnehmen und den Dialog mit lokalen Lebenswelten weltweit pflegen. Ziel ist der Schutz der globalen Gemeingüter: soziale Gleichheit und Armutsbekämpfung, gesellschaftlicher Frieden und politische Teilhabe, ein klimaneutrales und wohlstandsicherndes Wirtschaftssystem, gesunde Ökosysteme, ein stabiles Klima, Biodiversität und kulturelle Vielfalt. Die zentralen politischen Hebel wurden durch die COVID-19-Pandemie erneut deutlich. Dazu gehören unter anderen eine nachhaltige Gestaltung der Finanzmärkte, der Digitalisierung und der Wirtschaft, robuste soziale Sicherungs-, Ernährungs- und Gesundheitssysteme, eine Stärkung von Bildung, Wissenschaft und Innovationsentwicklung, inklusive Institutionen für den globalgesellschaftlichen Zusammenhalt und die Förderung der regionalen und multilateralen regelbasierten Kooperation. Entwicklungspolitik kann nicht alle Hebel bedienen, benötigt sie aber und trägt zu ihnen bei.
7. Entwicklungspolitik verstehen wir als Politik für die Entwicklung und Ermöglichung nachhaltiger Zukünfte im Sinne eines globalen Gemeinwohls. Eine solche Politik investiert in die Gestaltung multilateraler Normen und Regelwerke und rückt die multilaterale Zusammenarbeit in ihren Mittelpunkt, zu dem die bilaterale und europäische Zusammenarbeit flankierend und unterstützend hinzukommt.
Anna-Katharina Hornidge & Imme Scholz leiten gemeinsam das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). A.-K. Hornidge bekleidet zusätzlich die Professur für Globale Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bonn. I. Scholz ist Honorarprofessorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Um neben zahlreichen Bildungsangeboten zu Krisenprävention und Friedensförderung auch vielfältige Erfahrungen aus der Praxis zusammenzuführen, sehen die 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ eine „Lernplattform“ vor. Sie sollte verschiedene Akteure der Friedensförderung in unterschiedlichen Formaten zusammenbringen und Wissen kontinuierlich und problemorientiert sammeln. Dafür bleibt noch viel zu tun.
Aid fragmentation is widely denounced, though recent studies suggest potential benefits. To reconcile these mixed findings, we make a case for studying differences across aid sectors and levels of analysis. Our cross-national time-series analysis of data from 141 countries suggests aid fragmentation promotes child survival and improves governance. However, just looking across countries has the potential to blur important within-country differences. We analyse subnational variation in Sierra Leone and Nigeria and find that the presence of more donors is associated with worse health outcomes, but better governance outcomes. This suggests that having more donors within a locality can be beneficial when they are working to improve the systems through which policies are implemented, but harmful when they target policy outcomes directly. A survey of Nigerian civil servants highlights potential mechanisms. Fragmentation in health aid may undermine civil servants’ morale, whereas diversity in governance aid can promote meritocratic behaviour.
This study assesses whether the use of electronic government (e-government) services affects political attitudes. The results, based on evidence generated in Botswana, indicate that e-government services can, in fact, have an impact on political attitudes. E-government services are rapidly being rolled out around the globe. Governments primarily expect efficiency gains from these reforms. Whether e-government in particular, and information and communication technology (ICT) in general, affect societies is hotly debated. There are fears that democracy may be compromised by surveillance, censorship, fake news, interference in elections and other strategies facilitated by digital tools. This discussion paper adds to the nascent literature by investigating if the expanding e-government usage in Botswana affects individual support for democracy, regime satisfaction and interpersonal trust. Methodologically, the study relies on observational and experimental evidence. The observational approach assesses the impact of the usage of different e-services such as e-payments and electronic tax return filings on political attitudes. The experimental approach incentivises taxpayers to file their tax returns electronically. Both approaches build on an original in-person survey gauging the political attitudes of 2,109 citizens in Greater Gaborone. The survey was conducted in February and March 2020. In terms of results, we do not identify a general substantive effect for the impact of all e-services on political attitudes. For some of the e-services and attitudes tested, however, we find significant evidence. Furthermore, our study yields significant results for several of the linkages between the causal steps within our causal mechanisms. For instance, we find that e-government can empower citizens to engage in political activities and that, although e-government users on average report that the government is not addressing their needs, a simple incentivising message can significantly improve people’s feelings in this regard.