The Covid-19 pandemic has greatly reduced international travel. The economic, social and human consequences of border closures and travel restrictions cannot be fully estimated yet, but they are dramatic. The gap is widening between countries of the Global North, which want to control travel and prevent unregulated mobility, and those of the Global South, which are demanding more legal mobility for their citizens. The freedom to travel is a desirable good that all should be able to access, and is also the object of political negotiations. Unilateral decisions should be complemented or superseded by international agreements between countries about common rules and procedures for a trust-based system. In the meantime, countries should modernise their visa processes and build digital identification systems that create trust. This applies to Germany as well, especially since the coalition government has decided to speed up the issuing of visas.
Die Steuerung irregulärer Migration ist zu einem Schwerpunkt der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei geworden. Zwei Sichtweisen dominieren in der europäischen Diskussion über dieses Thema: eine »fürsorgliche«, die sich auf das Wohlergehen der Flüchtlinge konzentriert, und eine »besorgte«, deren Fokus auf der Sicherheit der EU-Außengrenzen und den Ängsten europäischer Bürger liegt. Ein Faktor wird in den europäischen Debatten über Migration weitgehend übersehen: die wachsende Unzufriedenheit der türkischen Bevölkerung mit den sozialen und politischen Verhältnissen im eigenen Land. Schließlich nimmt die Türkei weltweit am meisten Flüchtlinge auf und hat dabei gleichzeitig mit einer schweren Wirtschaftskrise und einer festgefahrenen Regierung zu kämpfen. Die migrationspolitische Zusammenarbeit von EU und Türkei wird nur dann langfristig Früchte bringen, wenn dieser wachsenden Unzufriedenheit Rechnung getragen wird. Denn weder die Förderung der Rechte von Flüchtlingen in der Türkei noch eine verlässliche Sicherheitskooperation sind auf Dauer ohne die Akzeptanz der türkischen Aufnahmegesellschaft möglich. Im Hinblick darauf sollte die EU der Türkei ihre Absicht signalisieren, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, und die Integrationsbemühungen vor Ort proaktiver unterstützen.
Am 1. Februar 2022 präsentierte Amnesty International einen umfassenden Bericht, in dem es Israel vorwirft, an den Palästinenserinnen und Palästinensern Apartheid zu verüben und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Der Amnesty-Bericht reiht sich ein in eine Serie von Publikationen palästinensischer, israelischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen, die in Israel bzw. den palästinensischen Gebieten nunmehr die Schwelle zur Apartheid überschritten sehen. Dabei gehen die Meinungen in den einzelnen Berichten darüber auseinander, in welchem Gebiet solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden. Die Bundesregierung sollte sich den Apartheid-Vorwurf nicht ohne sorgfältige Prüfung zu eigen machen, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die der Amnesty-Bericht dokumentiert, aber ernst nehmen. Daraus erwachsen Deutschland allein schon auf Basis der Genfer Konventionen direkte Rechtspflichten.
Endlich! Nachdem die Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) 2021 pandemiebedingt nur virtuell stattgefunden hatte und angesichts der international vielfach angespannten Lage schien die sicherheitspolitische Gemeinde umso begieriger, am vergangenen Wochenende wieder persönlich in München zusammenzutreffen. Von VN-Resolution 1325 bis nuklearer Abschreckung, Weltraum bis Klimawandel und Künstlicher Intelligenz – die Agenda des Hauptprogramms und der Nebenveranstaltungen deckte alles ab.
Doch wie kaum eine MSC in den Jahren zuvor, wurde die 2022er Ausgabe von einem Thema dominiert. Die von Russland angefachte Krise um die Ukraine warf die alte machtpolitische Frage auf: Gibt es Krieg oder Frieden in Europa? Zwar haben sich die Mittel verändert: Russland will die Ukraine auch im Cyberbereich mit Fake news und wirtschaftlichem Druck in die Knie zwingen. Umgekehrt drohen die USA, die anderen Nato-Staaten und die Europäische Kommission damit, Russlands Wirtschaft effektiv von Weltmärkten abzuschneiden, wenn es zu einer weiteren Eskalation kommt. Letztendlich ging es in München aber im Kern um traditionelle militärische Mittel: um jene bis zu 190.000 Truppen, die Russland in einem Halbkreis um die Ukraine zusammengezogen hat. Durch dieses klassische militärische Bedrohungsmanöver ist es Moskau gelungen, Europa eine Debatte über seine hinreichend definierte Sicherheitsordnung aufzuzwingen. Sollte Putins Hauptziel allerdings die Spaltung der transatlantischen Gemeinschaft gewesen sein, ist ihm dies misslungen. Während die MSC noch 2020 »Westlessness« heraufbeschwor, bemühten sich diesmal alle Redner des »verlorenen« Westens, die Einheit, Stärke und Entschlossenheit des Bündnisses zu betonen. Es gehe ums Grundsätzliche: ob eine liberale Ordnung, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung als wichtigste Grundsätze auf dem europäischen Kontinent bewahrt werden und von dort aus weiter auf die Welt ausstrahlen könnten.
Es mutet einerseits als Anachronismus an, dass so alte Themen wie militärische Gewalt und Geschlossenheit des Westens (ob nun beschworen oder angezweifelt) wieder zum Leitmotiv der MSC wurden. Andererseits scheint diese Herausforderung aber auch geeignet, dem Gefühl der »Helplessness«, wie es die MSC dieses Jahr in den Mittelpunkt stellte, entgegenzuwirken. Seit dem erneuten Beginn der Eskalation um die Ukraine zeigten die Europäer und die westliche Allianz insgesamt, dass sie, wenn notwendig, einen Sprint hinlegen können. Entscheidungen treffen, Maßnahmen koordinieren und umsetzen – das alles gelang in kürzester Zeit. Aber wie sehen sie im Zweifel auf der Langstrecke aus, wenn Putin den Konflikt immer wieder rauf und runterfährt und den Westen zermürbt?
Alte Machtpolitik, neue BedrohungenDie akute Kriegsgefahr in Europa hat viele andere ebenso wichtige Themen verdrängt: von Klimawandel über neue Technologien bis zur feministischen Außenpolitik. Die aktuelle Russland-Krise prägte daher auch drei andere bleibende Eindrücke der Konferenz:
Von München ging erstens ein deutliches Zeichen der Blockbildung zwischen liberalen Demokratien und Autokratien aus. Die russische Delegation blieb erstmals seit 1991 demonstrativ fern. Auch hochrangige chinesische Offizielle nahmen nur virtuell teil. Dies war umso bemerkenswerter, nachdem Putin gerade erst bei der Eröffnung der Olympischen Spiele die Allianz mit China gefeiert hatte und Peking ihm demonstrativ den Rücken bei seinen Forderungen gegenüber Europa und den USA stärkte. Bei der MSC blieb der Westen also weitgehend unter sich, mit einer bemerkenswert hohen Zahl an hochrangigen politischen Vertretern: Kamala Harris, Boris Johnson, Olaf Scholz, Ursula von der Leyen, Jens Stoltenberg und viele andere mehr. Die Gefahr der Entfremdung zwischen dem westlichen Bündnis einerseits und China sowie Russland andererseits ist damit gewachsen. Allerdings ist auch zu vermerken, dass der chinesische Außenminister Wang Yi in seiner virtuellen Zuschaltung die Bedeutung des Völkerrechts und der nationalen Souveränität betonte – was durchaus als Warnung an Russland verstanden werden konnte.
Mit dieser unklaren Positionierung verstärkte China zweitens den Eindruck, nach wie vor der »Elefant im Raum« zu sein, der als zentrale außenpolitische Herausforderung für die USA und auch für Europa alle anderen Politikfelder mitbestimmt, aber dessen Bewegungen und Lautäußerungen viele Unklarheiten darüber lassen, was seine wirklichen Absichten sind. Ist China bereit, für ein Bündnis mit Russland die Wirtschaftsbeziehungen zum Westen zu gefährden? Fühlt es sich stark genug, die USA offen herauszufordern? Strebt es eine bipolare Weltordnung an, in der es eine der Blöcke dominiert, oder fühlt es sich nach wie vor dem Konzept der Multipolarität verpflichtet? Und was bedeutet dies für die China-Strategien der USA und Europas? Für die Diskussion derartiger Fragen blieb bei der MSC verhältnismäßig wenig Zeit. Die USA wissen allerdings, dass China ganz genau beobachtet, wie sehr der Westen mit Blick auf die Ukraine bereit ist, seine Prinzipien zu verteidigen. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie die USA auch in anderen internationalen Konfliktfragen, etwa Taiwan, agieren könnten. Die aktuelle Krise um die Ukraine verdrängt zwar momentan China vom ersten Platz der sicherheitspolitischen Prioritätenliste der Biden-Administration – aber das Thema wird mit voller Wucht zurückkehren.
Europa und der Westen haben drittens nicht den Luxus, sich die Herausforderungen auszusuchen: Sie finden nicht nur parallel statt, sondern erfordern teils unterschiedliche Analyseraster, um sie zu erkennen, und verschieden Ansätze, um sie zu meistern. Je nach Bedrohung ist eine andere »Grammatik der Macht« gefordert. Die aktuelle Russlandkrise und denkbare Konflikte im indopazifischen Raum erfordern schnelles Krisenmanagement und entschlossenes Handeln, einschließlich militärischer Optionen. Geht es darum, die Klimakrise zu bewältigen, im internationalen Innovationswettbewerb mitzuhalten oder ethische Standards für den Einsatz neuer Technologien und künstlicher Intelligenz zu vereinbaren, reichen die klassischen Ansätze nicht mehr aus. Hier müssen Europa und die USA ihre wieder gefundene Geschlossenheit und ihren Einfluss nutzen, um in multilateralen Formaten China und andere Länder zur Kooperation zu bewegen. Und sie müssen selbst innovativ bleiben: sowohl bei Spitzentechnologien, aber auch mit Blick auf Regulationsmechanismen im technischen, militärischen und politischen Bereich.
Ableitungen für die neue Nationale SicherheitsstrategieDeutschland sieht sich in dieser neuen Welt drei unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt:
Erstens die Fähigkeiten weiterzuentwickeln, auf die seine Anziehungskraft und sein internationaler Einfluss aufbauen: ein dichtes Netz an globalen Wirtschaftsbeziehungen, die Pflege von Interdependenzen, die stete Dialogbereitschaft, das Engagement in multilateralen Institutionen und die Bereitschaft, durch Finanzzuschüsse die EU zu stabilisieren sowie nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Zweitens sich umfassender für eine Welt zu rüsten, in der klassische Machtpolitik dominiert, diese Macht aber mit neuen und diversen Mitteln angewandt wird: sie reichen von wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen über Cyberangriffe und Fake news bis zur Drohung mit beziehungsweise dem Einsatz von militärischer Gewalt.
Und drittens Analyseraster und Instrumente zu entwickeln, um den internationalen Kurs mit zu bestimmen, in dem die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, innen und außen, zivil und militärisch, staatlich und privat immer mehr verwischen.
Diesen drei Anforderungen gerecht zu werden, sie auszubalancieren und zu priorisieren, wird die zentrale Aufgabe der noch zu schreibenden Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands sein.
Chinese foreign policy is at the crossroads of regional interests and global power rivalry in the Middle East, especially in Iran. China’s interests in the Middle East increasingly collide with those of the US, which has brought about a significant re-orientation of Chinese foreign policy on this region. Beijing is increasingly concerned with balancing US influence in the region. Relations with Iran offer China various possibilities for balancing US influence. A decisive factor for China’s Iran policy are its regulatory ideas aiming to establish equality of influence between the major global powers in a given region, in this case the Middle East. Chinese discourse underpins the shifts in Chinese foreign policy in which hard or soft balancing is increasingly becoming a feature of a “geo-politicised” regional policy. This geostrategic regional policy with regard to Iran shows that China is gaining influence there at the expense of the United States. German and European actors need a deeper understanding of China’s balancing policy. This would enable Germany and the EU to correctly assess and also question the rhetoric of the Chinese leadership. On this basis, Germany and the EU should adjust their engagement in Iran, especially with regard to the Iranian nuclear weapons issue. Moreover, the new German government should ensure that foreign policy actions in third countries are comprehensive and coordinated with the EU so as to meet the challenges posed by China. Such coordination must also be pursued within the transatlantic framework.
Since the United States withdrew from Afghanistan in August 2021 and the Taliban took power in the country, the local branch of Islamic State (IS) – the so-called Khorasan Province – has carried out dozens of attacks on Taliban “security forces” and civilians, resulting in hundreds of deaths. Many attacks have been in the old IS stronghold of Nangarhar in eastern Afghanistan and in the capital, Kabul, but the jihadists have also been active in Kandahar, Kunduz and Kunar. The latest terrorist acts demonstrate the enormous challenge that IS poses for the Taliban. Owing to a lack of funds, personnel and structures, the latter is unable to exercise effective control over all Afghan territory and significantly weaken IS. In fact, there is a danger that these shortfalls will allow IS to expand its terrorist activities beyond Afghanistan. While the neighbouring states of Pakistan, Iran, Uzbekistan and Tajikistan are particularly at risk, Europe, too, could become a target.
As diplomatic initiatives have thus far failed to achieve the objective of a complete, verifiable, and irreversible denuclearization of the Democratic People’s Republic of Korea (DPRK), and given that a military solution is generally considered to be unfeasible, sanctions have become the central instrument of the international community in dealing with the threat from North Korea. While inherently linked to and built upon the respective resolutions of the UN Security Council, the EU’s sanctions regime against North Korea succeeds the former in terms of quantity and quality, constituting the most comprehensive sanctions regime of the EU currently in operation. Since its inception in 2006, the EU’s sanctions regime against the DPRK developed in several episodes, which are built upon different logics and objectives: coercion, constraining, signaling. The political explanation for the EU’s decision to adopt autonomous sanctions results from a set of interrelated factors, most notably the general support for sanctions as an adequate tool for EU member states to use against North Korea, the influence of powerful member states, namely Germany, France, and (before Brexit) the UK, pushing for the imposition of autonomous EU measures, the lack of diplomatic engagement and economic interest, as well as third party pressure. While sanctions will remain an important aspect of the EU’s North Korea strategy in the foreseeable future, it is in Brussels’ interest to supplement its sanctions-based strategy with more proactive initiatives vis-à-vis North Korea, as the current approach has distinct negative strategic implications for the EU.
Im Ukrainekonflikt tritt die europäische Abhängigkeit von russischem Erdgas akut zu Tage. Besonders Deutschland sieht sich dem Vorwurf der Erpressbarkeit ausgesetzt. Schließlich werden hierzulande mehr als die Hälfte des Erdgasbedarfs von Russland gedeckt. Längst werden in der EU alternative Lieferquellen diskutiert. An dieser Stelle sollte auch über eine intensivierte Energiezusammenarbeit mit den Anrainern des östlichen Mittelmeers nachgedacht werden – ohne dabei den Fehler zu begehen, auf den Diskussionsstand des Jahres 2014 zurückzukehren. Damals hatte Russland gerade die Krim annektiert. Die Europäische Kommission pries die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer als alternative Versorgungsquellen an. Verwirklicht werden konnte diese Perspektive jedoch nicht: Als zu teuer und aufwendig stellte sich der Bau adäquater Transport-Infrastrukturen wie die EastMed Pipeline heraus, zu politisch brisant der bis heute ungelöste Zypernkonflikt sowie der griechisch-türkische Streit um Seegrenzen und maritime Wirtschaftszonen. Hinzu kommt, dass verschärfte Klimaziele die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren verändert haben. Doch während das Thema Erdgas im östlichen Mittelmeer an Relevanz verloren hat, nimmt der regionale Ausbau erneuerbarer Energien und zugehöriger Infrastrukturprojekte langsam Fahrt auf.
Die Suche nach Alternativen zu russischen ErdgaslieferungenMit Ausnahme Ägyptens, das Flüssiggas nach Europa liefern kann, spielt die östliche Mittelmeerregion bei der Suche nach Alternativen zu russischen Erdgaslieferungen derzeit keine Rolle. Den anderen Anrainern wie Israel und Zypern fehlt die Infrastruktur, um Gasvorkommen vom Meeresboden zu heben und in die EU zu transportieren. Auch der Bau einer Pipeline, die beispielsweise von den zyprischen Erdgasfeldern zu einem ägyptischen LNG-Terminal verliefe, würde noch Jahre dauern. Hinzu kommen klimapolitische Bedenken und offene Fragen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, die eine Förderung der Ressourcen auch auf lange Sicht unattraktiv erscheinen lassen.
Folgerichtig konzentrierte sich die Europäische Kommission in den vergangenen Tagen darauf, neben Ägypten in erster Linie mit Aserbaidschan, Katar, Norwegen und den USA Gespräche zu erweiterten Erdgasgeschäften zu führen. Dabei kann die EU auf ein breit gefächertes LNG-Terminalnetz setzen. Über dieses können größere Volumen an Flüssiggas in EU-Länder wie beispielsweise die Niederlande, Italien oder Griechenland eingeführt und über das transeuropäische Gasnetz verteilt werden. Die Problematik dabei ist jedoch, dass Flüssiggasimporte wegen der Preisexplosion auf internationalen Gasmärkten zurzeit ein kostspieliges Unterfangen darstellen. Außerdem würden die zusätzlichen Liefermengen nur schwerlich ausreichen, um den Ausfall von russischem Pipelinegas zu kompensieren. Die Suche nach Ausweichstrategien macht also darüber hinausgehende Überlegungen erforderlich.
Die Energiewende im östlichen Mittelmeer als Investition in die Energiesicherheit der EUMittel- bis langfristig stellt der Ausbau der erneuerbaren Energien innerhalb der EU und in partnerschaftlich verbundenen Drittstaaten das entscheidende Instrument dar, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Dadurch gewinnt die primär an den europäischen Klimazielen orientierte Energiewende in Europa auch aus geostrategischer Sicht an Bedeutung. Aktuelle Dynamiken im östlichen Mittelmeerraum bieten hier einen Anknüpfungspunkt. In puncto erneuerbarer Energien bauen Griechenland, Israel und Ägypten ihre Produktionskapazitäten zurzeit massiv aus. Auch in der Türkei und Zypern werden absehbar höhere Investitionen erwartet. Mithilfe von Unterwasserstromkabeln, die quer durch das östliche Mittelmeer verlaufen sollen, könnte der Stromhandel zwischen Europa und Israel mit dem EuroAsia Interconnector beziehungsweise Europa und Ägypten mit dem EuroAfrica Interconnector intensiviert werden – und somit auch die energiewirtschaftliche Kooperation mit zwei einflussreichen Akteuren der MENA-Region. Konzepte für die regionale Wasserstoffproduktion sowie den Wasserstoff-Transport aus dem arabischen Raum stecken zwar noch in den Kinderschuhen, könnten sich aber anschließen.
Mitte Januar sandte das US-Außenministerium ein richtungsweisendes Signal in die Region, indem es der für den Erdgastransfer vorgesehenen EastMed Pipeline die amerikanische Unterstützung aufkündigte. Die Zukunft der Region, heißt es in der Stellungnahme der US-Botschaft in Athen, liege vielmehr in Projekten, die den Ausbau erneuerbarer Energien begünstigten sowie die grenzübergreifende Zusammenarbeit im Stromsektor förderten. Als beispielhaft werden der EuroAsia und der EuroAfrica Interconnector hervorgehoben. Analog gab die Europäische Kommission eine Woche später bekannt, im Rahmen des Infrastrukturförderprogramms Connecting Europe Facility 657 Millionen Euro bereit zu stellen, um das Stromnetz Zyperns mittels eines Unterseestromkabels über Kreta ans europäische Festland anzubinden und somit einen Teilabschnitt des EuroAsia Interconnector mitzufinanzieren.
Angesichts dieser energiepolitischen Entwicklungen zeichnet sich eine Konstellation ab, in der die östliche Mittelmeerregion zwar nicht kurzfristig, dafür aber mittel- bis langfristig als Lieferant von Ökostrom und möglicherweise auch als Produktionsstätte und Transitraum für grünen Wasserstoff helfen kann, die problematische europäische Abhängigkeit von russischen Energierohstoffen zu überwinden.
Am vergangenen Mittwoch verhandelte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stundenlang mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Ein Journalist, der ihn begleitet hatte, berichtete über das Treffen und erwähnte, der französische Präsident habe die »Finnlandisierung« der Ukraine als eine Option bezeichnet. Später bestritt Macron, den Begriff genutzt zu haben – es war aber zu spät: Die Idee machte bereits Schlagzeilen.
Die aktuell durch die Medien zirkulierenden Definitionen setzen den Begriff häufig mit genereller Bündnisneutralität gleich. Sie würde aber nicht nur einen Verzicht auf die Nato-Mitgliedschaft bedeuten. Eine Finnlandisierung als Lösungsansatz für die Situation der Ukraine ist deshalb fehlgeleitet in vielen Punkten.
Finnlandisierung im historischen KontextAls Finnlandisierung wird eine politische Kultur bezeichnet, die in Finnland während des Kalten Krieges vorherrschte, als das Land die Interessen der benachbarten Sowjetunion sowohl außen- als auch innenpolitisch gewissermaßen freiwillig berücksichtigte. Sie ging deutlich über eine reine Neutralitätspolitik hinaus, so wie sie beispielsweise Schweden verfolgt, und entwickelte sich als eine Überlebensstrategie neben einem übermächtigen Nachbarn. Es war das kleinere Übel zum Verlust jeglicher Souveränität als Teil der Sowjetunion. Der finnisch-sowjetische Freundschaftsvertrag von 1948 war zwar nicht eine vertragliche Grundlage, die Finnland zur Berücksichtigung der sowjetischen Interessen verpflichtete. Er hatte aber insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren eine starke symbolische Funktion in der Finnlandisierungsrhetorik, in der die finnisch-sowjetische Freundschaft stets beschworen wurde.
Aufgrund der eigentümlichen Rhetorik und der politischen Alternativlosigkeit hatte die Finnlandisierung Auswirkungen auf viele Bereiche der Politik und des gesellschaftlichen Lebens. Wenn Finnland Handel mit dem Westen betrieb, durfte der sogenannte »Osthandel« nicht darunter leiden, die Sowjetunion dadurch nicht benachteiligt werden. Eine Westintegration war für Finnland sowohl politisch als auch militärisch bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion unmöglich. Nur die Mitgliedschaft in der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA wurde von der Sowjetunion toleriert. Der »Osthandel« war ein lukratives Geschäft, in dem viele politische Akteure wirtschaftliche Interessen hatten. Der Zugang zur politischen Macht hing weitgehend davon ab, wie gut man in Moskau gestellt war. Der Zusammenbruch der Sowjetunion und somit des finnischen »Osthandels« trug in Finnland Anfang der neunziger Jahre zu der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit bei.
Eine innenpolitische Folge der Finnlandisierung war die starke Konzentration der Macht auf die Person des Präsidenten Urho Kekkonen. Er galt aufgrund seiner guten Beziehungen zur Sowjetführung als unentbehrlich für den Erhalt der finnischen Unabhängigkeit und war ab 1956 für mehr als 25 Jahre Staatspräsident. Kekkonen profitierte von der Finnlandisierung und verfestigte sie als eine unangefochtene außenpolitische Linie. Der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit der Finnlandisierung führte zu einer weitgehenden medialen und literarischen Selbstzensur, in der kritische Aussagen gegenüber der Sowjetunion vermieden wurden. Deshalb ist der Begriff in Finnland stark negativ konnotiert.
Die Prinzipien der KSZE-SchlussakteFinnlandisierung ist also kein Konzept, das Orientierung außerhalb des Kontextes des Kalten Krieges bieten kann. Darüber hinaus gibt es aber einen weiteren, noch dringlicheren Grund, warum sie für die Ukraine nicht in Frage kommt: Eine Finnlandisierung der Ukraine würde gegen alle Prinzipien der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) stoßen, die 1975 in Helsinki unterzeichnet wurde und die Basis für die Sicherheitsordnung in Europa bildet. Es war kein Zufall, dass sich Finnland damals als Gastgeber anbot: Dem Land war dringlich daran gelegen, dass auch die Sowjetunion Prinzipien wie die Achtung der souveränen Gleichheit aller Teilnehmerstaaten, Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt, Unverletzlichkeit der Grenzen und territoriale Integrität sowie die Gleichberechtigung und das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkennt. Obwohl die Schlussakte keinen verbindlichen Vertragscharakter hatte, bilden die darin enthaltenen Prinzipien die Grundlage für die aus der KSZE entstandenen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Ukraine ist kein SonderfallIn einer Zeit, in der der Handlungsspielraum Finnlands zwischen den Fronten des Kalten Krieges stark eingeschränkt war, ermöglichte die Finnlandisierung das Fortbestehen seiner staatlichen Souveränität. Mit dem Ende des Kalten Krieges endete auch die Zeit der Finnlandisierung und Finnland schloss sich der europäischen Integration an. Das Wiederbeleben des Begriffs in Bezug auf die Ukraine ist fehlgeleitet, weil Finnlandisierung nicht außerhalb des historischen Kontextes universell anwendbar ist. Für die Ukraine würde eine hieran orientierte Linie starke Einschränkungen in unvorhersehbarem Ausmaß mit Blick auf ihre innen- und außenpolitische Unabhängigkeit bedeuten. Vor allem aber lenkt der Begriff aus dem Kalten Krieg von der Tatsache ab, dass die Ukraine ein unabhängiger Staat ist, dessen Souveränität völkerrechtlich zweifelsfrei feststeht.
One of the self-imposed goals of Germany’s new Federal Government is to shift the priority of its European policy from a focus on European Union (EU) cohesion towards its reform and deepening. The first window of opportunity for this will open as early as spring 2022. In order to achieve the desired reform of the EU, however, Germany must change four aspects of its approach to European policy. It must strike a new balance between crisis mode and reform agenda; combine the community method with differentiated integration; engage in more active intra-European diplomacy to forge a reform coalition; and create concrete initiatives to operationalise the ambition for European sovereignty.
Cooperation in global digital policy is considered one of the most promising fields in the strategic partnership between India and the European Union (EU). However, profound differences are apparent in terms of implementation, for example with regard to data protection, competences of security authorities and the future global digital order. Meanwhile, similar problems are being addressed in the EU’s negotiations with the US on digital trade issues. Possible compromises there could also form components of an understanding with India. Shared democratic values are consistently referred to as a justification for efforts to strengthen Europe’s cooperation with India. In their Roadmap 2025, India and the EU affirm their interest in promoting an “open, free, stable and secure cyber-space” and fighting cybercrime. But the road to this goal is proving to be rocky.
The Ukraine crisis poses two particularly uneasy questions for Turkey: How to uphold a power balance in the Black Sea? And how to manage its relations between Russia, Ukraine and the West? So far, Ankara’s policy towards Moscow consists of both deterrence and dialogue. In regards deterrence, Turkey is closer to the non-EU members of NATO such as the US and the UK. Meanwhile, Turkey’s policy of dialogue is similar to that of EU members, most notably Germany. However, while there is a certain degree of similarity between the stances of Turkey and some Western countries in the current crisis, their convergence of interests has not yet resulted in any meaningful cooperation. In the short term, the parallel track of deterrence and dialogue still gives Turkey some leeway to continue its multi-vector manoeuvring. The Ukrainian imbroglio is, however, a manifestation of a crisis concerning the current European security order, or more precisely the lack thereof, thus making it necessary to define the role of not only Russia but also Turkey in any European design for a new security architecture.
"Progress towards an equitable world” is Germany’s goal for its G7 Presidency programme, which frames the G7 states as “leading industrialised countries and value-based partners” with a particular responsibility to “shape a positive future... in the spirit of sustainable economic recovery”. Clubs such as the G7 itself and the Climate Club envisaged by the German presidency are often able to make quicker decisions and act faster than more inclusive multilateral organisations such as the United Nations (UN). Despite this, a speedboat, for all its pace and manoeuvrability, cannot cross the ocean on its own. So too, the G7 cannot tackle any global challenges alone. The German G7 Presidency has thus announced in its programme that it intends to forge close links with the UN and the G20 in particular, with the goal of achieving a “fair and rules-based multilateralism”. UN Secretary-General António Guterres also underscored the importance of pioneering initiatives and partnerships within the framework of an “inclusive and networked multilateralism”. In his report, Our Common Agenda, building on the commitments in the declaration adopted by the member states on the occasion of the UN’s 75th anniversary, he develops numerous ideas for how to strengthen international cooperation. He calls for progress to be made wherever there are common interests. So, is what belongs together growing together? Unfortunately not (yet), as the G7 programme is rather abstract and dutiful in its references to the UN. However, the German G7 Presidency has an opportunity to change this and implement shared priorities on a collective basis:
Tether “strong alliances for a sustainable planet” to the UNBoth the G7 and the UN are opting for pioneer projects and partnerships with non-governmental stakeholders, such as the COVAX vaccination initiative and the G7 initiative for infrastructure projects in poor countries. It is positive to see the UN Secretary-General not shying away from dealing with these formats and advocating for their greater use in order to implement global goals, most notably those of the 2030 Agenda for Sustainable Development and the Paris climate agreement. While many UN member states may support such partnerships, there is no agreement on this kind of multilateralism beyond mere inter-governmental relations. In order to achieve the greatest possible impact, it is important for the G7 that as many states as possible consider its initiatives to be beneficial and legitimate. To this end, it would be worthwhile to tether these initiatives institutionally to the UN system, which would ensure that partnerships meet human rights standards, are transparent in their design, monitored on an ongoing basis, and further developed in line with the needs of the target groups. The UN Secretary-General has proposed strengthening the existing UN Office for Partnerships, which is not currently in a position to carry out the aforementioned tasks. After the failure of earlier reform attempts, due not least to financing issues, digital solutions are now to be employed. The G7 should support the development of an effective UN hub and link its own initiatives through this hub. This could help the G7 generate acceptance and at the same time galvanise other partners. By subjecting partnerships to this kind of quality control, the UN could strengthen its central role in global governance.
“Investing in a better future” – with the UNLike the German G7 Presidency, the UN Secretary-General places a particular focus in his report on future issues in conjunction with matters of justice. The world organisation needs to become far better at avoiding shipwreck, that is, the UN must respond more inclusively and justly to acute and future transnational crises. Developing greater strategic foresight, taking increased account of the interests of young people and future generations, and bringing key players together quickly in the event of the outbreak of new crises – these are the ambitious proposals for placing the UN further into the centre of global problem-solving. Here too, the member states are divided when it comes to the increase in authority and knowledge for the UN that would go hand in hand with these measures. The issue of upgrading the UN is also contested within the G7 due to concerns about effectiveness and sovereignty and given the influence of states such as China and Russia. In view of overlapping interests with regard to major concerns for the future, the G7 should nonetheless insist upon pooling the existing capabilities of the UN system more effectively while at the same time supporting the targeted development of the UN’s strategic capacities politically and financially. This can be done via voluntary contributions or, beneficially in some cases, the expansion of the regular budget. The G7 committed in the Cornwall Consensus to make crisis management more effective and fair in future. This year, the G7 should discuss the role of the UN in this.
Currently, member states are discussing in the UN General Assembly which of the Secretary-General’s proposals they intend to support, while preparation processes for the G7 summit are also under way. It is time to consider processes as one whole and bring them together, for a future-proof multilateralism.
Dr Marianne Beisheim works in the Global Issues Division of the German Institute for International and Security Affairs (SWP). Dr. Silke Weinlich is Senior Researcher at the German Development Institute / Deutsches Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in the Research Programme Inter- and Transnational Cooperation. This article is appearing concurrently on the website of the DIE under the heading ‘The Current Column’.
»Fortschritt für eine gerechte Welt« – so lautet das Motto des Programms der deutschen G7-Präsidentschaft. In ihm schreiben sich die G7-Staaten als »führende Industriestaaten und wertegebundene Partner« eine besondere Verantwortung für die nachhaltige »Gestaltung einer lebenswerten Zukunft« zu. Clubs wie die G7 selbst, aber auch der von der deutschen Präsidentschaft angedachte globale Klimaclub, können oft schneller entscheiden und agieren als inklusivere multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN). Aber ein Speedboot, so schnell und wendig es auch sein mag, kann nicht allein den Ozean überqueren, und die G7 können allein keine globalen Herausforderungen stemmen. Entsprechend kündigt die deutsche G7-Präsidentschaft im Programm an, enge Bezüge insbesondere zur UN und zur G20 herstellen zu wollen, mit dem Ziel eines »fairen und regelbasierten Multilateralismus«. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betont die Bedeutung von Vorreiterinitiativen und Partnerschaften im Rahmen eines »inklusiven und vernetzten Multilateralismus«. In seinem Bericht Our Common Agenda entwickelt er zahlreiche Ideen, wie die Beschlüsse, die die Mitgliedsstaaten anlässlich des 75. Jubiläums der UN getroffen hatten, umzusetzen sind und die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden kann. Er ruft dazu auf, dort voranzuschreiten, wo gemeinsame Interessen bestehen. Wächst hier also zusammen, was zusammen gehört? Leider (noch) nicht, denn im G7-Programm bleiben die Verweise auf die UN abstrakt, wirken eher pflichtschuldig. Die deutsche G7-Präsidentschaft hätte aber die Chance, das zu ändern und geteilte Prioritäten gemeinsam umzusetzen:
»Starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten« – bei den UN anbindenSowohl die G7 als auch die UN setzen auf Pionierprojekte und auf Partnerschaften mit nichtstaatlichen Akteuren, etwa im Rahmen der Impfallianz Covax oder der G7-Initiative für Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern. Es ist positiv, dass der Bericht des UN-Generalsekretärs sich der Realität dieser Formate stellt und sie in den Dienst der Umsetzung global vereinbarter Ziele – vor allem die der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens – stellen möchte. Auch wenn viele UN-Mitgliedstaaten solche Partnerschaften unterstützen, besteht keine Einigkeit über diese Art von Multilateralismus jenseits rein intergouvernementaler Beziehungen. Um größtmögliche Wirkung zu erzielen, ist es für die G7 wichtig, dass möglichst viele Staaten ihre Initiativen als sinnvoll und legitim wahrnehmen. Dafür wäre eine institutionelle Anbindung an das UN-System wertvoll, die sicherstellt, dass Partnerschaften menschenrechtliche Standards erfüllen, dass sie transparent gestaltet und kontinuierlich nachgehalten und entlang von Bedürfnissen der Zielgruppen weiterentwickelt werden. Der UN-Generalsekretär schlägt vor, das existierende UN-Büro für Partnerschaften zu stärken. Bislang ist dieses nicht in der Lage, die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Frühere Reformversuche scheiterten unter anderem an Finanzierungsproblemen. Jetzt sollen digitale Lösungen weiterhelfen. Die G7 sollte die Entwicklung eines effektiven UN-Hubs unterstützen und dort auch ihre eigenen Initiativen anbinden. Das könnte der G7 helfen, sowohl Akzeptanz zu erzeugen als auch weitere Partner zu mobilisieren. Durch eine solche »Qualitätskontrolle« von Partnerschaften könnte die UN ihre zentrale Rolle in der Global Governance stärken.
»Investitionen in eine bessere Zukunft« – mit der UNWie die deutsche G7-Präsidentschaft legt auch der UN-Generalsekretär in seinem Bericht einen besonderen Fokus auf Zukunftsfragen in Zusammenschau mit Gerechtigkeitsfragen. Die Weltorganisation soll viel besser darin werden, Schiffbruch zu vermeiden – also auf akute und künftige transnationale Krisen zu antworten und dabei ihre Antworten inklusiver und gerechter zu gestalten. Strategischer vorausschauen, Interessen junger Menschen und zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen sowie beim Ausbruch neuer Krisen rasch wichtige Player zusammenrufen können – so lauten die ehrgeizigen Vorschläge, um die UN stärker ins Zentrum globaler Problembewältigung zu rücken. Auch hier gilt: Die Mitgliedstaaten sind gespalten, was den damit verbundenen Autoritäts- und Wissenszuwachs der UN angeht. Innerhalb der G7 ist eine Aufwertung der UN ebenfalls umstritten – aufgrund von Effektivitäts- und Souveränitätsbedenken, aber auch angesichts des Einflusses von Staaten wie China und Russland. In Anbetracht der Interessenkonvergenz im Hinblick auf die großen Zukunftsthemen sollte die G7 dennoch darauf dringen, bestehende Fähigkeiten des UN-Systems besser zu bündeln und gleichzeitig den gezielten Ausbau strategischer Kapazitäten der UN politisch wie finanziell unterstützen, ob über freiwillige Beiträge oder teils auch sinnvollerweise über einen Aufwuchs des regulären Budgets. Die G7 hat sich 2021 im Cornwall Consensus verpflichtet, Krisenbearbeitung künftig effektiver, aber auch gerechter zu gestalten. Dieses Jahr sollte sie die Rolle der UN hierbei diskutieren.
Aktuell tauschen sich die Staaten in der UN-Generalversammlung darüber aus, welche der Vorschläge des Generalsekretärs sie unterstützen wollen. Parallel laufen die Vorbereitungsprozesse zum G7-Gipfel. Zeit, die Prozesse für einen zukunftsfähigen Multilateralismus zusammen zu denken.
Dr. Marianne Beisheim arbeitet in der Forschungsgruppe Globale Fragen der SWP. Dr. Silke Weinlich ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) im Forschungsprogramm Inter- und Transnationale Zusammenarbeit. Dieser Beitrag erscheint zeitgleich auf der Website des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) unter der Rubrik »Die aktuelle Kolumne«.
Die Instrumentalisierung von Flucht und Migration, digitale Attacken auf Wahlen und Infrastrukturen, Hyperschallwaffen, vollautomatisierte bewaffnete Drohnen und gläserne Gefechtsfelder weltweit: Die Vorstellungen über die Formen künftiger Konflikte bestimmen schon heute darüber, wie Staaten ihre Sicherheitsvorsorge gestalten und ihre Sicherheitskräfte ausrüsten. Mutmaßlich greifen rein militärische Konzeptionen dabei angesichts des verstärkt hybriden Charakters von Auseinandersetzungen zu kurz. Daher sollten der angekündigten Nationalen Sicherheitsstrategie komplexe Konfliktbilder zugrunde gelegt werden, die unterschiedliche Aspekte nationaler wie auch internationaler Sicherheit umfassen. Weil solche Konfliktbilder langfristig bindende Beschaffungs- und Organisationsentscheidungen mitbestimmen, ist es notwendig, sich frühzeitig und strukturiert damit auseinanderzusetzen, wie sie entstehen. Kriterien für Konfliktbilder möglichst hoher Güte sind eine wissenschaftsbasierte Vorausschau, parlamentarische und öffentliche Beteiligung sowie ressortgemeinsame Strategieentwicklung.
Mit grenznahen Manövern demonstriert Moskau seine Fähigkeit, im Donbas offen militärisch zu intervenieren. Es beschuldigt Kiew, die Lage dort zu eskalieren, und den Westen, die Ukraine durch einseitige Parteinahme darin zu bestärken. Doch im Westen wird geargwöhnt, Russland plane eine großangelegte Invasion der Ukraine. Dies hat der Kreml dementiert. Mitte Dezember 2021 hat er mit zwei Vertragsentwürfen verdeutlicht, worum es ihm geht, nämlich eine weitere Ausdehnung der Nato nach Osten zu verhindern und dafür eine verbindliche Zusicherung zu erhalten. Dabei beruft er sich auf die Nato-Russland-Vereinbarungen der 1990er Jahre. Moskau befürchtet, dass vor allem ein Nato-Beitritt der Ukraine das strategische Gleichgewicht mit den USA gefährden würde. Die USA und die Nato signalisieren Dialogbereitschaft in Fragen der Rüstungskontrolle, sind aber nicht bereit, die Prinzipien der europäischen Sicherheitsordnung zu revidieren. Ob Moskau dies akzeptiert, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollte der neue Dialog als Chance aufgegriffen werden, um die Lage zu deeskalieren und die militärische Berechenbarkeit durch Rüstungskontrolle wiederherzustellen, ohne Prinzipien preiszugeben.
Die Türkei beansprucht im östlichen Mittelmeer einen Festlandsockel, der unmittelbar an das Küstenmeer der Republik Zypern und an das der griechischen Inseln heranreicht. Griechenland und Zypern machen dort jedoch ebenfalls Festlandsockelrechte geltend. Die daraus erwachsenden Spannungen destabilisieren die Region. Eine verbindliche Festlegung der maritimen Grenzen zwischen den drei Staaten würde Rechtssicherheit bringen. Gegenüber Griechenland hat die Türkei signalisiert, dass sie nicht ausschließe, unter gewissen Bedingungen den Internationalen Gerichtshof hiermit zu betrauen. Eine Abgrenzung im Gebiet westlich der Insel Zypern kommt für Ankara jedoch erst dann in Betracht, wenn die Zypernfrage vollständig geklärt ist. Solange keine Abgrenzung durch Übereinkunft oder durch ein internationales Gericht erfolgt ist, müssen die drei Staaten gemäß dem Völkerrecht Zurückhaltung in Bezug auf die umstrittenen Seegebiete üben. Bohrungen auf dem Festlandsockel, die der Förderung von Erdgas dienen, sind in einem umstrittenen Gebiet nur zulässig, wenn hierüber Einvernehmen zwischen den betreffenden Staaten herrscht. Vorläufige Vereinbarungen, die eine gemeinsame Erschließung umstrittener Seegebiete vorsehen, können zu einer Annäherung der Parteien beitragen und gegebenenfalls sogar den Weg für längerfristige Lösungen ebnen. Gerade mit der wachsenden Bedeutung des östlichen Mittelmeers als energiewirtschaftlicher Transit- und Verbindungsraum könnten sich neue Chancen für eine Zusammenarbeit eröffnen.
The EU and Germany have set themselves ambitious climate and energy policy targets. Taking into account the need to reduce emissions from all sectors of the economy, they now have a different perspective on the energy situation in the Eastern Mediterranean than a few years ago. Offshore natural gas imports from the Eastern Mediterranean are losing relevance in favour of the region’s prospects for contributing to the EU’s emerging green energy economy. In view of Europe’s rising demand for renewable electricity, transcontinental electricity interconnections between the European, African and Middle Eastern power grids could become a new normal via the Eastern Mediterranean. There is also regional potential for playing a role in the EU’s hydrogen strategy. Advancing the energy transition in the East Mediterranean brings new economic perspectives and incentives for political cooperation both on regional and international levels. Conflicts and tensions over the delimitation of maritime boundaries between the two communities in Cyprus and between Greece and Turkey would lose a great deal of their politically explosive nature. However, mistrust and deep rooted enmities could still obstruct constructive and inclusive approaches towards the expansion of renewable energies and electricity interconnection all over the Eastern Mediterranean.
Managing irregular migration is a focal point of EU-Turkey relations today. European perspectives on this issue, for the most part, are split into two camps: a “caring” one, which concentrates on the well-being of refugees, and a “concerned” one, which focusses on the external border security of the European Union (EU) and the anxieties of EU citizens. Widely overlooked in the European discussions is the mounting social and political discontent in Turkey, which is hosting the largest refugee population worldwide while facing a serious economic crisis alongside a severe governance deadlock. To bear fruits in the long run, any EU-Turkey migration cooperation should account for this growing discontent. After all, neither the advancement of the rights of refugees in Turkey nor reliable security cooperation is possible without accord by the Turkish political class and society. To this end, the EU should signal to Turkey its intention to resettle more refugees and support local integration efforts more proactively.
Die Covid‑19-Pandemie hat den internationalen Reiseverkehr stark reduziert. Die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und menschlichen Folgen der Grenzschließungen und Reisebeschränkungen lassen sich noch nicht vollständig abschätzen, sind aber gewaltig. Die Gräben zwischen Staaten des Globalen Nordens, die Reisen kontrollieren und unregulierte Mobilität unterbinden wollen, und des Globalen Südens, die mehr legale Mobilität für ihre Bürgerinnen und Bürger einfordern, werden tiefer. Reisefreiheit ist ein begehrtes Gut, zu dem alle Zugang haben sollten, sowie Gegenstand politischer Verhandlungen. Unilaterale Bestimmungen sollten durch internationale Vereinbarungen, bei dem sich Staaten auf gemeinsame Regeln und Verfahren für ein Vertrauenssystem einigen, ergänzt oder aufgehoben werden. Derweil sollten die Staaten ihre Visaverfahren modernisieren und digitale Identifikationssysteme aufbauen, die Vertrauen schaffen. Das gilt auch für Deutschland, zumal die Regierungskoalition beschlossen hat, die Visavergabe zu beschleunigen.