Wenn Anfang November der Westbalkangipfel mit Spitzenpolitikern der EU in Berlin stattfindet, unterzeichnen die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkanstaaten drei Abkommen für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das Treffen findet im Rahmen des Berliner Prozesses statt, der seit 2014 das Ziel verfolgt, die regionale Integration zu fördern. Mit ähnlicher Zielsetzung, nämlich einer engeren regionalen Kooperation, wurde auch die »Open Balkan«-Initiative ins Leben gerufen.
Mit dem Ziel, den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital unter den Mitgliedern zu ermöglichen, unterzeichneten Albanien, Serbien und Nordmazedonien 2019 Vereinbarungen, die zunächst unter dem Namen »Mini-Schengen« und seit 2021 unter »Open Balkan«-Initiative (OBI) gefasst werden. Der Fokus liegt dabei auf wirtschaftlichen Themen, die das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger spürbar verbessern sollen. So sind erklärte Ziele die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen und Arbeitserlaubnissen sowie Kooperationen beim Katastrophenschutz und der Ernährungssicherheit.
Bisher beschränkt sich die Initiative, die besonders von den USA unterstützt wird, auf intergouvernementale Formate und umfasst keine institutionelle Ausgestaltung, wie es zum Beispiel beim Regional Cooperation Council der Westbalkanstaaten in Sarajevo der Fall ist. Auch ein Vertrag liegt nicht vor, weshalb es schwer ist, ein klares Ziel und somit einen Erwartungshorizont zu definieren. Stattdessen gibt es eine offene Einladung an alle Länder des Westbalkans, sich bei allen oder ausgewählten Projekten zu beteiligen. Beispielsweise fallen ab Januar 2023 für die drei Mitgliedstaaten der OBI viele Beschränkungen beim Zoll und Kapitaltransfer weg. Nach Schätzungen der Weltbank werden diese Maßnahmen 30 Millionen Stunden Wartezeit und 3,2 Milliarden Euro einsparen.
Kritik von Innen und AußenTrotz dieser positiven Impulse sind bisher nur drei der sechs Westbalkanstaaten Mitglied der OBI. Kosovo möchte jeden Eindruck vermeiden, sich mit einem »Warteraum« statt einer vollwertigen EU-Mitgliedschaft zufrieden zu geben. Durch seine kompromisslose Ablehnung gegenüber der von Serbien mitgegründeten Initiative kann der kosovarische Premierminister Albin Kurti innenpolitische Stärke beweisen. Zudem richteten sich Aufrufe zur Kooperation bisher an »die provisorischen Pristina Institutionen«, um Serbiens Nicht-Anerkennung von Kosovo zu unterstreichen, sodass schon alleine diese wichtige Formalität Grund zu einer Absage ist.
Die Regierungen von Montenegro und Bosnien-Herzegowina sind dagegen gespalten. In Sarajevo unterstützt der serbische Teil der Regierung die OBI, die vom bosnischen und kroatischen Teil abgelehnt wird. Somit wird die Initiative zum politischen Spielball einer Blockadepolitik und nicht unbedingt inhaltlich bewertet. Auch in Podgorica sind sich Regierungsmitglieder uneinig. Mit dem Argument, das Land sei am Weitesten auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft, soll keine neue Initiative diesen Weg gefährden. Jedoch signalisierte Montenegro zuletzt auch Interesse und nahm am »Open Balkan«-Treffen in Ohrid als Beobachter teil.
Von der EU erfährt die OBI anscheinend nur wenig aktive Unterstützung. Mit Verweis auf den Berliner Prozess, der das Ziel verfolgt, die Region in Richtung EU-Mitgliedschaft zu begleiten, werden Dopplungen befürchtet, die in der Tat nicht auszuschließen sind. Beispielsweiße wurden im Oktober 2022 im Rahmen einer Westbalkan-Konferenz Abkommen zwischen allen sechs Westbalkanstaaten abschließend verhandelt, deren Inhalt auch im Juni 2022 von den drei Ländern der OBI beschlossen worden war. In beiden Fällen ging es um die Anerkennung von Personaldokumenten und der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen und Berufsqualifikationen.
Diese Dopplung kann aber auch als beabsichtigt gedeutet werden. Denn bereits 2021 begannen die Verhandlungen dieser Abkommen im Rahmen des Berliner Prozesses. Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Serbien und Kosovo konnte jedoch lange kein Kompromiss gefunden werden. Im Juni 2022 beschlossen dann die drei OBI-Länder, mit dem Vorhaben voranzuschreiten, was jedoch hinfällig wurde, als im August 2022 doch ein Kompromiss zwischen Serbien und Kosovo erreicht wurde und die Abkommen zwischen allen sechs Balkanstaaten am 3. November in Berlin unterschrieben werden konnten. Solche Begebenheiten veranlassen den albanischen Premierminister Edi Rama vermutlich zur etwas aufbauschenden Beurteilung, die OBI sei ein »Implementierungswerkzeug« des Berliner Prozesses.
Positive ImpulseInsgesamt sollte man die OBI ergänzend zum Berliner Prozess sehen. Denn neben der engeren regionalen Zusammenarbeit, die von den Westbalkanstaaten selbst gestaltet wird, bleibt es wichtig, dass die Länder des Westbalkans eng in den Entscheidungsfindungsprozess der EU eingebunden sind, sei es beim gemeinsamen Kauf von Gas, bei der Migration über die sogenannte Balkan-Route, der Umsetzung der grünen Agenda oder der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität.
Zudem ist es von hoher symbolischer Bedeutung, dass nach über 40 regionalen Initiativen in den vergangenen 25 Jahren, diese aus der Region selbst kommt und somit mit der oft beschworenen »local ownership« behaftet ist. Alleine dass Albanien und Serbien, die politisch keineswegs natürliche Verbündete sind, diese Initiative gemeinsam ins Leben gerufen haben, ist bemerkenswert. Über den Symbolwert hinaus birgt die OBI weitere Möglichkeiten. Eine erhöhte regionale wirtschaftliche Integration kann ausländische Investitionen ankurbeln und die Länder wirtschaftlich stärken. Dies wiederrum kann die Länder des westlichen Balkans besser für die Integration in den EU-Binnenmarkt vorbereiten und unter anderem auch dem »Brain Drain« aus der Region entgegenwirken.
Katars Politik beruht seit den 1990er Jahren auf drei Grundlinien: Das Emirat baut seine Gasförderung aus und liefert verflüssigtes Gas in möglichst viele Länder; es versichert sich des militärischen Schutzes durch die USA, indem es Stützpunkte bereitstellt; es führt eine »Soft Power«-Kampagne in Form von Investitionen in Medien und Sport. Während des Arabischen Frühlings ging Katar in die Offensive, was einen Bruch in seiner Regionalpolitik darstellte. Damals zielte es auf nichts weniger ab als eine Revision der regionalen Ordnung in der arabischen Welt. Seit dem Amtsantritt von Emir Tamim 2013 hat Doha seine Ambitionen zwar zurückgeschraubt, will aber weiter als Regionalmacht anerkannt werden. Katar versucht Regionalkonflikte zu entschärfen, indem es sich als Vermittler positioniert. Es unterhält gute Beziehungen zu Iran, zu dessen Verbündeten in der Region sowie zu militanten Gruppen wie der Hamas und den Taliban. Dies und seine Unterstützung der Muslimbruderschaft provoziert immer wieder Konflikte mit Saudi-Arabien und anderen Nachbarn. In der Folge hat Katar die Türkei als neue Schutzmacht identifiziert. Katar ist ein attraktiver Partner für Deutschland und Europa und kann ein wichtiger Gaslieferant werden, etwa wegen seiner Flexibilität bei Lieferungen und seinem Interesse am europäischen Markt. Es war ein schwerer Fehler deutscher Politik, nicht viel früher auf katarisches Gas zu setzen. Langfristige Bestellungen desselben könnten ihn korrigieren. Wenn es tatsächlich eine sicherheitspolitische »Zeitenwende« geben soll, muss Deutschland sich auch auf Gefahren einstellen, die aus dem Nahen Osten drohen (Stichworte: Migration, Terrorismus, nukleare Proliferation). Dazu gehört, dass Deutschland und Europa prowestliche Verbündete benötigen – wie Katar.
Zwischenwahlen in den USA sind nicht nur Stimmungsbarometer für den Erfolg einer Präsidentschaft. Die Machtverhältnisse im Kongress entscheiden über den Handlungsspielraum des Präsidenten: Ein divided government – in dem mindestens eine Kammer des Kongresses nicht von der eigenen Partei kontrolliert wird – schränkt dessen Fähigkeit ein, Gesetzesvorhaben zu realisieren. Zwar sind die Aussichten für die Republikaner im Hinblick auf die Wahlen am 8. November besser, doch für verlässliche Prognosen ist deren Ausgang zu ungewiss. Die sogenannten Midterms sind noch aus einem anderen Grund bedeutsam: In den Bundesstaaten werden die Weichen für nationale Wahlen bis hin zur Präsidentschaftswahl gestellt. Da die Legitimität von Wahlverfahren zunehmend selbst zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzung wird, ist wichtig, wer solche Verfahren beaufsichtigt. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass eine klare Mehrheit in der Republikanischen Partei dem Mythos anhängt, die Niederlage von Präsident Trump sei das Resultat einer »gestohlenen Wahl« gewesen, und versucht, ihren Erfolg an der Urne mit zweifelhaften Methoden zu sichern.
Wladimir Putin eskalierte im September 2022 den russischen Krieg gegen die Ukraine. Er kündigte eine Teilmobilisierung an und wiederholte seine Drohung mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Es war aber vor allem die proklamierte Annexion der ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson, mit der er einen Schlussstrich unter die Friedensbemühungen seit dem 24. Februar 2022 zog. Wolodymyr Selenskyj hatte Putin seit seiner Wahl 2019 und auch in den ersten Wochen nach dem erneuten russischen Überfall immer wieder zu einem Gipfeltreffen aufgefordert. Am 4. Oktober 2022 erteilte er in Reaktion auf die Schritte der russischen Seite direkten Gesprächen per Dekret eine Absage. Die ukrainisch-russischen Verhandlungen seit dem Beginn der russischen Aggression 2014 sowie seit dem 24. Februar 2022 zeigen, wie sehr diese vom Kriegsverlauf, aber auch vom politischen Kontext abhängen.
Among the many significant geopolitical consequences of Russia’s war against Ukraine has been the reinvigoration of the Middle Corridor, both as a regional economic zone comprising Central Asia, the Caucasus, and Turkey but also as an increasingly attractive alternative route between Europe and China. Russia’s war has disrupted overland connectivity via the New Eurasian Land Bridge, also known as Northern Corridor, which passes through – now heavily sanctioned – Russian and Belarusian territory. While the Middle Corridor will not be able to fully replace the Northern Corridor, regional integration along the Trans-Caspian International Transport Route is likely to increase its potential at the expense of Russia in the long-term. Ankara’s close cultural ties with the Central Asian republics combined with the latter’s willingness to diversify their foreign relations away from Moscow and Beijing provide Turkey with greater leverage in the region. The EU and Turkey share a common interest in enhancing Eurasian connectivity for several reasons: to promote peace and prosperity in the South Caucasus and Central Asia, to enhance commercial access to Central Asia, to increase the resilience of European supply chains, and to diversify European energy supplies. Strengthening Eurasian connectivity would also work to balance Russian, Chinese, and Iranian influence in Central Asia.
Angesichts der jüngsten Zerwürfnisse im UN-Sicherheitsrat ist die einstimmige Verabschiedung eines neuen Sanktionsregimes schon bemerkenswert. Zuletzt war dies 2017 zur Unterstützung von Friedensbemühungen in Mali geschehen. Nun wurde ein von den USA und Mexiko eingebrachter Resolutionsentwurf von allen Mitgliedern des Rates angenommen. Noch im Mai hatten Russland und China durch ein Veto weitere Sanktionen gegen Nordkorea verhindert. Dass im Falle Haitis die Positionen andere sind, hatte sich schon länger abgezeichnet, etwa im Juli als China – sonst meist sanktionskritisch – ein vollständiges Waffenembargo für Haiti forderte. Der jüngste Beschluss vom 21. Oktober zeigt, dass zumindest bei geopolitisch weniger aufgeladenen Fällen und bei akutem Handlungsdruck noch eine Einigung im Sicherheitsrat möglich ist. Bemerkenswert sind die Sanktionen aber noch aus einem anderen Grund: sie richten sich vorrangig gegen kriminelle Akteure und ihre Unterstützter.
Kriminelle Akteure im FokusMit der Resolution wurden ein Reiseverbot, das Einfrieren von Vermögenswerten sowie ein gezieltes Waffenembargo gegen Personen und Entitäten verhängt, die Frieden und Sicherheit in Haiti bedrohen. Vorrangig richten sich die Sanktionen dabei gegen kriminelle Akteure und ihre Finanziers, die für die zunehmende Gewalt und humanitäre Krise verantwortlich gemacht werden. Zwar ist die Bedrohung durch bewaffnete Banden seit langem ein Problem in Haiti, doch in den vergangenen Jahren haben sich ihre Anzahl, ihr Einfluss und die von ihnen ausgehende Gewalt vervielfacht. Zuletzt spitzte sich die Situation zu, nachdem Banden neben wichtigen Zugangstrassen die Kontrolle über den internationalen Hafen von Port-au-Prince und das wichtigste Tanklager des Landes übernommen hatten. Dadurch sind auch essenzielle Dienstleistungen wie Wasser- und Stromversorgung für die Bevölkerung massiv beeinträchtigt. Zudem sind die Menschen in Stadtteilen unter der Kontrolle von Banden massiver Gewalt ausgesetzt. Berichtet werden unter anderem Morde, Vergewaltigungen sowie eine Zunahme von Entführungen und Schutzgelderpressungen.
Das spiegelt sich auch in den Kriterien des UN-Sanktionsregimes wider. Bei keinen anderen aktuell geltenden länderbezogenen Sanktionen der UN gibt es einen so starken Fokus auf gewalttätige, kriminelle Akteure und illegale Aktivitäten, die mit ihnen in Verbindung stehen. Die 1993-94 geltenden UN-Sanktionen zu Haiti waren breit angelegt und hatten eine andere Stoßrichtung, zumal sie die Wiedereinsetzung der gewählten Regierung erwirken sollten. Dass UN-Sanktionen (organisierte) Kriminalität adressieren, ist allerdings nicht neu. Tatsächlich enthalten beinahe alle laufenden Regime zu bewaffneten Konflikten die Möglichkeit, Personen oder Einrichtungen auf Sanktionslisten zu setzen, wenn sie mit illegalen Aktivitäten Gewaltakteure oder »Störer« von Friedensprozessen unterstützen. Die Frage ist, inwiefern sie tatsächlich Wirkung entfalten.
Knackpunkte für effektive WirkungNach der Verhängung der Sanktionen wird es zunächst darum gehen, das Regime auszugestalten. Der Sicherheitsrat hat wie in anderen Fällen einen Sanktionsausschuss eingesetzt, der die Umsetzung überwacht. Dieser wird von einem UN-Expertenpanel unterstützt, das die Einhaltung der Sanktionen untersucht und an den Ausschuss berichtet. Diese Berichte sind essenziell, unter anderem wenn es um Beschlüsse zur Erweiterung der Sanktionsliste geht. Mit der Verabschiedung der jüngsten Resolution wurde mit Jimmy Cherizier ein einflussreicher Anführer einer Allianz von haitianischen Banden gelistet. Die konkrete Wirkung dürfte begrenzt sein, zumal er bereits im Dezember 2020 von den USA sanktioniert wurde und dennoch zentral an der Blockade des Tanklagers beteiligt ist. Auch die Signalwirkung der neuen Sanktionen wird schnell verpuffen, wenn keine weiteren Maßnahmen folgen.
Daher wird es erstens darauf ankommen, das eingerichtete Regime wirkungsvoll zu nutzen. Ein Blick auf die erwähnten UN-Sanktionsregime zeigt, dass die Möglichkeit, Personen oder Gruppen für kriminelle Aktivitäten zu listen, selten genutzt wird. Das hat wohl auch damit zu tun, dass hier schnell unangenehme Fragen zu den Verbindungen in staatliche beziehungsweise politische Kreise aufkommen. Die USA hatten bereits aktuelle und ehemalige haitianische Regierungsbeamte mit Visarestriktionen belegt, da sie offenbar mit Banden und anderen kriminellen Organisationen in Verbindung stehen. Es wird sich zeigen, wie die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit einflussreichen Akteuren umgehen, die weniger offen gewalttätig auftreten als die momentan im Fokus stehenden Banden. Wichtig wird auch sein, die transnationalen Verbindungen etwa beim illegalen Waffenhandel in den Blick zu nehmen.
Zweitens wird es entscheidend auf die politische Steuerung durch den Sicherheitsrat ankommen. Es geht nicht allein um weitere Listungen; sie müssen auch mit klaren Zielen und einem politischen Prozess für die Verbesserung der Lage in Haiti verbunden sein. Für den humanitären Zugang und eine punktuelle Reduzierung der Gewalt mag es zunächst vorrangig sein, das Treiben der bewaffneten, kriminellen Gruppierungen einzudämmen. Doch der Sicherheitsrat muss Ziele und Wirkung der Sanktionen immer wieder überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dafür ist die in der Resolution angelegte Überprüfung eine wichtige Voraussetzung, aber noch keine Garantie.
Nicht zuletzt werden Sanktionen auch und gerade gegen kriminelle Akteure allein kaum wirkungsvoll sein. So haben die USA und Mexiko die Entsendung einer internationalen „security assistance mission“ vorgeschlagen, die eine klar begrenzte Nicht-UN-Mission sein soll. Unabhängig davon, ob sie zustande kommt, wird es weiterer Unterstützung und Reformen der haitianischen Polizei und Justiz bedürfen, die auch Teil des Mandates der politischen UN-Mission in Haiti sind. Diese und weitere Bemühungen müssen abgestimmt sein – gerade angesichts der verfahrenen politischen Situation in Haiti und der zu erwartenden Opposition gegen externe Eingriffe.
Um die drängenden Fragen der globalen Gesundheit zu diskutieren, kamen vom 16. bis 18. Oktober 2022 hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft in Berlin zusammen. Während die COVID-19-Pandemie beim World Health Summit im Mittelpunkt stand, wurden auch die Forderungen nach einer besseren globalen Gesundheitsarchitektur adressiert. Insgesamt herrschte breiter Konsens darüber, dass Reformen nötig sind und sich das COVID-19-Debakel nicht wiederholen darf. Weit weniger Konsens war im »Wie« zu erkennen. Dabei ging es vor allem um die Rolle nationaler Souveränität und die Notwendigkeit von »community-based approaches«, also lokalen und inklusive Lösungsansätzen. Konkrete Lösungen blieben aber aus.
Globale Gesundheitsgovernance reformierenIm Zentrum der Debatten zur Reform der globalen Gesundheitsarchitektur stehen die Verhandlungen über den Pandemievertrag sowie die Reformierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR). Zur Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versicherte der Generaldirektor Tedros Ghebreyesus, dass die WHO die Souveränität von Staaten vollständig respektiere. Er reagierte damit auf Stimmen, die durch eine Ausweitung der Befugnisse der WHO Eingriffe in die nationale Souveränität befürchten. Während in den aktuellen Reformvorschlägen deutlich wird, dass die WHO im Falle von Krankheitsausbrüchen Staaten Hilfe anbieten muss, ist die Kooperation von Staaten nicht vorgeschrieben. Lediglich eine verpflichtende Begründung der Weigerung wird diskutiert.
Im Gegensatz hierzu hörte man auf dem World Health Summit jedoch auch Forderungen nach einer Erweiterung der Befugnisse der WHO. So etwa von Helen Clark, ehemalige Premierministerin Neuseelands und Mitglied des »Independent Panel on Pandemic Preparedness and Response«. Regierungen sollten laut Clark Untersuchungen von Krankheitsausbrüchen durch die WHO nicht verhindern können. Angesichts dieser Uneinigkeit und der Bedeutung kooperativen Handels für die globale Gesundheitsarchitektur ist es bemerkenswert, dass die Diskussion über nationale Souveränität auf dem Gipfel keine zentralere Stellung einnahm, etwa in Form eines eigenen Panels. Dabei hat der World Health Summit das Potenzial, eine Plattform für eine tiefere Debatte zu sein, wie globale Gesundheitsziele und nationale Souveränität in Ausgleich gebracht werden können. Dieser Ausgleich muss vor allem mit Blick auf die derzeit laufenden Verhandlungen zu den IHR-Reformen und dem Pandemievertrag gefunden werden, da die WHO hier in der Pandemievorsorge und -bekämpfung eine zentrale Stellung einnimmt. Eine detailliertere Debatte über diese Fragen wäre nützlich gewesen, um die Hürden zu identifizieren und Ansätze zu deren Überwindung zu erarbeiten. Denn eine handlungsfähige globale Gesundheitsarchitektur wird in letzter Instanz Mechanismen brauchen, die unkooperative Staaten zum Einlenken bringen können.
Neben der staatlichen Souveränität ging es auf dem Gipfel auch um die Souveränität der Menschen. Dass die Forderung nach »community-based approaches« weitgehend auf kleinere Panels beschränkt war, unterstreicht den geringeren politischen Stellenwert dieses Ansatzes. Auf große Resonanz stieß allerdings der nachdrückliche Aufruf von Maziko Matemvu, Vizepräsidentin des »Young Feminists Network«, die globale Gesundheit zu dekolonisieren und die lokale Bevölkerung einzubeziehen. Über die konkrete Umsetzung wurde auf dem Gipfel jedoch wenig beraten. Dies spiegelt sich auch in den derzeit auf politischer Ebene laufenden Verhandlungen zum Pandemievertrag und den Reformen der IHR wider: Es fehlt an Überlegungen, wie die lokale Bevölkerung eingebunden werden kann. Stattdessen wird in den Verhandlungsdokumenten oft auf die als postkolonial kritisierte Entsendung von Expertinnen und Experten gesetzt. Dabei haben vor allem »community-based approaches« das Potenzial, lokale wissenschaftliche und kulturelle Expertise einzubeziehen sowie nationale Souveränität zu schonen. Gerade da diese Forderung häufig aus Staaten kommt, die von Kolonialisierung betroffen waren, sollte dieser Ansatz auf künftigen World Health Summits und in laufenden Reformprozessen stärker berücksichtigt werden. Es wäre dabei ein Leichtes, ihn zumindest als Empfehlung aufzunehmen.
Agenda setzen für ReformenDamit der World Health Summit zu einem Impulsgeber für Reformen werden kann, müssen Expertinnen und Experten die skizzierten Probleme detailliert erörtern. Das Format kann über bloße politische Absichtserklärungen hinausgehen, evidenzbasiert und mit viel Expertise präzise Handlungsoptionen ableiten. Gegenüber der eher politischen Weltgesundheitsversammlung in Genf bietet der World Health Summit den Vorteil, Mitglieder der Wissenschaften und verschiedene zivilgesellschaftliche Institutionen zu fachlichen Debatten zusammenzubringen. Zu den laufenden Reformbemühungen hätten solche Debatten über die Spannungen zwischen Souveränität und der globalen Gesundheitsarchitektur wichtige Impulse für politische Verhandlungen liefern können. In Zukunft sollten daher auf dem World Health Summit wichtige Fragen nicht nur gestellt, sondern auch beantwortet werden. Nur so kann der Gipfel im Institutionengefüge der globalen Gesundheitsgovernance die stark politische Weltgesundheitsversammlung ergänzen und sein Potenzial mit der gebündelten Expertise ausschöpfen.
While the world’s attention is focused on Russia’s war against Ukraine and the intensifying conflict between the US and China, the security situation on the Korean Peninsula has continued to deteriorate. North Korea is steadily advancing the expansion of its military capabilities and recently undertook significant changes in its nuclear doctrine. At the same time, the rapidly changing geopolitical context makes a resolution of the North Korean nuclear conflict even less likely. North Korea’s unilateral change of the status quo on the Korean Peninsula poses a serious challenge to the international community, which has few options to counter this threat that is far too dangerous to ignore.