Bislang hat die US-Administration unter Joe Biden im Bereich der nuklearen Rüstungskontrolle vor allem Ziele formuliert. Nun hat die US-Regierung dargelegt, wie sie die gestiegenen Risiken nuklearer Konflikte und eines Wettrüstens mit Russland und China eindämmen will. In einer mit Spannung erwarteten Rede bot der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, vergangene Woche Russland und China Gespräche über nukleare Rüstungskontrolle »ohne Vorbedingungen« an. Amerikas nukleare Modernisierung und konventionelle Waffen würden Moskau und Peking an den Verhandlungstisch bringen, so Sullivan.
Für eine fertige Strategie werfen die Pläne zu viele Fragen auf. Als Grundstein einer umfassenderen Herangehensweise, die den Druck auf Moskau und Peking sukzessive erhöht, wäre die Bekräftigung der Gesprächsbereitschaft zum jetzigen Zeitpunkt durchaus sinnvoll.
Kompetitive Rüstungskontrolle wird offizielle PolitikDie amerikanische Rüstungskontrollpolitik unter Biden folgt einer kompetitiven Logik: Abschreckung und Rüstungskontrolle werden als zwei Seiten einer Medaille verstanden. Vorbei sind die Jahrzehnte, in denen die Aufrechterhaltung des eigenen Nukleararsenals nur als vorübergehendes, notwendiges Übel angesehen wurde, bis weitere Abrüstungsschritte auf dem Weg zu einer kernwaffenfreien Welt folgen können.
Unter US-Präsident Biden gilt nun, dass der Ausbau der eigenen Abschreckungsfähigkeit es den USA erlaubt, nukleare Rüstungskontrolle aus einer Position der Stärke heraus zu betreiben. Die US-Regierung versteht Rüstungskontrolle ausdrücklich nicht als Mittel zur Überwindung der nuklearen Abschreckung, sondern zur Begrenzung der Fähigkeiten ihrer Rivalen Russland und China, damit die USA im geopolitischen Ringen der Großmächte im Idealfall ihre einseitigen militärischen Stärken besser ausspielen können.
Keine klaren Anreize für China und RusslandSo richtig es war, diese Logik offen zu legen, um nach innen sowie gegenüber Verbündeten und Partnern die Marschrichtung vorzugeben – umso mehr stellt sich die Frage: Was gedenkt Bidens Team zu tun, um Russland und China für seine kompetitive Art der nuklearen Rüstungskontrolle zu gewinnen? Denn wenn die USA nach einer Einigung viele der technologischen und militärischen Vorteile in der Hand hätten, ergibt es für China und Russland wenig Sinn, sich an Rüstungskontrolle zu beteiligen. Hier konnten Sullivans Antworten in der vergangenen Woche noch nicht vollends überzeugen.
Warum das Angebot, »ohne Vorbedingungen« in Rüstungskontrollgespräche einzutreten, verlockend genug sein soll, um Moskau und Peking zum Umdenken zu bewegen, erschließt sich ebenfalls nicht. Die bedingungslose amerikanische Verhandlungsbereitschaft wurde unter Biden selten in Frage gestellt. Russland hingegen hat sein ohnehin begrenztes Interesse an Rüstungskontrolle in den vergangenen Jahren weiter reduziert. So begrüßten russische Vertreter Sullivans »ohne Vorbedingungen«-Angebot, stellten aber ihrerseits die Bedingung, dass die USA ihre grundsätzlich russlandfeindliche Politik – also die Unterstützung der Ukraine – aufgeben müssten. China wiederum hat sich stets geweigert, auch nur an Gesprächen über die Begrenzung seines Atomarsenals teilzunehmen.
Zwischen geringen Chancen und langfristigen ZielenAuf die Frage, wie die Biden-Administration den Druck auf Russland und China zugunsten von Rüstungskontrolle erhöhen wolle, hatte Sullivan überraschend wenig Überzeugendes zu sagen. Er bestätigte die weitere Modernisierung der eigenen Atomstreitkräfte, lehnte aber den sich abzeichnenden Konsens unter US-Republikanern ab, dass das amerikanische Arsenal wachsen müsse, um mit den kombinierten Arsenalen Russlands und Chinas mithalten zu können. Die Biden-Administration werde sich weiterhin an die Obergrenzen von »New Start« halten, solange Russland dies auch tue, so Sullivan. Die USA bräuchten auch keine neu entwickelten Atomwaffen. Neben den bestehenden atomaren Fähigkeiten werde Bidens Amerika noch stärker auf nicht-nukleare Präzisionswaffen wie Hyperschallraketen setzen, um seine nuklearen Rivalen in Schach zu halten. Auch Weltraum- und Cyberfähigkeiten würden den USA helfen, ihren heutigen militärischen Vorsprung zu halten.
Ob das bereits eingepreiste US-Atomarsenal und bessere konventionelle Fähigkeiten als Druckmittel ausreichen, um Russland und China an den nuklearen Verhandlungstisch zu bringen und dort zu Zugeständnissen zu zwingen, darf bezweifelt werden. Die Biden-Administration scheint selbst nicht daran zu glauben, denn sie geht laut Sullivan davon aus, dass China in den 2030er Jahren nuklear ebenbürtig sein wird – trotz Amerikas vermeintlicher Trümpfe im Nuklear-, im Weltraum- und im Cyberbereich.
Historisch gesehen war die strategische Rüstungskontrollpolitik jedoch selten von Transparenz geprägt. Es ist daher möglich, dass Sullivans Zurückhaltung ein Zeichen dafür ist, dass die US-Regierung einen weitaus komplexeren und längerfristigen diplomatischen Ansatz verfolgt. Sollte dies der Fall sein, wäre das Ziel heute nicht, Moskau und Peking zum Umdenken zu bewegen, sondern die Voraussetzungen für eine spätere Druckstrategie zu schaffen. Heute hätten die USA öffentlich ihre Bereitschaft erklärt, »ohne Vorbedingungen« zu verhandeln; sie hätten das Wohlwollen der Verbündeten, der Partner und der internationalen Gemeinschaft gewonnen; sie könnten sich als verantwortungsbewusster Akteur moralisch im Recht fühlen.
Damit hätten die USA eine viel solidere Basis, um in einigen Jahren sagen zu können, sie hätten alles versucht und müssten jetzt endlich dazu übergehen, effektiven Druck auf Russland und China auszuüben, indem Washington glaubwürdig androht, konventionelle und nukleare Waffen auszubauen und zeitgleich Raketenabwehrsysteme zu verlegen. Eine solche Strategie würde beispielsweise eine erhöhte verstärkte Finanzierung der nuklearen Infrastruktur der USA, aber auch ein fundamentales Umdenken bei der Stationierung von Mittelstreckenraketen sowie eine Stärkung der militärischen Beziehungen zu den Verbündeten in Europa und Asien beinhalten.
Ob Sullivans Rede nur auf Optimismus beruht oder die Spitze eines strategischen Eisbergs ist, lässt sich heute noch nicht sagen. Letzteres ist aus europäischer Sicht zu hoffen.
Das Schwarze Meer ist ein Spannungsfeld. Es ist Schauplatz der Russland-Nato-Konfrontation und Projektionsfläche der russischen und türkischen Vorstellungen einer regionalen Ordnung. Die Sonderrolle der Türkei in der Region ergibt sich in erster Linie aus der Umsetzung des Vertrags von Montreux, der über weite Teile des vergangenen Jahrhunderts einseitige Einflussbereiche und Vormachtstellungen reduzierte. Die Nicht-Anrainer-Staaten sollen dabei außen vor bleiben. Für die Türkei ist der Vertrag von Montreux ein Machtinstrument. Der russische Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 hat es ihr ermöglicht, dieses Instrument noch stärker im Dienste der eigenen strategischen Interessen einzusetzen. Der Handlungsspielraum der Nato dagegen hat sich in der entstandenen Situation verengt. Zwar ist die Türkei ein wesentliches Element in der kollektiven Verteidigung der Allianz. Seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist die Nato aber nicht mehr im Schwarzen Meer präsent. Damit fehlt ein wichtiger Pfeiler zur Abschreckung und Verteidigung. Insofern gibt es im Schwarzmeerraum einen Dualismus der Ordnungsvorstellungen auf zwei unterschiedlichen Ebenen: der regionalen und der globalen.
The “Zeitenwende” in international politics implies a need to improve strategic thinking and better prepare for future challenges. Germany is already doing so by drafting strategic documents on national security and relations with China. With respect to Russia, a similar approach suggests itself. First, because Russia’s aggression against Ukraine has significantly worsened the situation in Europe and beyond for the foreseeable future. Second, because the conception of a Russia policy based on the principles declared since 2022 offers an opportunity to correct previous mistakes and transform measures that have emerged from a crisis situation into long-term policy.
Nur wenige Stunden nach dem Debakel seiner sozialistischen Partei PSOE bei den Kommunal- und Regionalwahlen am 28. Mai hat Pedro Sánchez einen Coup gelandet: Der spanische Ministerpräsident zog die ursprünglich für Ende Dezember angesetzten Parlamentswahlen auf den 23. Juli vor. Mit diesem riskanten Schritt, der ihn das Amt kosten könnte, überraschte er nicht nur politische Freunde und Gegner. Er hat sich auch einige taktische Vorteile verschafft: Die laute Kritik an seiner Person und seinem Führungsstil in der eigenen Partei wird schnell verstummen, alle Landesfürsten seiner Partei müssen sich trotz schmerzhafter Niederlagen in ihren Hochburgen hinter dem Ministerpräsidenten versammeln. Auch sein linker, zerstrittener Koalitionspartner Unidas Podemos wird durch diesen Schachzug gezwungen sein, sich schnell intern zu einigen, um in einer Allianz mit der PSOE in die Wahlen gehen zu können.
Es zeichnet sich ein klarer Lagerwahlkampf ab, der die politische Polarisierung im Land weiter vorantreiben dürfte. Denn mit der siegreichen konservativen Volkspartei Partido Popular steht dem Regierungslager ein politischer Gegner gegenüber, der das politische Momentum auf seiner Seite hat. PP-Chef Alberto Núñez Feijóo wird allerdings erklären müssen, wie er sich ein mögliches Bündnis der Volkspartei mit der rechtsextremen Vox als wichtigstem potenziellen Partner auf nationaler Ebene vorstellt. Die Vorverlegung der Wahlen könnte der PP und den anderen rechten Kräften weniger schaden als dem aktuellen Regierungsbündnis, das sich jetzt schnell neu aufstellen muss, um den Wählern noch als tragfähige Option für eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierung zu erscheinen.
Ein Regierungswechsel könnte zu einer Verschiebung der innenpolitischen Prioritäten führen und damit alte Gräben wieder aufreißen – sei es im Umgang mit Autonomiebestrebungen, Minderheiten und Migranten, der erreichten Neuausrichtung in der Klima- und Energiepolitik oder der Rücknahme der umstrittenen Sexualgesetzgebung. Mit der in den vergangenen Jahren zunehmenden Polarisierung ist die politische Mitte in Spanien erodiert, jede neue Regierung hat die Politik ihrer Vorgängerin zurückgedreht. Im Vorfeld der Wahlen, die die spanischen Wählerinnen und Wähler erstmals mitten in den Sommerferien zu den Urnen rufen, ist jedoch mit einer starken Personalisierung auf die beiden Spitzenkandidaten zu rechnen.
Belastungen für EuropaDa ein Regierungswechsel nur drei Wochen nach der Übernahme der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft durch Spanien stattfinden könnte, bringt die Vorverlegung der Wahlen auch eine gewisse Unsicherheit für die EU mit sich. Zwar ist es nicht das erste Mal, dass die rotierende Ratspräsidentschaft mit einer Parlamentswahl zusammenfällt – doch könnte die Polarisierung der spanischen Politik auch auf die europäische Ebene ausstrahlen, indem Themen, die auf europäischer Ebene zu entscheiden sind, im Wahlkampf instrumentalisiert und Entscheidungen aus Angst vor Gesichtsverlust blockiert oder aufgeschoben werden. Der parteiübergreifende Konsens über die Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft kann nicht mehr im Parlament beschlossen werden und droht im Wahlkampfgetöse unterzugehen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Wahlen keine klare Mehrheit im Parlament ergeben - die letzten Wahlen in Spanien im April 2019 mussten im November wiederholt werden, nachdem die Verhandlungen über eine Koalitionsregierung gescheitert waren. Eine solche Hängepartie wäre für den europäischen Prozess sehr belastend, da Verhandlungen über europäische Schlüsselfragen aus Zeitmangel der durch den Wahlkampf zu Hause gebundenen spanischen Führung verschoben werden müssten. Dies gilt umso mehr, als die spanische Ratspräsidentschaft als letzte rotierende Ratspräsidentschaft vor den Europawahlen 2024 eine Vielzahl von Gesetzgebungsdossiers abschließen müsste, um einen Rückstau zahlreicher europäischer Entscheidungsprozesse zu vermeiden, darunter die Reform des Strommarktes nach der Krise, die Regulierung künstlicher Intelligenz oder die Strategie zur Verhinderung der Abwanderung grüner Industrien.
Hinzu kommt die auch für Spanien zentrale Frage der Regulierung der Migration, bei der gemeinsame Positionen mit den Regierungen Italiens und Griechenlands gefunden werden müssen. Gerade auf den Schultern der Ratspräsidentschaft lastet hier die schwierige Aufgabe, mit diplomatischem Geschick einen Konsens der EU-27 herbeizuführen und den Verlauf der politischen Debatte zu beeinflussen.
Wenn Madrids Handlungsspielraum im Europäischen Rat durch den Wahlkampf und einen möglichen Regierungswechsel, ein politisches Führungsvakuum in Spanien und damit auch an der Spitze des Rates bedroht ist, werden viele Dossiers auf die nächste Ratspräsidentschaft verschoben, die Belgien im ersten Halbjahr 2024 innehaben wird, das bereits im Zeichen des Wahlkampfes zum Europäischen Parlament stehen wird. Um Verzögerungen zu vermeiden, wird es daher an den Mitgliedstaaten und den Brüsseler Instanzen liegen, die möglichen Bremsspuren der vorgezogenen Neuwahlen kurz zu halten und für Stabilität bei den internen Prozessen der europäischen Entscheidungsfindung zu sorgen.
Nach offiziellen Verlautbarungen besteht der Hauptzweck des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs (Quad) darin, die Zusammenarbeit der vier Partnerländer Australien, Indien, Japan und die USA bei der Bewältigung dringlicher Herausforderungen zu intensivieren; dazu zählen unter anderem Klimaschutz, Gesundheitspolitik oder maritime Sicherheit. In erster Linie ist es aber der Aufstieg Chinas und die mit ihm verbundene Infragestellung der US-Hegemonie in der Region, welche die vier Partner zusammenbringen. Minilaterale Kooperationsformate wie der Quad gewinnen zwar global an Bedeutung. Aber auch mehr als 15 Jahre nach dem Beginn formeller Diskussionsrunden und trotz verstärkter Zusammenarbeit erscheint der Sicherheitsdialog zwischen den vier ungleichen Partnern mehr als Symptom regionaler Instabilität denn als Abhilfe gegen sie.
Climate policy in the European Union (EU) and Germany changed significantly with the adoption of net-zero emissions targets. A key new development is the growing importance of carbon management. The umbrella term includes not only the capture and storage of CO2 (carbon capture and storage, CCS), but also CO2 capture and utilisation (carbon capture and utilisation, CCU) as well as the removal of CO2 from the atmosphere (carbon dioxide removal, CDR). It is important to provide clarity when differentiating between these approaches and identifying their relation to so-called residual emissions and hard-to-abate emissions. This is particularly important because it will determine the overall ambition of climate policy as well as shape future policy designs and their distributional impacts. Current policy and legislative processes should ensure that carbon management does not delay the phase-out of fossil fuels. New policy initiatives present an opportunity to actively shape the interface between ambitious climate and industrial policy.