Auf ihrer Februartagung einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf eine neue Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der EU. Sie berieten ferner über Migration und die Lage in Syrien und Libyen.
II MIGRATION
4. Als Reaktion auf die Migrationskrise, mit der die EU konfrontiert ist, muss es das Ziel sein, die Migrationsströme rasch einzudämmen, unsere Außengrenzen zu schützen, die illegale Migration zu verringern und die Integrität des Schengen-Raums zu wahren. Der Europäische Rat hat im Rahmen dieses umfassenden Ansatzes auf der Grundlage ausführlicher Berichte des Vorsitzes und der Kommission den Stand der Umsetzung der im Dezember vereinbarten Orientierungen bewertet.
5. Er begrüßt den Beschluss der NATO, Unterstützung bei der Aufklärung, Beobachtung und Überwachung illegaler Überfahrten im Ägäischen Meer zu leisten, und appelliert an alle Mitgliedstaaten der NATO, diese Maßnahme aktiv zu unterstützen. Die EU und insbesondere FRONTEX sollten eng mit der NATO zusammenarbeiten.
6. Die vollständige und rasche Umsetzung des Aktionsplans EU-Türkei bleibt ein vorrangiges Ziel, um die Migrationsströme einzudämmen und gegen die Menschenhändler- und Schleusernetze vorzugehen. Die Türkei hat Maßnahmen getroffen, um den Aktionsplan umzusetzen; diese Maßnahmen betreffen insbesondere den Zugang syrischer Flüchtlinge zum türkischen Arbeitsmarkt und den Datenaustausch mit der EU. Die Zahl der Migranten, die aus der Türkei nach Griechenland strömen, ist jedoch nach wie vor viel zu hoch. Die illegalen Einreisen aus der Türkei in die EU müssen deutlich und nachhaltig reduziert werden. Hier bedarf es weiterer entschlossener Anstrengungen auch von türkischer Seite, um die wirksame Umsetzung des Aktionsplans sicherzustellen. Der Europäische Rat begrüßt die Einigung über die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die vorrangigen Projekte rasch umzusetzen. Er begrüßt auch die Fortschritte, die bei der Ausarbeitung einer glaubhaften Regelung mit der Türkei über die freiwillige Aufnahme aus humanitären Gründen erreicht worden sind.
7. Zudem gilt Folgendes
a) In den Beziehungen zu einschlägigen Drittländern erfordern die umfassenden maßgeschneiderten Pakete von Anreizmaßnahmen, die derzeit für bestimmte Länder zusammengestellt werden, um eine wirksame Rückkehr/Rückführung und Rückübernahme zu gewährleisten, die uneingeschränkte Unterstützung der EU und der Mitgliedstaaten. Der Europäische Rat ruft die Kommission, die Hohe Vertreterin und die Mitgliedstaaten auf, alle Faktoren, durch die Migrationsströme ausgelöst werden können, zu überwachen und anzugehen.
b) Die Umsetzung der Ergebnisse und die operativen Folgemaßnahmen im Anschluss an das Gipfeltreffen von Valletta, insbesondere die Liste der sechzehn vorrangigen Maßnahmen, sollten fortgeführt und beschleunigt werden.
c) Syrische Flüchtlinge und die Nachbarländer Syriens sollten weiterhin humanitäre Hilfe erhalten. Dies ist eine vordringliche globale Verantwortung. In diesem Zusammenhang begrüßt der Europäische Rat die Ergebnisse der Konferenz zur Unterstützung Syriens und der Region, die am 4. Februar 2016 in London stattfand, und fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und alle anderen beitragenden Länder auf, ihre Zusagen rasch umzusetzen.
d) Die anhaltenden und nicht nachlassenden irregulären Migrationsströme entlang der Westbalkanroute geben nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis und erfordern ein weiteres konzertiertes Handeln sowie ein Ende der "Politik des Durchwinkens" und der unkoordinierten Maßnahmen entlang der Route, wobei den humanitären Auswirkungen für die betroffenen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen ist. Wichtig ist ebenfalls, mögliche Entwicklungen auf alternativen Routen aufmerksam zu verfolgen, um rasch und konzertiert reagieren zu können.
e) Der Rat hat am 12. Februar 2016 eine Empfehlung angenommen. Es ist wichtig, einen normal funktionierenden Schengen-Raum in konzertierter Weise wiederherzustellen, wobei diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in einer schwierigen Lage befinden, uneingeschränkte Unterstützung erhalten. Wir müssen wieder dahin zurückkehren, dass alle Mitglieder des Schengen-Raums den Schengener Grenzkodex vollständig anwenden und Drittstaatsangehörigen, die die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen oder keinen Asylantrag gestellt haben, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatten, an den Außengrenzen die Einreise verweigern, wobei den Besonderheiten der Seegrenzen Rechnung zu tragen ist, auch durch Umsetzung der EU-Türkei-Agenda.
f) Mit Hilfe der EU machen die Einrichtung und der Betrieb von Hotspots (Registrierungszentren) allmählich Fortschritte, was die Identitätsfeststellung, Registrierung und Abnahme von Fingerabdrücken sowie Sicherheitskontrollen von Personen und Reisedokumenten betrifft; es bleibt jedoch noch viel zu tun, insbesondere wenn es darum geht, die volle Funktionsfähigkeit der Hotspots herzustellen, die vollständige 100-prozentige Identitätsfeststellung und Registrierung bei allen Einreisen (einschließlich systematischer Sicherheitsüberprüfungen mit Abfrage europäischer Datenbanken, insbesondere dem Schengener Informationssystem, wie gemäß EU-Recht vorgesehen) sicherzustellen, den Prozess der Umsiedlung vollständig durchzuführen, Sekundärströme irregulärer Migranten und Asylsuchender einzudämmen und die umfangreichen Aufnahmeeinrichtungen bereitzustellen, die benötigt werden, um Migranten unter menschenwürdigen Bedingungen unterzubringen, bis ihr Status geklärt ist. Asylsuchende haben kein Recht darauf, den Mitgliedstaat, in dem sie Asyl beantragen wollen, frei zu wählen.
g) Um die humanitäre Lage der Migranten entlang der Westbalkanroute zu erleichtern, muss dringend unter Einsatz aller auf EU-Ebene und auf einzelstaatlicher Ebene verfügbaren Mittel gehandelt werden. Dazu hält es der Europäische Rat für erforderlich, dass jetzt die EU in die Lage versetzt wird, in Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem UNHCR intern humanitäre Hilfe zu leisten, um die Länder zu unterstützen, die mit einer großen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten konfrontiert sind, und sich dabei auf die Erfahrung der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Kommission zu stützen. Der Europäische Rat begrüßt die Absicht der Kommission, baldmöglichst konkrete Vorschläge zu unterbreiten.
h) Alle im Dezember vergangenen Jahres vereinbarten Elemente, einschließlich der Umsiedlungsbeschlüsse und Maßnahmen zur Rückkehr/Rückführung und Rückübernahme, sollten rasch umgesetzt werden. Auch sollten die Beratungen über den Vorschlag für die "Europäische Grenz- und Küstenwache" schneller vorangebracht werden, damit während des niederländischen Vorsitzes eine politische Einigung erzielt werden kann und das neue System so bald wie möglich einsatzbereit ist.
i) Der Europäische Rat ersucht die Europäische Investitionsbank, in Zusammenarbeit mit der Kommission zügig Ideen zu entwickeln, wie sie zur Antwort der EU beitragen kann.
8. Die im Dezember 2015 vereinbarte umfassende Strategie wird nur dann zu Ergebnissen führen, wenn alle darin enthaltenen Komponenten zusammen angegangen werden und die Institutionen und die Mitgliedstaaten gemeinsam und in umfassender Abstimmung handeln. Gleichzeitig sind Fortschritte bei der Reform des bestehenden Rahmens der EU erforderlich, um eine humane und wirksame Asylpolitik zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden im Anschluss an die heutigen eingehenden Beratungen die Vorbereitungsarbeiten intensiviert, damit auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates eine umfassende Aussprache geführt werden kann, denn es gilt, auf der Grundlage einer genaueren Beurteilung neue Orientierungen festzulegen und Entscheidungen zu treffen.
Morgen werden wir zur Tagung des Europäischen Rates zusammenkommen. Es wird ein entscheidender Moment für die Einheit unserer Union und die künftigen Beziehungen des Vereinigten Königreichs innerhalb Europas sein.
Nach den Konsultationen, die ich in den letzten Stunden geführt habe, muss ich offen sagen: Noch gibt es keine Garantie dafür, dass wir eine Einigung erzielen werden. In einigen politischen Fragen sind wir unterschiedlicher Auffassung, und ich bin mir voll und ganz der Tatsache bewusst, dass es nicht leicht sein wird, diese Differenzen zu überwinden. Daher appelliere ich eindringlich an Sie, sich weiterhin konstruktiv zu verhalten.
Die Verhandlungen sind weit vorangeschritten, und nun müssen wir die Gunst der Stunde nutzen. Eine bessere Gelegenheit für einen Kompromiss wird es nicht geben. Unsere Einheit macht uns stark, und wir müssen daran festhalten. Es wäre eine Niederlage für das Vereinigte Königreich ebenso wie für die Europäische Union, aber ein geopolitischer Sieg für alle, die danach trachten, uns zu spalten.
Bei unseren Beratungen werden wir uns auf den Vorschlag stützen, den ich am 2. Februar vorgelegt habe und zu dem unsere Sherpas einige technische und rechtliche Klarstellungen ausgearbeitet haben, die heute noch verteilt werden sollen. Alle politischen Fragen werden jedoch bis morgen offen bleiben. Das Ziel war von Anfang an klar: eine rechtsverbindliche und unumkehrbare Vereinbarung zu erzielen, die den Anliegen des Vereinigten Königreichs Rechnung trägt und gleichzeitig alle zufriedenstellt. Zugleich werden wir unsere Grundwerte nicht unterminieren. Mein Ziel ist es, dass wir in dieser Woche zu einer Lösung gelangen.
Zum Ablauf: Nach dem üblichen Gedankenaustausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und dem Familienfoto werden wir uns in der ersten Arbeitssitzung am Donnerstagnachmittag mit dem Thema des Vereinigten Königreichs befassen. Dabei werden alle Mitglieder die Gelegenheit haben, ihre Standpunkte vorzutragen und ihre Anliegen zu äußern. Da es um eine rechtsverbindliche Vereinbarung geht, werden wir Zeit brauchen, um über Nacht alle erforderlichen Änderungen zu prüfen, und uns am Freitagvormittag erneut mit dem Thema befassen.
Beim Abendessen werden wir die jüngsten Entwicklungen im Bereich Migration erörtern. Im Dezember haben wir uns auf eine Reihe von Prioritäten geeinigt, die dringend angegangen werden müssen. Aus den ausführlichen Berichten des niederländischen Vorsitzes und der Kommission geht hervor, dass die Strategie, die wir entwickelt haben, erste Ergebnisse zeitigt, dass die bislang erzielten Fortschritte jedoch nicht ausreichen. Ich möchte, dass wir alle Elemente der Gesamtstrategie mit Nachdruck weiterverfolgen. Am Ende der Beratungen sollten wir Einigung über die Schlussfolgerungen erzielen. Da der Aktionsplan EU-Türkei in unserer Strategie eine entscheidende Rolle spielt, werde ich zuvor mit Ministerpräsident Davutoğlu zusammentreffen, um die Fortschritte zu prüfen und zu erörtern, wie die Vereinbarung beschleunigt umgesetzt werden kann, um die Zahl derer, die illegal aus der Türkei in die EU einreisen, deutlich und langfristig zu senken.
Am Freitagvormittag werden wir zu einer informellen Arbeitssitzung zusammenkommen, um erneut über das Vereinigte Königreich zu beraten. Der Präsident des Europäischen Parlaments wird den Beratungen beiwohnen. Der genaue zeitliche Ablauft muss noch festgelegt werden, da wir gegebenenfalls bilaterale Konsultationen führen müssen. Sobald der endgültige Text vorliegt, werden wir uns wieder im Plenum treffen, um ihn förmlich anzunehmen.
Später werden wir uns mit der Lage in Syrien und Libyen befassen und die restlichen Schlussfolgerungen annehmen. Schließlich werden wir die Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet im Rahmen des neu gestalteten Europäischen Semesters billigen. Ich freue mich darauf, Sie morgen in Brüssel zu begrüßen.