Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
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Fri, 23/02/2018 - 09:33
Mit dem nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU nicht nur die finanziellen, sondern auch politischen Schwerpunkte bis 2030 fest. Während der MFR-Verhandlungen stellt sich damit die Frage, welche politischen Ziele die EU künftig verfolgen will. Die durch die EU entscheidend mitgestaltete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihre 17 Sustainable Development Goals (SDGs) sollten für diese Debatte richtungsgebend sein.
In der EU-Binnenpolitik sollte die Agenda 2030 dazu beitragen, das europäische Budget stärker auf sozial benachteiligte Gruppen zu fokussieren, den ökologischen Fußabdruck der EU zu reduzieren und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu befördern. Dadurch könnte der MFR zugleich die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für Europa stärken. In den EU-Außenbeziehungen erfordert die Agenda, nicht nur kurzfristige sicherheits- und migrationspolitische Interessen in den Vordergrund zu rücken, sondern das Budget auch an langfristigen entwicklungspolitischen Zielen auszurichten. So könnte die EU sich international und gegenüber Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern als Vorreiter für nachhaltige Entwicklung positionieren.
Für die Berücksichtigung der Agenda 2030 im nächsten MFR sind zwei Fragen zentral. Wo hat die EU die größten Defizite in der Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs? In welchen Bereichen kann der MFR wichtige Beiträge leisten? Wir machen fünf Vorschläge zur Berücksichtigung der Agenda 2030 im nächsten MFR. Diese Vorschläge sind komplementär und sollten parallel verfolgt werden:
(1) Prinzipien der Agenda 2030 im MFR verankern: Einzelne Prinzipien der Agenda 2030 wie Leave no one behind, Universalität und Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung fordern die EU auf, die SDGs nicht nur in den Außenbeziehungen, sondern z. B. auch in den Agrar- oder Strukturfonds zu berücksichtigen, die negativen Auswirkungen von EU-Politiken für Drittländer zu reduzieren und positive Wechselwirkungen zu fördern.
(2) Den SDGs einzelne Rubriken zuordnen: Der MFR sollte den globalen SDGs einzelne Rubriken zuordnen und Mindestkriterien festlegen, zu wie vielen SDGs und Targets jede Rubrik mindestens beitragen sollte. Alle Rubriken sollten die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – befördern.
(3) Nachhaltigkeitsprinzip mainstreamen: Das Nachhaltigkeitsprinzip sollte bereichsübergreifend verankert werden. Das heißt, das Klima-Mainstreaming müsste um Ziele für soziale und ökonomische Nachhaltigkeit ergänzt werden.
(4) In Rubrik IV (Außenbeziehungen) müsste die bilaterale Kooperation an den SDG-Strategien der Partner ausgerichtet werden. Es sollten zudem drei bis vier thematische Flagship-Programme zur Kooperation mit Ländern aller Einkommensgruppen bspw. in den Bereichen Urbanisierung, Ungleichheit oder Klimawandel geschaffen werden.
(5) Querschnittsthemen: Der Nachfolger des Programms Horizon 2020 sollte mehr in die Forschung zu Nachhaltigkeit investieren. Die Impact Assessments sollten stärker die soziale und ökologische Dimension von Nachhaltigkeit berücksichtigen. Der nächste MFR sollte klare Vorgaben zu nachhaltiger Beschaffung machen.
Fri, 19/01/2018 - 12:09
Das Nachhaltigkeitsziel 17 schreibt Multi-Stakeholder-Ansätzen eine wichtige Bedeutung für die Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) zu. Welche Vorteile und Wirkungen hat ein Multi-Stakeholder-Ansatz in Dezentralisierungsprogrammen?
Der Multi-Stakeholder-Ansatz zielt auf die Einbeziehung aller für einen Reformprozess relevanten Stakeholder aus Politik, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft. Im Rahmen von Dezentralisierungsprogrammen sieht der Ansatz meist eine gleichzeitige Kooperation mit politischen Akteuren (Angebotsseite) und Zivilgesellschaft (Nachfrageseite) vor. Er soll auf allen Ebenen eines Staates (also national, regional und kommunal) Anwendung finden.
Es gibt bisher wenige Studien darüber, welchen Beitrag ein Multi-Stakeholder-Ansatz zum Erfolg von Dezentralisierung leisten und wie er sein volles Potenzial entfalten kann. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass der Multi-Stakeholder-Ansatz die Effektivität wie auch die Nachhaltigkeit von Dezentralisierung stützt. Wichtig ist die horizontale wie vertikale Kooperation im Mehrebenensystem zur Förderung der Dezentralisierung:
· Die gleichzeitige Stärkung von Angebots- und Nachfrageseite erhöht die Effektivität von Dezentralisierungsreformen. Das Beispiel Bürgerbeteiligung zeigt: Die Kooperation mit der Gemeinde erleichtert der Zivilgesellschaft den Zugang; die Kooperation mit der Zivilgesellschaft ermöglicht ihr eine effektivere Beteiligung. Wird Bürgerbeteiligung so gestärkt, trägt sie eher zur Verbesserung kommunaler Dienste bei.
· Wenn Kooperation im Mehrebenensystem stattfindet, kann Dezentralisierung nachhaltiger gefördert werden: Internationale Akteure können z.B. gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Erfahrungen von der kommunalen Ebene in nationale Gesetzgebung einbringen und anschließend die Umsetzung auf kommunaler Ebene begleiten.
Um das Potenzial des Multi-Stakeholder-Ansatzes voll auszuschöpfen, ist Folgendes wichtig:
· Internationale Akteure sollten eine Balance finden bei der Unterstützung von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in Dezentralisierungsprozessen. Die (nichtstaatliche) Nachfrageseite erhält häufig weniger Aufmerksamkeit. Bei der Unterstützung verschiedener Akteure geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.
· Bürgerbeteiligung sollte zu sichtbaren Ergebnissen führen, damit die Bereitschaft zu zivilgesellschaftlichem Engagement langfristig etabliert wird. Deswegen ist das Follow-up von Bürgerbeteiligung auf Angebots- wie Nachfrageseite wichtig.
· Kontinuität und Intensität der Unterstützung sind wichtig für einen nachhaltigen Erfolg der Reformen.
Die Ergebnisse resultieren aus einem Forschungsprojekt des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik zur Wirkungsmessung von Governance-Programmen.
Fri, 19/01/2018 - 08:31
Die Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die Unterzeichnung des Übereinkommens von Paris Ende 2015 war ein entscheidender Moment der globalen Initiative für Nachhaltigkeit. Es besteht ein enormes Potenzial für positive Nebeneffekte durch eine sich wechselseitig unterstützende Umsetzung der 17 Ziele für nach¬haltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Agenda 2030 und der beabsichtigten nationalen Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs), die das rechtsverbindliche Übereinkommen von Paris tragen.
Die Länder-NDCs, d. h. ihre Klimapläne, enthalten nicht nur Verpflichtungen zur Emissionssenkung, sondern auch zu vielen weiteren Punkten, die für die nachhaltige Entwicklung von Bedeutung sind. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse einer detaillierten Analyse des Beitrags der NDC-Klimamaßnahmen zu den SDGs und ihren Zielvorgaben vorgestellt.
Nach dem Übereinkommen von Paris sollten die Länder alle fünf Jahre überarbeitete NDCs vorlegen, um die Zielvorgaben sukzessive hochzusetzen. Die erste vollständige Prüfung („weltweite Bestandsaufnahme“) steht 2023 an. Eine erste Bilanz wird jedoch schon 2018 gezogen („unterstützender Dialog“). Die Umsetzung der Agenda 2030 fußt auf den von Land zu Land unterschiedlichen nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung. Auf globaler Ebene greifen Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen auf dem jährlichen hochrangigen politischen Forum für nachhaltige Entwicklung (High Level Political Forum, HLPF) der Vereinten Nationen in New York.
Üblicherweise werden diese beiden Umsetzungsprozesse trotz der vielfältigen thematischen Überschneidungen und dem gemeinsamen Ziel einer globalen nachhaltigen Entwicklung getrennt behandelt. Unsere Analyse hebt dagegen hervor, dass die NDC-Klimamaßnahmen auch die Umsetzung vieler SDGs und ihrer Zielvorgaben unterstützen können. Sie decken thematisch nicht nur bedeutende Elemente für SDG 13, sondern auch für viele weitere Themen der nachhaltigen Entwicklung ab. Die NDC-Klimamaßnahmen machen zudem deutlich, dass die SDGs miteinander verflochten sind. So erzeugt eine Vielzahl der NDC-Klimamaßnahmen Synergien, die mehrere SDGs zugleich voranbringen können. Um positive Nebeneffekte zu erreichen, sollten NDCs und SDGs koordiniert umgesetzt werden. Auf diese Weise lassen sich 1) Doppelungen und damit Kosten vermeiden und 2) die Agenda 2030 auf Länderebene systematischer umsetzen, indem durch bereits verpflichtend festgelegte Maßnahmen nach den NDCs Synergien zwischen beiden Agenden erschlossen werden.
Eine Verknüpfung des Übereinkommens von Paris und der Agenda 2030 sollte erwogen werden, um Politikkohärenz zu erhöhen mit dem Ziel Synergien zu maximieren und Zielkonflikte reduzieren:
Im Kontext des Übereinkommens von Paris sollten die Länder zukünftige Überarbeitungen der NDCs nutzen, um ihre Klimamaßnahmen enger mit den SDGs zu koordinieren.
Im Kontext der Agenda 2030 sollten Strategien für nachhaltige Entwicklung die NDCs sinnvoll ergänzen.
Positive Nebeneffekte bieten das Potenzial, die Länder stärker zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu motivieren. Kompromisse sollten jedoch frühzeitig vermittelt werden, um beide Agenden erfolgreicher umsetzen zu können.
Sat, 23/12/2017 - 16:03
Der „Nothilfe Treuhandfonds der EU zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ur¬sachen irregulärer Migration und Vertreibung in Afrika“ (EUTF) stellt einen wesentlichen Bestandteil der EU-Migrationspolitik dar. Er ist mit großen Hoffnungen aber auch ernsthaften Sorgen bzgl. seiner Ziele und Aktivitäten verbunden.
Erklärtes Ziel des EUTF ist es, „die Ursachen von Destabilisierung, Zwangsvertreibung und irregulärer Migration zu bekämpfen“, was weithin als unrealistisch angesehen wird. Einige zentrale Akteure haben andere Ziele für den EUTF. Sie wollen Afrika Anreize zur Zusammenarbeit bei der Migrationssteuerung bieten und die Flexibilität des EUTF nutzen, um innovative Programme zu erarbeiten. In solchen innovativen Programmen könnte der größte Mehrwert des EUTF liegen.
Viele afrikanische Partner nehmen den EUTF als Teil einer von den Europäern oktroyierten Migrationspolitik wahr, die den europäischen Interessen stärker dient als den afrikanischen. Auch wenn mit den verschiedenen Ländern und Pro-jekten unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden, ist die Teilhabe der Afrikaner bei der Implementierung der EUTF-Projekte geringer als bei traditionellen Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Der EUTF riskiert, die afrikanischen Partner vor den Kopf zu stoßen und deren Ziele, Wissen und Fähigkeiten zu ignorieren.
Die Auswahl der EUTF-Projekte und Partner wird als intransparent kritisiert. Die Durchführungsorganisationen der EU-Mitgliedsstaaten spielen bei dessen Umsetzung die größte Rolle. Einige davon sehen den EUTF als Finanzierungsquelle für ihre regulären Entwicklungsprogramme. Dies wirft die Frage auf, welchen Mehrwert der EUTF gegenüber bestehenden Programmen bietet.
Der umstrittenste Aspekt des EUTF ist sein Potenzial, Entwick¬lungsgelder zugunsten der EU-Migrationspolitik umzu-leiten, auch wenn dies teilweise EU-Menschenrechts- und Entwicklungsverpflichtungen zuwiderläuft. Dies scheint Teil einer umfassenderen Entwicklung hin zu einer stär¬keren sicherheitspolitischen Nutzung der EU-Entwicklungspolitik zu sein. Zudem lässt der EUTF Grundsätze der Wirksamkeitsagenda außer Acht und weist Ländern Gelder aufgrund ihres Migrationsprofils zu.
Es könnten zahlreiche Maßnahmen getroffen werden, um den EUTF zu optimieren und die Chancen, die er bietet, besser zu nutzen. Dazu zählen eine transparentere und kon¬sultativere Projektentwicklung, die stärkere Zusammenarbeit mit und Ausrichtung auf die lokale Bevölkerung und deren Bedürfnisse, ein stärkerer Fokus auf die Auswahl der passenden Stellen für die Projektumsetzung und Lehren, die aus bestehenden Ansätzen und Daten gezogen werden können. Falls der EUTF richtungsweisend ist für die künftige EU-Entwicklungszusammenarbeit, dann lässt dies für die Priorisierung der Entwicklungsgrundsätze sowie die langfristigen Interessen und Beziehungen zwischen der EU und Afrika nichts Gutes ahnen.
Verschiedene Prozesse stehen an, die die Zukunft der EU-Afrika-Beziehungen beeinflussen werden. Anhand dieser muss untersucht werden, wie Europa und Afrika in der Migrationspolitik konstruktiver zusammenarbeiten können.
Fri, 22/12/2017 - 13:45
Sicherheitssektorreform (SSR) bildet ein Kernstück des Engagements der Europäischen Union (EU) zur Vermeidung gewalttätiger Konflikte und zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Der bestehende Rechtsrahmen schließt allerdings die Verwendung von EU-Haushaltsmitteln zur Finanzierung der Unterstützung der Streitkräfte von Partnerländern aus. Im Rahmen der Initiative zum Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung (CBSD) will die EU diese Finanzierungslücke schließen und die Finanzierung von Ausbildung, Ausrüstung und Infrastruktur für militärische Akteure ermöglichen. Dabei liegt der CBSD-Initiative die Annahme zugrunde, dass Sicherheit eine Bedingung für Entwicklung bildet und dass nachhaltige Entwicklung nur erreicht werden kann, wenn staatliche – einschließlich militärische – Institutionen über angemessene Kapazitäten verfügen.
Zur Umsetzung von CBSD hat die Europäische Kommission im Juli 2016 die Anpassung der Verordnung zur Schaffung des Instruments für Stabilität und Frieden (IcSP) vorgeschlagen. Das IcSP ist das Hauptinstrument der EU zur Finanzierung von Konfliktprävention und friedensfördernden Maßnahmen. Der Vorschlag der Kommission zur Änderung der IcSP-Verordnung sieht die Einführung neuer Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen von CBSD vor. Sowohl innerhalb der EU Institutionen als auch in der breiteren entwicklungspolitischen „Community“ wurde der Vorschlag der Kommission kontrovers diskutiert. Der vorliegende Artikel argumentiert, dass die Umsetzung von CBSD zu einer Versicherheitlichung der EU-Entwicklungspolitik beitragen kann. Die Bereitstellung von Training und Ausrüstung für militärische Akteure in Ländern wie Somalia und Mali ist notwendig, um die Glaubwürdigkeit und Effektivität der EU als sicherheitspolitischer Akteur sicherzustellen. Allerdings schafft die Verwendung des IcSP zur Finanzierung von CBSD-Aktivitäten einen Präzedenzfall für die Nutzung von entwicklungspolitischen Instrumenten im EU Haushalt zur Finanzierung der Unterstützung militärischer Akteure. Ohne Begründungszusammenhang zwischen den vorgeschlagenen Aktivitäten und den Zielen von EU-Entwicklungspolitik birgt CBSD das Risiko, dass Entwicklungspolitik sicherheitspolitischen Zielen untergeordnet wird.
Ein Schlüsselproblem der Debatte um CBSD besteht in der mangelnden Klarheit bezüglich des Umfangs der vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen. Überdies besteht erhebliche Unsicherheit im Hinblick auf die Rechtsgrundlage der IcSP-Änderungsverordnung. Und schließlich befürchten zivilgesellschaftliche Organisationen, dass CBSD einen Trend zur Verschiebung der EU Prioritäten weg von zivilen und hin zu militärischen Instrumenten zur Krisenbewältigung markiert.
Die wesentliche Herausforderung besteht darin, auf diese Bedenken und Vorbehalte einzugehen und eine geeignete, dauerhafte Regelung zur Finanzierung der CBSD-Aktivitäten im nächsten mehrjährigen EU Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027 zu finden. Kurzfristig sind eine höhere Transparenz der geplanten CBSD-Aktivitäten sowie eine substantielle Debatte über deren Verbindungen zu den Zielen von EU-Entwicklungspolitik notwendig. Mittelfristig sollte die EU ein spezifisches Instrument schaffen, dass die CBSD-Aktivitäten von der Finanzierung für zivile Konfliktprävention und friedensfördernde Maßnahmen trennt.
Thu, 21/12/2017 - 14:54
Die globale Migrationsgovernance ist in einer Phase des Umbruchs. Dafür gibt es zwei wesentliche Ursachen: Zum einen besteht eine Zweiteilung zwischen einem internationalen Flüchtlingsregime und einem (Arbeits-) Migrationsregime, die angesichts „gemischter“ Wanderungen problematisch ist. Zum anderen ist speziell die globale Migrationssteuerung durch fehlende normative Standards und eine institutionelle Fragmentierung gekennzeichnet. Diese Missstände sollen im Rahmen der derzeit zu verhandelnden Global Compact for Migration und des Global Compact on Refugees behandelt werden.
Eine entscheidende Frage ist, welche Rolle regionale Zusammenschlüsse von Staaten in einer zukünftigen globalen Migrationsarchitektur spielen werden. Denn grenzüberschreitende Flucht- und Migrationsprozesse finden überwiegend innerhalb von Regionen statt. Die regionale migrationspolitische Zusammenarbeit findet derzeit in drei Formaten statt, mit jeweils unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten: 1) Migrationssteuerung von Regionalorganisationen (z.B. ECOWAS oder I-GAD); 2) regionale Konsultationsprozesse (Regional Consultative Processes – kurz: RCPs) und 3) interregionale Kooperationsprozesse (z.B. Khartoum- und Rabat Prozesse).
Erfahrungen aus Afrika zeigen: Auf regionaler Ebene wurden wegweisende Normen bspw. in der Personenfreizügigkeit oder im Flüchtlingsrecht hervorgebracht. Das liegt nicht zuletzt an einigen Vorteilen regionaler Migrationsgovernance gegenüber globalen Formaten. So lassen sich eher gemeinsame Interessen finden, regionale Besonderheiten können besser berücksichtigt werden, und auch die Formulierung einer entwicklungsfördernden und kohärenten Migrationspolitik fällt im regionalen Kontext tendenziell leichter.
Allerdings ist die Umsetzung der Normen teils defizitär. Zudem werden insbesondere die Agenden interregionaler Kooperationsformate oftmals stark von wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen westlicher Geberländer beeinflusst, wodurch der Schutz von Rechten für Flüchtlinge und Migranten in den Hintergrund zu geraten droht und regionale Anliegen überlagert oder gar unterminiert werden.
Daher bedarf es in Ergänzung zu regionaler Migrationsgovernance auf globaler Ebene verbindliche, universelle Mindeststandards in Form völkerrechtlich verankerter Rechte und Schutznormen für Flüchtlinge und Migranten. Gleichzeitig sollte die regionale Ebene gestärkt werden. Denn sie kann wichtige Impulse für die Ausweitung von Schutznormen und die Umsetzung geordneter, sicherer und regulärer Migrationsbedingungen liefern.
Die Staatengemeinschaft muss dies in den Verhandlungen zu den globalen Compacts berücksichtigen. Die Beiträge der deutschen und europäischen Entwicklungspolitik sollten sich auf folgende Bereiche konzentrieren:
- Ausbau von Kapazitäten: Die Regionalorganisationen sollten in allen (und nicht nur sicherheitsrelevanten) Bereichen finanziell und technisch unterstützt werden.
- Austausch fördern: Dieser sollte zwischen regionalen Organisationen und globalen Akteuren und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren gestärkt werden.
- Einfluss erhöhen: Die Rolle von Regionalorganisationen bei der Umsetzung, Erfolgsbeobachtung und Überprüfung der Compacts muss vorangetrieben werden.
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Anne Koch: Research division “Global Issues”, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Benjamin Etzold: Bonn International Center for Conversion (BICC)
Mon, 18/12/2017 - 09:17
Obwohl in den meisten Entwicklungsländern das Einnahmenpotential auf subnationaler Ebene bescheiden ist, bestehen gute Gründe für verstärkte Bemühungen von Gebern und Entwicklungspartnern in diesem Bereich. Einerseits können lokal generierte Einnahmen – selbst wenn diese verglichen mit Einnahmen auf nationaler Ebene geringfügig sind – eine Erweiterung des finanziellen Spielraums der Kommunen durchaus begünstigen. Des Weiteren hoffen Geber durch eine starke Mobilisierung von Einnahmen auf lokaler Ebene neben zusätzlichen Finanzressourcen auch auf eine „Governance Dividende“.
Die Mobilisierung von Eigeneinahmen auf lokaler Ebene stellt daher nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch aus einer umfassenderen Governance-Perspektive ein relevantes Thema dar. Demzufolge ist eine stärkere Mobilisierung des lokalen Steuerpotentials kein Selbstzweck, sondern auch ein Mittel zur Förderung guter Regierungsführung.
Damit diese positiven Wirkungen auch erreicht werden können, benötigen Geber und Entwicklungspartner ein besseres Verständnis der Wirkungen soziopolitischer und administrativer Faktoren in diesem Bereich.
Im vorliegenden Papier werden die Ergebnisse einer Studie zu den Wirkungen dieser Faktoren auf die Mobilisierung von Eigeneinnahmen in mosambikanischen Kommunen zusammengefasst. Damit leisten wir einen Beitrag zu einer sich rasant entwickelnden Literatur zum Effekt dieser Faktoren auf unterschiedliche Aspekte der Öffentlichen Finanzen auf subnationaler Ebene.
Die Ergebnisse zeigen erstens, dass administrative Schwächen zu einer starken Abhängigkeit von verwaltungstechnisch weniger anspruchsvollen Einnahmeninstrumenten führen. Diese Erkenntnisse unterstreichen auch den systemischen Charakter des Prozesses der Einnahmenerhebung: Eine mangelhafte oder fehlende Kapazität im Hinblick auf nur einen Schritt hat bereits starke Auswirkungen auf die Effektivität und Effizienz des gesamten Erhebungssystems.
Zweitens zeigen Kommunen, in denen die auf nationaler Ebene regierende Partei nicht an der Macht ist, mehr Bemühungen zur Steigerung der Eigeneinnahmen als Kommunen, in denen die Regierungspartei mit der Partei an der Macht auf nationaler Ebene übereinstimmt. Dies zeigt, wie politische Faktoren auf lokaler Ebene, insbesondere in der Interaktion mit anderen Regierungsebenen, die Anreize für Kommunen stark beeinflussen können, ihr Einnahmenpotential auszuschöpfen.
Drittens scheint die Stärke der Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene keine Auswirkungen auf das finanzpolitische Verhalten der kommunalen Regierungen zu haben. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass, besonders auf lokaler Ebene, die Zivilgesellschaft in Mosambik zu schwach erscheint, um Initiativen oder Prozesse im Themenbereich Öffentliche Finanzen signifikant anzustoßen, zu begleiten und zu beeinflussen – selbst wenn Unterstützung durch die Geber vorhanden ist.
Aus den Ergebnissen lässt sich eine deutliche Empfehlung für Geber und Entwicklungspartner ableiten: Um zielgerichtete Maßnahmen zur Mobilisierung lokaler Eigeneinnahmen erfolgreich zu konzipieren und umzusetzen, müssen Geber und Entwicklungspartner soziopolitische und administrative Faktoren systematisch beachten. Dafür müssen Praktiker in diesem Themenbereich ihren Ansatz erweitern und noch stärker als bisher Zeit und Kapazitäten investieren, um die genannten Faktoren zu berück-sichtigen. Hemmende und fördernde Faktoren müssen identifiziert werden, um Strategien und Maßnahmen besser anpassen zu können.
Mon, 23/10/2017 - 15:32
Der verbesserte globale Zugang zu digitalen Technologien schafft Chancen aber auch Herausforderungen für Geber und die Hilfsorganisationen, mit denen sie im Rahmen der Unterstützung von Menschen auf der Flucht vor Kriegen, massiven Menschenrechtsverletzungen und anderen Notsituationen zusammenarbeiten. Digitale Technologien erleichtern es Flüchtlingen, aufeinander sowie auf Hilfsorganisationen zuzugehen und können die Effizienz institutioneller Bemühungen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, wie Medikamenten, Lebensmitteln und Geldern, verbessern.
Allerdings ist der effektive Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung von Flüchtlingen auch mit Herausforderungen verbunden. Dabei lautet die Schlüsselfrage für Geber: Welche Ansätze zur Digitalisierung bestehen im Umgang mit Fluchtprozessen, und welchen Aufschluss bieten diese Ansätze Gebern bezüglich des effizienten Einsatzes digitaler Technologien im Management von Migrationsprozessen?
Zur Beantwortung dieser Frage sollten sich Geber bei der Entwicklung einer digitalen Strategie zur Unterstützung von Flüchtlingen auf drei Aspekte konzentrieren:
- Geber sollten nicht nach einem „durch Technologie zu lösenden Problem“ suchen: Dies lässt sich am besten vermeiden, indem sie Kenntnisse darüber erwerben, wie und welche digitale Instrumente in Flüchtlings-Communities bereits genutzt werden. Oftmals haben Flüchtlinge bereits selbst innovative Möglichkeiten zur Befriedigung ihres Informationsbedarfs gefunden, während Geber finanzielle und technische Unterstützung zur Förderung des Zugangs zu bestehenden Technologien gewähren können.
- Die Neuentwicklung digitaler Tools bildet dann eine Option, wenn für die Bedürfnisse der Flüchtlinge bzw. der Mitarbeiter vor Ort kein bestehendes Tool verfügbar ist. Maßgeschneiderte Tools werden häufig am besten auf organisatorischer Ebene für die Verwaltung von Informationen oder Ressourcen eingesetzt. Geber sollten bei der Bildung von Partnerschaften neben auf Flüchtlinge organisierten NROs und Technologieunternehmen insbesondere auch die Innovationscenter der Vereinten Nationen (UN), wie z.B. den UNHCR Innovation Service, in Betracht ziehen.
- Gleichzeitig sollten Geber realistisch bezüglich der in digitale Lösungen gesetzten Erwartungen bleiben. Technologie kann nützlich sein, ist aber kein Allheilmittel für die Lösung jeder Herausforderung im Bereich des Informationsmanagements. Bei der Gestaltung digitaler Interventionen müssen ethische und Sicherheitsaspekte stets eine zentrale Rolle spielen. Geber müssen sicherstellen, dass Partner, mit denen sie zusammenarbeiten, die im Handbuch des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) zum Schutz digitaler Daten festgelegten Datenschutz- und -Sicherheitsstandards erfüllen können.
In der vorliegenden „Analyse und Stellungnahme“ wird ein Überblick über die Verwendung digitaler Tools durch Flüchtlinge gegeben. Des Weiteren werden Beispiele von Organisationen vorgestellt, die digitale Technologien einsetzen, und die Wirksamkeit sowie ethische Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung von Flüchtlingen erörtert. Durch Fokussierung auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen bei der Entwicklung von Technologielösungen und die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, die in der Lage sind, Sicherheitsstandards im Datenschutz zu erfüllen, wie z.B. dem UNHCR und Mercy Corps, können Geber digitale Tools bestmöglich zur Unterstützung von Flüchtlingen einsetzen.
Mon, 23/10/2017 - 15:32
Der verbesserte globale Zugang zu digitalen Technologien schafft Chancen aber auch Herausforderungen für Geber und die Hilfsorganisationen, mit denen sie im Rahmen der Unterstützung von Menschen auf der Flucht vor Kriegen, massiven Menschenrechtsverletzungen und anderen Notsituationen zusammenarbeiten. Digitale Technologien erleichtern es Flüchtlingen, aufeinander sowie auf Hilfsorganisationen zuzugehen und können die Effizienz institutioneller Bemühungen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, wie Medikamenten, Lebensmitteln und Geldern, verbessern.
Allerdings ist der effektive Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung von Flüchtlingen auch mit Herausforderungen verbunden. Dabei lautet die Schlüsselfrage für Geber: Welche Ansätze zur Digitalisierung bestehen im Umgang mit Fluchtprozessen, und welchen Aufschluss bieten diese Ansätze Gebern bezüglich des effizienten Einsatzes digitaler Technologien im Management von Migrationsprozessen?
Zur Beantwortung dieser Frage sollten sich Geber bei der Entwicklung einer digitalen Strategie zur Unterstützung von Flüchtlingen auf drei Aspekte konzentrieren:
- Geber sollten nicht nach einem „durch Technologie zu lösenden Problem“ suchen: Dies lässt sich am besten vermeiden, indem sie Kenntnisse darüber erwerben, wie und welche digitale Instrumente in Flüchtlings-Communities bereits genutzt werden. Oftmals haben Flüchtlinge bereits selbst innovative Möglichkeiten zur Befriedigung ihres Informationsbedarfs gefunden, während Geber finanzielle und technische Unterstützung zur Förderung des Zugangs zu bestehenden Technologien gewähren können.
- Die Neuentwicklung digitaler Tools bildet dann eine Option, wenn für die Bedürfnisse der Flüchtlinge bzw. der Mitarbeiter vor Ort kein bestehendes Tool verfügbar ist. Maßgeschneiderte Tools werden häufig am besten auf organisatorischer Ebene für die Verwaltung von Informationen oder Ressourcen eingesetzt. Geber sollten bei der Bildung von Partnerschaften neben auf Flüchtlinge organisierten NROs und Technologieunternehmen insbesondere auch die Innovationscenter der Vereinten Nationen (UN), wie z.B. den UNHCR Innovation Service, in Betracht ziehen.
- Gleichzeitig sollten Geber realistisch bezüglich der in digitale Lösungen gesetzten Erwartungen bleiben. Technologie kann nützlich sein, ist aber kein Allheilmittel für die Lösung jeder Herausforderung im Bereich des Informationsmanagements. Bei der Gestaltung digitaler Interventionen müssen ethische und Sicherheitsaspekte stets eine zentrale Rolle spielen. Geber müssen sicherstellen, dass Partner, mit denen sie zusammenarbeiten, die im Handbuch des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) zum Schutz digitaler Daten festgelegten Datenschutz- und -Sicherheitsstandards erfüllen können.
In der vorliegenden „Analyse und Stellungnahme“ wird ein Überblick über die Verwendung digitaler Tools durch Flüchtlinge gegeben. Des Weiteren werden Beispiele von Organisationen vorgestellt, die digitale Technologien einsetzen, und die Wirksamkeit sowie ethische Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung von Flüchtlingen erörtert. Durch Fokussierung auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen bei der Entwicklung von Technologielösungen und die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, die in der Lage sind, Sicherheitsstandards im Datenschutz zu erfüllen, wie z.B. dem UNHCR und Mercy Corps, können Geber digitale Tools bestmöglich zur Unterstützung von Flüchtlingen einsetzen.
Thu, 12/10/2017 - 09:02
Viele sehen in der Entwicklungszusammenarbeit einen Schlüssel zur Reduzierung der irregulären Zuwanderung aus Subsahara-Afrika. Doch Kritiker wenden ein, mehr sozio-ökonomische Entwicklung führe erfahrungsgemäß nicht zu weniger, sondern zu mehr Migration. Tatsächlich haben historische und ländervergleichende Untersuchungen gezeigt, dass in der Regel Auswanderung erst einmal zunimmt, wenn Länder durch Wirtschaftswachstum und entsprechend steigende Einkommen den Status eines „Low Income Country“ hinter sich lassen. Erst wenn sie den Status eines „Upper Middle Income Country“ erreichen, ist mit einer Abnahme der internationalen Migration zu rechnen. Dieser als „migration hump“ bezeichnete Zusammenhang zwischen Entwicklung und Migration gilt auch für Subsahara-Afrika. Allerdings lässt er sich nicht nur durch steigende Einkommen und höhere Bildung erklären. Vielmehr wird er auch durch andere Faktoren begünstigt. Dazu zählen: demographischer Wandel, wirtschaftlicher Strukturwandel, Nachahmungseffekte bei Migrationsprozessen, steigende Ungleichheit, Kreditrestriktionen und sinkende Migrationsbarrieren.
Die Folgerung, dass eine positive sozio-ökonomische Entwicklung in den Ländern Subsahara-Afrikas vor allem zu einer Zunahme der irregulären Zuwanderung nach Europa führen würde, ist also eine unzulässige Vereinfachung. Gerade irreguläre Migration wird nicht durch wirtschaftliche Motive alleine befeuert. Vielmehr handelt es sich hier um sogenannte „gemischte Wanderungen“, bei denen sich Motive freiwilliger und Zwangsmigration vermischen. Faktoren wie Korruption, unzureichende Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsverletzungen und fragile Staatlichkeit sind hier maßgebliche Treiber.
Entwicklungszusammenarbeit kann Migration nicht verhindern, zumal Afrikas Entwicklung nicht alleine von EZ abhängt. Vielmehr muss es bei der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Subsahara Afrika darum gehen, geordnete, sichere und legale Migration zu fördern, die wiederum ein positives Entwicklungspotenzial hat – und erzwungene, ungeordnete und irreguläre Migration zu unterbinden. Konkrete entwicklungspolitische Maßnahmen sollten daher beinhalten:
- Entwicklungspolitisch gestaltete Migrationsprozesse: Die Möglichkeiten der regulären Zuwanderung nach Deutschland und Europa müssen erweitert und flankiert werden (z.B. durch Qualifizierungsmaßnahmen).
- Unterstützung intraregionaler Migration: Die Bemühungen der afrikanischen Regionalorganisationen, intraregionale Migration – die einen Großteil der Migrationsbewegungen ausmacht – zu gestalten, sollten unterstützt werden.
- Verhinderung von Braindrain: Der Abwanderung von in den Herkunftsländern benötigten Fachkräften sollte durch gezielte Investitionen und neue Ansätze wie z. B. Ausbildungspartnerschaften entgegengewirkt werden.
- Förderung von guter Regierungsführung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Entwicklungspolitische Maß-nahmen in diesem Bereich können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Menschenrechtsverletzungen oder mangelnde Rechtsstaatlichkeit und somit Gründe für ungeordnete oder erzwungene Migration abnehmen.
Thu, 12/10/2017 - 09:02
Viele sehen in der Entwicklungszusammenarbeit einen Schlüssel zur Reduzierung der irregulären Zuwanderung aus Subsahara-Afrika. Doch Kritiker wenden ein, mehr sozio-ökonomische Entwicklung führe erfahrungsgemäß nicht zu weniger, sondern zu mehr Migration. Tatsächlich haben historische und ländervergleichende Untersuchungen gezeigt, dass in der Regel Auswanderung erst einmal zunimmt, wenn Länder durch Wirtschaftswachstum und entsprechend steigende Einkommen den Status eines „Low Income Country“ hinter sich lassen. Erst wenn sie den Status eines „Upper Middle Income Country“ erreichen, ist mit einer Abnahme der internationalen Migration zu rechnen. Dieser als „migration hump“ bezeichnete Zusammenhang zwischen Entwicklung und Migration gilt auch für Subsahara-Afrika. Allerdings lässt er sich nicht nur durch steigende Einkommen und höhere Bildung erklären. Vielmehr wird er auch durch andere Faktoren begünstigt. Dazu zählen: demographischer Wandel, wirtschaftlicher Strukturwandel, Nachahmungseffekte bei Migrationsprozessen, steigende Ungleichheit, Kreditrestriktionen und sinkende Migrationsbarrieren.
Die Folgerung, dass eine positive sozio-ökonomische Entwicklung in den Ländern Subsahara-Afrikas vor allem zu einer Zunahme der irregulären Zuwanderung nach Europa führen würde, ist also eine unzulässige Vereinfachung. Gerade irreguläre Migration wird nicht durch wirtschaftliche Motive alleine befeuert. Vielmehr handelt es sich hier um sogenannte „gemischte Wanderungen“, bei denen sich Motive freiwilliger und Zwangsmigration vermischen. Faktoren wie Korruption, unzureichende Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsverletzungen und fragile Staatlichkeit sind hier maßgebliche Treiber.
Entwicklungszusammenarbeit kann Migration nicht verhindern, zumal Afrikas Entwicklung nicht alleine von EZ abhängt. Vielmehr muss es bei der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Subsahara Afrika darum gehen, geordnete, sichere und legale Migration zu fördern, die wiederum ein positives Entwicklungspotenzial hat – und erzwungene, ungeordnete und irreguläre Migration zu unterbinden. Konkrete entwicklungspolitische Maßnahmen sollten daher beinhalten:
- Entwicklungspolitisch gestaltete Migrationsprozesse: Die Möglichkeiten der regulären Zuwanderung nach Deutschland und Europa müssen erweitert und flankiert werden (z.B. durch Qualifizierungsmaßnahmen).
- Unterstützung intraregionaler Migration: Die Bemühungen der afrikanischen Regionalorganisationen, intraregionale Migration – die einen Großteil der Migrationsbewegungen ausmacht – zu gestalten, sollten unterstützt werden.
- Verhinderung von Braindrain: Der Abwanderung von in den Herkunftsländern benötigten Fachkräften sollte durch gezielte Investitionen und neue Ansätze wie z. B. Ausbildungspartnerschaften entgegengewirkt werden.
- Förderung von guter Regierungsführung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Entwicklungspolitische Maß-nahmen in diesem Bereich können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Menschenrechtsverletzungen oder mangelnde Rechtsstaatlichkeit und somit Gründe für ungeordnete oder erzwungene Migration abnehmen.
Fri, 15/09/2017 - 13:57
Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance - ODA) wird überwiegend länderbezogen verteilt. Geber entscheiden unter Abwägung der Bedürfnisse von Entwicklungsländern sowie eigener Interessen, welches Land wie viel Unterstützung erhält. Anschließend wird über die Themenbereiche der Zusammenarbeit entschieden.
Allerdings gewinnt zunehmend ein alternativer Ansatz an Bedeutung: die thematische Allokation. Damit ist die Zuweisung von Mitteln für bestimmte Themen vor der Auswahl der Partnerländer gemeint. Die Sonderinitiativen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sowie die präsidentiellen US-Initiativen für Gesundheit und Ernährung sind hierfür prominente Beispiele.
ODA-Allokation stellt wichtige Weichen für den Einsatz knapper, öffentlicher Gelder. Globale Veränderungen werfen die Frage auf, ob Mittel weiterhin primär länderbezogen oder eher thematisch verteilt werden sollten. Entwicklungszusammenarbeit ist historisch auf die Unterstützung ärmerer Länder ausgerichtet. Diese Länder sind mittlerweile jedoch sehr unterschiedlich (fragile Staaten, graduierte Länder, etc.). Die Nord-Süd-Logik hinter dem Begriff „Entwicklungsland“ verliert im Kontext der universellen 2030 Agenda an Bedeutung. Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind thematisch gegliedert. Viele Herausforderungen erfordern länderübergreifende Lösungen (z.B. Klima, Gesundheit, Migration).
Thematische Allokation richtet Entwicklungszusammenarbeit an internationalen Herausforderungen aus. Bisherige Erfahrungen zeigen damit verbundene Chancen und Risiken. Thematische Allokation kann Mittel für wichtige Anliegen mobilisieren, Ressourcen bündeln und die Sichtbarkeit der Zusammenarbeit erhöhen. Sie ermöglicht länderübergreifende Zusammenarbeit, bietet Raum für Innovationen und ist flexibler. Jedoch umgehen einige Initiativen lokale Kapazitäten und die Institutionen der Partnerländer häufiger als bei länderbezogener Allokation. In anderen Fällen entstehen unkoordinierte Parallelstrukturen, die laufende Aktivitäten nicht ausreichend berücksichtigen.
Um die Ziele der 2030 Agenda zu erreichen, wird thematische Allokation in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Geber sollten daher systematisch prüfen, wie stark sie sich künftig thematisch ausrichten wollen. Darin liegt eine Chance, Vorteile besser zu nutzen und Risiken zu minimieren.
Die Herausforderung besteht insbesondere darin, den flexibleren Kooperationsrahmen thematischer Allokation wirksam zu nutzen. Dazu sollten Geber ihr Profil schärfen und Themen entsprechend ihrer komparativen Vorteile auswählen. Geber benötigen zudem Strukturen, um die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure zu einem Thema intern (z.B. durch Whole-of-Government-Ansätze) und extern kohärent zu steuern. Schließlich sollten Geber Vorkehrungen treffen, um die Eigenverantwortung der Partnerländer bei einem Perspektivwechsel von Ländern zu Themen zusätzlich zu stärken.
Fri, 15/09/2017 - 13:57
Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance - ODA) wird überwiegend länderbezogen verteilt. Geber entscheiden unter Abwägung der Bedürfnisse von Entwicklungsländern sowie eigener Interessen, welches Land wie viel Unterstützung erhält. Anschließend wird über die Themenbereiche der Zusammenarbeit entschieden.
Allerdings gewinnt zunehmend ein alternativer Ansatz an Bedeutung: die thematische Allokation. Damit ist die Zuweisung von Mitteln für bestimmte Themen vor der Auswahl der Partnerländer gemeint. Die Sonderinitiativen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sowie die präsidentiellen US-Initiativen für Gesundheit und Ernährung sind hierfür prominente Beispiele.
ODA-Allokation stellt wichtige Weichen für den Einsatz knapper, öffentlicher Gelder. Globale Veränderungen werfen die Frage auf, ob Mittel weiterhin primär länderbezogen oder eher thematisch verteilt werden sollten. Entwicklungszusammenarbeit ist historisch auf die Unterstützung ärmerer Länder ausgerichtet. Diese Länder sind mittlerweile jedoch sehr unterschiedlich (fragile Staaten, graduierte Länder, etc.). Die Nord-Süd-Logik hinter dem Begriff „Entwicklungsland“ verliert im Kontext der universellen 2030 Agenda an Bedeutung. Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind thematisch gegliedert. Viele Herausforderungen erfordern länderübergreifende Lösungen (z.B. Klima, Gesundheit, Migration).
Thematische Allokation richtet Entwicklungszusammenarbeit an internationalen Herausforderungen aus. Bisherige Erfahrungen zeigen damit verbundene Chancen und Risiken. Thematische Allokation kann Mittel für wichtige Anliegen mobilisieren, Ressourcen bündeln und die Sichtbarkeit der Zusammenarbeit erhöhen. Sie ermöglicht länderübergreifende Zusammenarbeit, bietet Raum für Innovationen und ist flexibler. Jedoch umgehen einige Initiativen lokale Kapazitäten und die Institutionen der Partnerländer häufiger als bei länderbezogener Allokation. In anderen Fällen entstehen unkoordinierte Parallelstrukturen, die laufende Aktivitäten nicht ausreichend berücksichtigen.
Um die Ziele der 2030 Agenda zu erreichen, wird thematische Allokation in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Geber sollten daher systematisch prüfen, wie stark sie sich künftig thematisch ausrichten wollen. Darin liegt eine Chance, Vorteile besser zu nutzen und Risiken zu minimieren.
Die Herausforderung besteht insbesondere darin, den flexibleren Kooperationsrahmen thematischer Allokation wirksam zu nutzen. Dazu sollten Geber ihr Profil schärfen und Themen entsprechend ihrer komparativen Vorteile auswählen. Geber benötigen zudem Strukturen, um die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure zu einem Thema intern (z.B. durch Whole-of-Government-Ansätze) und extern kohärent zu steuern. Schließlich sollten Geber Vorkehrungen treffen, um die Eigenverantwortung der Partnerländer bei einem Perspektivwechsel von Ländern zu Themen zusätzlich zu stärken.
Mon, 24/07/2017 - 14:59
Wenn ein mit der 2°C-Verpflichtung kompatibler Weg erreicht werden soll, besteht eine enorme Investitionslücke, die sowohl mit öffentlichen als auch mit privaten Geldern finanziert werden muss. Grüne Anleihen haben das Potenzial, bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft eine wichtige Rolle zu spielen. Dieses Potenzial spiegelt sich in der Entwicklung des Marktes der grünen Anleihen wider. Die Jahresemission der zertifizierten grünen Anleihen wuchs von 2,6 Mrd. USD im Jahr 2012 auf 82 Mrd. USD im Jahr 2016 und für 2017 erwartet die Climate Bonds Initiative einen Anstieg auf 150 Mrd. USD.
Nach den freiwilligen Grundsätzen für grüne Anleihen (Green Bond Principles, GBPs), dem am weitesten verbreiteten angenommenen internationalen Standard, sind grüne Anleihen eine beliebige Art von Anleiheinstrumenten, deren Erträge genutzt werden, um neue und/oder vorhandene „qualifizierte" grüne Projekte teilweise oder vollständig zu finanzieren oder zu refinanzieren.
Eines der größten Probleme der weiteren Entwicklung des Marktes ist das Fehlen harmonisierter Standards. Obwohl mehrere internationale (einschließlich der GBPs und des Climate Bonds Standard) und nationale Standards für grüne Anleihen die Transparenz, die Anleihestruktur und die Bilanzierung verbessert haben, gibt es keine allgemeingültigen Definitionen dazu, was eine „grüne“ Anleihe ist. Die Architektur von Standards für grüne Anleihen auf nationaler und internationaler Ebene ist fragmentiert. Mehrere freiwillige Standards und verschiedene Instrumente für die Zertifizierung grüner Anleihen sind eingerichtet worden, einschließlich Zweitgutachten, grüner Bewertungen und Anleiheindizes.
Einerseits müssen bestehende Standards auf internationaler und nationaler Ebene besser harmonisiert werden, da unterschiedliche Standards das Anlegervertrauen schmälern und ihre Transaktionskosten erhöhen. Darüber hinaus müssen die verschiedenen Zertifizierungsmodelle für grüne Anleihen, einschließlich der Anbieter von Zweitmeinungen, entsprechend angepasst werden. Um den effizienten Handel am Markt zu fördern und die Liquidität zu erhöhen, sollte die Harmonisierung der grünen Anleiheindizes und der Notierungen von grünen Anleihen verbessert werden. Andererseits ist zum Teil Diversität auf nationaler Ebene und über verschiedene Arten von grünen Anleihen, angesichts länderspezifischer Umstände und um die verschiedenen Zwecke von grünen Anleihen zu berücksichtigen, erforderlich. Wenn unterschiedliche Standards notwendig sind, muss jedoch transparent sein, welche Unterschiede zu den allgemein anerkannten Standards bestehen.
Für die Entwicklung harmonisierter Standards ist ein reger Dialog unter den Marktteilnehmern äußerst wichtig. Die jährliche Beratung der International Capital Market Association zu den GBPs und die von der Climate Bonds Initiative organisierten Beratungen sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Gleichermaßen stellt die laufende Arbeit verschiedener Behörden und Akteure des privaten Finanzmarktes an einem „Termsheet“ für grüne Anleihen, einschließlich von Standards für die Definition, Zertifizierung und Validierung, eine wichtige Initiative dar.
Die G20 können die Harmonisierung von Standards für grüne Anleihen unterstützen, indem sie eine wichtige Dialogplattform für staatliche und private Finanzakteure bereitstellen. Die nationalen Gremien der G20-Länder könnten eine Vorreiterrolle bei der Förderung und Umsetzung von harmonisierten Standards für grüne Anleihen übernehmen. Sie sollten ihre unterschiedlichen nationalen Standards besser untereinander anpassen und diese in Übereinstimmung mit internationalen Standards bringen.
Mon, 24/07/2017 - 14:59
Wenn ein mit der 2°C-Verpflichtung kompatibler Weg erreicht werden soll, besteht eine enorme Investitionslücke, die sowohl mit öffentlichen als auch mit privaten Geldern finanziert werden muss. Grüne Anleihen haben das Potenzial, bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft eine wichtige Rolle zu spielen. Dieses Potenzial spiegelt sich in der Entwicklung des Marktes der grünen Anleihen wider. Die Jahresemission der zertifizierten grünen Anleihen wuchs von 2,6 Mrd. USD im Jahr 2012 auf 82 Mrd. USD im Jahr 2016 und für 2017 erwartet die Climate Bonds Initiative einen Anstieg auf 150 Mrd. USD.
Nach den freiwilligen Grundsätzen für grüne Anleihen (Green Bond Principles, GBPs), dem am weitesten verbreiteten angenommenen internationalen Standard, sind grüne Anleihen eine beliebige Art von Anleiheinstrumenten, deren Erträge genutzt werden, um neue und/oder vorhandene „qualifizierte" grüne Projekte teilweise oder vollständig zu finanzieren oder zu refinanzieren.
Eines der größten Probleme der weiteren Entwicklung des Marktes ist das Fehlen harmonisierter Standards. Obwohl mehrere internationale (einschließlich der GBPs und des Climate Bonds Standard) und nationale Standards für grüne Anleihen die Transparenz, die Anleihestruktur und die Bilanzierung verbessert haben, gibt es keine allgemeingültigen Definitionen dazu, was eine „grüne“ Anleihe ist. Die Architektur von Standards für grüne Anleihen auf nationaler und internationaler Ebene ist fragmentiert. Mehrere freiwillige Standards und verschiedene Instrumente für die Zertifizierung grüner Anleihen sind eingerichtet worden, einschließlich Zweitgutachten, grüner Bewertungen und Anleiheindizes.
Einerseits müssen bestehende Standards auf internationaler und nationaler Ebene besser harmonisiert werden, da unterschiedliche Standards das Anlegervertrauen schmälern und ihre Transaktionskosten erhöhen. Darüber hinaus müssen die verschiedenen Zertifizierungsmodelle für grüne Anleihen, einschließlich der Anbieter von Zweitmeinungen, entsprechend angepasst werden. Um den effizienten Handel am Markt zu fördern und die Liquidität zu erhöhen, sollte die Harmonisierung der grünen Anleiheindizes und der Notierungen von grünen Anleihen verbessert werden. Andererseits ist zum Teil Diversität auf nationaler Ebene und über verschiedene Arten von grünen Anleihen, angesichts länderspezifischer Umstände und um die verschiedenen Zwecke von grünen Anleihen zu berücksichtigen, erforderlich. Wenn unterschiedliche Standards notwendig sind, muss jedoch transparent sein, welche Unterschiede zu den allgemein anerkannten Standards bestehen.
Für die Entwicklung harmonisierter Standards ist ein reger Dialog unter den Marktteilnehmern äußerst wichtig. Die jährliche Beratung der International Capital Market Association zu den GBPs und die von der Climate Bonds Initiative organisierten Beratungen sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Gleichermaßen stellt die laufende Arbeit verschiedener Behörden und Akteure des privaten Finanzmarktes an einem „Termsheet“ für grüne Anleihen, einschließlich von Standards für die Definition, Zertifizierung und Validierung, eine wichtige Initiative dar.
Die G20 können die Harmonisierung von Standards für grüne Anleihen unterstützen, indem sie eine wichtige Dialogplattform für staatliche und private Finanzakteure bereitstellen. Die nationalen Gremien der G20-Länder könnten eine Vorreiterrolle bei der Förderung und Umsetzung von harmonisierten Standards für grüne Anleihen übernehmen. Sie sollten ihre unterschiedlichen nationalen Standards besser untereinander anpassen und diese in Übereinstimmung mit internationalen Standards bringen.
Fri, 30/06/2017 - 09:07
Ein Großteil der Bevölkerung in Subsahara Afrika (SSA) lebt in ländlichen Gebieten und ist direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig. Da Land meist von Kleinbauern manuell mit der Handhacke bewirtschaftet wird, ist die Produktion und Produktivität der Arbeitskraft (und damit das Einkommen) gering und die Arbeitsbelastung hoch. Ähnliche Bedingungen herrschen auch in nachgelagerten Bereichen von der Verarbeitung über den Transport bis hin zur Vermarktung. Dies hat häufig negative gesundheitliche Folgen für die Arbeitenden, viele von ihnen Frauen, und macht den Agrarsektor eher unattraktiv. Junge Menschen, insbesondere wenn sie über eine gute (Schul)ausbildung verfügen, bevorzugen eine Arbeit in der Stadt und verlassen den ländlichen Raum. Neben der hohen Arbeitsbelastung sind hohe Ernte- und Nachernteverluste, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, geringe Agrarexporte und hohe -importe weitere Konsequenzen manueller Bewirtschaftung.
Landwirtschaftliche Mechanisierung kann zu Verbesserungen dieser Situation beitragen. Die Bedeutung der Agrarmechanisierung zeigt sich in der Erklärung der Afrikanischen Union in der Vision „2063: The Africa we want“, bis 2025 die Handhacke abzuschaffen. Sie ist Kern einer umfassenderen Agrarmodernisierungsstrategie. Wenn sie sinnvollerweise nur graduell für besonders geeignete Vorgänge und Arbeitsengpässe umgesetzt wird, trifft ein häufig gemachter Vorwurf nicht unbedingt zu: Mechanisierung kostet Arbeitsplätze. Tatsächlich kann die Arbeitsplatzbilanz der Mechanisierung durchaus positiv sein.
Damit die Mechanisierung in der Landwirtschaft erfolgreich wird, gilt es allerdings eine Reihe von Aspekten zu beachten:
- Nicht jeder machbare Mechanisierungsschritt ist für jeden Kleinbetrieb ökonomisch sinnvoll. Alternative Nutzungsmodelle (Maschinenringe, größere Agrarbetriebe, spezialisierte Dienstleistungsbetriebe, Vertragsanbau) sowie angepasste Technologien (z. B. zweirädrige Zugmaschinen) können Mechanisierung aber auch für sie zugänglich machen. Oft sind zusätzliche Anbau- und Vermarktungsmaßnahmen notwendig.
- Zuverlässige und schnelle Ersatzteilversorgung, Reparaturservice, Betriebsmittel und Kraftstoff- bzw. Energieversorgung müssen gewährleistet werden.
- Spezifische Finanzprodukte können den Zugang zu Mechanisierung erleichtern, bspw. kombinierte Kredite für Abnehmer und Anbieter, Spar- und Kreditprodukte oder Leasingmodelle.
- Mechanisierungsprozesse sollten marktbasiert gefördert werden; die Rolle des Staates sollte sich auf Unterstützung beschränken. Subventionen sollten dabei „smart“ sein, d.h. möglichst wenig marktverzerrend, zeitlich befristet und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Akteure und Systeme fördernd.
- Entlang der Wertschöpfungsketten sollte die berufliche Kompetenz durch Schulungen erhöht werden, entweder durch den privaten oder den öffentlichen Sektor.
- Finanz- und Agrarsektor müssen gemeinsam Lösungen für spezielle Mechanisierungsbedarfe finden und bei der Suche nach Lösungen unterstützt werden.
Mon, 26/06/2017 - 14:36
Die in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) sind universell und gelten für alle Länder, wobei jedes Land eigene Prioritäten festlegen kann. Um der Sorge zu begegnen, dass dabei die Unterstützung der Armutsprobleme der Entwicklungsländer auf der Strecke bleibt, haben sich Industrieländer wie Deutschland verpflichtet, nationale Herausforderungen mit internationalen Zielen zu verknüpfen, insbesondere den armen Entwicklungsländern gegenüber – gemäß dem Agenda-Prinzip Leaving no one behind.
Wir haben die am 11. Januar 2017 beschlossene Neuauflage der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ (DNS), die Maßnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030 aufzeigt, im Hinblick auf ein wesentliches Anliegen der Entwicklungsländer analysiert – Ziel Nummer 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
Insbesondere haben wir die Indikatoren analysiert, d.h. den messbaren Kern der Strategie. Doch die in der DNS verwendeten Indikatoren beziehen die unmittelbaren Bedürfnisse der Entwicklungsländer nicht ein. Die Maßnahmen auf nationaler Ebene zielen vor allem auf die Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit der deutschen Landwirtschaft ab: Speziell werden zwei verifizierbare Indikatoren für die Verbreitung des ökologischen Landbaus und die Verringerung des Stickstoffüberschusses in der Landwirtschaft benannt.
Diese Ziele sind für Deutschland sicher sinnvoll und können zur Erreichung anderer SDGs (z.B. Wasser, Biodiversität, Gesundheit) beitragen. Sie leisten jedoch kaum einen Beitrag zum Kern des SDG 2. Im Gegenteil, die möglichen Folgen der beiden Indikatoren auf die Ernährungssicherung in Entwicklungsländern, und damit ihre entwicklungspolitische Kohärenz, werden nicht berücksichtigt. Die Folgen können Agrar-Extensivierung und damit tendenziell steigende Nahrungsmittelpreise sein. Unberücksichtigt bleiben auch andere Politikbereiche, die große Wirkung auf globale Ernährungssicherung haben (können), wie Bioenergie und Agrarhandel.
Für den internationalen Bereich werden zwar wichtige Maßnahmen genannt, die von Deutschland für die Erreichung von SDG 2 nötig sind und umgesetzt werden. Allerdings fehlen überprüfbare Indikatoren und Zusagen, dass diese Bemühungen in Zukunft fortgesetzt werden.
Insgesamt wird die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie dem Anspruch der Agenda 2030 in Bezug auf SDG 2 bisher nicht gerecht. Was müsste sich in der für 2018 geplanten Weiterentwicklung der DNS ändern?
- Im nationalen Bereich wäre ein Indikator zur (Prüfung von und Bemühung um) Kohärenz von nationalen Politik-maßnahmen mit SDG 2 notwendig.
- Für die internationale Ebene bedarf es einer glaubhaften Absicherung des derzeitigen Engagements im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bzw. einer Selbstverpflichtung zur Steigerung des deutschen Beitrags auch nach Ende der Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“.
- Zielführend sind Indikatoren für die Nachhaltigkeit der gesamten deutschen Landwirtschaft, des Konsums von Agrarprodukten, insbesondere tierischer Produkte, und für genetische Vielfalt.
Wed, 21/06/2017 - 08:18
Bewässerung kann die landwirtschaftliche Produktivität verbessern und stabilisieren und damit zu Ernährungssicherung und Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel beitragen. Eine vollständige oder ergänzende Bewässerung verringert die Abhängigkeit von unregelmäßigen Niederschlägen und Dürren und steigert die Erträge. Sie verlängert die Anbauperioden und -zyklen, verbreitert das Spektrum der Anbaupflanzen und schafft stabile Voraussetzungen für weitere ertragssteigernde Maßnahmen (Dünger). Darüber hinaus motiviert Bewässerung Landwirte zu Investitionen und Finanzinstitute zur Gewährung von Krediten. Schließlich hat sich in Asien gezeigt, dass Bewässerung sowohl Armut als auch Einkommensungleichheiten reduzieren kann.
In einer Reihe von Ländern Subsahara-Afrikas (SSA) besteht nach wie vor erhebliches Potenzial zum Ausbau der Bewässerungsflächen. Bewässerung in kleinem Rahmen kann (trotz bestimmter Schwierigkeiten und Risiken) von einzelnen Landwirten oder Gruppen von Landwirten organisiert werden. In größerem Maßstab ist dies jedoch keine Option: Bauerngruppen sind damit häufig überfordert, die öffentlichen Mittel für die hohen Investitionen sind begrenzt und das öffentliche Management von Bewässerungsprogrammen hat sich häufig als nachteilig erwiesen.
Stattdessen, so wird hier argumentiert, können Bewässerungsprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) für Kleinlandwirte, ländliche Gemeinschaften und Investoren eine vorteilhafte Option sein, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Inklusive ÖPPs sind mit folgenden Herausforderungen verbunden:
Da Wasser als öffentliches Gut gilt, Bewässerungsanlagen Allmende-Ressourcen sind und in SSA spezifische Landbesitzstrukturen herrschen, muss der Staat bei den Land- und Wassernutzungsrechten und dem Schutz öffentlicher Güter aktiv sichere und stabile Voraussetzungen für Investitionen schaffen.
In SSA-Ländern sind Investitionen in die Wasserinfrastruktur allein nicht ausreichend. Sie müssen in ein umfassendes Unterstützungsprogramm mit Zugang zu Beratung und Finanzprodukten, Betriebsmitteln und vor allem stabilen Märkten eingebettet sein.
Allen von uns analysierten erfolgreichen ÖPPs in SSA ist gemein, dass Kleinlandwirte für den Geschäftsbetrieb Haftungsgesellschaften in Eigenbesitz gegründet haben. Diese Unternehmen haben für Bewässerungsmanagement, Serviceleistungen und Marktzugang Verträge mit privaten Unternehmen geschlossen. Die Landwirte sind in den Verwaltungsräten ihrer Unternehmen vertreten. Für solche Vereinbarungen müssen Kleinlandwirte langfristig mit Weiterbildung, Hilfe bei der Vertragsgestaltung und dem Erwerb von Managementkompetenzen unterstützt werden.
ÖPP-Vereinbarungen erfordern länder- und ortsspezifische Lösungen und müssen die Risiken der beteiligten Parteien berücksichtigen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Partnerschaften entwicklungsfördernd, wirtschaftlich tragfähig und umweltschonend sind.
Wed, 24/05/2017 - 11:36
In der G20, der EU und in Deutschland fordern derzeit viele Stimmen einen Quantensprung in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika. Im Gegensatz dazu wird die Diskussion zu den EU-Afrika-Handelsbeziehungen aber häufig nur auf die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs) reduziert.
Die Geschichte der EPA-Verhandlungen begann im Jahr 2000 mit der Unterzeichnung des Cotonou-Partnerschaftsabkommens (CPA) zwischen der EU und den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (der AKP-Gruppe). Die daran anschließenden Verhandlungen entwickelten sich jedoch bald äußerst kontrovers. Während des EU-Afrika-Gipfels im Jahr 2007 eskalierten die angespannten Debatten nach der Kritik afrikanischer Staats- und Regierungschefs, die EU verfolge lediglich die Absicht, Handelsabkommen zwischen zutiefst asymmetrischen Märkten abzuschließen.
Mit Blick auf den EU-Afrika-Gipfel im November 2017 ist es daher wichtig, den Dialog darüber fortzusetzen, was die EU und Afrika mithilfe der EPAs erreichen wollen. Die EPAs könnten als Teil einer breiter angelegten Afrika-Strategie, die durch adäquate politische, personelle und finanzielle Ressourcen gestützt wird, zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit beitragen. Doch die Zukunft der EPAs ist umstritten. Viele Akteure haben stark voneinander abweichende Erwartungen an die EPAs. Ein starkes gemeinsames Interesse an einer Intensivierung der Handelskooperation zwischen Afrika und der EU ist aber trotz der anhaltenden Kontroversen um die EPAs auf beiden Seiten nach wie vor vorhanden.
Vor diesem Hintergrund werden in diesem Papier vier Szenarien für die Zukunft der EPAs untersucht – mit ihren jeweiligen Chancen und Risiken:
- Szenario A: Fortführen der bisherigen EPA-Strategie
- Szenario B: Abbrechen der EPA-Verhandlungen
- Szenario C: Wiedereröffnung der EPA-Verhandlungen auf neuer Grundlage
- Szenario D: Verfolgung einer angepassten und flexibleren EPA-Agenda
Die Diskussion dieser Szenarien zeigt, dass EPAs wichtige Vorteile für die EU-Afrika-Handelsbeziehungen beinhalten, z. B. indem sie die Rechtssicherheit für die beteiligten Parteien stärken (Szenario A). Der Abbruch der Verhandlungen (Szenario B) bietet keinerlei Lösung für die Zukunft der EU-Afrika-Beziehungen, und auch ein Neustart derselben (Szenario C) eröffnet keine guten Erfolgsaussichten. Wir plädieren daher für eine modifizierte und flexibilisierte EPA-Agenda (Szenario D), die die Bedenken der AKP-Länder gezielt anspricht, regionale afrikanische Integrationsprozesse besser stärkt und mehr begleitende Unterstützungsmaßnahmen vorsieht als Szenario A.
Es ist nicht hilfreich, die EPAs separat zu betrachten und zu erwarten, dass sie „aus sich selbst heraus“ im Bereich Handel und Entwicklung substanzielle Ergebnisse leisten können. Wenn die momentane Stagnation überwunden werden soll, müssen sich alle Akteure – ob kritisch oder moderat – an explizit interessengeleiteten Gesprächen beteiligen. Szenario D bietet die Möglichkeit, dass die EPAs ein integraler Bestandteil der Debatte über Handel und Investitionen werden, während sie bis dato eher einen separaten Diskussionsstrang in den EU-Afrika-Beziehungen bilden.
Wed, 24/05/2017 - 11:36
In der G20, der EU und in Deutschland fordern derzeit viele Stimmen einen Quantensprung in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika. Im Gegensatz dazu wird die Diskussion zu den EU-Afrika-Handelsbeziehungen aber häufig nur auf die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs) reduziert.
Die Geschichte der EPA-Verhandlungen begann im Jahr 2000 mit der Unterzeichnung des Cotonou-Partnerschaftsabkommens (CPA) zwischen der EU und den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (der AKP-Gruppe). Die daran anschließenden Verhandlungen entwickelten sich jedoch bald äußerst kontrovers. Während des EU-Afrika-Gipfels im Jahr 2007 eskalierten die angespannten Debatten nach der Kritik afrikanischer Staats- und Regierungschefs, die EU verfolge lediglich die Absicht, Handelsabkommen zwischen zutiefst asymmetrischen Märkten abzuschließen.
Mit Blick auf den EU-Afrika-Gipfel im November 2017 ist es daher wichtig, den Dialog darüber fortzusetzen, was die EU und Afrika mithilfe der EPAs erreichen wollen. Die EPAs könnten als Teil einer breiter angelegten Afrika-Strategie, die durch adäquate politische, personelle und finanzielle Ressourcen gestützt wird, zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit beitragen. Doch die Zukunft der EPAs ist umstritten. Viele Akteure haben stark voneinander abweichende Erwartungen an die EPAs. Ein starkes gemeinsames Interesse an einer Intensivierung der Handelskooperation zwischen Afrika und der EU ist aber trotz der anhaltenden Kontroversen um die EPAs auf beiden Seiten nach wie vor vorhanden.
Vor diesem Hintergrund werden in diesem Papier vier Szenarien für die Zukunft der EPAs untersucht – mit ihren jeweiligen Chancen und Risiken:
- Szenario A: Fortführen der bisherigen EPA-Strategie
- Szenario B: Abbrechen der EPA-Verhandlungen
- Szenario C: Wiedereröffnung der EPA-Verhandlungen auf neuer Grundlage
- Szenario D: Verfolgung einer angepassten und flexibleren EPA-Agenda
Die Diskussion dieser Szenarien zeigt, dass EPAs wichtige Vorteile für die EU-Afrika-Handelsbeziehungen beinhalten, z. B. indem sie die Rechtssicherheit für die beteiligten Parteien stärken (Szenario A). Der Abbruch der Verhandlungen (Szenario B) bietet keinerlei Lösung für die Zukunft der EU-Afrika-Beziehungen, und auch ein Neustart derselben (Szenario C) eröffnet keine guten Erfolgsaussichten. Wir plädieren daher für eine modifizierte und flexibilisierte EPA-Agenda (Szenario D), die die Bedenken der AKP-Länder gezielt anspricht, regionale afrikanische Integrationsprozesse besser stärkt und mehr begleitende Unterstützungsmaßnahmen vorsieht als Szenario A.
Es ist nicht hilfreich, die EPAs separat zu betrachten und zu erwarten, dass sie „aus sich selbst heraus“ im Bereich Handel und Entwicklung substanzielle Ergebnisse leisten können. Wenn die momentane Stagnation überwunden werden soll, müssen sich alle Akteure – ob kritisch oder moderat – an explizit interessengeleiteten Gesprächen beteiligen. Szenario D bietet die Möglichkeit, dass die EPAs ein integraler Bestandteil der Debatte über Handel und Investitionen werden, während sie bis dato eher einen separaten Diskussionsstrang in den EU-Afrika-Beziehungen bilden.
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