This book gathers researchers and policymakers from all continents who have accompanied Dirk Messner's professional life in science and policy advice. Their articles and essays cover topics related to global governance, transformative science, the environment, sustainability, climate policy and cooperation for the global common good.
So hatte sich das Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wohl nicht vorgestellt, als er im Dezember 2021 forderte, die Lebensmittelpreise in Deutschland müssten steigen. Die Idee dahinter war, über höhere Preise die durch neue Umweltauflagen entstehenden Kosten zu kompensieren.
Nun steigen die Nahrungsmittelpreise auch ohne Auflagen rapide an. Dies geschah zunächst aufgrund der globalen COVID-19-Krise und der damit verbundenen Störungen der Agrarlieferketten. Eine weitere Verteuerung verursachte die rasche Erholung der Weltwirtschaft und der Anstieg der Nachfrage nach Agrarprodukten, die auf geschwächte Lieferketten traf und viele Preise auf den höchsten Stand seit der letzten Agrarpreiskrise 2011/13 schnellen ließ. Jetzt kommt der Krieg in der Ukraine hinzu. Denn die Ukraine, Russland und Belarus spielen auf den globalen Agrarmärkten eine bedeutende Rolle. Unmittelbar geht es um Weizen, Sonnenblumen, Düngemittel, Gas und Energie. Mittelfristig werden alle Agrarmärkte betroffen sein. Es droht eine sinkende Kaufkraft, und insbesondere im Globalen Süden drohen Nahrungsmittelengpässe, Fehlernährung, Hunger und sogenannte „Brotaufstände“. Solche Unruhen entstehen dort, wo Abhängigkeiten von Nahrungsmittelimporten besonders hoch sind und auf bereits anfällige politische Situationen treffen. Dieses Mal sind z.B. der Libanon und Ägypten besonders gefährdet. Aber auch viele andere Länder und die Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen spüren überall die hohen Nahrungspreise schon jetzt schmerzlich. Aus diesen Umständen können sich auch neue zwischenstaatliche Konflikte entwickeln.
Die neue Agrarpreiskrise ist komplex. Wie können ihre negativen Auswirkungen durch kurz- und langfristige Maßnahmen abgefedert werden? Zunächst sollte, wo möglich, verhindert werden, dass Nahrungs- und Produktionsmittelexporte behindert werden. Ein Ende des Krieges wäre natürlich von überragender Wichtigkeit, schon für die Versorgung im Land, aber er würde die Probleme nicht beenden. Für die Ukraine müssen wahrscheinlich Alternativen zum Export über den Seeweg ausgebaut werden. Sanktionsmaßnahmen gegen Russland und Belarus, wie der Ausschluss von Banken vom SWIFT-System, sollten diese Produkte ausnehmen oder es sollten für sie alternative Zahlungswege gefunden werden. Wenn Deutschland Gasimporte aus Angst vor den massiven wirtschaftlichen Folgen nicht boykottiert, gilt eine solche Abwägung erst recht für drohende Nahrungsmittel-Engpässe. Hier müssen doppelte Standards verhindert werden.
Weitere Maßnahmen sind eine massive Erhöhung von Nahrungsmittelhilfen in den ärmsten Ländern wie Jemen oder Somalia, und (höhere) Geldtransfers an arme Haushalte in Entwicklungs-, aber auch in reichen Ländern wie Deutschland. Die Preise für Grundnahrungsmittel können über reduzierte Importzölle, Senkung von Verbrauchssteuern oder durch Subventionen gesenkt werden. Für arme Länder kann die Finanzierung von Nahrungsimporten unterstützt werden. Wo möglich sollte die Spekulation mit Nahrungsmitteln und das Horten von Agrarprodukten begrenzt werden. Qualitativ geeignete Agrarprodukte könnten von der Tierhaltung und Bioenergieproduktion hin zu menschlichem Konsum umgelenkt werden, z.B. über temporäre Steuern. Für Bioenergie ist in manchen Gesetzgebungen die Reduktion von Beimischungsquoten zum Sprit in Notfällen vorgesehen. Allerdings sind solche Umlenkungen kurzfristig nur für wenige Produkte wie Weizen und für hohe Produktqualitäten möglich, mittelfristig geht das über eine Änderung der angebauten Arten, Sorten und Anbautechniken besser. Um die nächste Ernte sicherzustellen, müssen die Versorgung mit Betriebsmitteln wie Mineraldünger, der Zugang zu Krediten und evtl. zu (Ver)sicherungen oder Garantien gegen starke spätere Preiseinbrüche sichergestellt und damit Risiken für Landwirt*innen reduziert werden.
Längerfristig sollten strategische Konsequenzen aus diesen und weiteren Krisen wie Dürren, die vom Klimawandel noch verschärft werden, gezogen werden. Die Landwirtschaft und die Nahrungssysteme müssen widerstandsfähiger werden; gleichzeitig dürfen die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit nicht nachlassen. Anbaumaßnahmen, die heute dem Begriff Agrarökologie zugeordnet werden, wie Stickstoff-Düngung über den Anbau von Leguminosen wie Klee, Acker- oder Sojabohnen, Agroforstsysteme oder Humusaufbau, verbessern und stabilisieren die Agrarproduktion. In Regionen mit geringer Anbauintensität und Raubbau am Boden wie in Subsahara-Afrika muss die Produktion gesteigert werden, auch mit externen Betriebsmitteln, Bewässerung und anderen technischen Lösungen.
Die Nahrungssysteme müssen auch jenseits des Anbaus bei Lagerhaltung, Verarbeitung und Konsum bis zur Wiederverwendung optimiert werden. Für mehr Resilienz sollten Anbausysteme und Handelsströme diversifiziert, Lagerhaltung und soziale Sicherung ausgebaut werden. Der Rückzug auf rein lokale Versorgungssysteme, wie er derzeit viel diskutiert wird, ist allerdings kaum der richtige Weg – lokale Ernteschwankungen können schnell zu lokalen Nahrungskrisen führen. Auch der Erhalt eines gewissen Maßes an Tierfutter- und Bioenergie-Produktion ist als Nahrungsmittel-Puffer durchaus sinnvoll.
Für die globale Ernährungssicherung gilt also ein komplexes Zielsystem mit großen Unsicherheiten, vielen Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblemen und nicht marktfähigen ökologischen Dienstleistungen. Klare und starke staatliche und zwischenstaatliche Regeln sind ebenso nötig wie staatliche Unterstützung. Dafür braucht die Governance des globalen Nahrungssystems ein System-Update!
The complexity of linking sustainability with transformation necessitates a critical re-evaluation of the ways the actors, processes, issues, structures, and outcomes related to the transformation to sustainability (T2S) can be understood. At the same time, achieving T2S is highly dependent on policies based on technical solutions that can prompt needed behavioural change, whereas these technical solutions are not always compatible with both planetary and societal boundaries. Therefore, achieving T2S also calls for evaluating the normative foundations of policies and actions. This paper contends that T2S is significantly defined by the multiplicity of negotiation processes. This justifies a deeper look at T2S from the perspective of negotiation studies. T2S is composed of different phases, each of which has a different set of actors, resources, and audiences. This paper introduces a theoretical model as an analytical meta-framework to structure how T2S unfolds in an orchestrated manner. This model builds on negotiation theories to focus on the actors’ perspectives on T2S. It proposes the division of the transformation process into phases—entry point, learning, sequencing, disrupting, and fortifying. Each of these phases is analysed to determine the “quality” of cooperation that can help fulfil the tasks required to master the so-called “cognitive games” of T2S (ripeness game, power game, bargaining game, policy game, scaling game). Moreover, insights are presented to explain how the designated milestones can be achieved to indicate the advancement to the next phase and eventually entrench the transformation process. The findings resulting from the analysis of the phases of T2S present potential lessons and opportunities for both theorists and practitioners/policymakers
On the day of the Russian invasion of Ukraine, 24 February, the South African government had a clear message: Russia should immediately withdraw its armed forces from Ukraine in accordance with the UN Charter. Ten days later, however, in the vote in the UN General Assembly on 2 March, South Africa could not bring itself to agree to a resolution condemning Moscow’s aggression. Even more striking was the statement that Pretoria published for explanation: “all sides” were asked to abide by international law and the principles of the UN Charter.
This paper reviews the current state of literature on the impacts of urbanisation on rural development in developing countries, with an emphasis on Sub-Saharan Africa (SSA). Assessments of these effects diverge greatly. While some authors see urbanisation as strongly benefitting rural areas, for instance, through increased demand for agricultural goods and services, others highlight negative effects, for example, through the loss of livelihoods emanating from displacements and the conversion of agricultural land. Given this complexity, a review that thoroughly analyses the causal relationships between urbanisation and rural development is warranted. To do this, this Discussion Paper identifies seven channels through which urbanisation affects rural development: i) production and consumption linkages; ii) employment linkages; iii) financial linkages; iv) land market linkages; v) information and public service linkages; vi) social interactions linkages; and vii) environmental externalities. As to the first channel, production and consumption linkages, the review suggests that urbanisation has increased demand for agricultural products and services; natural resources; commercialisation and modernisation of agricultural technologies; and smallholders’ participation in modern agricultural value chains. The employment channel suggests that rapid urbanisation is enabling the diversification of rural livelihoods by bringing new economic opportunities to rural areas, but the effects have not been uniform across countries and communities. With regard to financial linkages, flows from cities have increased in many developing countries, benefitting rural areas; yet some studies point to no or to negative effects due to reduced agricultural productivity from the loss of labour and technology, and the crowding out of investment. Land market effects are particularly heterogeneous. While urbanisation tends to drive land value up and encourages investments, there are also negative developments in terms of crowding out and speculation. As to information and public service linkages, the review suggests that urbanisation has fostered information and knowledge flows from urban areas to rural areas which have improved income, innovation, and employment. Social interactions among urban and rural citizens more generally may bridge cultural gaps, improve the flow of information, knowledge, and resources pertinent for rural economic transformation, and thereby enhance social cohesion; yet little empirical evidence exists so far in terms of effects and causalities. Finally, urbanisation affects rural development through the environmental externalities it generates: waste disposal, environmental degradation, and loss of biodiversity. If appropriate technologies are put in place, urbanisation can also improve waste management and soil fertility, thus reducing the cost of agricultural production. To this end, the review has identified research gaps that have important policy implications. First, although effective rural-urban planning, monitoring and evaluation of rural-urban development policies require better data, there is lack of data collection systems or their quality is poor. In this respect, investing in emerging data sources such as satellites data can help countries improve their data collection systems and measures. Second, research is needed to revise and reformulate better theoretical frameworks that take into account the uniqueness of African urban cities. Third, empirical evidence which documents to what extent and how rural-urban linkages provide an important arena for improving social interactions among neighbours, societies, and communities is needed. Finally, as many African countries continue to experience rapid urbanisation (mostly urban sprawl), a thorough study of the impacts of urban externalities on agricultural productivity, food security, biodiversity, and the health of rural communities is necessary.
The World Trade Organization (WTO) is in its deepest crisis since its creation. This relates to each of its three pillars: 1. trade liberalization and rules-setting, 2. trade policy monitoring, and 3. dispute settlement. Germany’s G7 Presidency will require a careful balancing between addressing long-standing issues such as aligning the WTO with the Agenda 2030 for Sustainable Development and reforming the dispute settlement process on one hand side and focusing on the immediate challenges presented by the geopolitical crisis as well as recovery from the Covid-19 pandemic. This requires, more than ever, multilateral collaboration and innovative and interdisciplinary solutions. The G7 countries, in close cooperation with their partners, have a unique opportunity to articulate a new vision for trade and the multilateral trading system. The G7 can lead by example while also incentivizing and supporting other nations to raise the level of ambition in aligning trade policies with current world challenges. As such, the goal should not be to try to re-establish the status quo but rather to adapt the world trading systems and its rules to the realities and necessities of the 21st century and the new geopolitical context. What is needed is a WTO 2.0 that responds to the world’s peace, health and environmental challenges and proactively contributes to solving them.
As G7 countries generate 25% of world greenhouse gas emissions, an open and cooperative G7 climate alliance can accelerate international climate policy in a transformative and inclusive manner. Building upon a proposal of the German Government (2021), we propose several key design elements for such an alliance.
Demand-side management of energy seeks to foster energy efficiency investments and curtailment behaviour in households. The role of environmental concern and knowledge for both types of energy saving behaviour has hardly been investigated in middle income countries with growing middle classes and rising electricity demand. Drawing on unique household survey data from Ghana, Peru and the Philippines, this paper analyses the links from individual motivation to behaviour, and from behaviour to the impact on households' total electricity expenditures. We find that consumers with more environmental concern are more likely to adopt curtailment behaviours, but that concern does not influence energy efficiency investments. In turn, higher levels of environmental knowledge make households' energy efficiency investments more likely, but do not influence curtailment. Neither energy efficiency investments nor curtailment behaviours significantly impact households' electricity expenditures. Small differences between Ghana, Peru and the Philippines exist.
The EU decided to use the European Peace Facility (EPF) to provide lethal military equipment to Ukraine. The Union had never before bought and provided weapons to another country. EU foreign ministers agreed to make the first € 500 million available on 28 February. On 21 March, they added another € 500 million. African leaders took note. Shortly before Russian troops invaded Ukraine on 24 February, the EU-AU summit had taken place in Brussels. It confirmed that security and peace remain on the shared agenda for future cooperation.
Die Covid-19-Pandemie hat die Schuldensituation in vielen Entwicklungsländern erheblich verschlechtert. Laut Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind bereits rund 60 Prozent der ärmsten Länder hoch verschuldet. Die Frage ist, wie wir eine Verschuldungskrise verhindern können und wie die globale Schuldenpolitik (Global Debt Governance) ausgestaltet sein soll. Ein Instrument zur Bewältigung von Staatsverschuldungsproblemen könnte ein Insolvenzverfahren für souveräne Staaten sein. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung spricht sich für die Unterstützung eines solchen Verfahrens aus. Zum Teil ähnlich wie in einem Insolvenzverfahren für den Privatsektor würde ein Rechtsrahmen für die zahlungsunfähigen Staaten geschaffen, um zu klären, welche Gläubiger in welchem Umfang bedient werden. Solch ein Verfahren hätte Vorteile: Es bietet einen vorhersehbaren und transparenten Fahrplan für die Umstrukturierung und wenn nötig auch den Erlass von Schulden. Es kann also schnell und systematisch gehandelt werden. Ein Insolvenzverfahren für Staaten ist ein wichtiges noch fehlendes Instrument der Global Debt Governance dar.
„Fortschritt für eine gerechte Welt“ – so lautet das Motto des Programms der deutschen G7-Präsidentschaft. In ihm schreiben sich die G7-Staaten als „führende Industriestaaten und wertegebundene Partner“ eine besondere Verantwortung für die nachhaltige „Gestaltung einer lebenswerten Zukunft“ zu. Clubs wie die G7 selbst, aber auch der von der deutschen Präsidentschaft angedachte globale Klimaclub, können oft schneller entscheiden und agieren als inklusivere multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN). Aber ein Speedboot, so schnell und wendig es auch sein mag, kann nicht allein den Ozean überqueren, und die G7 können allein keine globalen Herausforderungen stemmen. Entsprechend kündigt die deutsche G7-Präsidentschaft im Programm an, enge Bezüge insbesondere zur UN und zur G20 herstellen zu wollen, mit dem Ziel eines „fairen und regelbasierten Multilateralismus“. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betont die Bedeutung von Vorreiterinitiativen und Partnerschaften im Rahmen eines „inklusiven und vernetzten Multilateralismus“. In seinem Bericht Our Common Agenda entwickelt er zahlreiche Ideen, wie die Beschlüsse, die die Mitgliedsstaaten anlässlich des 75. Jubiläums der UN getroffen hatten, umzusetzen sind und die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden kann. Er ruft dazu auf, dort voranzuschreiten, wo gemeinsame Interessen bestehen. Wächst hier also zusammen, was zusammen gehört? Leider (noch) nicht, denn im G7-Programm bleiben die Verweise auf die UN abstrakt, wirken eher pflichtschuldig. Die deutsche G7-Präsidentschaft hätte aber die Chance, das zu ändern und geteilte Prioritäten gemeinsam umzusetzen:
„Starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten“ – bei den UN anbindenSowohl die G7 als auch die UN setzen auf Pionierprojekte und auf Partnerschaften mit nichtstaatlichen Akteuren, etwa im Rahmen der Impfallianz Covax oder der G7-Initiative für Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern. Es ist positiv, dass der Bericht des UN-Generalsekretärs sich der Realität dieser Formate stellt und sie in den Dienst der Umsetzung global vereinbarter Ziele – vor allem die der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens – stellen möchte. Auch wenn viele UN-Mitgliedstaaten solche Partnerschaften unterstützen, besteht keine Einigkeit über diese Art von Multilateralismus jenseits rein intergouvernementaler Beziehungen. Um größtmögliche Wirkung zu erzielen, ist es für die G7 wichtig, dass möglichst viele Staaten ihre Initiativen als sinnvoll und legitim wahrnehmen. Dafür wäre eine institutionelle Anbindung an das UN-System wertvoll, die sicherstellt, dass Partnerschaften menschenrechtliche Standards erfüllen, dass sie transparent gestaltet und kontinuierlich nachgehalten und entlang von Bedürfnissen der Zielgruppen weiterentwickelt werden. Der UN-Generalsekretär schlägt vor, das existierende UN-Büro für Partnerschaften zu stärken. Bislang ist dieses nicht in der Lage, die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Frühere Reformversuche scheiterten unter anderem an Finanzierungsproblemen. Jetzt sollen digitale Lösungen weiterhelfen. Die G7 sollte die Entwicklung eines effektiven UN-Hubs unterstützen und dort auch ihre eigenen Initiativen anbinden. Das könnte der G7 helfen, sowohl Akzeptanz zu erzeugen als auch weitere Partner zu mobilisieren. Durch eine solche „Qualitätskontrolle“ von Partnerschaften könnte die UN ihre zentrale Rolle in der Global Governance stärken.
„Investitionen in eine bessere Zukunft“ – mit der UNWie die deutsche G7-Präsidentschaft legt auch der UN-Generalsekretär in seinem Bericht einen besonderen Fokus auf Zukunftsfragen in Zusammenschau mit Gerechtigkeitsfragen. Die Weltorganisation soll viel besser darin werden, Schiffbruch zu vermeiden – also auf akute und künftige transnationale Krisen zu antworten und dabei ihre Antworten inklusiver und gerechter zu gestalten. Strategischer vorausschauen, Interessen junger Menschen und zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen sowie beim Ausbruch neuer Krisen rasch wichtige Player zusammenrufen können – so lauten die ehrgeizigen Vorschläge, um die UN stärker ins Zentrum globaler Problembewältigung zu rücken. Auch hier gilt: Die Mitgliedstaaten sind gespalten, was den damit verbundenen Autoritäts- und Wissenszuwachs der UN angeht. Innerhalb der G7 ist eine Aufwertung der UN ebenfalls umstritten – aufgrund von Effektivitäts- und Souveränitätsbedenken, aber auch angesichts des Einflusses von Staaten wie China und Russland. In Anbetracht der Interessenkonvergenz im Hinblick auf die großen Zukunftsthemen sollte die G7 dennoch darauf dringen, bestehende Fähigkeiten des UN-Systems besser zu bündeln und gleichzeitig den gezielten Ausbau strategischer Kapazitäten der UN politisch wie finanziell unterstützen, ob über freiwillige Beiträge oder teils auch sinnvollerweise über einen Aufwuchs des regulären Budgets. Die G7 hat sich 2021 im Cornwall Consensus verpflichtet, Krisenbearbeitung künftig effektiver, aber auch gerechter zu gestalten. Dieses Jahr sollte sie die Rolle der UN hierbei diskutieren.
Aktuell tauschen sich die Staaten in der UN-Generalversammlung darüber aus, welche der Vorschläge des Generalsekretärs sie unterstützen wollen. Parallel laufen die Vorbereitungsprozesse zum G7-Gipfel. Zeit, die Prozesse für einen zukunftsfähigen Multilateralismus zusammen zu denken.
Dr. Marianne Beisheim arbeitet in der Forschungsgruppe Globale Fragen der SWP.
Dr. Silke Weinlich ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) im Forschungsprogramm Inter- und Transnationale Zusammenarbeit.
Dieser Beitrag erscheint zeitgleich auf der Website der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter der Rubrik „Kurz gesagt“.
In September 2021, UN Secretary-General Guterres set out reform proposals for an inclusive and networked multilateralism. The German Council for sustainable development recemmends to actively implement the proposals in Germany and lead the way internationally.
The Water-Energy-Food Nexus has emerged over the past decade as a useful concept to reduce trade-offs and increase synergies in promoting goals of water, energy and food securities. While WEF scholarship substantiates the biophysical interlinkages and calls for increased and effective coordination across sectors and levels, knowledge on conditions for effective coordination is still lacking. Analysing WEF nexus governance from a polycentricity perspective may contribute to better understanding coordination. In this paper, we propose a conceptual framework for analysing WEF nexus governance based on the Institutional Analysis and Development (IAD) framework and the concept of Networks of Adjacent Action Situations (NAAS). The interdependence among transactions for pursuing WEF securities by actors in different action situations generates the need for coordination for changing or sustaining institutions, policy goals and policy instruments that guide actions leading to sustainable outcomes. Coordination is attained through arrangements based on cooperation, coercion or competition. Coordination in complex social-ecological systems is unlikely to be achieved by a single governance mode but rather by synergistic combinations of governance modes. Particular coordination arrangements that emerge in a context depend on the distribution of authority, information and resources within and across interlinked decision-making centres. Further, integrating the political ecology based conceptualisations of power into the analytical framework extends the governance analysis to include the influence of power relations on coordination. Methodological innovation in delineating action situations and identifying the unit of analysis as well as integrating different sources and types of data is required to operationalise the conceptual framework.
Coherence and coordination among interdependent policy sectors are considered key for the implementation of the 2030 Agenda for Sustainable Development. Literature on policy coherence argues that a lack of coordination may lead to policy incoherence; however, literature on coordination also sometimes points to the reversed causality that incoherencies in policies or in governance functions (functional incoherence) may hinder coordinated policy outcomes; in fact, these assumptions have rarely been further theorized or tested empirically. In this paper, we hypothesize the higher functional or policy coherence, the higher coordination at process level and the higher the likelihood that coordination at process level is translated into coordination at outcome level. We test this hypothesis for cross-sectoral coordination challenges among different water using sectors in six different basins located in Germany, Iran, Mongolia, Spain, and South Africa. At first glance, four cases seem to confirm the first part of the hypothesis for functional coherence and three for policy coherence. It remains difficult to establish causality. Whether functional and policy coherence translate into coordination at process level seems to depend on a functioning coordination body. We further find that functional and policy incoherencies may either lead to coordination problems (in view of conflicts of interest) or even go along with a high level of coordination at the process level, possibly to compensate for incoherencies. Neither functional nor policy coherence change the relationship of coordination at process and outcome level. To explain coordination at the outcome level, other factors need to be considered.
With the establishment of the sustainable development goals (SDGs), countries worldwide agreed to a prosperous, socially inclusive, and environmentally sustainable future for all. This ambition, however, exposes a critical gap in science-based insights, namely on how to achieve the 17 SDGs simultaneously. Quantitative goal-seeking scenario studies could help explore the needed systems' transformations. This requires a clear definition of the "target space." The 169 targets and 232 indicators used for monitoring SDG implementation cannot be used for this; they are too many, too broad, unstructured, and sometimes not formulated quantitatively. Here, we propose a streamlined set of science-based indicators and associated target values that are quantifiable and actionable to make scenario analysis meaningful, relevant, and simple enough to be transparent and communicable. The 36 targets are based on the SDGs, existing multilateral agreements, literature, and expert assessment. They include 2050 as a longer-term reference point. This target space can guide researchers in developing new sustainable development pathways.
With its unique multilateral assets, the United Nations Development System (UNDS) should be playing a key role in assisting governments and other stakeholders with their implementation of the 2030 Agenda for Sustainable Development. But this requires change. Despite improvements in recent decades, too often the UNDS has continued to act as a loose assemblage of competing entities, undermining its effective support for Sustainable Development Goal (SDG) implementation. It is against that backdrop that the UNDS has been undergoing an extensive reform – that was decided on in 2018 and has been implemented since 2019 – to provide more coherent, integrated support in line with requirements of the 2030 Agenda to United Nations (UN) programme countries. What effects have the reforms yielded at the country level? This paper presents the main findings, conclusions and recommendations from our research on UNDS reform implementation. It does so with a focus on reform-induced changes towards what we call a strengthened, collective offer at the country level. Overall, our research shows that reform implementation is moving the needle on the quality of the collective offer. In particular, with regard to its institutional element, we observed that the reform has fostered change in how UN country teams work together that is in line with what the 2030 Agenda demands. Institutional changes allow for increased cross-organisational and cross-sectoral coordination, which could potentially lead to increased policy coherence. But while we see substantial progress, it remains incomplete, fragile and subject to structural limitations. A more critical picture emerges with regard to change in the substantive component of the collective offer in the areas of SDG integration, cross-border work and normative approaches. While there were positive examples, we found little evidence of a systematic repositioning in these areas. The adjustment of the UNDS to the 2030 Agenda does not (yet) meet the expectations derived from the UN’s own reform ambition.
Digitalization is a disruptive megatrend which cannot be stopped but needs to be steered and used. Just how regulators should respond to it is less clear. For instance, Jordanian authorities faced the boom of the ride-hailing platform Careem, now an Uber subsidiary, in Jordan’s capital Amman. They were forced to choose between licensing Careem, and thus allowing flexible yet informal job creation, or protecting the entrenched taxi businesses. Against the backdrop of Jordan’s dire economic situation and rampant unemployment figures, regulators decided for a middle way, licensing ride-hailing platforms, yet limiting their growth and confining them to an upmarket line of business. As this paper demonstrates, this approach created new fractions and insider-outsider dynamics on the labour market.
The paper draws on interviews with Careem and taxi drivers, as well as expert interviews with staff and customers in 2019 to show (i) how Careem drivers’ employment situation allowed for comparatively high income opportunities but exposed them to considerable financial risks also due to obligatory car ownership, and (ii) how regulators’ differentiated approach created fairer competition but also led to labour market segmentation by distorting wage levels and incentives for the highly-skilled, who also experience de-skilling while working outside their professional field. Vulnerabilities and precarious working conditions were further exposed during the Covid-19 lockdowns.
The development and application of advanced manufacturing technologies (known as Industry 4.0) have been enabled by the fast-paced process of digital transformation. These transformations are expected to have major implications on the reorganisation of global value chains as well as on labour markets. For late-industrialising countries, Industry 4.0 brings both opportunities and challenges. On the one hand, it opens opportunities in terms of improving competitiveness, learning and export markets. On the other hand, however, it may devalue the traditional competitive advantage based on low labour costs, creating difficult-to-tackle challenges on labour markets related to unemployment and new demands for reskilling and upskilling. This paper explores these aspects through the lens of one country, Morocco, and two very different sectors: automotive and apparel. Morocco is a lower-middle-income country that has capitalised on its proximity to Europe and succeeded in developing a dynamic export-oriented automotive industry. The garment sector, which is critical for employment, has been generally neglected by the industrial development strategies. However, Industry 4.0 and its implications on global value chains are likely to affect both sectors, although in different ways. Our analysis clearly shows that interventions must be tailored to the different degrees of technological readiness. The automotive sector is driven more by the needs of major original equipment manufacturers. Therefore, industrial policy should focus on setting the framework conditions, enabling upgrading by investing in research and development, and shifting incentives towards facilitating local suppliers to better integrate with higher-tier suppliers. In the garment sector, policy interventions need to be more comprehensive, from developing a long-term vision to building awareness on technological upgrading and new business models enabled by digitalisation and automation. Moreover, there is extensive scope for industrial policy to contribute to building basic technological and knowledge capabilities all along the garment supply chain and to attracting investment.
Am 1. Januar 2022 hat Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Unter dem Motto relance, puissance, appartenance (Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeitsgefühl) setzt sich die französische Regierung für ein neues Modell des Wirtschaftswachstums und für ein souveräneres, menschlicheres und bürgernahes Europa ein. Frankreich ist bekannt für seine übergreifenden Visionen und das Setzen von Impulsen für den Integrationsprozess, was manchmal auch zu Reibereien mit anderen EU-Mitgliedstaaten führt.
In der auswärtigen Politik plant die französische Ratspräsidentschaft, die Partnerschaft zwischen Afrika und der EU zu stärken. Die erste mögliche Gelegenheit zur Verwirklichung dieses Ziels ist der bevorstehende EU-AU-Gipfel am 17. und 18. Februar. Zudem ist das Zusammentreffen der französischen EU-Ratspräsidentschaft und des deutschen G7-Vorsitzes ein günstiger Zeitpunkt, um die deutsch-französische Zusammenarbeit in Afrika zu stärken. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden größten EU-Mitgliedsstaaten ist wichtig, da die bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich im April und Juni 2022 es der französischen Regierung erschweren könnten, ihre ehrgeizigen Pläne vollständig umzusetzen.
Frankreich und Deutschland haben in ihrer Außenpolitik oft unterschiedliche Strategien verfolgt, insbesondere in Bezug auf Afrika. Dieses Mal bieten die französischen Prioritäten jedoch mehrere Ansatzpunkte, um die außenpolitische Agenda der Ampelkoalition zu erfüllen und die deutsch-französische Zusammenarbeit in der EU-Entwicklungspolitik voranzutreiben. Die neuen „Team-Europe“-Initiativen geben den EU-Mitgliedstaaten mehr Spielraum für gemeinsames Handeln. Die beiden Partner können vier wichtige Themen vorantreiben: Frieden und Entwicklung im Sahel, die EU-Afrika-Handelsbeziehungen, die externe Dimension des Green Deal und die entwicklungspolitische Digitalisierungsagenda.
Erstens engagieren sich Frankreich und Deutschland im Sahel sowohl militärisch, wie im Rahmen von Operation Barkhane oder durch ihre Beiträge zu UN- und EU-Missionen, als auch durch bi- und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Während Frankreich sich für eine verstärkte Terrorismusbekämpfung einsetzt, befürwortet Deutschland die Stärkung ziviler Konfliktbearbeitung. Die Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region, die Ankündigung der malischen Militärjunta, die Wahlen bis 2025 zu verschieben, zunehmende Spannungen mit Frankreich und anderen internationalen Partnern und die Ankunft russischer Söldner in Mali haben in vielen europäischen Hauptstädten Zweifel aufkommen lassen, ob und wie sie ihr Engagement im Sahel fortsetzen sollen. Frankreich und Deutschland sollten eine gemeinsame Initiative für eine koordinierte Reaktion der EU starten, um ihr Engagement in der Region neu zu definieren.
Zweitens ist die Unterstützung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) eine gemeinsame Priorität beider Regierungen. Die AfCFTA ist ein ehrgeiziges Integrationsprojekt, das den Handel auf dem afrikanischen Kontinent erleichtert und zu grundlegenden Reformen afrikanischer Volkswirtschaften beiträgt. Die deutsch-französische Zusammenarbeit kann eine Schlüsselrolle bei der Koordinierung der EU-Unterstützung für die AfCFTA spielen und die Kohärenz auf allen Ebenen und bei allen thematischen Prioritäten fördern. Um eine „zukunftsorientierte Allianz mit Afrika“ zu verwirklichen, sollten beide Partner einen Reflexionsprozess über die Konsolidierung des Flickenteppichs von bilateralen und regionalen Handelsabkommen der EU vorantreiben.
Drittens unterstützen Frankreich und Deutschland das Ziel, Europa bis 2050 kohlenstoffneutral zu machen. Allerdings haben sie auch unterschiedliche Ansichten darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Dies hat der Streit über den Vorschlag der Europäischen Kommission, Atomkraft und Gas als grüne Investitionen zu bezeichnen, gezeigt. Viele afrikanische Staaten befürchten die Schaffung neuer Abhängigkeiten durch den europäischen Green Deal und das CO2-Grenzausgleichssytem. Daher muss die EU in einen umfassenden Dialog mit ihren afrikanischen Partnern eintreten. Als Vorreiter in der Klimapolitik können Frankreich und Deutschland ihr Know-how und ihre Innovationen bündeln, um eine globale grüne Agenda zu unterstützen. Gleichzeitig sollten sie den strategischen Interessen afrikanischer Staaten und deren eigener Klima-Agenda mehr Aufmerksamkeit schenken.
Viertens möchten beide Partner die digitale Souveränität der EU stärken. Dazu gehört nicht nur die Verbesserung der Regulierung und Innovationsförderung in Europa. Neue globale digitale Partnerschaften sind notwendig; ein Fakt, der durch Deutschlands Engagement für eine „aktive digitale Außenpolitik“ anerkannt wird. Die Stärkung digitaler Partnerschaften mit Afrika kann dazu beitragen, eine europäische Vision einer digitalen Zukunft zu fördern und eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu unterstützen.
Deutsch-französische Zusammenarbeit in diesen vier Dossiers kann nicht nur zu einer erfolgreichen französischen Ratspräsidentschaft beitragen, sondern auch zu einer engeren Partnerschaft zwischen Afrika und Europa. „Allez les deux”.
Zu den Top-Prioritäten der Bundesregierung gehört die Gründung eines „Klima-Clubs“. Dieser wäre allerdings unzureichend, wenn er auf einen Grenzausgleich setzt. Essentiell sind vielmehr kooperative Ansätze.