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Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / Analysen

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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Mis à jour : il y a 21 heures 10 min

Picking winners: identifying leading sectors for Egypt and Tunisia using the product space methodology

mar, 18/08/2020 - 19:55

The structural transformation of countries moves them towards more sophisticated, higher-value products. Network analysis, using the Product Space Methodology (PSM), guides countries towards leading export sectors. The identification process rests on two pillars: (1) available opportunities, that is, products in the product space that the country does not yet export which are more sophisticated than its current exports; and (2) the stock of a country’s accumulated productive knowledge and the technical capabilities that, through spillovers, enable it to produce slightly more sophisticated products. The PSM points to a tradeoff between capabilities and complexity. It identifies very basic future products that match the two countries’ equally basic capabilities. Top products are simple animal products, cream and yogurt, modestly sophisticated plastics, metals and minerals such as salt and sulphur for Egypt; and slightly more sophisticated products such as containers and bobbins (plastics) and broom handles and wooden products for Tunisia, which is the more advanced of the two countries. A more interventionist approach steers the economy towards maximum sophistication, thus identifying highly complex manufactured metals, machinery, equipment, electronics and chemicals. Despite pushing for economic growth and diversification, these sectors push urban job creation and require high-skill workers, with the implication that low-skilled labour may be pushed into unemployment or into low-value informal jobs. A middle ground is a forward-looking strategy that takes sectors’ shares in world trade into account.

Wie die internationale Gemeinschaft den Neubeginn im Libanon unterstützen kann

lun, 17/08/2020 - 10:00

Der Libanon darf nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut nicht scheitern. Soweit sind sich die Menschen im Libanon und auch die Internationale Gemeinschaft einig. Diese Eintracht hat viele Gründe: Die Libanes*innen wollen endlich einen funktionierenden Staat anstatt ein Land, in dem Müllabfuhr und Sicherheit fehlen. Das Land hat über eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Libanon ist zudem Drehscheibe und regionaler Stützpunkt für viele Unterstützungsmaßnahmen und internationale Hilfsorganisationen.

Der Abtritt der Regierung signalisiert allerdings keinen Neustart und eine politische Erneuerung wird nicht automatisch erfolgen. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1943 haben die bisherigen Regierungen den Staat vor allem als Beute betrachtet. Bereits in der Verfassung des Landes wurde das konfessionelle Proporzsystem zementiert, das trotz seiner Bezeichnung als „Nationalpakt“ verhindert hat, dass eine am nationalen Ganzen orientierte politische Klasse entsteht. Das konfessionelle System, das mit der Machtteilung nach dem Bürgerkrieg zwischen Sunnit*innen, Schiit*innen und Christ*innen den Frieden sicherte, hat sich immer weiter ausdifferenziert – zugunsten einer Klientelpolitik und erheblicher wirtschaftlicher und politischer Korruption.

Es ist ein Dilemma: Einerseits benötigt internationale Wiederaufbauhilfe legitime, staatliche Partner. Das gilt gerade, wenn es darum geht, nachhaltige Strukturen aufzubauen, wie die libanesischen Demonstrant*innen ja nicht erst seit der Katastrophe in Beirut fordern. Schon, um einen Kreditvertrag mit den internationalen Finanzinstitutionen für Wiederaufbauhilfe zu unterzeichnen, bedarf es einer nationalen Regierung, die pro forma hierfür die Verantwortung übernimmt.

Andererseits: Je größer die Unterstützungszusagen der Internationalen Gemeinschaft für den Libanon werden, desto größer wird, zusammen mit der nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsleistung des Landes, der zu verteilende Kuchen für die politische Führung. Wie schon in den Jahren zuvor ist zu befürchten, dass die konfessionellen Führungen sich nur zusammenraufen, um Neuwahlen zu erreichen und eine weitere Technokraten-Regierung einzusetzen. Außenminister Maaß hat richtigerweise bei seinem Besuch zum Kriterium für die staatliche Wiederaufbauhilfe erhoben, dass die politische Führung die Anliegen der Bevölkerung endlich ernstnimmt.

Die Katastrophe bietet gleichwohl auch eine Reformgelegenheit für das Land. Dabei ist vorsichtiges Handeln geboten. Zum Beispiel könnte die Verantwortung für die soziale Grundsicherung im Land von den Konfessionsgruppen – und voraussichtlich gegen ihren Widerstand – weg in eine gesamtstaatliche Aufgabe überführt werden. Das von internationalen Gebern finanzierte und gemeinsam von Welternährungsprogramm (WEP) mit der lokalen Verwaltung umgesetzte System der direkten finanziellen Grundsicherung von Flüchtlingen und Aufnahmegemeinden könnte auf die libanesische Gesellschaft ausgedehnt und sukzessive stärker vom libanesischen Staat selbst finanziert werden. Das wäre gerechter und auch effizienter als die weitgehend ungezielten Subventionen von Nahrungsmitteln oder Kraftstoffen, wie sie aktuell die meisten Regierungen in der nahöstlichen Region verteilen.

Für Libanons internationale Partner ist Umsicht angesagt. Für die jetzt zu leistende Not- und Übergangshilfe sind staatliche Strukturen zunächst nur bedingt notwendig. Aufgrund der Syrienkrise sind neben dem WEP viele andere Internationale Organisationen, wie etwa das Kinderhilfswerk UNICEF, im Land. Ihre Aktivitäten im Bildungsbereich sind zwar bislang eng mit der libanesischen Regierung abgestimmt. Doch bestehen auf Verwaltungsebene hinreichend Kontakte, die zum Beispiel die Bedarfsermittlung, Projektplanung und Finanzierung für die Rehabilitierung von Schulen in Beirut stemmen könnten.

Bewährt hat sich auch die Unterstützung über private Träger: Organisationen wie etwa die Deutsche Welthungerhilfe reichen Spenden und Zuwendungen an vertraute, lokale Partner im Land weiter und stehen ihnen bei der Projektentwicklung und -umsetzung zur Seite. Hilfreich ist hierbei, dass der Libanon über eine relativ freie Zivilgesellschaft und einen im regionalen Vergleich hohen Grad an Meinungsfreiheit verfügt, die auch eine gewisse Kontrolle über die Mittelverwendung sichert.

Die katastrophale Explosion in Beiruts Hafen hat deutlich gezeigt, wie lebensgefährlich der marode, konfessionell segmentierte ‘Nationalpakt‘ geworden ist. Ein neuer Gesellschaftsvertrag muss von der libanesischen Gesellschaft selbst kommen, und Deutschland und andere internationale Partner müssen bereit sein, die lokalen, zivilgesellschaftlichen Akteure zu unterstützen: Sie sind die Träger der politischen Erneuerung und Wächter darüber, dass der Wiederaufbau zu einem echten Neubeginn führt.

Fostering sustainable development goals through an integrated approach: phasing in green energy technologies in India and China

ven, 14/08/2020 - 18:25

In this chapter, we analyze the potential role of science, technology and innovation (STI) in achieving sustainable development goals (SDGs), and what governments in developing countries can do to phase-in STI-based solutions, especially green energy technologies, for achieving SDGs. For this purpose, we examined three successful phase-in experiences in solar energy and energy efficiency in two emerging economies (China, India). 

EU development policy: evolving as an instrument of foreign policy and as an expression of solidarity

mer, 12/08/2020 - 11:38

This article introduces the special issue on the evolution of European Union development policy, against the background of fundamental challenges that have emerged since the 2009 Lisbon Treaty. The special issue’s objective is to highlight the complex dynamics of a policy area that is called on to address the massive challenges of poverty, inequality, healthcare capacity, climate change, insecurity and weak governance in countries of the global south, and at the same time support European foreign policy objectives including political stability, migration management, access to resources and markets. In this introductory article, we attempt to sketch the broad outlines of the conceptual and practical dilemmas faced by a policy area that is supposed to be able to fix almost any problem. We observe that European development policy’s evolution is driven by the tension between its raison d’être as a concrete expression of global solidarity and international cooperation, and its increasing instrumentalisation in the service of European economic and security interests. We highlight some of the key challenges that have emerged in the last decade, including rising populist nationalism and Brexit within Europe, the changing nature of relationships between Europe and countries who receive EU aid, and the changing nature of development cooperation itself, exemplified by the 2030 Agenda and the Sustainable Development Goals. We outline the specific contributions the articles in this special issue make to research and policy debates on the themes we raise in this introduction. We conclude that the battle between the forces of solidarity and instrumentality has evolved EU development policy into an impossibly complex arena of competing norms, practices and institutions, which raises many open questions for future research.

Wie die Corona-Pandemie uns zu mehr Nachhaltigkeit motivieren kann

ven, 07/08/2020 - 09:07

Das globale Klima erwärmt sich, immer mehr Arten sterben aus, in manchen Regionen wird Wasser zu einem knappen Gut, Plastikmüll verschmutzt unsere Meere, die Belastungen durch Feinstaub nehmen immer mehr zu – die Liste unserer globalen Herausforderungen ist lang und wird gefühlt immer länger. Und nun erleben wir auch noch zum ersten Mal in unserer Zeit eine globale Pandemie. Unser Alltag ist auf den Kopf gestellt, nichts scheint mehr sicher; was in den nächsten Wochen passiert, scheint nicht mehr planbar. Wie können wir lernen, in solch ungewissen Zeiten unsere Ängste zu überwinden, Risiken besser einzuschätzen und nachhaltige Verhaltensmuster langfristig zu etablieren? Erkenntnisse aus der Verhaltenswissenschaft können uns dabei helfen, dies erfolgreich zu meistern.

Reconstituting social contracts in conflict-affected MENA countries: Whither Iraq and Libya?

ven, 31/07/2020 - 12:57

This article discusses the prospects for forging new social contracts in highly fragile and conflict affected countries. Building on analytical insights from the political settlements and state fragility literature, conceptualising peacebuilding processes as efforts to forge social contracts enables us to address the roles of governments, social groups, citizens and external stakeholders. We discuss the potential for peacebuilding processes to realise social contracts by assessing societal perceptions of the core public good that citizens expect the state to provide, namely protection. We address two cases where ‘stateness’ was destroyed by foreign intervention and civil war: Iraq (since 2003) and Libya (since 2011). We discuss the troubled recent trajectories of efforts to build peace in Iraq and Libya along the substantive, spatial and temporal dimensions of the social contract. Drawing on interviews, survey results and estimates of civilian casualties, we take a ‘bottom-up’ perspective of their societies’ experiences and expectations regarding protection. We conclude that in both countries the provision of protection by the state and others runs counter to the expectations of significant parts of the population. At the national level, major social groups have been unable to overcome mutual distrust, while continued threats to physical security reduce the prospects that any social contract able to deliver other public goods can ever emerge. Existing political settlements in both countries have rewarded the politicization of ethno-sectarian identity (especially in Iraq) and have benefited economic war lordism (especially in Libya). We conclude that as social contracts at the national level are unlikely to emerge, the consequences of de-facto break ups of both countries must be acknowledged if social contracts at sub-national levels are to have any chance of delivering peace.

Polycrisis as an opportunity for development cooperation? Building a better global architecture for international development cooperation after the COVID-19 pandemic

jeu, 30/07/2020 - 09:12

The outbreak of the COVID-19 pandemic and the multiple crises it unleashed around the world coincided with the beginning of the period that the world leaders dubbed the “Decade of Action” to deliver on the Sustainable Development Goals (SDGs). Launched at the beginning of 2020, it aims to instill a sense of urgency, thereby spurring action, unlocking development finance, and harnessing innovative approaches for the attainment of the SDGs and the promise of “leaving no one behind”. A strong call for action was based on the realization that the world was seriously off-track in its progress towards sustainable development. Delivering on the promises of financing and the commitments of partnership is key for progress across the goals.

The interaction of private and public governance: the case of sustainability standards for palm oil

mer, 29/07/2020 - 07:26

By providing insights into the interaction between private-driven and public-driven governance initiatives in the context of the Roundtable of Sustainable Palm Oil (RSPO) and the Indonesian Sustainable Palm Oil (ISPO), this article sheds new light the interaction between private and public governance. It investigates how the relationship between the RSPO and the ISPO evolves over time and who and what drives this evolution. While the interaction between these standard schemes has initially largely been characterized by competition, it has become more collaborative and also coordinated in nature. This article argues that the experimentalist architecture of palm oil governance has fostered mechanisms for coordination across public and private certification schemes and has helped to join up the separate components of the regime complex through productive interactions. At the same time, several gaps and challenges remain, especially in light of the different interests of the multiple public and private actors involved in palm oil.

Monitoring in German bilateral development cooperation: a case study of agricultural, rural development and food security projects

mer, 22/07/2020 - 15:33

Monitoring and evaluation have gained importance in recent decades in development cooperation to increase evidence, and thereby aid effectiveness. However, the focus on measuring results needs to be coordinated with other strategically important aspects of the aid and development effectiveness agenda, such as adapting to local needs and harmonisation among development actors. Combining these different goals remains a challenge in the development community. Studies show that most donors have similar problems when measuring results. The quality of the collected data can oftentimes be questioned because data collection methods lack methodological rigor. The data collected and used is often of limited relevance for the project. Reporting by implementing agencies to BMZ focusses more on accountability than on using the results for learning. This discussion paper offers an in-depth analysis of the efforts undertaken by German bilateral development cooperation actors to measure results and in how far the reported data can contribute to increase the effectiveness of development cooperation. Thirteen projects by German implementing agencies GIZ and KfW were selected and analysed by means of project documents and interviews with staff. In addition, general monitoring and evaluation guidelines of German development cooperation were consulted. The results show that BMZ does not have a comprehensive results-based management system in place for planning, monitoring and evaluation in German development cooperation, which leads to quality challenges with regard to the collected data. Many projects do not have a comprehensive theory of change, use methodologically contestable indicators and are not able to demonstrate causality between their activities and the results measured. Indicators are often selected with only the limited involvement of partner countries, and there are challenges with using partner countries’ secondary data. BMZ has recently started a reform process with the aim of establishing a more comprehensive RBM system and providing additional guidance to projects on how to define indicators and measure results. The findings of this paper offer important lessons learnt and recommendations for the reform process.

Migration and the 2030 Agenda: making everyone count - migrants and refugees in the Sustainable Development Goals

mer, 22/07/2020 - 10:24

With the 2030 Agenda for Sustainable Development and its guiding principle “Leave no one behind”, the international community has set itself the goal of improving the living conditions of poor and marginalised groups. In many cases, these groups include migrants and refugees. A sophisticated review process has been set up to monitor the implementation of the 2030 Agenda. Here, the Sustainable Development Goals (SDGs) play a decisive role. Migrants and refugees were explicitly included from the outset. However, this creates additional data requirements: Data disaggregated by migratory status is necessary to capture changes in the living conditions of migrant population groups within the structured review and follow up process of the SDGs. This disaggregation allows to draw conclusions about the well-being of migrants and refugees. SDG 17.18 explicitly calls for the differentiated consideration of this population group in the SDGs, where relevant, and the necessary building up of capacities for data collection and analysis.
Census data, data from national administrative registers and sample surveys are possible data sources to achieve this objective. These data sets, however, differ in their scope and extent to which they capture different types of information. Hence, each represents only a partial reality.
Five years after the adoption of the SDGs, the balance sheet is sobering: Data disaggregated by migratory status are still lacking in most countries. As a result, there is a growing danger that existing disadvantages will become more permanent or more pronounced. In line with its overarching commitment to the implementation of the SDGs, the German government should work to ensure that migrants and refugees are systematically taken into account in the follow-up and review of the 2030 Agenda. For the remaining period until 2030 – touted as the Decade of Action and Delivery - the following recommendations are derived:
•    Harmonise migration definitions: Data collections should apply definitions and methods recommended by the UN Statistical Commission.
•    Support data collection: The personnel and financial capacities of the national statistical authorities in partner countries should be systematically strengthened.
•    Strengthen synergies: Bridges should be built between migration-specific data initiatives and thematically broader data initiatives that are closely linked to the SDG process.
•    Expand migration expertise in the SDG review process: Migration expertise should be more systematically integrated into the SDG review process than has been the case to date in order to take greater account of changes in the living conditions of migrants and refugees.

Organic defaults in online‐shopping: immediate effects but no spillover to similar choices

mar, 21/07/2020 - 08:48

Changing defaults—the preselection that becomes effective without active choice—is becoming a prominent policy tool, after having been proven to be effective in areas as varied as retirement savings, organ donation and product customization. Yet, little is known about how default effects spill over to subsequent similar behaviors. In an online shopping scenario, we found standard default effects on the share of organically produced products in the overall selection of products. These effects did not spill over to subsequent active shopping choices. This was true for defaults that were hard and easy to change (Exp. 1, N = 90), for immediate and delayed subsequent choices (Exp. 2, N = 106) and for self-selected defaults (Exp. 3, N = 181). These findings suggest that the reach and scalability of default manipulations in policy making may be limited, but also speak against the possibility for negative spillover.

Auf Covid-19 muss eine tiefgreifende Transformation der Steuersysteme folgen

lun, 29/06/2020 - 09:00

Die aktuelle Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig leistungsfähige und gut regierte Staaten sind, wenn es darum geht, elementare Probleme kollektiv zu lösen. Steuersysteme werden eine Schlüsselrolle spielen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie in Entwicklungsländern abzufedern und nach der Pandemie eine möglichst rasche und nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu befördern.

Der zusätzliche Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte wird dabei vor allem in den ärmeren Ländern gewaltig sein. Wichtige Einnahmequellen, wie der Export von Naturressourcen oder der Tourismus, sind auf unbestimmte Zeit eingebrochen. Schätzungen der Weltbank sagen zum Beispiel für Afrika voraus, dass je nach Ausmaß der Krise mit einem Rückgang der staatlichen Einnahmen um 12 bis 16 Prozent zu rechnen ist. Für das Jahr 2020 wird eine durchschnittliche Erhöhung der Haushaltsdefizite um 3,5 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts prognostiziert.

Viele Entwicklungsländer befinden sich noch in der Lockdown-Phase der Pandemie. In dieser Phase geht es vor allem um Steuererleichterungen, die den Unternehmen kurzfristig Liquidität verschaffen, so wie zum Beispiel der Aufschub fälliger Steuerzahlungen. Danach folgt eine Phase der Lockerungen, in welcher Steuererleichterungen als Konsum- oder Investitionsanreize eingesetzt werden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Viele Industrienationen befinden sich momentan in dieser Phase, in der eine Balance zwischen effektiven Steueranreizen für die Wirtschaft und ausreichenden Staatseinnahmen zur Finanzierung der erhöhten Ausgaben gefunden werden muss. Spätestens mit dem Ende der Pandemie müssen zusätzlich langfristige Maßnahmen in den Blick genommen werden, um die öffentlichen Finanzsysteme resilient und zukunftsfähig zu machen.

Doch welche Möglichkeiten haben die Regierungen, um kurzfristig steuerliche Anreize für Investitionen und wirtschaftliche Notfallprogramme zu gewähren, ohne mittel- und langfristig die Finanzierung der wachsenden Staatsausgaben zu gefährden? Gerade ärmere Länder haben hier häufig nur wenig finanziellen Spielraum für Konjunkturpakete.

Zum einen müssen die Steuersysteme auf eine breitere Basis gestellt werden. Eine effektivere Besteuerung der wohlhabenden Privathaushalte und Vermögen ist notwendig. Viele Staaten erzielen zum Beispiel kaum Einnahmen aus Grundsteuern oder aus privaten Einkommenssteuern. Gerade solche Steuern fördern aber die Progressivität und Fairness der Steuersysteme, weil sie die Leistungsfähigkeit wohlhabender Steuerzahler stärker berücksichtigen.

Zum anderen müssen Steuerhinterziehung und -vermeidung – welche jährlich weltweit zu Milliardeneinbußen an Steuereinnahmen führen – entschlossen verfolgt werden. Hierfür ist es wichtig, in den Steuerbehörden die Qualität der Steuerdaten und -register, aber auch die Kapazitäten der Steuerprüfung zu erhöhen. Digitalisierung und Automatisierung bei der Führung von Registern, dem Rechnungswesen und dem Austausch von Informationen, sowohl national zwischen Behörden als auch international zwischen Ländern, sind dafür zentrale Ansatzpunkte.

Doch die erforderlichen Maßnahmen können die ärmeren Entwicklungsländer alleine nicht stemmen. Sie sind besonders bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung durch Großkonzerne auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Vor allem muss dem intransparenten Geschäftsgebaren der sogenannten Steueroasen und dem globalen Unterbietungswettbewerb bei den Unternehmenssteuern ein Ende gesetzt werden. Zu Letzterem ist die Einführung einer globalen Mindeststeuer im Gespräch. Sie ist gegenwärtig Gegenstand von Verhandlungen unter dem Dach der OECD und sollte zügig umgesetzt werden.

Die Entwicklungsländer werden daneben weitere Finanzmittel benötigen, die ihnen nur teilweise in Form von Krediten zufließen können. Die vielfach diskutierten Finanztransaktionssteuern könnten eine weitere Einnahmequelle für Staaten bilden. Außerdem könnten über Steuern auf große Vermögen und Erbschaften mehr Mittel mobilisiert werden – besonders wenn es gelingt, die G20-Länder hier zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen. Eine international abgestimmte Besteuerung digitaler Dienstleistungen, etwa der großen Technologie-Unternehmen, könnte staatliche Steuereinnahmen zudem stärken. Der Rückzug der USA aus den OECD-Gesprächen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ist kein positives Signal in diese Richtung. Er sollte jedoch nicht als endgültige Niederlage multilateraler Lösungen hingenommen werden, sondern als Warnung und Ermutigung für die anderen Länder, weitere Anstrengungen für gemeinsame Lösungen zu unternehmen.

Die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 hatte neben vielen negativen Auswirkungen eine positive Folge: Sie hat die internationale Kooperation in Steuerfragen enorm vorangebracht. Derartige Impulse brauchen wir nun auch zur Bewältigung der Covid-19 Pandemie. Es geht dabei nicht nur darum, mehr Einnahmen zu generieren, sondern vor allem darum, mehr Gerechtigkeit in der Einnahmengenerierung zu schaffen. Dazu müssen Steuergerechtigkeit und –fairness öffentlich stärker diskutiert werden. Denn wie die finanziellen Mittel zur Bewältigung der Krise erhoben und eingesetzt werden, wird sich auch auf die Legitimität der Staaten und den sozialen Zusammenhalt auswirken.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

Never-ending reformism from above and dissatisfaction from below: the paradox of Moroccan post-Spring politics

ven, 26/06/2020 - 16:46

For scholars, policy-makers and casual observers, there is no doubt that Morocco has undergone an impressive transformation process since Mohammed VI came to power in 1999. The country projects an image of liberal-democratic modernity and socio-economic progress that the international community is happy to go along with. But at the heart of Moroccan modernization lies a glaring paradox: despite two decades of reforms, the dissatisfaction of ordinary citizens with the way the system works has been consistently high, and a number of socio-economic and political indicators do not support the regime’s claim that the country has democratised or is democratising. This article examines the country’s political system through the reformist process – political, economic and social – that began in the 2000s, continued with the constitutional changes of 2011 and culminated with the two PJD-led governments that followed the parliamentary elections of 2011 and 2016. In particular, this study examines the reformist drive in the context of the inter-paradigm debate between democratisation and authoritarian resilience. We employ four criteria to determine to what extent Morocco has democratised: the accountability of decision-makers, the participation of a plurality of voices in the formulation of policies, the degree of individual freedoms and the protection of human rights. This article concludes that the reformist process is simply a narrative the regime has adopted to fend off international criticism and to reconfigure domestic institutions. The fundamentally authoritarian nature of the regime has not changed, and the dominant institutional role that the monarch – unelected and unaccountable – plays undermines all claims of democratisation.

Der globale Populismus stirbt nicht an COVID-19

jeu, 25/06/2020 - 11:08

Viele von Populisten regierte Staaten gehören zu den am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Ländern, wie die Fälle in den USA, Brasilien, Russland, Großbritannien und Indien veranschaulichen. Und obwohl populistische Regierungen gegenüber COVID-19 keinen einheitlichen Ansatz verfolgen, stellte sich ihr Krisenmanagement oft als eine Mischung aus Verleugnung und Inkonsistenz, Schuldzuweisungen, mangelnder Transparenz und allgemeiner Wissenschaftsfeindlichkeit dar. Trotzdem ist es noch zu früh für die Aussage, dass die Pandemie dem Populismus nachhaltig schadet.

Die populistische Weltanschauung unterteilt die Gesellschaft in das „Volk“ und die „Elite“. Populisten betrachten diese Gruppen als homogen und antagonistisch. Sie argumentieren, dass Politik Ausdruck des allgemeinen Willens des Volkes sein sollte und dass sie die einzigen legitimen Repräsentierenden des Volkes seien. Dass manche populistisch geführte Regierungen nun mit der Krise zu kämpfen haben, bedeutet nicht, dass Populismus in einer Post-Corona-Welt verschwinden wird. Einige Studien argumentieren, dass Krisen wie die Finanzkrise und der starke Anstieg der Zuwanderung von Geflüchteten im Jahr 2015 den Aufstieg des Populismus beschleunigt hätten.

Populisten können Krisen ausnutzen, um Anhänger zu mobilisieren. Indem er den Anspruch erhob der einzig wahre Repräsentant des Volkes zu sein, eröffnete Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in der Pandemie noch weitere Krisenfronten. Bolsonaro schürte den Konflikt mit den Gouverneuren, dem Parlament und den Gerichten. Er versucht zudem, die Aufmerksamkeit der Medien vom Corona-Missmanagement der brasilianischen Regierung durch polemische Äußerungen abzulenken, indem er etwa den Zugang der Bevölkerung zu Waffen verteidigt. Trotz des rasanten Anstiegs der Corona- und den damit verbundenen Todesfällen in Brasilien sind die Umfragewerte von Bolsonaro nicht gesunken, sondern liegen nach wie vor bei rund 30 Prozent. Bisher hatte keines der Amtsenthebungsgesuche gegen ihn Erfolg.

US-Präsident Donald Trump machte China für den Ausbruch der Pandemie verantwortlich und verlagerte den Fokus des Krisenmanagements auf den Ursprung der Krise. Er verurteilte auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche er zu einer von China kontrollierte Organisation deklarierte. Dieser Narrativ traf bei seinen Anhängern aus der politischen Rechten auf große Resonanz, denn er harmoniert mit Trumps „America First“ Rhetorik.

Populistische Regierungen nutzen Kommunikationskanäle, um oft irreführende Informationen über die eigene Leistung zu verbreiten, einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten und die zentrale Stellung der Führungsperson hervorzuheben. So propagierten Trump und Bolsonaro auch persönlich den Gebrauch von Chloroquin zur Behandlung von COVID-19, obwohl dessen Wirksamkeit nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Die brasilianische Regierung versuchte zudem, die Infektionszahlen geheim zu halten und verbreitete, dass Brasilien bei der Anzahl der COVID-19-Genesenen weltweit auf dem 2. Platz liege.

Populisten in der Regierung untergraben die liberale Demokratie, und die aktuelle Gesundheitskrise stellt für sie eine besondere Chance dar, eine demokratische Erosion zu beschleunigen. In einigen Fällen wurde der Gesundheitsnotstand auch instrumentalisiert, um eine Zentralisierung der Exekutivgewalt zu rechtfertigen und die Opposition und die Massenproteste zum Schweigen zu bringen. Der Präsident der Philippinen Rodrigo Duterte drohte bei Verstößen gegen die Auflagen zur Eindämmung von COVID-19 sogar mit Erschießungen. In Polen profitierte der amtierende Präsident Andrezej Duda von der Pandemie, die mitten im Wahlkampf für die Opposition nur wenig politischen Raum ließ.

Auch auf längere Sicht könnten Populisten von – durch die Pandemie verschärften – sozialen Spaltungen profitieren. Der Aufstieg des Populismus spiegelt auch kulturelle Aspekte, soziale und wirtschaftliche Missstände wider. Der Rechtspopulismus hat in der Vergangenheit von wachsender Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Euroskeptizismus profitiert, also von Phänomenen, die durch die Corona-Pandemie verstärkt werden. So hat der Euroskeptizismus  vor allem in Italien zugenommen, was in engem Zusammenhang mit dem Mangel an Solidarität seitens der EU in der frühesten Phase der Pandemie steht. Schon jetzt versuchen populistische Akteure, die Unzufriedenheit und Unsicherheit für die Mobilisierung politischer Anhänger zu nutzen, und prangern die Krise als das Scheitern der Globalisierung, der „offenen Grenzen“, der internationalen Organisationen und des Liberalismus an. Wenn sich nun die Logik durchsetzt, die Grenzen zu schließen und die eigene Nation an die erste Stelle zu setzen, könnte dies die langwährenden Forderungen der Populisten legitimieren.

Auf kurze Sicht hat der Populismus durch schlechtes Krisenmanagement eine seiner Schwächen offenbart. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Populismus nach Corona keinen politischen Erfolg mehr haben wird. Seine Fähigkeit, Anhänger zu mobilisieren, Kräfte zu bündeln und ein Krisennarrativ zu verbreiten, das seiner nationalistischen und autoritären Ideologie entspricht, sollte nicht unterschätzt werden. Durch anti-globalistische Narrative, Verschwörungstheorien und Polarisierung könnte er sich als widerstandsfähig erweisen.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

Funding the UN: support or constraint?

mer, 24/06/2020 - 10:09

Adequate and predictable funding to multilateral development organizations is key to promoting global sustainable development. Funding volumes and practices matter. They affect the scale and scope of solutions that can be offered. They reveal the extent to which multilateral organizations are owned by member states when looking at who shares the risks and costs of multilateral activities, and they demonstrate the level of trust placed in an organization. Through resource politics, states exercise influence and control over an organization. This influence can serve to support and strengthen multilateral organizations by helping them to be efficient, effective, and innovative. Or, it can also undermine international organizations by making their work harder, hampering development effectiveness, and eroding multilateral assets. The UN development system (UNDS) illustrates both kinds of financial engagement, often in parallel. This chapter begins by describing the current funding patterns of the UNDS, analyzes the main drivers, and assesses repercussions. It then takes stock of responses by individual organizations as well as by the system as a whole. The chapter concludes with some reflections about the inherent challenges in finding remedies to the unsustainable funding structures that endanger the system’s multilateral assets.

Wachsende Ungleichheit kann die Auswirkungen der Pandemie noch verschlimmern

lun, 22/06/2020 - 10:41

Wie sich Covid-19 auf unseren Alltag auswirkt, ist nicht zu übersehen. Weniger offensichtlich sind die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie auf die Armut in der Welt. Der wirtschaftliche Verlust, der aktuell weltweit auf etwa 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt wird, vermittelt nur ein unvollständiges Bild der tatsächlichen gesellschaftlichen und menschlichen Kosten. Die Berechnung könnte ähnlichen Verzerrungen unterliegen wie viele Klimafolgenabschätzungen. So erscheint der absolute Verlust in wohlhabenden Gebieten häufig größer, was aber lediglich darauf zurückzuführen ist, dass es dort in wirtschaftlicher Hinsicht mehr zu verlieren gibt. Bezüglich der Auswirkungen auf ihren Lebensunterhalt sind jedoch ohnehin bereits gefährdete Gemeinschaften am stärksten betroffen. Jeder Nettoverlust bedeutet für sie den Verlust eines größeren Teils ihres ohnehin knappen Einkommens, und die Wirkungen werden weit über Einkommensschocks hinausgehen.

Es ist daher wichtig, die Folgen der Pandemie für die globale Armut abzuschätzen und zu prüfen, inwieweit dadurch unsere Fähigkeit beeinträchtigt wird, die extreme Armut global zu beseitigen, wie es die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 vorsehen. Dieser Aufgabe hat sich ein Team der Weltbank angenommen. Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und die Weltbank haben in diesem Zuge ein Modell entwickelt, dass die globale Armut bis 2030 ebenso wie die Rolle simuliert, die eine Veränderung von Ungleichheiten für die Erreichung des Armutsziels spielt. Laut dieses Modells können durch die Covid-19-Pandemie weltweit etwa 70 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut fallen.

Bedenkt man, dass das Einkommensniveau, bei dem eine Person im weltweiten Vergleich als extrem arm gilt, der durchschnittlichen Armutsgrenze in mehreren der ärmsten Länder entspricht, ist dieser Trend wahrlich besorgniserregend. Tritt das Ergebnis der Simulation ein, müssen etwa 70 Millionen Menschen zusätzlich mit etwas weniger als zwei Dollar (genauer gesagt 1,90 USD mit der Kaufkraftparität von 2011) pro Person und Tag auskommen. Zu den rund 600 Millionen Menschen, die schon jetzt in extremer Armut leben, kämen also noch über 10 Prozent hinzu. Noch viele mehr werden in die darüber liegende Kategorie der zwar nicht extremen, aber immer noch sehr großen Armut fallen.

Eine weitere wichtige Frage ist, wie sich die globale Rezession in verschiedenen Einkommensgruppen innerhalb der Verteilung niederschlagen wird. Die obige Schätzung von 70 Millionen zusätzlichen Armen geht davon aus, dass die Einkommen innerhalb der gesamten Einkommensverteilung gleich stark sinken werden. In den Entwicklungsländern sind von den „Lockdown“-Maßnahmen jedoch viele Menschen betroffen, die im informellen Sektor oder in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten. Viele dieser Geringverdiener werden möglicherweise für einige Monate einen Großteil ihres Einkommens verlieren. Sie sind also überproportional benachteiligt, wodurch sich die Ungleichheit noch verstärkt. Der Rückgang des BIP kann sich also innerhalb der Einkommensverteilung unterschiedlich stark niederschlagen. Die Verteilungseffekte der Rezession müssen also berücksichtigt werden.

Da über die Verteilungseffekte noch keine Daten vorliegen, lässt sich nur simulieren, wie sich die Veränderungen der Ungleichheit auf die geschätzte Armut auswirken. Wenn die Ungleichheit gemessen am Gini-Index, einem Standardmaß zur Darstellung von Ungleichheit, weltweit um 1 Prozent ab- oder zunimmt, könnte die Zahl der zusätzlichen extrem Armen entsprechend 55 oder 85 Millionen betragen. Eine solche prozentuale Veränderung der Einkommensverteilung bewegt sich im Rahmen dessen, was in einem beliebigen Land innerhalb eines Jahres üblich ist. Der Unterschied zwischen den Zahlen würde sich auf etwa 40 bis 100 Millionen Menschen vergrößern, wenn die Veränderung der Ungleichheit in der Größenordnung von 2 Prozent liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Ungleichheit in allen Ländern auf die gleiche Weise ändert ist sehr gering. Dennoch erhält man so eine Vorstellung von der Bandbreite der Ergebnisse, wenn man Veränderungen bei der Verteilung berücksichtigt: Sollte der Gini-Index um 2 Prozent sinken, könnte dies die Auswirkungen der Pandemie auf die globale Armut fast halbieren. Eine Steigerung um 2 Prozent würde sie um fast 50 Prozent verstärken.

Für die politischen Entscheidungsträger der Welt und vor allem für die entwicklungspolitischen Akteure ist daher nicht nur die aggregierte Auswirkung der Pandemie entscheidend, sondern auch die wichtige Rolle der Bekämpfung der Ungleichheit für die Abschwächung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Unsere Berechnungen zeigen, dass den Regierungen auch bei stagnierendem Wirtschaftswachstum eine außerordentliche Verantwortung zukommt. Sie müssen nicht nur antizyklisch handeln, um das Wachstum anzukurbeln – idealerweise mit Investitionen in eine ökologisch nachhaltige Weltwirtschaft – sondern auch die Lebensgrundlagen von Menschen in den unteren Einkommenssegmenten sicherstellen. Das beinhaltet insbesondere die Vertiefung und Ausweitung sozialer Sicherung, sowie die Stärkung weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheit, wie zum Beispiel progressiver Besteuerung und Investitionen in ländliche Infrastruktur. Politisches Handeln muss sich jetzt darauf konzentrieren, die ungleichen Auswirkungen der Pandemie abzumildern und dafür zu sorgen, dass die wirtschaftlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit geeignet sind, Ungleichheit zu verringern.

Mario Negre ist Ökonom und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Daniel Gerszon Mahler is Ökonom und Young Professional in der Development Data Group der Weltbank

Christoph Lakner ist Senior Economist der Development Data Group bei der Weltbank.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

Information and communication technology in the lives of forcibly displaced persons in Kenya

jeu, 18/06/2020 - 10:46

This report examines how forcibly displaced persons use information and communication technologies (ICTs) in Kenya. Focusing on the role and potential of ICT with regard to mobility and inclusion, this paper studies the needs of forcibly displaced persons and seeks to understand how technology could help to meet these needs. The study identifies success factors concerning the deployment of ICT services, which potentially support the lives of forcibly displaced persons. Based on this analysis, we formulate policy recommendations for organisations who want to deploy ICT services for forcibly displaced persons in Kenya. Since living conditions and access to technology differ in urban, rural and camp environments, the research was conducted in Nairobi, the Tana Delta County and Kakuma Refugee Camp. Our results are based on data collected through a mixed-method approach. Qualitative, semi-structured interviews were conducted with 90 forcibly displaced persons in Nairobi, Kakuma Refugee Camp and the Tana Delta County. Twenty-four organisations providing ICT services in Kenya were interviewed to provide a practitioners’ perspective. The creation of the interview guides and the codebook for the analysis were developed based on the e-governance framework developed by Verdegem and Verleye, who have identified important conditions for a successful uptake of ICT services, namely awareness, perception, access and usability.
Primary policy and practice recommendations include:
- Organisations should avoid doing with ICTs what is already efficiently done in-person. For example, in Kakuma people just walk to the clinics, and are happy to do so. There is not a need for a digital health information solution in this instance – this frees up organizations to focus on using ICTs to solve problems that cannot be effectively solved in-person. These findings indicate critically thinking about ‘digital by default’ strategies.
- For things like health information and education, organizations can take advantage of existing networks that communities have established on platforms like WhatsApp and Facebook. The main advantage that NGOs and refugee organizations can bring in this case is helping make sure information is valid, and helping community organizations prevent rumours from spreading. Indeed, a major risk with health information in particular is that anyone can say anything on a social network, so helping communities validate information is critical.
- We learned through the interviews that refugees’ awareness of different organizations’ online tools was limited. Generating a user base starts with awareness-raising strategies, which appear to be successful through personal contacts. Going directly to a village or to a certain community, and to work with community-based organisations and community leaders as ambassadors, appear to be the best option to reach out to the respective target group.

What the EU should do for democracy support in Africa: ten proposals for a new strategic initiative in times of polarisation

jeu, 18/06/2020 - 09:42

The EU has made democracy support a stronger aspect in its relations with African countries since 2002. However, a broad range of political and economic dynamics within as well as outside of Europe challenge democracy and its supporters: the rise of non-democratic countries such as China, challenges to democracy within the EU, and global autocratization trends, which include African countries. While posing new challenges the EU needs to react to, these trends also reinforce the importance of continued support and protection of democracy abroad. In light of this changed context, the EU will need to fundamentally adjust its strategic approach and instruments towards democracy support in Africa. Against this background, this paper discusses reasons for the EU to continue and even strengthen its democracy support in Africa: societal demands in Africa and regional democracy norms; the relationship between democracy and sustainable development as well as the new geostrategic competition. The paper analyses how the EU’s support for democracy and human rights in sub-Saharan Africa has developed over the last decades in terms of its understanding of democracy support as well as its substance. The paper concludes by making ten proposals for reforming the EU’s democracy support in Africa. The reform proposals relate to a new narrative and more strategic approach to democracy support in light of the changed geopolitical setting, to addressing megatrends more explicitly through democracy support or to reforming the EU’s institutional prerequisites.

Was bedeutet der EU-Aufbauplan für den Europäischen Green Deal?

mer, 17/06/2020 - 13:09

An diesem Freitag starten, mit dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, die Verhandlungen zu dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen EU-Aufbauplan „Next Generation EU“. Insgesamt sollen 750 Milliarden Euro mobilisiert werden, um damit die EU aus der durch die Covid-19 Pandemie verursachten Rezession zu führen. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen zum nächsten EU-Haushalt (Mehrjähriger Finanzrahmen, MFR) für die Jahre 2021-2027, der nach dem Vorschlag der Kommission 1,1 Billion Euro umfassen soll.

In ihrer diesjährigen Frühjahrsprognose zur wirtschaftlichen Lage der EU geht die EU-Kommission für das zweite Quartal von einer um etwa 16 Prozent niedrigeren Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr aus. Sie erwartet einen Einbruch des Bruttoinlandprodukts im gesamten Jahr um etwa 7,5 Prozent – dieser fällt damit deutlich gravierender aus als in der Finanzkrise 2009. Mit dem EU-Aufbauplan sollen insgesamt 750 Milliarden Euro mobilisiert werden, davon 500 Milliarden Euro in Form von nicht rückzahlbaren Zuwendungen und die verbleibenden 250 Milliarden Euro als Kredite, die über den Haushalt der EU verteilt werden.

Diese Beträge machen deutlich, dass die damit zu finanzierenden Investitionen die Transformation zu nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz unterstützen müssen, wenn die mit der 2030 Agenda und dem Pariser Klimaabkommen beschlossenen Ziele erreicht werden sollen. Wie kann dies gelingen? Besteht im Zuge der derzeitigen Krise nicht die Gefahr einer Rückkehr zu überholten Geschäftsmodellen, die Nachhaltigkeits- und Klimazielen entgegenstehen?

Erst vor wenigen Monaten präsentierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Europäischen Green Deal (EGD) als ambitioniertes Programm für ihre Amtszeit. Mit dem Green Deal als Wachstumsstrategie verfolgt die Europäische Kommission mittel- bis langfristige Ziele auch mit Blick auf die 2030 Agenda und die darin beinhalteten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Ein zentrales Ziel ist das Erreichen von Klimaneutralität bis 2050, was die Transformation von Sektoren wie Energie, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr erfordert. Es ist daher positiv, dass sich die Vorschläge zum EU-Aufbauplan und zum MFR auf den Europäischen Green Deal beziehen und damit Klimaschutz und weitere Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen Biodiversität, Agrar- und Kreislaufwirtschaft als besondere Prioritäten in den Blick nehmen. Die genaue Umsetzung des Green Deal wird zurzeit zwischen den Mitgliedstaaten und mit dem Europäischen Parlament verhandelt. Weiterhin sollen die Mitgliedstaaten ihre eigenen nationalen Konjunkturprogramme im Einklang mit nationalen Klima- und Energieplänen entwickeln. All dies muss aber noch konkretisiert werden.

Neben der Verwendungsseite sind aber auch die Refinanzierung und die regulativen Rahmenbedingungen nachhaltigkeitsrelevant. Die Tilgung der für den Aufbauplan aufgenommenen Schulden soll über den EU-Haushalt von 2028 bis 2058 erfolgen. Dies bedeutet eine massive Neuverschuldung für eine ganze Generation, die soziale Auswirkungen mit sich bringt, und verdeutlicht, wie sich die heutigen Entscheidungen und Investitionen auf künftige Generationen auswirken.

Zur Finanzierung der aufgenommenen Mittel schlägt der Aufbauplan unter anderem die Ausweitung des Emissionshandelssystems, eine Digitalsteuer oder eine Plastiksteuer vor. Solche Instrumente können effektiv zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitszielen beitragen.

Ab Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres inne, die nun durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und deren Bewältigung geprägt sein wird. Die Ratspräsidentschaft sollte also dazu genutzt werden, diese Prozesse um den EU-Aufbauplan und den MFR in einer Weise mitzugestalten, die entscheidende Impulse für eine Orientierung an Klima- und Nachhaltigkeitszielen setzt. Bereits im Juli wird ein weiterer Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs stattfinden, bei dem eine Einigung über den EU-Aufbauplan erreicht werden soll.

Auch die Einigung in der EU auf ein neues Zwischenziel beim Klimaschutz zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 steht noch aus. Diese nachgebesserten nationalen Klimapläne (Nationally Determined Contributions, NDCs) sollen in der zweiten Jahreshälfte beschlossen werden. Dies sollte bei den Verhandlungen um den EU-Wiederaufbauplan berücksichtigt werden, damit Investitionen in Bereiche fließen, die das Erreichen dieser Ziele ermöglichen. Dazu könnte die Festlegung eines CO2-Mindestpreises im europäischen Emissionshandelssystems gehören oder die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Wirtschaftssektoren.

Soziale Aspekte, Gesundheit und Bildung sowie die internationale Dimension kommen im Europäischen Green Deal bislang noch zu kurz. Der Aufbauplan spricht demgegenüber durchaus soziale Themen und die internationale Dimension an. Wenn beide Konzepte sich an den verschiedenen Nachhaltigkeitszielen orientieren, kann der EU-Aufbauplan in Verbindung mit dem Green Deal eine Chance sein, langfristige Ziele der Transformation hin zu nachhaltiger Entwicklung zu erreichen.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

Warum die Corona-Krise für rechtspopulistische Regierungen besonders schwierig ist

lun, 15/06/2020 - 13:01

Ob US-Präsident Donald Trump, der zunächst die Gefahr des Sars-CoV-2-Virus für die USA kleinredete oder Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der das Virus als mediale Täuschung bezeichnete und zwischenzeitlich die Veröffentlichung von Infektionszahlen unterband – rechtspopulistische Regierungen zeichnen sich in der Corona-Pandemie derzeit nicht durch effektives Krisenmanagement aus. Dass rechtspopulistische Entscheidungsträger*innen besondere Probleme damit haben, die Corona-Krise effektiv zu managen, liegt an der Unvereinbarkeit von effektivem Krisenmanagement mit dem Kern populistischer Weltanschauung.

Für Zeiten disruptiver Krisen, die sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens betreffen, benennt die Forschung zu Krisenmanagement sechs zentrale Erwartungen der Öffentlichkeit gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen. Sie sollen (1) die öffentliche Sicherheit bei allen Entscheidungen priorisieren, (2) Vorkehrungen für die schlimmsten anzunehmenden Szenarien treffen, (3) auf frühe Warnungen hören, um einer möglichen Verschlimmerung der Krise vorzubeugen, (4) politische Verantwortung übernehmen und klare Richtlinien vorgeben, (5) Empathie gegenüber Opfern der Krise zeigen und (6) aus der Krise lernen. Rechtspopulistische Regierungen haben Schwierigkeiten damit, diesen Erwartungen zu entsprechen.

Die Gründe dafür sind vielseitig: Erstens steht Anti-Elitismus im Kern populistischer Weltanschauung. Eliten wird vorgeworfen, korrupt zu sein und den Willen des „Volkes“ zu vernachlässigen. Expert*innen und Wissenschaftler*innen sind in den Augen von Rechtspopulisten als Teil der Elite für das im-Stich-lassen der Mehrheitsgesellschaft mitverantwortlich. Wissenschaftlichen Erkenntnissen wird daher grundlegend misstraut, insbesondere, wenn daraus politische Empfehlungen abgeleitet werden. Am deutlichsten wurde dies bislang bei der Leugnung der Existenz des menschengemachten Klimawandels. In der Corona Pandemie sind wissenschaftliche Datenanalysen, Prognosen und Handlungsempfehlungen von zentraler Bedeutung, um Warnungen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Rechtspopulistische Entscheidungsträger*innen befinden sich daher nun in der schwierigen Situation, Expert*innen, die sie normalerweise als Feindbild stilisieren, zuhören zu müssen.

Zweitens erfordert vorausschauendes Krisenmanagement die Fähigkeit von politischen Führungspersönlichkeiten, sich ihre eigene Verwundbarkeit eingestehen zu können. Für Rechtspopulist*innen, die für sich beanspruchen den personifizierten Volkswillen zu verkörpern, kratzt eine Pandemie mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen am Kern ihres Selbstverständnisses. Sie sind als Retter des kleinen Mannes angetreten; müssen nun jedoch Entscheidungen treffen, bei denen kurzfristig nur eines gerettet werden kann – die öffentliche Gesundheit oder das Wirtschaftswachstum.

Drittens benutzen Rechtspopulist*innen polarisierende Rhetorik als strategisches Mittel und begründen ihre Aussagen selten argumentativ. Polarisierung führt zu einem Rückgang des Vertrauens zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung und fördert die Verbreitung von Falschnachrichten. Forscher haben untersucht, wie eine affektbetonte Identifikation mit politischen Lagern die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinflusst und die Wahrnehmung verändern kann. Andere Studien ergaben, dass der Zugang zu Breitband-Internet die Polarisierung erhöht, da Bürger*innen zunehmend ihre Informationen über sich selbst bestärkende „Echo-Kammern“ in sozialen Medien beziehen. Polarisierung kann dazu führen, dass sich in der Gesellschaft Lager bilden, für die parteiliche Loyalität Vorrang vor Wahrheitsgehalt hat. Dies hat Auswirkungen auf die Erfolgschancen der Corona-Eindämmung. Wenn populistische Regierungsführer*innen die Pandemie als Komplott der Opposition oder äußerer Mächte beschreiben oder die Bedeutung der Pandemie verharmlosen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich alle Bevölkerungsteile in Verhaltensänderungen wie Social Distancing oder dem Tragen von Masken üben. Daher ist polarisierende Rhetorik in der Corona-Krise schwer mit politisch verantwortlichem Handeln vereinbar.

In Ländern wie den USA oder Brasilien sind die Zahlen der Corona-Infizierten und der Corona-Todesfälle in den vergangenen Wochen und Monaten stark gestiegen. Forschung zu den Strategien und Ideologien rechtspopulistischer Politiker*innen einerseits und den Bedingungen für effektives Krisenmanagement andererseits lässt vermuten, dass effektives Krisenmanagement inkompatibel ist mit rechtspopulistischer Regierungsführung. Welchen Einfluss rechtspopulistische Regierungen tatsächlich auf die Eindämmung der Corona-Pandemie haben und welche Rolle institutionelle Strukturen und unterfinanzierte Gesundheitssysteme spielen, muss erst noch untersucht werden. Ebenso sind die politischen Konsequenzen der Pandemie für rechtspopulistische Politiker*innen schwer vorhersehbar. Fest steht: Die Corona-Krise bedeutet für Regierungen weltweit eine immense Belastungsprobe und verändert die Parameter anhand derer erfolgreiches Regieren gemessen wird. Die Widersprüchlichkeiten rechtspopulistischer Regierungsführung treten in diesen Zeiten deutlich zutage.

Maximilian Högl ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Inter- und transnationale Zusammenarbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Christine Hackenesch ist Programmleiterin des Forschungsprogramms Inter- und transnationale Zusammenarbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Daniel Stockemer ist Professor an der University of Ottawa (Kanada) und derzeit Gastwissenschaftler am DIE. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen politische Partizipation und Repräsentation sowie Rechtsextremismus in Europa.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

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