Die Covid-19-Pandemie gilt nicht mehr als »gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite«. Das verkündete der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, am vergangenen Freitag in Genf. Die Erklärung stützt sich auf Artikel 12 der Internationalen Gesundheitsvorschriften von 2005. Die Länder sollten sich nun auf eine längerfristige Strategie zur Bewältigung des Virus vorbereiten, so der WHO-Generaldirektor. Bislang wurden nach Daten der John Hopkins University weltweit mehr als 6,8 Millionen Covid-19-Todesfälle gemeldet – nach neuen WHO-Angaben liegt die tatsächliche Todesrate jedoch bei mindestens 20 Millionen Menschen.
Aus völkerrechtlicher Sicht bringt die Erklärung keine wesentliche rechtliche Änderung mit sich, da jedes Land selbst entscheidet, welche Schutzmaßnahmen es ergreift. Die WHO spricht lediglich Empfehlungen aus. Doch wie könnte eine längerfristige Strategie gegen Covid-19 und künftige Gesundheitsbedrohungen aussehen? Trotz der vorherrschenden geopolitischen Brüche muss der Multilateralismus im Bereich der globalen Gesundheit gestärkt werden, um bei der Pandemieprävention, -vorsorge und -bekämpfung voranzukommen.
Auch wenn die Welt die akute Phase der Covid-19-Pandemie hinter sich gelassen habe, gebe das Risiko schwerer Varianten weiterhin Anlass zur Sorge, so der WHO-Generaldirektor. Es sind weitere Forschungen erforderlich, zum Beispiel um die Auswirkungen von Long-Covid zu ermitteln. Die Regierungen sollten die Erklärung daher nicht als Vorwand nutzen, um präventive Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit aufzuheben, einschließlich der Schließung der verbleibenden Impflücken und der Gewährung von Arbeitsfreistellung im Falle positiver Testergebnisse.
Notwendigkeit einer wirklich globalen GesundheitspolitikDer Mangel an Solidarität während der Covid-19-Pandemie - »ein Beispiel der Nichtzusammenarbeit« - muss ein Weckruf für die internationale Staatsgemeinschaft sein. Verständlicherweise war jedes Land und jede Region bestrebt, in erster Linie seine eigene Bevölkerung zu schützen. Die unmittelbare Folge war jedoch, dass Länder mit geringeren Ressourcen bei der Verteilung lebensrettender medizinischer Güter ins Hintertreffen gerieten.
Mittlerweile hat sich auf der Ebene der internationalen Politik eine »Pandemiemüdigkeit« eingestellt. Dabei bleibt mit Blick auf die Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024, auf der ein neuer Pandemievertrag und eine Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften vorgelegt werden sollen, noch viel zu tun.
Wenn die Bundesregierung ihre Führungsrolle im Bereich der globalen Gesundheit konsolidieren will, muss sie den Umgang mit langfristigen Folgen von Covid-19 und anderen wachsenden Gesundheitsbedrohungen planen. Sie kann hier jedoch nicht im Alleingang handeln. Für eine bessere Pandemieprävention, -vorbereitung und -reaktion ist ein stärkeres multilaterales Engagement erforderlich. Zwei Strategien können helfen, diese Ziele zu erreichen.
Klare Regeln und eine nachhaltige FinanzierungErstens sind klare völkerrechtliche Regeln erforderlich, um die Verantwortlichkeiten zwischen den Staaten aufzuteilen. Das Völkerrecht ist nach wie vor die beste Option, um klare Parameter für die Reaktion der Staaten auf Pandemien festzulegen. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass der WHO mehr Befugnisse übertragen werden müssen. Zumindest aber sollten die Verantwortlichkeiten zwischen den Staaten geregelt sein, zum Beispiel für eine gerechte Verteilung medizinischer Güter oder einen transparenten Datenaustausch. Die nächste Pandemie könnte schon vor der Tür stehen. Doch ohne verbindliche Regeln gibt es keine klaren politischen Zusagen, dass künftige Reaktionen von mehr zwischenstaatlicher Solidarität geprägt sein werden.
Zweitens ist eine nachhaltige Finanzierung der WHO für eine längerfristige Perspektive erforderlich. Es ist kein gangbarer Weg, Finanzmittel zu sammeln, nachdem eine gesundheitliche Notlage eingetreten ist. Deutschland hat eine führende Rolle bei der Erhöhung der Pflichtbeiträge für die WHO gespielt. Die Verhandlungen über die genauen Bedingungen dieser Erhöhung werden auf der kommenden Weltgesundheitsversammlung Ende des Monats fortgesetzt. Eine größere Unabhängigkeit und Stabilität der WHO hängt vom Erfolg dieser Verhandlungen ab.
Die WHO stieß bei der Covid-19 Pandemiebekämpfung an ihre Grenzen. Dazu gehörten verwirrende oder verspätete Mitteilungen zu wichtigen Fragen wie dem Tragen von Masken, Reisebeschränkungen und der Übertragung von Covid-19. Aber sie hat für alle Mitgliedstaaten auch umfassende Beratung geleistet und war ein Ort, an dem politische Maßnahmen zwischen den Staaten erörtert wurden. Für diese Aufgaben gibt es keine alternative internationale Institution. Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Kontinuität der Arbeit der WHO durch ihre Finanzierung könnte daher dazu beitragen, sie vor aktuellen und künftigen geopolitischen Konflikten zu schützen. Letztlich ist der Multilateralismus die beste Garantie dafür, dass sich viele der globalen Debakel, die während der Covid-19-Pandemie auftraten, nicht wiederholen.
With the publication of its Synthesis Report in March 2023, the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) has completed its work programme for the sixth assessment cycle. The IPCC reports, and in particular the respective Summary for Policy Makers (SPM), provide a scientific basis for negotiations under the United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC). They are a key reference in the global climate debate. The most recent Synthesis Report (SYR) is considered one of the most important sources of information for the first Global Stocktake under the Paris Agreement, which is to be concluded at the UNFCCC Conference of the Parties (COP28) in Dubai in December 2023. The knowledge politics surfacing in controversies that were visible during the report’s adoption reflect the conflicting interests that will shape the upcoming round of new emission reduction and financing pledges.
Die Klimapolitik in der Europäischen Union und in Deutschland hat sich mit der Verabschiedung von Netto-Null-Zielen deutlich verändert. Eine neue Entwicklung ist die Bedeutung von Carbon Management. Der Sammelbegriff umfasst neben der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) auch die CO2‑Abscheidung und Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU) sowie die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR). Es ist wichtig, Klarheit in Bezug auf die Abgrenzung dieser einzelnen Ansätze zu schaffen und ihr Verhältnis zu den sogenannten Restemissionen und schwer vermeidbaren Emissionen zu identifizieren. Dies ist insbesondere deshalb ratsam, weil davon das generelle Ambitionsniveau der Klimapolitik, die zukünftige Ausgestaltung der Politikdesigns sowie deren Verteilungswirkungen abhängen. Aktuelle Politik- und Gesetzgebungsprozesse sollten genutzt werden, um darauf hinzuwirken, dass Carbon Management den Ausstieg aus fossilen Energieträgern nicht verlangsamt. Die neuen Initiativen bieten die Gelegenheit, die Schnittstelle zwischen ambitioniertem Klimaschutz und Industriepolitik aktiv zu gestalten.
Das Soziale Europa ist zurück auf der politischen Agenda – als Folge schwerer Wirtschaftskrisen, der einstigen Austeritätspolitik und eines Wandels im europäischen Diskursrahmen. Fünf Jahre nach ihrer Proklamation ist die Europäische Säule sozialer Rechte – obwohl rechtlich unverbindlich – zum zentralen Bezugspunkt sozialpolitischer Vorhaben auf EU-Ebene geworden. Langsam, aber stetig verbessert sich die soziale Situation der EU, wobei es weiterhin große Divergenzen gibt. In den Mitgliedstaaten werden die Säule und das sie begleitende Social Scoreboard nur erratisch genutzt. Sozialinvestitionen und ‑reformen, die mithilfe der Aufbau- und Resilienzfazilität finanziert werden, orientieren sich nur in Teilen an sozialen Defiziten. Zugleich hat das europäische Krisenmanagement in der Pandemie dazu beigetragen, die Säule sozialer Rechte umzusetzen. Mit ermöglicht haben diesen Erfolg finanzunterlegte Instrumente wie das Kurzarbeitergeld SURE. Durch eine Reihe von Maßnahmen ließe sich die Umsetzung der Säule stabilisieren. Zu empfehlen wäre, die Indikatoren des Scoreboards gezielter auch auf nationaler Ebene zu nutzen, SURE zu einer Europäischen Arbeitslosenversicherung weiterzuentwickeln, ein Verfahren zu sozialen Ungleichgewichten einzurichten sowie Freiräume für Sozialinvestitionen im Stabilitäts- und Wachstumspakt zu schaffen.
No other bilateral relationship has comparable significance for the future of the international order as that between the United States and the People’s Republic of China. Domestic political and social structural factors have a significant influence on the conflict behaviour of the two states. These factors are contributing towards the deterioration of the bilateral relationship and making it crisis-prone. Vulnerabilities arise from the interdependencies between the two societies and economies. An awareness of this fact can provide an incentive for cooperation. Efforts made to avoid the risk of escalation can also promote cooperation. Both states are dependent on a functioning international order. However, this insight is all too easily overshadowed by the conflictual aspects of the bilateral relationship. This is the task – and at the same time an opportunity – for German and European policy, which should strengthen European participation in world governance to gain more weight and exert a moderating influence on China and America.
Die Bundesregierung hat sich im Eckpunktepapier »Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung« das Ziel gesetzt, Standards für die verantwortungsvolle Beschaffung von Metallen zu etablieren. Deutsche Firmen beziehen Metalle oftmals über Händler, Börsen und außerbörsliche Handelsplätze. Diese sind überwiegend außerhalb der Europäischen Union (EU) angesiedelt, und zwar in Ländern, deren Regulierung für die Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten schwächer ist als in der EU. Rohstoffhändler und Börsen spielen eine zentrale Rolle für die sichere Versorgung mit Metallen und die Durchsetzung lieferkettenübergreifender Standards. Daher sollte die Bundesregierung den Rohstoffhandel bei der Umsetzung des Eckpunktepapiers verstärkt in den Blick nehmen. Durch ein starkes EU-Lieferkettengesetz, das auch den Finanzsektor einschließt, kann Deutschland darüber hinaus indirekt Einfluss auf Rohstoffhändler, Börsen und außerbörsliche Handelsplätze für Metalle ausüben.