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Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / Analysen

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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Updated: 1 week 1 day ago

Baut Städte statt Lager: Uganda als Beispiel einer integrativen Flüchtlingspolitik

Wed, 28/09/2016 - 15:33
Die öffentliche Wahrnehmung der Situation Geflüchteter stimmt in zwei wichtigen Aspekten nicht mit den Fakten überein: Die bei Weitem meisten Flüchtlinge halten sich in armen Nachbarländern ihrer Herkunftsorte auf (86 Prozent) und sie bleiben dort sehr lange (im Durchschnitt 17 Jahre). Obwohl dies seit Längerem bekannt ist, werden diese Gastländer häufig nicht unterstützt und Geflüchtete haben kaum eine Chance, sich dauerhaft niederzulassen und in ihre Gastgemeinden zu integrieren. Daher mehren sich Überlegungen, statt die herkömmlichen Flüchtlingslager zu errichten – die in erster Linie auf eine Notversorgung der Geflüchteten ausgelegt sind – eher auf längerfristige Ansätze in der Flüchtlingspolitik zu setzen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche integrative Flüchtlingspolitik – und somit mögliches Lehrstück für andere Länder – ist Uganda. Bereits seit 1999 verfolgt die ugandische Regierung den Ansatz der lokalen sozialen und ökonomischen Integration von Geflüchteten. Sie erhalten Land, dürfen arbeiten und sollen so unabhängig von Hilfe werden. Von dieser liberalen Politik profitiert auch die einheimische Bevölkerung: Die gesteigerte ökonomische Dynamik in Gegenden, in denen viele Geflüchtete leben, führt zu einem höheren Konsum sowie einem besseren Zugang zu öffentlicher Infrastruktur für Menschen in angrenzenden Dörfern. So können sie die von Hilfsorganisationen betriebenen Schulen und Krankenstationen nutzen. Die subjektive Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung spiegelt jedoch diese positiven Entwicklungen nicht wider: Sie schätzen ihre ökonomische Lage schlechter ein als dies in anderen Gegenden Ugandas der Fall ist. Wiederholt flammen lokal Konflikte um Land auf und es gibt Anzeichen dafür, dass die ugandische Regierung in Distrikten mit hoher Flüchtlingspräsenz weniger Mittel für den Betrieb von Krankenstationen und für die Unterstützung armer Menschen ausgibt. Obwohl es von Seiten der Regierung und der Hilfsorganisationen Bemühungen gibt, keine der Gruppen schlechter zu stellen als die jeweils andere und durch Begegnungen Vorurteile abzubauen, hält die (empfundene) Konkurrenz um Ressourcen an. Die ugandischen Erfahrungen sowie Herausforderungen bei der Unterstützung von Flüchtlingen in Kenia und Jordanien unterstreichen das große Potenzial einer integrativen Flüchtlingspolitik. Die lokale Bevölkerung kann von ihr profitieren und Kosten für die Versorgung der Geflüchteten werden eingespart. Vier Empfehlungen lassen sich aus der Analyse für Gastländer ableiten, die viele Flüchtlinge beherbergen: ·     Dadurch, dass man Siedlungen statt Lager baut und den Flüchtlingen das Recht zu arbeiten gibt, entsteht eine wirtschaftliche Dynamik, von der die Einheimischen in der Region profitieren. ·     Dafür ist eine gute Koordination zwischen nationaler Regierung und internationalen Gebern notwendig, z.B. in Hinblick auf öffentliche Dienstleistungen und die Allokation finanzieller Mittel. ·     Um Konflikte zwischen Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung zu vermeiden, sind die Aufklärung der einheimischen Bürger und ein Austausch zwischen beiden Gruppen ratsam. ·     Arme Bevölkerungsgruppen sollten besonders berücksichtigt und nicht durch die Anwesenheit der Geflüchteten benachteiligt werden. Ggf. sollte über Hilfszahlungen nachgedacht werden.

Die G20 und die Zukunft des Welthandelssystems

Mon, 18/07/2016 - 15:19
Seit dem ersten Treffen der G20 auf Ebene der Staats- und Regierungschefs im November 2008 hat das Thema internationaler Handel einen festen Platz auf der Tagesordnung der G20. Dieses erste Treffen fand auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise statt, die zu einem starken Einbruch des Welthandels führte. Aufgrund der Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise nach 1929 und den in der Folge eingeführten protektionistischen Maßnahmen verpflichteten sich die G20, keine neuen Handels- und Investitionsbarrieren zu errichten. Auch die Zusage, die Doha-Runde der multilateralen Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation (WTO) abzuschließen, gehört zum Standardrepertoire der G20-Gipfelerklärungen. Dennoch ist die Zukunft der Doha-Runde seit dem letzten Ministertreffen der WTO in Nairobi im Dezember 2015 unsicherer als je zuvor. Wichtige Mitgliedsstaaten, insbesondere die Vereinigten Staaten, befürworten den Abschluss der Doha-Runde, während zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer auf ihrer Fortführung bestehen.
Die mit dem langsamen Fortschritt der Doha-Runde unzufriedenen großen Handelsmächte – allen voran die USA und die EU – konzentrieren sich immer stärker darauf, bilaterale oder regionale Handelsabkommen abzuschließen. Abkommen wie die im Februar 2016 von den USA, Japan und zehn weiteren Pazifikstaaten beschlossene Transpazifische Partnerschaft (TPP) oder das Transatlanische Freihandelsabkommen (TTIP), über das sich EU und USA momentan in Verhandlungen befinden, decken einen Großteil der weltweiten Handels- und Investitionsströme ab und haben zum Ziel, Themen wie Investitionen, Wettbewerb und Standards zu regeln, die über die Abschaffung von Zöllen hinausgehen. Gleichzeitig werben die großen Handelsmächte für sogenannte plurilaterale Vereinbarungen über bestimmte Themen. Prominentestes Beispiel dafür ist das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA), das außerhalb der WTO verhandelt wird. Die Rolle der WTO als zentrales Steuerungsorgan für den Welthandel wird durch diese großen regionalen und plurilateralen Handelsabkommen geschwächt. Bisher hat die Reform des Welthandelssystems bei den G20-Gipfeln nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Gipfelerklärungen beinhalten lediglich vage formulierte Zusagen, das multilaterale Handelssystem zu stärken.
Die G20 sollten bezüglich der Zukunft der WTO und der Reform des Welthandelssystems eine aktivere Rolle spielen. Angesichts der zunehmenden Fragmentierung des Systems ist eine solche Reform notwendig. Gleichzeitig wollen die Vereinten Nationen (UN) die Nachhaltigkeit mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zum Kernprinzip der weltweiten Zusammenarbeit und damit auch des internationalen Handels machen. Unter anderem wird in der Agenda 2030 ein universelles, regelbasiertes, offenes und diskriminierungsfreies multilaterales Handelssystem gefordert. Den Graben zwischen dem bestehenden internationalen Handelssystem und den in der Agenda 2030 aufgeführten Zielen zu überwinden, ist eine enorme Herausforderung, die weder die WTO noch die UN oder die Agenda 2030 alleine wirksam meistern kann. Die G20 dagegen sind ein geeignetes Forum, um genau dies zu schaffen.


Städtische Governance für nachhaltige globale Entwicklung: von den SDGs zur New Urban Agenda

Thu, 14/07/2016 - 14:36
„Der Kampf um die globale Nachhaltigkeit wird sich in Städten entscheiden“, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon vor einer hochrangigen Delegation von Bürgermeistern und Repräsentanten von Gebietskörperschaften am 23. April 2012 in New York.
Gut drei Jahre später wurde auf dem UN-Gipfel 2015 die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Die 17 SDGs (Sustainable Development Goals, Ziele für nachhaltige Entwicklung) der Agenda umreißen die wichtigsten Politikfelder für eine zukünftige globale Entwicklungspartnerschaft. Ein Ziel (SDG 11: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“) verweist ausdrücklich auf das Thema Stadtentwicklung. Die Gemeinschaft der Städte hat die Verabschiedung dieses Ziels sehr begrüßt, spiegelt sich darin doch eine wachsende Anerkennung der zentralen Bedeutung von Städten für globale Entwicklungsprozesse wider.
Dieser Beitrag teilt diese Einschätzung, betont jedoch, dass für die wirkungsvolle Umsetzung der Agenda 2030 Aspekte der städtischen und lokalen Governance deutlicher thematisiert werden müssten. So verweist das „städtische“ SDG 11 nicht explizit auf Governance. Das „Governanceziel“ SDG 16 spricht zwar von Institutionen „auf allen Ebenen“, jedoch nicht von lokalen und städtischen Zuständigkeiten. Bei sektoralen Zielen wie SDG 13 (Maßnahmen gegen den Klimawandel) und SDG 9 (Aufbau robuster Infrastruktur) fehlen ebenfalls Verweise auf die lokale oder städtische Ebene.
Bislang nicht ausreichend thematisierte Aspekte städtischer Governance könnten bspw. im Rahmen der für die nächsten Monate geplanten Methodenarbeit der Interinstitutionellen Arbeits- und Expertengruppe zu den SDG-Indikatoren weiter ausgearbeitet werden (UN-Economic and Social Council, 2016, S. 9).
Noch wichtiger ist es, die städtische Governance-Dimension durch Verknüpfung mit anderen globalen Politikprozessen zu konkretisieren – und dadurch die SDG-Umsetzung zu erleichtern. Insbesondere die New Urban Agenda (NUA), die auf dem Weltsiedlungsgipfel 2016 (Habitat III) in Quito, Ecuador, vom 17. bis zum 20. Oktober 2016 formuliert werden soll, ist hier von zentraler Bedeutung.
Die NUA sollte sich insbesondere zu drei Dimensionen städtischer Governance deutlich positionieren:
  1. Rahmenbedingungen für städtische Governance: Dies beinhaltet nationale Stadtentwicklungspolitiken und andere Rahmenkonzepte; darüber hinaus betrifft es ebenen- und bereichsübergreifende Kooperations- und Koordinationsmechanismen und formelle und informelle Verbindungen über administrative Grenzen hinaus.
  2. Innerstädtische Partnerschaften: Effektive Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen lokaler Verwaltung, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft bilden die Basis guter städtischer Governance. Besonders wichtig sind Instrumente, die benachteiligte Gruppen an Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen beteiligen.
Transformative städtische Governance: Um den globalen Herausforderungen mit einer tatsächlich transformativen Entwicklung zu begegnen, müssen die zentralen Elemente einer klimafreundlichen Governance auf städtischer Ebene für Minderungs- wie auch für Anpassungsmaßnahmen definiert werden.

Frieden nachhaltig fördern: Erkenntnisse der Forschung zur Wirksamkeit von Post-Konflikt-Engagement

Mon, 04/07/2016 - 12:05
Jedes Jahr fallen Zehntausende Zivilisten Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten zum Opfer; allein in den letzten fünf Jahren wurden Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen. Seit Mitte der 1990er-Jahre schien die Zahl der innerstaatlichen Konflikte stetig zurückzugehen, seit 2013 gilt dies aber nicht mehr. Im Gegenteil, 2014 war sogar das tödlichste Jahr seit dem Völkermord in Ruanda 1994.
Die meisten heutigen Gewaltkonflikte sind Wiederausbrüche früherer Kriege. Die große Herausforderung besteht deshalb nicht nur darin, anhaltender Gewalt ein Ende zu setzen, sondern insbesondere auch darin, einen erneuten Ausbruch zu verhindern. Genau dieses Ziel setzt sich die Friedensförderung seit den 1990er-Jahren. Aber wie erfolgreich sind Maßnahmen der Friedenssicherung nach bewaffneten Konflikten wirklich? Und wie kann deren Wirksamkeit erhöht werden?
Gestützt auf zahlreiche empirische Studien zum Thema Friedensförderung zeigt dieses Papier auf, welche Arten externer Unterstützung sich als wirksam erwiesen haben. Es beleuchtet die vier Themenbereiche internationaler Friedensförderung: Sicherheit, sozio-ökonomische Entwicklung, demokratische Regierungsführung und Transitional Justice, und diskutiert und synthetisiert wesentliche Erkenntnisse und offenen Fragen. Drei Kernaussagen ergeben sich besonders deutlich:
  • Erstens sind internationale Friedensmissionen – also die unmittelbare Herstellung von Sicherheit – ein wirksames Instrument, um nach einem Bürgerkrieg Frieden zu sichern. Peacekeeping ist besonders erfolgreich, wenn es Teil eines umfassenden Ansatzes ist: Politische, wirtschaftliche und soziale Belange müssen frühzeitig integriert angegangen werden.
  • Zweitens muss bei der Unterstützung von Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogrammen sowie von Sicherheitssektorreformen die politische Natur dieser Prozesse berücksichtigt werden. Diese als rein technische Themen anzugehen und die davon betroffenen Interessen zu ignorieren riskiert, neue Konflikte zu entfachen, statt zu verhindern.
  • Drittens ist Transitional Justice ein wichtiger Teil der Friedenskonsolidierung, sofern dabei die Belange vieler relevanter Akteure in der betroffenen Gesellschaft zum Tragen kommen: im Parlament, in Regierung und Verwaltung, in der Zivilgesellschaft.
Patentlösungen für die nachhaltige Förderung von Frieden nach Bürgerkriegen gibt es nicht. Unterschiedliche Konflikte erfordern unterschiedliche Wege zum Frieden. Eine Richtung zukünftiger Forschung sollte darauf abzielen, Typen von Nachkriegssituationen zu identifizieren, denen jeweils mit ähnlichen Strategien der Friedensförderung begegnet werden kann.


Regierungsnahe Milizen, Menschenrechtsverletzungen und die ambivalente Rolle der Entwicklungszusammenarbeit

Wed, 20/04/2016 - 13:36
Viele Regierungen rund um den Globus bedienen sich inoffizieller bewaffneter Gruppierungen. Diese Praxis bedeutet eine erheblich gesteigerte Gefahr für die Zivilbevölkerung, da das Vorgehen solcher regierungsnahen Milizen (Pro-Government Militias, PGMs) meist mehr Menschenrechtsverletzungen wie Tötungen, Folter und Verschwindenlassen mit sich bringt. Beispiele hierfür sind die Shia-Milizen im Irak, die Shabiha-Milizen in Syrien und die Imbonerakure in Burundi.
Angesichts des extremen Ausmaßes an Leid, Gewalt und Instabilität, das mit ihnen einhergeht, muss das Wissen über diese Gruppierungen dringend ausgebaut werden. Dieses Papier erläutert, dass es PGMs nicht nur in gescheiterten Staaten, armen Ländern und Bürgerkriegsländern oder Ländern mit bewaffneten Konflikten gibt. Sie sind auch in mehr oder weniger demokratisch regierten Ländern zu finden und in Halbdemokratien an der Tagesordnung.
Regierungen lagern Sicherheitsaufgaben aus Effizienzgründen an irreguläre Kräfte aus, wenn sie sich in einem unklaren Umfeld bedroht fühlen. PGMs sind für Regierungen attraktiv, weil sie billiger, flexibler und vielfach besser informiert sind als die regulären Streitkräfte. Die Frage der Verantwortung für die ausgeübte Gewalt wird durch sie unübersichtlicher, sodass die politischen Kosten bei umstrittener Gewaltanwendung für die Regierung sinken. Angesichts dieser Faktoren sind PGMs insbesondere für Staaten attraktiv, die mit Gewalt gegen Gegner im Innern vorzugehen beabsichtigen, aber nationale und internationale Folgen durch übermäßige Menschenrechtsverletzungen fürchten. Auch wenn sich Konflikte mit solchen Gruppierungen also einfacher finanzieren lassen und die politischen Kosten zu sinken scheinen, können PGMs mittel- und langfristig – manchmal unbeabsichtigte – Folgen wie gesteigerte Formen von Leid und Gewalt für die Zivilbevölkerung sowie höhere Instabilität und Kriminalität nach sich ziehen.
Die Gefahr für Frieden, Sicherheit und Stabilität durch PGMs lässt sich nur reduzieren, wenn die internationale Gemeinschaft weiß, wie Regierungen Sicherheitsaufgaben delegieren, und sie gleichermaßen für die Gewalt zur Rechenschaft zieht, die staatliche wie nichtstaatliche Akteure in ihrem Auftrag ausüben.
  • Die internationale Gemeinschaft muss, wenn sie Demokratie fördert, mögliche unbeabsichtigte Nebenfolgen ihres Handelns berücksichtigen. Werden Anreize geschaffen, dass Regierungen in Partnerländern Repression begrenzen, kann dies dazu führen, dass sie sich lediglich von der Gewalt distanzieren, statt sich um ihre Reduzierung zu bemühen.
  • Zusagen für internationale Unterstützung müssen auf Grundlage einer eingehenden Prüfung des Sicherheitssektors erfolgen, die sowohl reguläre als auch irreguläre Kräfte einbeziehen muss.
Regierungen sind dafür verantwortlich, das Leben ihrer Bürger zu schützen. Gehen Milizen gegen die Zivilbevölkerung vor, hat die Regierung bei dieser Aufgabe versagt und muss deshalb für die ausgeübte Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden.


Die Zukunft des "Europäischen Konsenses für Entwicklung"

Fri, 19/02/2016 - 13:31
Mit den gegenwärtig zunehmenden Anforderungen und Erwartungen an Europa, stellt sich die Frage, wie die Europäische Union (EU) ihre Rolle als globaler Akteur besser und wirkungsvoller wahrnehmen kann. Auch die dramatische Zuspitzung der Ereignisse in der Europäischen Nachbarschaft und die daraus resultierende Flüchtlingskrise in zahlreichen Mitgliedsstaaten (MS) zeigen deutlich, dass ein Neudenken der EU Außen- und Entwicklungspolitik notwendig ist. Die EU war einer der am stärksten engagierten Partner bei den Verhandlungen zur neuen 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung. 2016 wird sie sich der Herausforderung stellen müssen, diese Agenda in und außerhalb Europas umzusetzen.
Im Juni 2015 hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini einen Konsultationsprozess in Gang gebracht, der bis zum Frühsommer 2016 eine EU Globalstrategie, auf die sich alle Mitgliedsstaaten einigen können, zum Resultat haben soll. Einer wertebasierten und nachhaltigen Entwicklungspolitik, die auch die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) berücksichtigt, sollte eine zentrale Stellung in einer solchen Strategie zukommen. Der Europäische Konsens für die Entwicklung kann nicht länger als isoliertes Dokument frei im Raum stehen bleiben, sondern muss mit den anderen Strategien der EU-Außenpolitik verknüpft werden. Ausgehend davon, dass der Europäischen Entwicklungszusammenarbeit (EU-EZ) in der Globalstrategie und in einer reformierten ‚Europa-2030-Strategie‘ ein angemessener Platz zukommen sollte, haben Kommission und der Europäische Auswärtigen Dienst (EAD) angefangen, Gedanken  zu einer möglichen Reform des Konsenses zu formen. Am 28. Januar 2016 informierte EU Entwicklungskommissar Neven Mimica das Europäische Parlament, dass nach dem informellen Ministerrat vom Dezember 2015 die Vorbereitungen dazu bereits begonnen haben.
Aus diesen Gründen ist es notwendig, den sich wegen Veränderungen in- und außerhalb der Union ergebenden Reformbedarf des Europäischen Konsenses für Entwicklungspolitik zu beleuchten. Im Folgenden werden die Rolle des Konsenses in der Vergangenheit, seine wichtigsten Beiträge und Möglichkeiten sowie die zentralen Herausforderungen und Chancen einer Weiterentwicklung des Konsenses thematisiert. Die Verbesserung der Koordination und Zusammenarbeit zwischen Humanitärer Hilfe sowie Entwicklungs- und Nachbarschaftspolitik könnte hier¬bei neue Wege und Ansätze aufzeigen. Aus dieser Analyse werden vier Empfehlungen für eine Reform des Konsenses abgeleitet:
  1. Nutzung der Reformdynamik für ein Überdenken des EU Konsens und die anstehende Verhandlung über die Zukunft der Beziehungen zwischen EU und der Gruppe der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen (AKP) Staaten.
  2. Entwicklung eines holistischen und nachhaltigen Sicher¬heitskonzepts durch Konsens und Globalstrategie.
  3. Synergien aus der Verzahnung von Politikbereichen sowie zwischen MS und EU in der Koordination von Humanitärer Hilfe und Entwicklungspolitik.
  4. Definition von Schwerpunkten in der Zusammenarbeit mit Mitteleinkommensländern (middle-income countries – MICs) und den aufstrebenden Mächten.

Finanzierung globaler Entwicklung: Die Rolle der Zentralbanken

Mon, 18/01/2016 - 15:02
Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern haben Zentralbanken in den letzten zehn Jahren begonnen, wieder mehr Gewicht auf die aktive Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und strukturellen Wandels zu legen. Zentralbankpolitiken zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung umfassen auch Strategien zur Entwicklung des Finanzsektors, zur Förderung der finanziellen Inklusion und zu einer nachhaltigeren Ausrichtung des Finanzsystems.
Dies stellt eine Abkehr von der seit den 1980er-Jahren vorherrschenden Doktrin dar, die von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und multilateralen Entwicklungsbanken in den Entwicklungsländern proklamiert wurde. Der orthodoxe Ansatz, nach dem sich Zentralbanken hauptsächlich auf die Preisstabilität zu konzentrieren haben, wurde jedoch von der globalen Finanzkrise untergraben, in der deutlich wurde, dass Zentralbanken auch Verantwortung für die Sicherung der Finanzstabilität übernehmen müssen. Im Nachgang der Krise haben viele Zentralbanken in Industrieländern zu unkonventionellen Maßnahmen gegriffen, um Problemen wie Schulden, Stagnation und Deflation zu begegnen. So wurde eine neue Diskussion über die Bandbreite und die Grenzen ihres Mandats entfacht. Tatsächlich versuchen viele Zentralbanken in Entwicklungsländern bereits seit langem auf proaktive Weise eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu fördern. Insbesondere setzen sich immer mehr Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden in Entwicklungsländern aktiv für finanzielle Inklusion sowie „grünere“ Finanzsysteme ein, was sie zu wichtigen, wenn auch in internationalen politischen Diskussionen meist unterschätzten, Akteuren der Finanzsystementwicklung macht.
Eine Erweiterung der Zentralbankmandate kann zur Förderung nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung und einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Post-2015-Entwicklungsagenda beitragen. Allerdings kann ein erweitertes Mandat zweifelsohne auch zu Zielkonflikten zwischen Entwicklungs- und Stabilitätszielen führen. Bei einem erweiterten Mandat müssen deshalb die institutionellen Rahmenwerke von Zentralbanken mit Blick auf potentielle Risiken reformiert werden um sicherzustellen, dass Zentralbanken die wirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität gleichermaßen fördern und so einen wichtigen Beitrag für die ökonomische Prosperität eines Landes leisten können.


Bürgerkriegsausgang und dauerhafter Frieden: warum der Vorteil militärischer Siege überschätzt wird

Mon, 18/01/2016 - 13:43
Ein Strang der aktuellen Konfliktforschung behauptet, Frieden würde durch militärische Siege befördert. Sie brächten, so die These, weniger stark gespaltene Post-Konflikt-Gesellschaften hervor, was Wiederaufbau und wirtschaftliche Entwicklung erleichtere. Diese Sichtweise impliziert, dass internationale Akteure entweder einer Seite zum Sieg verhelfen oder Konflikte sich selbst überlassen sollten, statt sich für Verhandlungslösungen einzusetzen. Das vorliegende Papier argumentiert, dass weniger für einen „Siegfrieden“ spricht als dessen Befürworter behaupten. Die erfolgreichsten Konfliktlösungen sind jene, die die Konfliktursachen angehen und viele verschiedene Akteure einbeziehen.
Ein Blick auf den Ausgang von Bürgerkriegen seit 1946 legt die Vermutung nahe, dass militärische Siege etwas besser stabilisierend wirken als andere Kriegsausgänge. Eine genaue Analyse von Kontext und Inhalt von Friedenskonsolidierung zeichnet ein ganz anderes Bild.
  • Die häufigste Form der Beendigung von Bürgerkriegen ist weder ein militärischer Sieg noch ein Friedensabkommen, sondern eine Fortdauer der Auseinandersetzung mit begrenzterer Gewaltanwendung.
  • Die Bürgerkriege, die mit einem Friedensabkommen schlossen, dauerten durchschnittlich achtmal länger als jene, die ein militärischer Sieg beendete. De facto gibt es einseitige Siege fast nur, wenn Kämpfe Tage oder Monate, nicht Jahre dauern. Das weist darauf hin, dass Langzeitkonflikte kaum enden, wenn ihnen freier Lauf gelassen wird, und dass Verhandlungen der einzige Weg sind, lang andauernde Kriege zu beenden.    
  • Die unterschiedliche Konfliktdauer bedeutet auch, dass die Hindernisse für einen Wiederaufbau nach einer Verhandlungslösung deutlich höher sind als nach einem militärischen Sieg. Internationale Akteure, die nach einem Friedensschluss am Wiederaufbau mitwirken wollen, stehen Gesellschaften mit mehr Opfern, tieferer Spaltung und größeren materiellen Schäden gegenüber.
  • Gleich, wie ein Konflikt ausgeht – der wichtigste Faktor für anschließende Stabilität ist eine geordnete Demobilisierung ehemaliger Kämpfer. Zudem kommt es darauf an, zugrunde liegende Missstände durch gewaltfreie Politik zu beseitigen, etwa indem die Besiegten Gelegenheit erhalten, eine politische Partei zu gründen und/oder sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen.
Langfristig erfolgreiche Konfliktbearbeitung verlangt die Demontage der Strukturen zur Truppenmobilisierung wie auch jener zur Repression. Armee und Milizen müssen in  Kasernen zurückkehren und unter zivile Kontrolle gestellt werden. Externe Akteure können am besten helfen, indem sie Anlaufstellen einrichten, wo Missstände vorgebracht und friedlich beseitigt werden können.
Folgende Empfehlungen leiten sich aus diesem Papier ab:
  • Lang anhaltende Konflikte lassen sich nur mit Gesprächen über die Konfliktursachen beenden.

ECOSOC-Dialog: eine föderale Struktur für das VN-Entwicklungssystem?

Mon, 14/12/2015 - 15:37
Die 2030-Agenda mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung stellt die Frage nach einer Reform des Systems der VN-Entwicklungszusammenarbeit (VN-EZ) in neuer Dringlichkeit. Soll das VN-EZ-System auch in Zukunft eine tragende Rolle in der nachhaltigen Entwicklung spielen, so muss es fit for purpose gemacht werden. Die Staaten haben den Handlungsbedarf erkannt und einen Reformprozess in die Wege geleitet. In einem Staatendialog, der seit Dezember 2014 im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) läuft, sollen konkrete Reformvorschläge erarbeitet und Mitte 2016 präsentiert werden. Bislang zeichnet sich kein Durchbruch ab: Alle beteiligten Staaten optieren lediglich für inkrementelle Reformen innerhalb existierender Mandate und Strukturen, welche kaum die notwendigen Veränderungen bringen dürften.
Dabei stehen die Zeichen für eine ambitionierte Reform derzeit vergleichsweise günstig: Die im September erfolgreich verabschiedete 2030-Agenda verlangt nach einem VN-EZ-System, welches Staaten hilft, ihre eigenen und kollektiven Entwicklungsinteressen umzusetzen. Das Bewusstsein für weltweite Probleme, z. B. infolge von Globalisierung und Klimawandel, ist gestiegen – und erfordert entsprechend auch eine verbesserte globale Problemlösungskompetenz. Auch sind es längst nicht mehr nur OECD-Staaten, welche die Fragmentierung und Inkohärenz des VN-EZ-Systems beklagen und Veränderungen fordern.
Die zweite Phase des Dialogs bietet nun die Gelegenheit, die notwendigen Schritte in Richtung einer ambitionierten VN-EZ-Reform zu unternehmen. Dabei sollte ein umfassenderes Reformpaket im Mittelpunkt stehen, welches das gesamte System in den Blick nimmt. Dieses Papier schlägt eine föderale Organisation für das VN-EZ-System vor, die auf zwei Elementen beruht: (1) einer Stärkung der zentralen, systemweiten Steuerungskapazität bei (2) weitgehender Beibehaltung der subsidiarischen Unabhängigkeit der Fonds und Programme.
Wesentliche Elemente eines föderal organisierten VN-EZ-Systems sind:
  • Aufwertung des ECOSOC als Forum für die politische, systemweite Steuerung des VN-EZ-Systems und Umwandlung der VN-Entwicklungsgruppe (UNDG) in eine legal eigenständige Einheit;
  • Beibehaltung der weitgehenden subsidiarischen Eigenständigkeit der Fonds, Programme und Sonderorganisationen sowie Überprüfung ihrer Mandate;
  • Ausbau von Mechanismen einer systemweiten Finanzierung, wobei auch über die Einführung von Pflichtbeiträgen nachzudenken wäre;
  • Reform der Aufsichtsstrukturen, um die VN auch politisch an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dazu gehören eine geografisch faire Verteilung der Sitze und die Repräsentanz unterschiedlicher, auch nichtstaatlicher Interessengruppen.
Diese Reformen sind anspruchsvoll, können aber bei einer großen Mehrheit von Staaten auf politische Akzeptanz treffen. Es gilt jetzt, durch einen offenen, inklusiven und kon¬struktiven Dialog die Lagerbildung zwischen Nord und Süd zu überwinden und nach gemeinsamen Interessen zu suchen.

Was kann Entwicklungspolitik zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen?

Mon, 14/12/2015 - 09:24
Seit Monaten diskutiert Europa, wie man mit der Ankunft von Hunderttausenden von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, Afrika und anderen Teilen der Welt umgehen soll. Dabei wird oft übersehen, dass nur ein kleiner Teil der weltweit etwa 60 Millionen Flüchtlinge nach Europa kommt – so belief sich im Zeitraum 2008 bis September 2015 die Zahl der Asylanträge in der gesamten Europäischen Union auf ca. 3, 5 Millionen. Die Türkei, Pakistan, der Libanon und der Iran beherbergen jeweils mehr als eine Million Flüchtlinge und damit bislang vermutlich mehr als die Europäische Union.
Insgesamt lag die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, wohl noch nie so hoch wie im Jahre 2015. Flucht ist eine Reaktion auf die Bedrohung der physischen oder psychischen Integrität von Menschen. Die Ursachen von Flucht sind Kriege, politische Repression, Terrorismus, Nahrungsmangel oder Naturkatastrophen. Was kann Entwicklungspolitik – inklusive humanitärer Hilfe – tun, um diesen Ursachen zu begegnen?
Kurzfristig muss versucht werden, sog. ‚Stabilitätskerne‘ zu schaffen oder zu erhalten – Räume, in denen Menschen auf der Flucht physische Sicherheit und eine materielle Grundversorgung (Wasser, Nahrung, Bildung, Gesundheit) erhalten. Diese Räume können in den Herkunftsländern selbst oder in Aufnahmeländern der Region eingerichtet werden. Dabei gilt es, Verwaltungsstrukturen der Aufnahmeländer von Anfang an mit einzubinden und Hilfe auch der angestammten Bevölkerung in den Aufnahmeländern zugutekommen zu lassen.
Mittelfristig müssen die Flüchtlinge gut auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer oder eine Integration in den Aufnahmeländern vorbereitet werden. So oder so müssen für sie wirtschaftliche, soziale und rechtliche Perspektiven geschaffen werden, um Apathie, Hoffnungslosigkeit und damit auch Bedingungen von Frustration und Gewalt zu vermeiden. Derzeit sind dringend höhere Beträge, mehr Zuverlässigkeit und eine längerfristige Perspektive bei der Finanzierung der humanitären und der Übergangshilfe geboten.
Entwicklungspolitik kann Fluchtursachen vor allem präventiv und damit auf längere Sicht abmildern. Es muss dafür gesorgt werden, dass nicht weitere Länder wie z.B. Ägypten, Pakistan oder Nigeria in Krisen (Bürgerkrieg, politische Repression etc.) geraten und die Zahl der Flüchtlinge dadurch nochmals deutlich ansteigt. Voraussetzung dafür sind Beiträge für eine nicht nur kurz-, sondern auch langfristige Stabilisierung dieser Länder. Diese setzt nicht nur eine politisch, sozioökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung voraus, sie erfordert auch die Partizipation großer Teile der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen. Nur dann kann ein sozialer und politischer Ausgleich widerstrebender Interessen innerhalb der Gesellschaft erreicht werden. Das Primat kurzfristiger politischer Stabilität durch die Unterstützung autoritärer Regierungen auf Kosten von politischer Legitimität und Partizipation sollte künftig nicht mehr akzeptiert werden. Entwicklungspolitik verfügt über Instrumente, um inklusiven gesellschaftlichen Wandel und den Ausgleich politischer Kräfte zu fördern, ohne den finanziellen Spielraum autoritärer Regime stark auszuweiten. Krisenprävention und Friedensförderung müssen daher wieder ein Schwerpunkt der Entwicklungspolitik werden. Die Erfahrungen mit „multidimensionalem Peacekeeping“ in Post-Konflikt-Ländern zeigen, dass konzertiertes internationales Engagement unter multilateraler Führung – gerade unter schwierigsten Umständen – der beste Weg ist.

Finanzierung globaler Entwicklung: Ist wirkungsorientiertes Investieren ein Investitionsmodell mit Potenzial oder nur ein aktueller Hype?

Wed, 25/11/2015 - 15:43
Die Analysen und Stellungnahmen zur Finanzierung globaler Entwicklung untersuchen wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutieren Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.

Die Finanzierung sozialer Dienstleistungen gestaltet sich zunehmend schwieriger. Zugleich suchen private Anleger verstärkt nach Investitionsmöglichkeiten. Manche vermögenden Personen und Stiftungen geben sich mit einer geringeren Rendite zufrieden, wenn dafür drängende gesellschaftliche Ziele erreicht werden. Diesen sogenannten wirkungsorientierten Investoren kommt weltweit eine vielversprechende Rolle zu. Ziel des wirkungsorientierten Investierens (WI) – Impact Investing – ist die Finanzierung von Projekten, Organisationen und sozialen Unternehmen, bei der neben der finanziellen Rendite bewusst messbare soziale oder ökologische Ergebnisse angestrebt werden. Ein innovatives Instrument sind Impact Bonds (IBs), also wirkungsorientierte Anleihen: die sogenannten Social Impact Bonds (SIBs) bzw. in der Entwicklungszusammenarbeit die Development Impact Bonds (DIBs). Bei diesem Instrument wird die betreffende Intervention von privaten Anlegern vorfinanziert, und Regierungen und Geberländer stellen erst Mittel bereit, wenn das angestrebte Ergebnis über die andernfalls erzielte Wirkung hinausgeht.
Befürwortern des WI zufolge stellen IBs sinnvolle Instrumente zur Finanzierung der Agenda 2030 dar. Sie sind jedoch noch immer weitgehend unerprobt und bringen eine Reihe von Problemen mit sich.     Abgesehen von fragwürdigen oder noch ausstehenden Bewertungen bestehen diese vor allem in der begrenzten Übertragbarkeit, dem noch jungen Markt, den hohen Transaktionskosten und Hindernissen für Anleger. Angesichts der Dringlichkeit, mit der weltweit Mittel für die nachhaltige Entwicklung eingeworben werden müssen, lohnt es sich, das Instrument der IBs bzw. WI allgemein genauer zu betrachten und überlegt weiterzuentwickeln. Diesen Ansatz zu unterstützen, impliziert Folgendes:

  • Um Erfahrungen mit Pilotprojekten zu IBs kritisch beurteilen, Empfehlungen geben und Unternehmer und Anleger schulen zu können, muss der Daten- und Informationsaustausch ausgebaut werden.
  • Weitere Forschung wird benötigt, um besser nachvollziehen zu können, wie die Wirkungsmöglichkeiten gesteigert, unterschiedliche Instrumente im Entwicklungskontext eingesetzt und Privatanlegern Ausstiegsmöglichkeiten angeboten werden können.
  • Um Erfolg und Qualität zu gewährleisten, müssen Entscheidungsträger dafür sorgen, dass eindeutige Definitionen ausformuliert, ein gemeinsames System zur Wirkungsmessung aufgestellt und standardisierte und verbindliche Berichtsanforderungen festgelegt werden.
  • Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (Development Finance Institutions, DFIs) sollten aktiver in diesem Markt auftreten um durch die Bereitstellung von Mitteln den Einsatz von IBs zu fördern. Regierungen und/oder Geberländer bedürfen erfahrener Partner, die Anschubkapital für erste Initiativen bereitstellen und als Intermediär auftreten.


Finanzstabilität als Vorbedingung für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern

Wed, 25/11/2015 - 15:25
Am 25. September 2015 wurde auf dem Gipfel der Vereinten Nationen in New York die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Mit ihr lösen die Sustainable Development Goals (SDGs) die Millennium Development Goals (MDGs) ab, die 2015 auslaufen. Das Zielsystem der 2030-Agenda ist universell und wird für Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer gleicher¬maßen gelten. Auf diese Weise soll die neue Agenda die Grundlage für eine veränderte globale Partnerschaft bilden. Die 17 Entwicklungsziele der Agenda verknüpfen das Prinzip der Nachhaltigkeit mit der ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung.
Finanzierung spielt für die Umsetzung der Ziele eine wesentliche Rolle. Neben Handel, Technologie, Stärkung der lokalen Kapazitäten und der kohärenten internationalen Zusammenarbeit, steht Finanzierung gleich an erster Stelle. Kurz vor der Verabschiedung der 2030-Agenda wurde die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung auch im Rahmen der 3. UN Conference on Financing for Development intensiv diskutiert. Ziel der Konferenz in Addis Abeba war es unter anderem, die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung insbesondere in Entwicklungsländern zu sichern und zu verbessern. Die notwendige Grundlage dafür ist ein stabiles Finanzsystem, denn eine regionale oder auch eine weitere globale Finanzkrise könnte die neue Entwicklungsagenda gefährden. Das Schlussdokument setzt seine Prioritäten auf die Stärkung inländischer Ressourcenmobilisierung, die verlässliche Auszahlung der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit sowie auf die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen für Entwicklungsländer. Zur Rolle der Finanzstabilität äußert es sich aber nicht eingehend.
Die Wahl der Finanzierungsquellen und -instrumente beeinflusst entscheidend die Stabilität des Finanzsystems. Während der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise gab es darüber hinaus einen engen Zusammenhang zwischen der Finanzierungsstruktur und den Auswirkungen der Krise auf den Realsektor. Bei der Umsetzung der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung stellt sich nun die Frage, ob sich aufgrund der Nutzung zusätzlicher und neuer Finanzierungsquellen die Finanzierungsstruktur in Schwellen- und Entwicklungsländern grundlegend verändert und welche Auswirkungen für die Finanzstabilität zu erwarten sind. Diese hängen erstens davon ab, wie die Finanzierungsbedingungen eines Landes sind. Zweitens spielt die Struktur des Finanzsystems eine Rolle. Denn insbesondere die Größe und Breite des Finanzsystems sowie die Rolle der grenzüberschreitenden Finanzierungen bestimmen die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems bei systemischen Schocks. Drittens kann die Finanzierung zur Erreichung bestimmter nachhaltiger Entwicklungsziele zu neuen systemischen Risiken führen. Ein Beispiel stellt aufgrund seines spezifischen Risiko- und Finanzierungsprofils der Energiesektor dar.
Die Risiken für die Finanzstabilität müssen bei der Finanzierung von Investitionen zur Erreichung der neuen nachhaltigen Entwicklungsziele immer mitgedacht werden. Einerseits müssen die Schwellen- und Entwicklungsländer das komplexe Finanzmanagement verbessern. Andererseits bedarf es auch einer stringenteren internationalen Finanzmarktregulierung und intensiveren Koordination. Dann können die Risiken für die Finanzstabilität in Schach gehalten werden und nicht als Vorwand dienen, Investitionen in nachhaltige Entwicklung aufzuschieben.


Post-2015: Die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung braucht adäquate weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Mon, 16/11/2015 - 09:19
Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) einen neuen globalen Entwicklungsrahmen – die „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung“. Die darin formulierten Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) lösen die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) ab, die bis Ende 2015 hätten umgesetzt werden sollen.
Welche Rolle spielt Global Economic Governance in der 2030-Agenda und für die SDGs?
Die MDGs haben Probleme der Global Economic Governance nicht angemessen gelöst. So hat MDG 8, das den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft bis 2015 vorsah, kein wirksameres und gerechteres weltwirtschaftliches Umfeld geschaffen, um menschliche Entwicklung zu fördern. Zudem hat die zunehmende wirtschaftliche Globalisierung mit ihrer wachsenden Interdependenz zwischen den Ländern und wechselnden wirtschaftlichen Kräften seit der Verabschiedung der MDGs die Weltwirtschaft verändert.
In den letzten 20 Jahren hat sich der Welthandel vervierfacht und der Süd-Süd-Handel sogar verzehnfacht. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Schwellenländer an ausländischen Direktinvestitionen (ADI) von 5 auf mehr als 30 Prozent. Ebenso sind Finanzströme nicht nur angestiegen, sondern haben auch die Richtung geändert: Gewinne aus Schwellenländern fließen jetzt „bergauf“ und kompensieren Leistungsbilanzdefizite fortgeschrittener     Länder. In nur 10 Jahren haben sich internationale Kooperationsbeziehungen von der Dichotomie „reicher Norden“/ „armer Süden“ zu neuen Formen internationaler Wirtschaftskooperation umgestaltet.
Unter diesen veränderten Bedingungen sollten die SDGs den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Global Economic Governance), die teils gar nicht, teils unzureichend thematisiert werden, mehr Bedeutung beimessen.
Die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung schenkt dem Thema Global Economic Governance zwar mehr Beachtung, lässt aber wichtige Aspekte zentraler weltwirtschaftlicher Herausforderungen außer Acht:
  • Die internationale Handelsordnung muss so angepasst werden, dass Handel und ausländische Investitionen nachhaltige Entwicklung verlässlich fördern. Mehr muss getan werden, um den Zugang der Entwicklungsländer zu globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern, ihre Handelskosten zu senken und das multilaterale Handelssystem zu reformieren, gerade angesichts mega-regionaler Handelsabkommen.
  • Die Regeln und Institutionen des globalen Finanz-wesens müssen modernisiert werden, um Finanzstabilität zu garantieren und die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung illegaler Finanzströme und -transfers zu verbessern. Das globale finanzielle Sicherheitsnetz und das globale Verschuldungsregime bleiben unvollständig.


Der globale Regelrahmen für Dekarbonisierung: 3x3 Ansatzpunkte für die Reform der Global Economic Governance

Thu, 05/11/2015 - 13:59
Die Begrenzung des Klimawandels und das Einhalten der 2°C-Leitplanke erfordert einen schnellen und radikalen Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der weltweite Ausstoß aller Treibhausgase muss bis 2100 auf null sinken. Noch schneller muss es beim Kohlenstoffdioxid (CO2) gehen, das vor allem bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht. Die globalen CO2-Emissionen müssen laut Weltklimarat (IPCC) spätestens um das Jahr 2070 bei null liegen. Die Weltwirtschaft muss bis dahin also vollständig „dekarbonisiert“ sein. Die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Agenda 2030 unterstreichen die Bedeutung dieses Vorhabens. Für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaftsweise ist nicht nur das globale Klimaregime essenziell, sondern auch das Rahmenwerk für die Weltwirtschaft, also die Global Economic Governance. Aktuell gibt es neben Fortschritten im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und dem grundlegenden Bekenntnis aller Staaten zur Bekämpfung des Klimawandels im Rahmen der Agenda 2030 zahlreiche Initiativen, die Grund für Optimismus bieten nicht zuletzt das Bekenntnis der G7-Staaten auf dem Gipfel in Elmau zu einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und mannigfaltige climate actions von Akteuren wie Städten, Kirchen und Unternehmen. Doch für eine grundlegende Transformation müssen weitreichendere Reformen der globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angestoßen werden. Wir schlagen deshalb 3x3 Ansatzpunkte vor: 3 Handlungsfelder mit jeweils 3 Stellschrauben. Besonders wichtig für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft sind (A) die richtige Preissetzung, (B) ein geeigneter Regelrahmen für internationalen Handel und Investitionen sowie (C) die Gestaltung der Finanzmärkte. (A)    Für die richtige Preissetzung sollten (i) ein globaler Kohlenstoffpreis eingeführt, (ii) Subventionen für fossile Brennstoffe weiter abgebaut und (iii) Zahlungen für Ökosystem-Dienstleistungen ausgebaut werden. (B)  Zu einem geeigneten Regelrahmen für internationalen Handel und Investitionen gehören (i) klimafreundliche multilaterale Handelsregeln im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), (ii) das Vorantreiben des plurilateralen Abkommens zur Liberalisierung von Umweltgütern und (iii) ein stärkerer Fokus auf das right to regulate zugunsten von Umweltbelangen in bilateralen und regionalen Freihandels- und Investitionsabkommen. (C)  Im Bereich der Global Financial Governance gibt es neben der Einrichtung globaler Fonds wie dem Green Climate Fund (GCF) insbesondere drei Ansatzpunkte: (i) Finanzmarktregulierung, (ii) grüne Leitlinien für Investitionsentscheidungen und (iii) Garantieinstrumente für grüne Investitionen. Bei allen Reformmaßnahmen sollten potenzielle Win-Win-Konstellationen identifiziert werden, die möglichst vielen Beteiligten Vorteile bringen. Aber auch Zielkonflikte und die politische Ökonomie sollten in den Blick genommen werden. Dazu gehört die Frage, welche Akteure die erforderlichen Maßnahmen befürworten, wer warum Widerstand leistet und wie coalitions of change gebildet bzw. gestärkt werden können.

Vom Militärputsch zur Zivilregierung: angemessene Antworten internationaler Akteure

Mon, 02/11/2015 - 10:24
Auch das Jahr 2015 bleibt kein Jahr ohne Militärputsch. Nach dem erfolglosen Versuch in Burundi hat das Militär in Burkina Faso erneut (kurzfristig) die Macht ergriffen. Putsche bleiben ein verbreitetes Mittel des Regierungswechsels. Die absolute Anzahl hat zwar weltweit abgenommen, aber gerade in Westafrika sind Staatsstreiche weiterhin verbreitet. Von 69 Regierungswechseln zwischen 1990 und 2014 sind dort 33 durch Wahlen und 18 durch Militärputsche zustande gekommen.

Internationale Akteure antworten meistens auf zwei Arten auf Militärputsche. Erstens fordern sie, dass die Putschisten die Macht an eine Zivilregierung abgeben. In rechtlich bindenden Dokumenten haben z. B. die Afrikanische Union (AU) oder die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) festgehalten, dass eine Putschregierung nicht an der Macht bleiben darf und die nächste Regierung durch Wahlen bestimmt werden muss. Zweitens haben sich einige Staaten und Organisationen wie die USA und die AU dazu entschlossen, automatisch Sanktionen zu verhängen.

Diese doppelte Antwort, bestehend aus der Zielformulierung eines möglichst schnellen Übergangs zu einer Zivilregierung und Sanktionen, ist eine gute Basis für internationale Akteure, nachhaltige demokratische Strukturen zu fördern. Wenn Demokratieförderung effektiv sein soll, müssen jedoch zuvor drei Fragen beantwortet werden:

  • Welche Einstellung zu demokratischer Ordnung hat das Militär? Sollte es sich bei dem Putsch um einen Versuch handeln, die demokratische Ordnung zu destabilisieren (wie jüngst in Burkina Faso), dann ist eine harte Linie gegenüber den Putschisten angebracht. Beendet das Militär jedoch eine autokratische Herrschaft, dann kann das Militär ein Partner sein.
  • Was sind die drängendsten Probleme des politischen Systems im Land? Der Fokus internationaler Akteure auf den Rücktritt des Militärs ist sinnvoll, insofern eine zivile Regierung eine notwendige Bedingung für Demokratie ist. Sie ist jedoch nicht hinreichend. Oftmals sind Staatsstreiche Ausdruck struktureller Probleme. Internationale Akteure sollten deswegen ihren Fokus erweitern und sich auch den Ursachen für den Putsch widmen. Es kann sinnvoll sein, Schritte zur Aussöhnung zwischen politischen Parteien, Sicherheitssektor- oder Justizreformen mit der Forderung nach einer Zivilregierung zu verbinden.
  • Welche Maßnahmen sind angemessen, um diese weiter gefassten Ziele zu erreichen? Die Suspendierung der Zusammenarbeit kann ein geeignetes Mittel sein, um Putschregierungen zu bestrafen. Jedoch sollte diese Maßnahme um andere Maßnahmen ergänzt werden. Eine Beschränkung auf Sanktionen engt den Spielraum unnötig ein. Militärischer Zwang, positive und negative, materielle und immaterielle Anreize, sowie langfristige Überzeugungsarbeit können – unter bestimmten Bedingungen – die klassischen Sanktionen ergänzen. Welchen Erfolg Maßnahmen letztlich haben, hängt stark von der Einigkeit internationaler Akteure und ihrer Legitimität in den Augen der Adressaten ab.

Finanzierung globaler Entwicklung: Können Internationale Investitionsabkommen ausländische Direktinvestitionen erhöhen?

Mon, 02/11/2015 - 10:03
Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung. Ausländische Direktinvestitionen (ADI) sind für viele Entwicklungsländer eine wichtige externe Finanzierungsquelle. Den Zugang von Entwicklungsländern zu globalen ADI-Zuflüssen zu verbessern zählt daher zu den Hauptzielen der Staatengemeinschaft, wie auf den Konferenzen der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung 2002 in Monterrey und 2008 in Doha deutlich wurde. Die Schlussdokumente der Konferenzen unterstreichen die Notwendigkeit, ein „stabiles und berechenbares Investitionsklima“ zu schaffen. Als Politikinstrumente, die ADI-Zuflüsse effektiv steigern können, werden internationale Investitionsabkommen (International Investment Agreements – IIA) genannt. Tatsächlich haben viele Entwicklungsländer IIA unterzeichnet, um ADI anzulocken und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Jedoch wird diese traditionelle Begründung für IIA zunehmend infrage gestellt. Immer mehr politisch Verantwortliche, Wissenschaftler und nichtstaatliche Organisationen argumentieren, IIA hätten insgesamt nicht zu höheren ADI-Zuflüssen geführt. Sie befürchten zudem, dass IIA die Möglichkeiten der Gastländer zur Regulierung von ADI und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung zu sehr einschränken. Diese Skepsis war auch tonangebend für den Abschlusstext der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba im Juli. Darin wird betont, dass sich ADI positiv auf Entwicklung auswirken können, aber nur, wenn ausländische Investoren Sozial- und Umweltstandards einhalten und IIA nicht den nationalen Spielraum für eine entwicklungsorientierte Politik einengen. Eine Gesamtbetrachtung der empirischen Belege für die Auswirkungen von IIA auf ADI-Flüsse ergibt, dass diese Zweifel berechtigt sind. Einigen Studien zufolge wirken sich IIA positiv auf ADI aus. Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da die Messung der Wirkungen wie auch alternativer Belege methodisch schwierig ist. Überdies zeigt sich, dass der Vertragsinhalt wichtig ist und nicht alle IIA den gleichen Effekt auf ADI-Flüsse haben. So wirken sich Verträge, die den Marktzugang von Investoren liberalisieren  positiv auf ADI aus, besonders wenn sie Teil präferentieller Handels- und Investitionsabkommen (Preferential Trade and Investment Agreements – PTIA) sind. Die umstrittenen Investor-Staat-Schieds­klauseln (Investor-State Dispute Settlement – ISDS) dagegen haben keine signifikant positiven Auswirkungen auf ADI. Daher sollten politisch Verantwortliche in Entwicklungsländern, die ausländische Investoren anlocken möchten, das tatsächliche Design von IIA genau im Blick behalten. Die empirischen Belege deuten darauf hin, dass sie einen gewissen Spielraum haben, IIA und nationale Politikziele kompatibler zu gestalten, wenn sie die Investitionsschutzstandards umformulieren. Im Anschluss an die Addis Abeba Konferenz sollte die Staatengemeinschaft Vorschläge entwickeln, wie Entwicklungsländer bei der Reform ihrer IIA unterstützt werden können.

Zwischen Minilateralismus und Multilateralismus: Chancen und Risiken von Vorreiterallianzen in der internationalen Handels- und Klimapolitik

Thu, 15/10/2015 - 15:08
Globalen Herausforderungen, wie dem Klimawandel oder dem Abbau von Protektionismus, kann nur durch neue Formen globaler Kooperation begegnet werden. Die traditionellen Muster multilateraler Kooperation sind in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gestoßen. So wird seit Jahren in der Klimapolitik um ein internationales Abkommen gerungen, das Ende 2015 im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) verabschiedet werden soll. In der Welthandelsorganisation (WTO) wird seit 2001 die Doha Development Agenda verhandelt, ohne dass eine Einigung in Sicht wäre. Um neuen Schwung in die internationale Handels- und Klimapolitik zu bringen, sollten daher innovative Formen der Zusammenarbeit diskutiert werden, zum Beispiel in Form minilateraler oder plurilateraler Initiativen, d. h. „Untergruppen multilateraler Akteure“.
Im Welthandelssystem haben viele Länder als Reaktion auf das Stocken des multilateralen Prozesses bilaterale und regionale Abkommen außerhalb der WTO abgeschlossen. Insbesondere die Verhandlungen von immer größeren mega-regionalen Abkommen, wie zum Beispiel der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und der Transpacific Partnership (TPP), markieren einen Wendepunkt im Welthandelssystem. Die Inhalte dieser Abkommen gehen häufig über das hinaus, was im multilateralen Kontext vereinbart wurde. In der internationalen Handelspolitik werden Vorreiterallianzen häufig kritisch gesehen. Sie gelten als zweitbeste Option neben multilateralen Vereinbarungen, denn sie können zur Benachteiligung von Ländern führen, die nicht Teil der Verhandlungen sind, sowie Kapazitäten binden und den Anreiz für eine Einigung in der Doha-Runde verringern. Insofern es eine Nachfrage nach minilateralen Verhandlungen gibt, sollten sie daher im Rahmen der WTO stattfinden. Hierfür muss in der WTO ein Kompromiss gefunden werden, der effizientere Verhandlungen ermöglicht und gleichzeitig ein inklusives, multilaterales Handelssystem stützt. So sollte unter bestimmten Bedingungen plurilateralen Abkommen in der WTO mehr Raum gegeben werden.
In der internationalen Klimapolitik bieten Vorreiterallianzen viel Potenzial, vor allem, wenn sie auch sub-nationale und nicht-staatliche Akteure umfassen. Doch genau wie in der Handelspolitik gilt für die Klimapolitik: Minilaterale Vorreiterallianzen sollten den multilateralen Prozess ergänzen, nicht ersetzen und im besten Fall sogar unterstützen. Zwar haben sich bereits unzählige internationale Klimainitiativen gebildet, doch eine Vorreiterallianz, die über marginale Veränderungen transformativen Wandel erzeugt, gibt es bisher nicht. Die Basis für eine transformative Vorreiterallianz könnte beispielsweise der „Club der Energiewende-Staaten“ sein, den Deutschland im Jahr 2013 mit neun anderen Ländern gegründet hat. Damit dieser Club eine transformative Vorreiterallianz werden kann, muss er eine Reihe wichtiger Bedingungen erfüllen: Die Mitglieder sollten sich auf eine gemeinsame ambitionierte Vision und auf entsprechende Ziele einigen; sie sollten sich verständigen, wie sie zusätzlichen Nutzen für alle Mitglieder schaffen können; und sie sollten transformative Strategien für Klimaschutz und Klimaresilienz in anderen Teilen der Welt unterstützen. Auch sollte sichergestellt werden, dass minilaterale Allianzen die multilateralen Foren nicht unterwandern, sondern ergänzen. Nach der COP21 sollte diskutiert werden, wie ambitionierte Vorreiterallianzen genutzt werden können, um eine effektive Umsetzung der in Paris getroffenen Vereinbarungen zu erreichen, z. B. indem sie den Mechanismus zur Ambitionssteigerung (ratchet-up mechanism) stärken.


Orchestrierung: ein Instrument für die Umsetzung der Sustainable Development Goals

Tue, 28/07/2015 - 12:11
Ende September 2015 werden die Vereinten Nationen (VN) die Sustainable Development Goals (SDGs) beschließen. Während der Zielkatalog bereits deutliche Formen annimmt, bleiben bei der Umsetzung auch nach der VN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba noch Fragen offen.
Eine Herausforderung besteht darin, den wachsenden Anforderungen an grenzüberschreitendes oder globales Handeln gerecht zu werden. Die SDGs haben einen universellen Anspruch. Die Ziele wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sollen sich nicht ausschließlich auf Entwicklungsländer beschränken, sondern betreffen alle Staaten der Erde. Neben der nationalen und lokalen Umsetzung in allen Ländern muss auch die internationale Zusammenarbeit umfassender gestaltet werden. Ziele wie z. B. ein stabiles Klima, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, globale Gesundheit und Sicherheit lassen sich nur durch abgestimmtes globales Handeln erreichen.
Die Bedingungen dafür haben sich stark verändert: Das zwischenstaatliche System ist infolge des Aufstiegs großer Schwellenländer multipolarer geworden. Wichtige multilaterale Prozesse sind blockiert oder schreiten nur langsam voran. Daneben hat sich eine dynamische Landschaft aus globalen Netzwerken entfaltet. In diesen Netzwerken übernehmen Akteure aus Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Fachministerien, Behörden, Städten und Kommunen eine globale Rolle. Erfolgreiche Beispiele wie die C40 Cities, die Extractive Industries Transparency Initiative und die Impfallianz Gavi zeigen, dass solche Netzwerke wichtige Beiträge für globale nachhaltige Entwicklung leisten können. Diese Netzwerke entstehen jedoch nicht immer von alleine und müssen ihrerseits Kooperationshindernisse überwinden.     In verschiedenen Bereichen nachhaltiger Entwicklung, wie Umwelt-, Gesundheits- und Entwicklungspolitik, gibt es unter dem Stichwort der „Orchestrierung“ bereits Ansätze, um globale Netzwerke zu fördern. Das bisherige Vorgehen ist jedoch noch sehr kleinteilig. Regierungen und internationale Organisationen sollten Orchestrierung systematisch zu einem festen Teil des Instrumentariums ausbauen, mit dem die SDGs umgesetzt werden können.
Ein Orchestrierungsinstrument für die SDGs würde globale Netzwerke initiieren, unterstützen und gestalten. Zudem könnte dieser Ansatz Netzwerke mit Schwellenländern fördern. Das Instrument würde zwei Arten von Wirkung anstreben. Erstens: die Mobilisierung von Beiträgen für globale nachhaltige Entwicklung (Finanzierung, Wissensaustausch, Standardsetzung etc.). Zweitens: die Verbesserung der Bedingungen internationaler Zusammenarbeit insgesamt (z. B. durch weniger Fragmentierung oder eine bessere Verzahnung nationaler und globaler Politikprozesse).
Initiativen können dabei von verschiedenen Akteuren und Politikfeldern ausgehen. Grundsätzlich könnten in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) derartige Förderansätze gezielter aufgebaut werden. EZ erfüllt wesentliche Voraussetzungen (finanzielle Ressourcen, operative Fähigkeiten etc.), um schon kurzfristig die Umsetzung der SDGs in dieser Form zu unterstützen. Ein solches Instrument müsste allerdings auch über bestehende bi- und multilaterale Ansätze in der EZ hinausgehen. Orchestrierung könnte daher außerhalb der bisherigen EZ-Kooperationslogik (z. B. Begrenzung auf Official-Development-Assistance-anrechenbare Leistungen) und anderer Vorgaben (z. B. Notwendigkeit zur Nutzung bestimmter Durchführungsmechanismen) verankert sein.


Finanzierung globaler Entwicklung: Die Rolle der Märkte für Lokalwährungsanleihen in Subsahara-Afrika

Thu, 09/07/2015 - 17:25
Die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba soll den Weg für die Verwirklichung der Post-2015-Entwicklungsagenda ebnen. Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ der „Analysen und Stellungnahmen“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.
Angesichts der enormen Infrastrukturdefizite, die Subsahara-Afrika (SSA) auf lokaler und regionaler Ebene in Bereichen wie Wasserversorgung, sanitären Einrichtungen, Verkehr und Energie aufzeigt, müssen langfristig Gelder für eine nachhaltige Entwicklung bereitgestellt werden. Im Vergleich zu anderen Entwicklungsregionen sind die Märkte für Lokal-währungsanleihen (Local Currency Bond Markets, LCBM) in SSA allgemein noch wenig entwickelt. Dabei könnten LCBM für alle – einschließlich der ärmsten – SSA-Länder ein wichtiges Instrument zur langfristigen Finanzierung werden und so die mit Fremdwährungskrediten verbundenen finanziellen Risiken senken. Schließlich bieten die LCBM Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen, verringern die Abhängigkeit von ausländischen Krediten, ermöglichen eine Risikodiversifizierung und können die Auswirkungen externer Schocks lindern. Durch Märkte für Staatsanleihen in Lokalwährung entstehen außerdem wichtige Referenzmärkte für Unternehmensanleihen, welche eine weitere Möglichkeit der langfristigen Unternehmensfinanzierung darstellen.
Politikempfehlungen zur Förderung von LCBM in SSA
Wir empfehlen, die Entwicklung von Märkten für Lokalwährungsanleihen durch nationale und regionale Initiativen zu unterstützen, die das institutionelle und aufsichtsrechtliche Umfeld stärken, den Kreis der Anleger erweitern und liquidere Sekundärmärkte schaffen. Die Behörden in SSA müssen ein vorteilhaftes makroökonomisches Umfeld gewährleisten und eine geeignete Finanzinfrastruktur aufbauen.
Um finanzielle Turbulenzen zu vermeiden, ist die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit viel Umsicht umzusetzen, wobei die Entwicklung der LCBM mit einer stabilen Entwicklung von Institutionen und Finanzsystemen einhergehen muss. Zur Steuerung von Kapitalzuflüssen und -abflüssen sollten die SSA-Behörden geeignete Strategien für das Schuldenmanagement und die Kapitalbilanz erarbeiten und sicherstellen, dass die Mitarbeiter ausreichend qualifiziert sind, um diese umzusetzen. Zudem sollten sie durch Gewinnrückführungsgarantien die Sicherheit der Anlagen gewährleisten. Dazu ist die Durchsetzung geltenden Rechts maßgeblich.
Bi- und multilaterale Geldgeber können die Entstehung von LCBM fördern, indem sie die nötige fachliche Unterstützung bzgl. Strategien zum Schuldenmanagement bereitstellen. Die Debt Management Facility von Weltbank und IWF und das Debt Management and Financial Analysis System der UNCTAD sind gute Beispiele einer solchen länderspezifischen fachlichen Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen. Die Afrikanische Entwicklungsbank hat in SSA die Afrikanische Marktinitiative (AFMI) gestartet, um die Entstehung von LCBM in der Region zu fördern. Ein weiteres gutes Beispiel für die Unterstützung durch die Geldgeber ist das Global Emerging Markets Local Currency Bond (Gemloc)-Programm der Weltbankgruppe, welches die Entstehung von LCBM in Schwellenländern fördert.
Da diese Regierungen und Unternehmen lang- und mittelfristig mit Kapital versorgen können, haben sie großes Potenzial, die in SSA benötigte Infrastruktur zu finanzieren und zur Erreichung nachhaltiger Entwicklungsziele beizutragen.

Finanzierung globaler Entwicklung: Welche Rolle kann öffentliche Entwicklungszusammenarbeit spielen?

Thu, 02/07/2015 - 09:25
Die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba soll den Weg für die Verwirklichung der Post-2015-Entwicklungsagenda ebnen. Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ der „Analysen und Stellungnahmen“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.

Die Vorbereitungen auf die nächste Konferenz zeigen, dass Konzept, Bereitstellung und Monitoring öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance – ODA) umstritten bleiben. Die Meinungen über die künftige Rolle von ODA gehen weit auseinander: (1) Einige Empfehlungen zielen darauf ODA wieder auf Armutsreduzierung, vor allem in armen und fragilen Staaten, zu konzentrieren; (2) Andere sehen in ODA mehr den Katalysator, der andere Finanzierungsformen (besonders private) mobilisiert; (3) Wieder andere fordern die Neuausrichtung von ODA als Instrument zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter.

Nicht alle Ausgaben für globale öffentliche Güter (z. B. saubere Luft) können als ODA gemeldet werden. Aber es ist schwer zu entscheiden, was dennoch entwicklungsrelevant ist und was nicht. Ein Spannungsverhältnis bleibt: Die SDG Agenda zielt nicht mehr direkt auf Fortschritte in Entwicklungsländern ab. Der Fokus des ODA-Berichtssystems dagegen liegt weiterhin auf dem Ressourcentransfer von entwickelten in Entwicklungsländer.
 
Die SDG-Agenda wird eher keine konsistente Vision von globaler Entwicklungsfinanzierung abbilden, sondern Neues einführen und Altes erhalten, wo nötig. Diese „Mischvision“ wird Universalität und einen Nord-Süd-Transfer fördern und ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer globalen Agenda für nachhaltige Entwicklung mit universeller Gültigkeit. Die OECD ist ein Hauptbefürworter dieser Agenda und sie hat sich immer politisch und technisch stark für das ODA-Konzept und sein Statistiksystem engagiert. Die Gestaltung einer neuen Messgröße für die Öffentliche Gesamtleistung zur Förderung Nachhaltiger Entwicklung (Total Official Support for Sustainable Development – TOSSD) und die Debatte über die Finanzierung globaler öffentlicher Güter über ODA hinaus hat sie allerdings bislang vernachlässigt. Hier bedarf es eines verstärkten Engagements, da TOSSD zunehmend diskutiert wird.
Im Prinzip haben alle Teilnehmer von Addis Abeba ein weiter gefasstes Verständnis von „Entwicklungsfinanzierung“, das alle relevanten Finanzbeiträge aller Akteure ein-schließt. Dennoch wird ODA auf der Konferenz ein zentrales Thema bleiben. Das Monitoring von ODA-Beiträgen ist weiterhin notwendig. Für die neue globale Entwicklungsagenda ist indes wichtig, dass das jetzige System die Berichterstattung über Finanzbeiträge zunehmend in den Dienst der unterschiedlichen Akteure und ihrer Bemühungen stellt, Ergebnisse durch gemeinsame Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Ein wichtiger Schritt wäre die Ergänzung der aktuell Geber-zentrierten ODA-Berichterstattung durch Berichte der Entwicklungsländer über entwicklungsrelevante externe Mittelzuflüsse durch das UN High Level Political Forum.

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