Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
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Tue, 04/04/2017 - 13:42
Um bis 2030 den Hunger zu beenden und Ernährungssicherung zu erreichen, sind höhere und effektivere öffentliche und private Investitionen in die Landwirtschaft nötig. Ergebnisbasierte Ansätze (EBAs), d. h. innovative Finanzie¬rungs-modalitäten, die Zahlungen an vorab festgelegte Ergebnisse knüpfen, sind potenziell wirksame Instrumente, um zu Ernährungssicherung beizutragen.
EBAs bieten gegenüber traditionellen Modalitäten der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) eine Reihe von Vorteilen, wie z.B. eine höhere Ergebnisorientierung, bessere Rechenschaftsstrukturen und optimierte Anreize. Darüber hinaus können sie Innovationen beschleunigen und neue private Ressourcen für Maßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährungssicherung erschließen.
Während EBAs im Gesundheits- und Bildungssektor weit verbreitet sind, gibt es in der Landwirtschaft bisher wenig Erfahrungen, und die Eignung des Sektors für das Instrument ist umstritten. Diese Analyse trägt wie folgt zu dieser Debatte bei: (1) die Herausforderungen bei der Umsetzung ergebnisbasierter Ansätze in der Landwirtschaft werden dargestellt; (2) das Modell der fünf ländlichen Welten (Five Rural Worlds, 5RW) (OECD, 2006) wird als Konzept für die Analyse von Zielgruppen in EBAs und der Wechselbeziehungen zwischen Zielgruppen eingeführt, und (3) erste Erfahrungen aus Pilot¬projekten werden zusammengefasst.
Drei Typen ergebnisbasierter Ansätze werden vorgestellt: ergebnisbasierte EZ (Vertrag zwischen Regierungen) in Ruanda, ergebnisbasierte Finanzierung (Vertrag zwischen einem Geld¬geber/Partnerregierung und Dienstleister) in Sambia und Development Impact Bonds (DIBs, wirkungsorientierte Investitionen) (Vertrag zwischen Geldgeber, Dienstleister und privatem Investor) in Peru.
Die Analyse der drei Pilotprojekte zeigt, dass ergebnisbasierte Ansätze Innovationen in der Landwirtschaft potenziell fördern und eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Ernährungssicherung in Entwicklungsländern spielen können.
Ergebnisbasierte EZ kann zusätzliche Anreize für Regierungen schaffen, einen Schwerpunkt auf Innovationen in der Landwirtschaft zu legen und Hunger und Unterernährung langfristig zu verringern. Ergebnisbasierte Finanzierungsprogramme können mit wirtschaftlichen Anreizen für Dienstleister oder Unternehmen zur Bewältigung von Marktversagen beitragen und neue Technologien fördern. DIBs sind eine neue Möglichkeit, private Akteure in die Lösung von Entwicklungsproblemen einzubeziehen.
Die Analyse zeigt auch, dass EBAs in der Landwirtschaft angesichts der Komplexität bei der Messung und Erreichung von Ergebnissen in diesem Sektor Probleme aufwerfen. Erstens schwanken die gewünschten Ergebnisse wie höhere Erträge oder Einkommen stark und unterliegen externen Faktoren (z. B. Wettereinflüssen oder Weltmarktpreisen). Zweitens ist die Landwirtschaft ein produktiver Sektor. Marktkräfte und private Akteure spielen in der Landwirtschaft eine wesentlich größere Rolle als im Gesundheits- oder Bildungswesen. Die Verbesserung von landwirtschaftlicher Produktivität und Ernährungssicherung hängt von den Entscheidungen von Millionen von Bauern und Betrieben ab. Die Konzipierung ergebnisbasierter Anreize und die Festlegung der Zielgruppe ist daher viel komplexer als in öffentlich gesteuerten Sektoren.
Das 5RW-Modell unterscheidet fünf Arten von Akteuren in der Landwirtschaft von dauerhaft armen Haushalten bis zu großen gewerblichen Landwirtschaftsbetrieben und legt nahe, die Wechselbeziehungen zwischen den RWs in EBAs einzubeziehen.
Thu, 30/03/2017 - 08:42
Privatinvestitionen sind für die Anpassung an den Klimawandel wichtig: Einerseits sind die Anpassungskosten für den öffentlichen Sektor allein zu hoch. Andererseits haben Industrieländer zugesagt, bis 2020 jährlich 100 Mrd. USD zu mobilisieren, um Entwicklungsländer bei der Milderung von und der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen; dabei gilt die Privatwirtschaft als Finanzquelle. Doch wie realistisch ist es, vor allem für weniger entwickelte Länder, sich auf die Mobilisierung privater Anpassungsinvestitionen zu verlassen? Diese Frage soll das vorliegende Politikpapier für Kenia beantworten. Seine Grundlage sind Interviews und ein Analyserahmen, der förderliche Bedingungen und die Mobilisierung und Bereitstellung privater Investitionen erläutert (vgl. Abb. 1).
In erster Instanz können Entwicklungs- und Industrieländer sowie der private Sektor ein Umfeld schaffen, das private Anpassungsinvestitionen fördert. Für die Regierung Kenias und ihre Entwicklungspartner hat Anpassung Priorität. Dennoch spielt private Anpassung in der Regierungspolitik kaum eine Rolle. Der kenianischen Privatwirtschaft ist das Konzept der Anpassung offenbar fremd. Wenn sie Anpassungsmaßnahmen ergreift, geht es um Ressourceneffizienz oder Bodendegradation.
Mobilisierte Privatinvestitionen sind demnach schwer rückzuverfolgen. So können ländliche Gemeinschaften beispielsweise durch verbessertes Wassermanagement zur Anpassung beitragen, jedoch sind weder die Kosten noch die Höhe der Finanzierung durch Banken zu beziffern, da keiner der Akteure private Anpassungsinvestitionen dokumentiert oder meldet.
Noch schwerer einzuschätzen ist, ob getätigte Privatinvestitionen tatsächlich zur Anpassung beitragen. Ungeachtet der Motive tragen viele Investitionen zur Armutsminderung oder nachhaltigen Ressourcennutzung zur Anpassung bei. Andererseits kann ein privater Akteur Anpassung auf Kosten anderer betreiben, indem er z. B. die eigene Wasserversorgung schützt. Gegenseitige Kontrollen für die Auswirkungen des Privatsektors auf Anpassung gibt es nicht. Schutzmaßnahmen wie Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sind nicht explizit auf Anpassung ausgerichtet.
All dies macht es sehr schwer, private Anpassungsinvestitionen in Kenia zu bewerten, gerade vor dem Hintergrund des o. g. Ziels von 100 Mrd. USD. Der kenianische Privatsektor hat von den UN-Klimaverhandlungen kaum Notiz genommen. Internationale Quellen wie den „Grünen Klimafonds“ kann er noch nicht anzapfen. Wäre das anders, hätten Unternehmer vielleicht mehr Interesse an Anpassung und den UN-Verhandlungen. Das wiederum könnte Anreize bieten, Anpassungsinvestitionen zu beziffern.
Die kenianische Regierung könnte private Anpassungsinvestitionen stärker fördern. Durch Aufklärung und die Stärkung eines öffentlich-privaten Bewusstseins könnte die Regierung die Bedingungen für private Anpassung verbessern, verstärkt Privatinvestitionen mobilisieren und die Nachverfolgung privater Anpassungsinvestitionen erleichtern. Zudem könnten die Regierung und Entwicklungspartner bei Projektwahl und UVP Anpassungskriterien einbeziehen, um der mangelnden Anpassung auf privater Seite zu begegnen.
Wed, 15/03/2017 - 09:04
Während der durch das El-Niño-Phänomens ausgelösten Dürre im Jahr 2015 haben verheerende Waldbrände Indonesien weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Die Waldbrände, die zumindest teilweise auf die Brandrodung von Regenwäldern für Plantagen zurückzuführen sind, haben die Debatte über die Nachhaltigkeit des weltweit am meisten gehandelten Pflanzenöls, des Palmöls, verschärft.
Doch trotz intensiver Diskussionen um die Nachhaltigkeit von Palmöl, hat sich vor Ort bisher wenig geändert. Insbesondere verhindert die inkonsequente Durchsetzung von Umweltgesetzen eine nachhaltigere Produktion von Palmöl. Gleichzeitig expandiert die Palmölindustrie in Lateinamerika und Westafrika. Für Kleinbauern ist die Ölpalme eine attraktive Nutzpflanze. Sie verlangt weniger Arbeitseinsatz als andere Nutzpflanzen und ermöglicht so Landwirten Einkommen außerhalb der Landwirtschaft zu generieren.
Während der Verlust der Artenvielfalt und Treibhausgasemissionen als Folge der Ausweitung der Palmölproduktion bereits diskutiert werden, findet die Degradation lokaler Wasserressourcen bisher wenig Beachtung. Der vorliegende Artikel untersucht daher, warum es durch die Ausweitung der Plantagen zu einer Veränderung des Wasserkreislaufes kommen kann. Dafür stützt es sich auf neueste interdisziplinäre Forschungsergebnisse (Merten et al., 2016). Darüber hinaus werden Auflagen für das Wassermanagement in privaten Nachhaltigkeitsstandards und nationalen Vorschriften diskutiert. Die Ergebnisse der ökohydrologischen Messungen auf Ölpalmplantagen sowie Beobachtungen indonesischer Kleinbauern deuten darauf hin, dass großflächige Ölpalmmonokulturen langfristig negative Auswirkungen auf kleinbäuerliche Anbausysteme und die Wasserversorgung ländlicher Gemeinden haben.
Unsere Studie zeigt, dass die lokale Bevölkerung seit Ölpalmen vermehrt angebaut werden, über Wassermangel während der Trockenzeit klagt; sich Überschwemmungen häufen; intensiv bewirtschaftete Monokulturen starke Bodendegradation verursachen, sodass Niederschlag schnell oberflächlich abfließt und die Grundwasserneubildung reduziert wird. Zudem zeigt sich, dass Ölpalmen den lokalen Wasserkreislauf stärker beeinflussen als andere Nutzpflanzen.
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse geben wir folgende Empfehlungen:
- Die Europäische Union (EU) sollte für sämtliche Palmölprodukte verbindliche Nachhaltigkeitsstandards einführen.
- In Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und Nachhaltigkeitsstandards sollte Wasser- und Bodenmanagement eine größere Bedeutung beigemessen werden.
- Nachhaltigkeitsstandards für Agrokraftstoffe sollten besser überwacht werden. Bei Nichteinhaltung der Standards, sollte die EU ein zeitweiliges Verbot der Nutzung von Palmöl für die Herstellung von Agrokraftstoffen in Erwägung ziehen.
Thu, 22/12/2016 - 15:10
Trotz zunehmender Schutzbemühungen nimmt die biologische Vielfalt weltweit ab, während internationale Biodiversitätsziele unerreichbar bleiben. Die Mobilisierung finanzieller Ressourcen gilt als Voraussetzung, um den direkten und indirekten Treibern des Verlustes biologischer Vielfalt entgegenzuwirken und gleichzeitig Schutzanreize zu schaffen. Entwicklungsfinanzierung ist heute und wahrscheinlich auch in Zukunft die Hauptfinanzierungsquelle für den Schutz der Biodiversität in Entwicklungsländern. Die Mobilisierung nationaler Mittel stellt für viele Entwicklungsländer noch immer eine Herausforderung dar, obwohl einige Länder zunehmend eigene Mittel in den Schutz der biologischen Vielfalt investieren. Die Geber haben sich wiederholt dazu verpflichtet, ihre Zusagen für Biodiversitätsschutz in Entwicklungsländern zu erhöhen. Die bescheidenen Erfolge haben allerdings Zweifel an deren Wirksamkeit aufkommen lassen.
Trotzdem zeigt die Forschung, dass Entwicklungsfinanzierung für den Schutz der biologischen Vielfalt in Entwicklungsländern eine entscheidende Rolle spielen kann. Dazu muss diese allerdings besser mit den nationalen Biodiversitätsstrategien in Entwicklungsländern in Einklang gebracht und auch in anderen Sektoren (mainstreaming) berücksichtigt werden.
Die Hauptbotschaften dieser Analyse und Stellungnahme lauten:
– Es muss weiterhin mehr internationale Unterstützung im Bereich Biodiversität zur Verfügung gestellt werden, um insbesondere in unterfinanzierten biodiversitätsreichen Ländern die Finanzierungslücke zu schließen. Schätzungen zufolge werden jährlich zwischen 150 und 440 Mrd. USD für den Erhalt der Biodiversität benötigt. Besonders Länder mit einer hohen Biodiversität sind deutlich unterfinanziert. In diesen Ländern sind die nationalen Mittel nicht ausreichend und die internationale Unterstützung muss erhöht werden. Neben der klassischen Entwicklungsfinanzierung müssen auch andere Finanzierungsquellen (z. B. nationale, private) genutzt werden.
– Die internationale Entwicklungszusammenarbeit muss die Umsetzung nationaler Biodiversitätsstrategien im Einklang mit der Biodiversitäts-Konvention unterstützen. Zudem muss sie die Berücksichtigung der Biodiversität auch in anderen Sektoren (mainstreaming), wie z. B. Landwirtschaft und Handel, fördern. Biodiversitätsstrategien und die durchgängige Berücksichtigung der biologischen Vielfalt in anderen Sektoren sind wichtige Schutzinstrumente. Ein Anstieg der Entwicklungsfinanzierung, die den Schutz der Biodiversität neben anderen Zielen als ein „wesentliches“ Ziel verfolgt, macht deutlich, dass Biodiversitätsanliegen zunehmend Berücksichtigung finden.
– Die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Biodiversität muss verbessert werden. Um die Effektivität der Unterstützung zu beurteilen, ist eine angemessene Quantifizierung des Bedarfs (d. h. häufige, konsequente Beurteilung des Biodiversitätsstatus der einzelnen Länder) und der Ausgaben (d. h. umfassende, methodologisch einheitliche Nachverfolgung der Finanzierungszusagen) nötig.
Tue, 13/12/2016 - 15:39
Im Kampf gegen den Klimawandel scheint 2015 ein Wendepunkt gewesen zu sein: In diesem Jahr einigte sich die Welt auf das erste universelle Klimaabkommen, und die Vereinten Nationen verabschiedeten die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Das Pariser Abkommen umzusetzen heißt, die globale Erwärmung auf unter 2° C zu begrenzen, angestrebt werden 1,5° C. In der Praxis bedeutet das die radikale Dekarbonisierung unserer Wirtschaftssysteme und grundlegende Veränderungen in der Finanz¬welt: „Green finance“ ist das Schlagwort.
Green finance – ein positiver Wandel auf dem Weg der Weltwirtschaft zu Nachhaltigkeit – steht für die Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen und staatlicher Politiken, die grüne Initiativen stärken. Ihre zwei Hauptaufgaben sind die Internalisierung externer Umweltkosten und die Reduzierung der Risikowahrnehmung, um umweltfreundliche Investitionen zu fördern.
Die wichtigsten Akteure der Entwicklung von green finance sind Banken, institutionelle Investoren und internationale Finanzinstitutionen wie Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Einige setzen politische und regulative Maßnahmen für einzelne Anlageklassen um, die das Finanzsystem ökologisch nachhaltiger machen sollen, z. B. Vorgaben für die prioritäre Kreditvergabe, Verzinsung unter Marktniveau durch Zinssubventionierung oder eine präferentielle Zentralbankrefinanzierung.
Der tatsächliche Finanzbedarf für grüne Investitionen wird sehr unterschiedlich eingeschätzt.
Eines steht jedoch fest: Die öffentliche Hand hat längst nicht genug Geld dafür. Daher besteht großer Bedarf an privatem Kapital.
Die Mobilisierung von Kapital für grüne Investitionen wird jedoch durch verschiedene mikroökonomische Hürden behindert, etwa Probleme bei der Internalisierung von Umweltkosten, Informationsasymmetrien, geringe Analysekapazitäten und eine unklare Definition von „grün“. Es bestehen Fristeninkongruenzen zwischen langfristigen grünen Investitionen und den eher kurzen Zeithorizonten der Sparer und vor allem der Investoren. Finanzielle und umweltpolitische Konzepte sind oft nicht aufeinander abgestimmt. Und viele Regierungen sagen nicht klar, wie und inwieweit sie die grüne Transformation fördern.
Fünf Maßnahmen tragen entscheidend dazu bei, den Anteil privater Mittel an grünen Investitionen zu erhöhen: Erstens muss ein Umfeld geschaffen werden, in dem Rechtsstaatlichkeit, das Geschäftsklima und ein Investitionsregime green finance fördern. Zweitens muss klar definiert werden, was genau green finance ist. Drittens würden Offenlegungsstandards und -regeln die Entwicklung grüner Kapitalanlagen fördern. Freiwillige Prinzipien und Leitlinien für grüne Finanzierung müssen für alle Anlageklassen, Bankkredite, Anleihen und gesicherte Anlagen, umgesetzt und überwacht werden. Viertens müssen freiwillige Leitlinien, die unzureichend sein können, durch finanzielle und regulative Anreize ergänzt werden. Fünftens sollten Finanz-, Umwelt- und Regulierungspolitik, wie in China, besser koordiniert werden.
Fri, 18/11/2016 - 08:32
Obwohl Thailand und Indien zu den weltgrößten Produzenten und Exporteuren von Obst und Gemüse gehören, haben beide Länder mit gravierenden Lebensmittelsicherheits- und Qualitätsproblemen zu kämpfen. Gemäß der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wiesen die EU und die USA 2002-2010 durchgängig landwirtschaftliche Erzeugnisse aus diesen Ländern zurück, was auf eine unzureichende Einhaltung der internationalen Standards und eine mangelnde Umsetzung guter Agrarpraktiken (Good Agricultural Practices, GAP) schließen lässt. Beide Staaten sind sich bewusst, dass freiwillige GAP-Standards der Schlüssel sind, um die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen. Die Annahme von Standards ist jedoch kostenintensiv, was insbesondere die Existenz kleiner landwirtschaftlicher Betriebe bedroht. Deshalb müssen Standards und deren Einführung sorgfältig durchdacht sein. Aber welche der zahlreichen GAP Standards sind eigentlich am wichtigsten?
In dieser Analyse und Stellungnahme unterscheiden wir zwischen GAP-Standards der Stufe 1 für wertschöpfungsstarke Exportmärkte und lokale GAP-Standards der Stufe 2 für nationale Märkte und Exportmärkte mit geringerer Wertschöpfung. Wir bieten einen Überblick über die Chancen und Herausforderungen bei der Einführung verschiedener Standards und nutzen das fünf ländliche Welten (5LW) Modell der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), um aufzuzeigen, wie Standards verschiedene Typen landwirtschaftlicher Erzeuger beeinflussen. Die Haupterkenntnisse dieser Analyse sind:
- GAP-Standards der Stufe 1, wie der gemeinsame Standard GlobalGAP, sind zwar freiwillig, setzen sich jedoch zunehmend als Pflichtanforderung in wertschöpfungsstarken Märkte durch, da sie von großen Supermärkten weltweit eingefordert werden. Aufgrund hoher Anforderungen und Kosten können sie nur von einer Minderheit der Erzeuger in LW1 und LW2 (große gewerbliche und traditionelle Betriebe) übernommen werden.
- Bei den GAP-Standards der Stufe 2 handelt es sich um freiwillige lokale Standards (z. B. ThaiGAP, IndiaGAP), die von öffentlichen oder privaten Stellen mit dem Ziel eingeführt werden, die Lebensmittelsicherheit in der inländischen Versorgungskette zu erhöhen und eine schrittweise Annäherung an Stufe 1 zu ermöglichen. Die Standards der Stufe 2 sind einfacher zu erfüllen und können den vielen traditionellen landwirtschaftlichen Haushalten und Subsistenzbauern in LW2 und LW3 dienlich sein.
Die Lebensmittelsicherheit wird weiter ein Problem darstellen, solange die GAP-Grundsätze nicht auf breiter Basis umgesetzt werden. Aufgrund komplexer Anforderungen und hoher Kosten, stellen Standards der Stufe 1 für die Mehrzahl der Bauern in Entwicklungsländern in naher Zukunft keine Option dar. Für Standards der Stufe 2 bestehen bessere Aussichten. Allerdings haben unsere Fallstudien gezeigt, dass es diesen Standards, wenn sie von öffentlichen Stellen eingeführt werden, aufgrund mangelnder Kapazität und Ressourcen oft an Glaubwürdigkeit mangelt. Es ist den Regierungen schlicht nicht möglich, Millionen kleiner Landeigentümer zu zertifizieren und die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen, solange die Zertifizierung nicht von der Privatwirtschaft gefordert und unterstützt wird. Daher sollten öffentliche und private Stellen ihre Standards harmonisieren und Kleinbauern durch institutionelle Arrangements, Schulungen und Beratungsprogramme sowie Medienkampagnen gemeinsam darin unterstützen, Standards anzunehmen.
Thu, 17/11/2016 - 15:48
Zur Diskussion und Planung von Entwicklung wie auch konkreter Maßnahmen in ländlichen Gebieten in Entwicklungsländern ist ein Rahmenkonzept nötig, das die Kommunikation aller beteiligten Sektoren sowie länderübergreifende Verallgemeinerungen zulässt. Der Schwerpunkt muss zugleich auf Armut, Wirtschaftswachstum und Strukturwandel liegen.
Dieser Beitrag stellt ein Modell vor, das diese Zwecke erfüllt. Ausgangspunkt ist das Modell der fünf ländlichen Welten (Five Rural Worlds, 5RW) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Es stellt die ländliche Bevölkerung in den Mittelpunkt und klassifiziert sie anhand einer Mehrkriterienanalyse von Ressourcenausstattung, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstumschancen und Erfordernissen insbesondere im Hinblick auf Armut und Ernährungssicherung. Folgende ländliche Welten (RWs) werden unterschieden: 1) große gewerbliche landwirtschaftliche Haushalte und Betriebe, 2) traditionelle Landbesitzer und Betriebe, 3) landwirtschaftliche Subsistenz-Haushalte und Kleinstbetriebe, 4) landlose ländliche Haushalte und Kleinstbetriebe, 5) dauerhaft arme ländliche Haushalte (ohne familieneigene Arbeitskräfte). Diese Einteilung mag grob und ungenau sein, reicht aber in vielen Fällen zur Klärung der Grundannahmen aus. Sie ist einfach genug, um strategische Maßnahmen in ländlichen Gebieten grundlegend und sektorübergreifend zu diskutieren.
Wir erweitern das OECD-Modell um Wechselwirkungen zwischen den RWs und zwischen diesen und der Außenwelt. Dadurch wird betont, dass ländliche Gebiete immer stärker in nationale und anderweitige Beziehungen eingebunden sind. So wird eine umfassende Debatte um diese Beziehungen und ihre Folgen möglich.
Das angepasste RW-Modell bietet mehrere Vorteile:
- Die ländliche Bevölkerung wird nach gemeinsamen Hemmnissen, Erfordernissen und Chancen einer begrenzten Zahl allgemeiner Gruppen zugeordnet.
- Es betont die zentrale Rolle von Land und landwirtschaftlicher Technologie/Produktivität als Ausgangspunkt für Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung und Wachstumschancen. Dabei schließt es andere mögliche Lebensgrundlagen nicht aus.
- Der Schwerpunkt liegt auf den ländlichen Armen und ihrem heterogenen Entwicklungspotenzial innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft, insbesondere durch die Unterscheidung landloser und dauerhaft Armer, die bei Maßnahmen in der Landwirtschaft häufig ausgeschlossen (oder sogar geschädigt) werden.
- Es lassen sich nicht nur die direkten strategischen Maßnahmen für einzelne Zielgruppen, sondern auch indirekte Zweitrundeneffekte durch Wechselwirkungen erörtern.
- Das Modell weist auf die immer engeren Beziehungen zwischen ländlichen Bereichen und der übrigen Welt hin.
Wir empfehlen das 5RW-Modell für die sektorübergreifende Planung der ländlichen Entwicklung in Entwicklungsländern sowie die multisektorielle Forschung, insbesondere im ländlichen Subsahara-Afrika (SSA). Wir sind uns bewusst, dass daneben auch die Perspektiven Gender und Umwelt einbezogen werden müssen. Diese lassen sich jedoch ohne Weiteres berücksichtigen.
Wed, 26/10/2016 - 13:40
Im Jahr 2015 hat sich die Weltgemeinschaft einem ehrgeizigen Reformprogramm verschrieben. Um die Sustainable Development Goals zu erreichen und die Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris umzusetzen, sind gewaltige Anstrengungen erforderlich – auch solche finanzieller Natur. Viele Staaten werden dafür Sorge tragen müssen, bisher nicht oder kaum genutzte Einnahmequellen zu erschließen.
Zur Mobilisierung öffentlicher Einnahmen werden subnationale Einheiten – Provinzen, Departments, Distrikte, Städte und Gemeinden – einen wachsenden Beitrag leisten. Sie stehen ohnehin an vorderster Front bei der Umsetzung der globalen Reformagenda, denn viele Ziele betreffen klassische Aufgabenfelder lokaler Regierung: Schulen, medizinische Grundversorgung, lokaler Straßenbau, öffentlicher Transport, sozialer Wohnungsbau, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Müllabfuhr usw. Diese Leistungen liegen bereits heute in der Verantwortung oder zumindest der Mitverantwortung subnationaler Einheiten.
Die Mobilisierung von Eigeneinnahmen auf den subnationalen Ebenen ist darum nicht nur eine finanzielle Notwen digkeit, sie ist auch ein Gebot entwicklungspolitischer Vernunft: Wenn Nutzer und Zahler eines Gutes übereinstimmen, besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass die Präferenzen der Bürger Beachtung finden und die Verwendung der Mittel kontrolliert wird. Hinzu kommt: Lokale Steuern und Abgaben werden oft von einem breiten Kreis von Bürgern und Unternehmen getragen. Das stärkt die Beziehungen zwischen Regierungen und Regierten.
Dabei muss eines klar sein: Auch wenn viele Länder die Spielräume zur Erhebung lokaler Steuern und Abgaben in Zukunft stärker ausschöpfen werden, ist dieses Potenzial in der Summe gleichwohl begrenzt. Viele subnationale Einheiten werden weiterhin von zentralstaatlichen Transferzahlungen abhängig bleiben. Städte, Gemeinden und mittlere Ebenen können für sich genommen das Finanzierungsproblem der Staaten nicht lösen. Sie können aber dazu beitragen, die Bereitstellung öffentlicher Leistungen auf eine breitere Legitimitätsgrundlage zu stellen und im Verbund mit der nationalen Ebene – z.B. durch den Austausch von Informationen – die Fiskalpolitik insgesamt zu verbessern. Damit leisten sie auch Beiträge zur Überwindung von fragiler Staatlichkeit.
Mon, 10/10/2016 - 11:56
Es ist unbestreitbar: Holz ist und bleibt zentral für die Deckung des globalen Energiebedarfs, insbesondere für die Armen. Auch wenn Holz „nur“ 10 % der globalen Primärenergie ausmacht, ist es in Entwicklungsländern oft die wichtigste Energiequelle. Rund 2,8 Mrd. Menschen weltweit verbrauchen täglich auf Holz basierende Brennstoffe. In Subsahara-Afrika (SSA) hängen 70 % der Haushalte von Holzenergie ab. In mehreren SSA-Ländern entfallen bis zu 90 % des häuslichen Energiemix sowie 3,5 % des BIP auf Holz.
Angesichts des Bevölkerungswachstums in SSA wird der Holzenergieverbrauch zukünftig steigen. Selbst bei sehr optimistischen Annahmen zu erneuerbaren Energien wird Holzenergie 2030 noch zwei Drittel des heutigen Anteils stellen. Holzkohle wird die Hauptenergiequelle der städtischen Bevölkerung bleiben.
Da sie zentral für den häuslichen Energiemix im SSA ist, wirken sich Holzenergieerzeugung und -handel umfassend auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt aus. Viele ärmere Menschen leben von der Wertschöpfungskette (WSK) Feuerholz und Holzkohle. Holzkohle wird auch als „Motor für breitenwirksames Wachstum“ bezeichnet (Van der Plas & Abdel-Hamid, 2005, S. 297). Angesichts des meist unkontrollierten Holzeinschlags schädigt die Holzenergie jedoch Wälder und Biodiversität. Zudem ist insbesondere die Nutzung von Feuerholz gesundheitsschädlich.
Viele bisherige Versuche, den Holzenergiesektor zu kontrollieren, waren kurzsichtig, von oben aufgezwungen und nicht erfolgreich. Die meisten Energiestrategien in SSA ignorieren Holz als zuverlässige, lagerfähige, erneuerbare und nachhaltige sowie unverzichtbare Energiequelle der Zukunft. Dies muss sich ändern.
Dieses Strategiepapier stellt die typischen WSK von Holzenergie in SSA vor und analysiert nicht nachhaltige Praktiken in den einzelnen Segmenten. Zudem umreißt es die bisherigen, vielfach erfolglosen Versuche, den Sektor zu kontrollieren und Holzenergie zu ersetzen. Dabei spielt der jeweilige Standort für die Gestaltung des Sektors eine zentrale Rolle. Abschließend werden einige Strategien empfohlen.
Hauptergebnisse der Analyse:
- Vieles spricht dafür, nachhaltige Holzenergie proaktiv zu fördern. Holzenergie muss sektorübergreifend im Kontext von Wald-, Energie- und Landwirtschaft sowie Landnutzungsplanung betrachtet werden.
- Neue Technologien zur Senkung von Holz- und Energieverschwendung sind zwar wichtig, aber Governance-Aspekte sind zentral für die Gestaltung der WSK für auf Holz basierende Brennstoffe.
- Bisherige Versuche zur Optimierung dieser WSK waren zu eng gefasst und zu sehr auf Technologien und/oder zentrale staatliche Kontrolle ausgerichtet und in SSA nicht erfolgreich. Insbesondere von oben aufgezwungene Verbote, Zertifikate und zentralstaatliche Kontrolle haben die schwachen Umsetzungskapazitäten, örtliche Gegebenheiten (informelle Regeln der Kommunen, ungleiche Machtverteilung) und Korruption bei der Umgehung dieser Maßnahmen vernachlässigt.
Zukünftige Versuche müssen die verschiedenen Ebenen des Holzenergiesektors berücksichtigen und umfassender und gleichzeitig standort-spezifisch gestaltet werden, um nachhaltig Erfolg zu haben.
Thu, 29/09/2016 - 14:19
Die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung stellt umfassende Anforderungen an nationale und internationale Akteure. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) gehen von einem multidimensionalen Entwicklungsbegriff aus und richten sich damit an alle Länder. Um eine SDG-sensitive Kooperation zu gewährleisten, soll nicht nur die Vergabe von öffentlichen Entwicklungsgeldern (Official Development Assistance, ODA) an die Anforderungen der Agenda angepasst, sondern auch die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bei der internationalen Kooperation gestärkt werden. Allerdings fehlt es dafür an klaren Vorgaben.
Anhand von fünf Fragen, die für Geberentscheidungen relevant sind, soll hier gezeigt werden, wie EZ SDG-sensitiv gestaltet werden kann. Das Reformpotenzial der Agenda und die Wirksamkeit der ODA hängt maßgeblich von der Fähigkeit der Geber ab, ihre Kooperationskriterien, -mechanismen und Instrumente auf die Agenda auszurichten und noch stärker auf die Prioritäten der Partner und das globale Gemeinwohl zu fokussieren, sich zu koordinieren und arbeitsteilig zu organisieren. Es geht darum, EZ als Kohärenzinstrument zu etablieren und die hohen entwicklungsrelevanten Standards der Agenda als Grundprinzipien für internationale Kooperation in allen Politikfeldern zu stärken.
Folgende Empfehlungen für eine SDG-sensitive Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit lassen sich aus der Agenda 2030 ableiten:
1) Vergabekanal: Globale öffentliche Güter sind zentral für die Umsetzung der Agenda 2030. Multilaterale Kanäle sollten daher verstärkt genutzt werden.
2) Länderauswahl: SDG-sensitive ODA-Vergabe basiert auf Arbeitsteilung zwischen Gebern und unterstützt besonders gering entwickelte Länder bei der Umsetzung der Agenda. Sie stärkt in Kooperation mit Schwellenländern deren internationale Verantwortung und den Abbau von Ungleichheiten zwischen und in Ländern.
3) Sektorenauswahl: SDG-sensitive Fokussierung bedarf strategischer Abstimmung sowie verlässlicher Arbeitsteilung zwischen Gebern, damit Profilbildung und eine breite Unterstützung der Agenda erreicht wird. Sie sollte aber auch länderspezifisch und mit dem Partner abgestimmt stattfinden.
4) Instrumente: Ein SDG-sensitiver Instrumente-Mix ist an die Bedingungen im Partnerland angepasst und nutzt verstärkt lokale Systeme. Evidenzbasierung und flexible Anpassung tragen dazu erheblich bei.
5) Katalysatorrolle: ODA kann nur katalytisch wirken, wenn die Agenda 2030 umgesetzt wird und damit entwicklungsrelevante Standards und Regulierungen geschaffen werden, die eine Mobilisierung von nationalen, öffentlichen und privaten Investitionen ermöglichen.
Diese Empfehlungen bedürfen weiterer systematischer Analysen, damit Lernprozesse angestoßen und EZ adaptiv gestaltet werden kann. Ziel sollte eine evidenzbasierte Politik sein, die sich verändernden Bedingungen anpasst und verantwortungsbewusst und transparent ist.
Wed, 28/09/2016 - 15:33
Die öffentliche Wahrnehmung der Situation Geflüchteter stimmt in zwei wichtigen Aspekten nicht mit den Fakten überein: Die bei Weitem meisten Flüchtlinge halten sich in armen Nachbarländern ihrer Herkunftsorte auf (86 Prozent) und sie bleiben dort sehr lange (im Durchschnitt 17 Jahre). Obwohl dies seit Längerem bekannt ist, werden diese Gastländer häufig nicht unterstützt und Geflüchtete haben kaum eine Chance, sich dauerhaft niederzulassen und in ihre Gastgemeinden zu integrieren. Daher mehren sich Überlegungen, statt die herkömmlichen Flüchtlingslager zu errichten – die in erster Linie auf eine Notversorgung der Geflüchteten ausgelegt sind – eher auf längerfristige Ansätze in der Flüchtlingspolitik zu setzen.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche integrative Flüchtlingspolitik – und somit mögliches Lehrstück für andere Länder – ist Uganda. Bereits seit 1999 verfolgt die ugandische Regierung den Ansatz der lokalen sozialen und ökonomischen Integration von Geflüchteten. Sie erhalten Land, dürfen arbeiten und sollen so unabhängig von Hilfe werden. Von dieser liberalen Politik profitiert auch die einheimische Bevölkerung: Die gesteigerte ökonomische Dynamik in Gegenden, in denen viele Geflüchtete leben, führt zu einem höheren Konsum sowie einem besseren Zugang zu öffentlicher Infrastruktur für Menschen in angrenzenden Dörfern. So können sie die von Hilfsorganisationen betriebenen Schulen und Krankenstationen nutzen.
Die subjektive Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung spiegelt jedoch diese positiven Entwicklungen nicht wider: Sie schätzen ihre ökonomische Lage schlechter ein als dies in anderen Gegenden Ugandas der Fall ist. Wiederholt flammen lokal Konflikte um Land auf und es gibt Anzeichen dafür, dass die ugandische Regierung in Distrikten mit hoher Flüchtlingspräsenz weniger Mittel für den Betrieb von Krankenstationen und für die Unterstützung armer Menschen ausgibt. Obwohl es von Seiten der Regierung und der Hilfsorganisationen Bemühungen gibt, keine der Gruppen schlechter zu stellen als die jeweils andere und durch Begegnungen Vorurteile abzubauen, hält die (empfundene) Konkurrenz um Ressourcen an.
Die ugandischen Erfahrungen sowie Herausforderungen bei der Unterstützung von Flüchtlingen in Kenia und Jordanien unterstreichen das große Potenzial einer integrativen Flüchtlingspolitik. Die lokale Bevölkerung kann von ihr profitieren und Kosten für die Versorgung der Geflüchteten werden eingespart. Vier Empfehlungen lassen sich aus der Analyse für Gastländer ableiten, die viele Flüchtlinge beherbergen:
· Dadurch, dass man Siedlungen statt Lager baut und den Flüchtlingen das Recht zu arbeiten gibt, entsteht eine wirtschaftliche Dynamik, von der die Einheimischen in der Region profitieren.
· Dafür ist eine gute Koordination zwischen nationaler Regierung und internationalen Gebern notwendig, z.B. in Hinblick auf öffentliche Dienstleistungen und die Allokation finanzieller Mittel.
· Um Konflikte zwischen Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung zu vermeiden, sind die Aufklärung der einheimischen Bürger und ein Austausch zwischen beiden Gruppen ratsam.
· Arme Bevölkerungsgruppen sollten besonders berücksichtigt und nicht durch die Anwesenheit der Geflüchteten benachteiligt werden. Ggf. sollte über Hilfszahlungen nachgedacht werden.
Mon, 18/07/2016 - 15:19
Seit dem ersten Treffen der G20 auf Ebene der Staats- und Regierungschefs im November 2008 hat das Thema internationaler Handel einen festen Platz auf der Tagesordnung der G20. Dieses erste Treffen fand auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise statt, die zu einem starken Einbruch des Welthandels führte. Aufgrund der Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise nach 1929 und den in der Folge eingeführten protektionistischen Maßnahmen verpflichteten sich die G20, keine neuen Handels- und Investitionsbarrieren zu errichten. Auch die Zusage, die Doha-Runde der multilateralen Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation (WTO) abzuschließen, gehört zum Standardrepertoire der G20-Gipfelerklärungen. Dennoch ist die Zukunft der Doha-Runde seit dem letzten Ministertreffen der WTO in Nairobi im Dezember 2015 unsicherer als je zuvor. Wichtige Mitgliedsstaaten, insbesondere die Vereinigten Staaten, befürworten den Abschluss der Doha-Runde, während zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer auf ihrer Fortführung bestehen.
Die mit dem langsamen Fortschritt der Doha-Runde unzufriedenen großen Handelsmächte – allen voran die USA und die EU – konzentrieren sich immer stärker darauf, bilaterale oder regionale Handelsabkommen abzuschließen. Abkommen wie die im Februar 2016 von den USA, Japan und zehn weiteren Pazifikstaaten beschlossene Transpazifische Partnerschaft (TPP) oder das Transatlanische Freihandelsabkommen (TTIP), über das sich EU und USA momentan in Verhandlungen befinden, decken einen Großteil der weltweiten Handels- und Investitionsströme ab und haben zum Ziel, Themen wie Investitionen, Wettbewerb und Standards zu regeln, die über die Abschaffung von Zöllen hinausgehen. Gleichzeitig werben die großen Handelsmächte für sogenannte plurilaterale Vereinbarungen über bestimmte Themen. Prominentestes Beispiel dafür ist das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA), das außerhalb der WTO verhandelt wird. Die Rolle der WTO als zentrales Steuerungsorgan für den Welthandel wird durch diese großen regionalen und plurilateralen Handelsabkommen geschwächt. Bisher hat die Reform des Welthandelssystems bei den G20-Gipfeln nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Gipfelerklärungen beinhalten lediglich vage formulierte Zusagen, das multilaterale Handelssystem zu stärken.
Die G20 sollten bezüglich der Zukunft der WTO und der Reform des Welthandelssystems eine aktivere Rolle spielen. Angesichts der zunehmenden Fragmentierung des Systems ist eine solche Reform notwendig. Gleichzeitig wollen die Vereinten Nationen (UN) die Nachhaltigkeit mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zum Kernprinzip der weltweiten Zusammenarbeit und damit auch des internationalen Handels machen. Unter anderem wird in der Agenda 2030 ein universelles, regelbasiertes, offenes und diskriminierungsfreies multilaterales Handelssystem gefordert. Den Graben zwischen dem bestehenden internationalen Handelssystem und den in der Agenda 2030 aufgeführten Zielen zu überwinden, ist eine enorme Herausforderung, die weder die WTO noch die UN oder die Agenda 2030 alleine wirksam meistern kann. Die G20 dagegen sind ein geeignetes Forum, um genau dies zu schaffen.
Thu, 14/07/2016 - 14:36
„Der Kampf um die globale Nachhaltigkeit wird sich in Städten entscheiden“, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon vor einer hochrangigen Delegation von Bürgermeistern und Repräsentanten von Gebietskörperschaften am 23. April 2012 in New York.
Gut drei Jahre später wurde auf dem UN-Gipfel 2015 die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Die 17 SDGs (Sustainable Development Goals, Ziele für nachhaltige Entwicklung) der Agenda umreißen die wichtigsten Politikfelder für eine zukünftige globale Entwicklungspartnerschaft. Ein Ziel (SDG 11: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“) verweist ausdrücklich auf das Thema Stadtentwicklung. Die Gemeinschaft der Städte hat die Verabschiedung dieses Ziels sehr begrüßt, spiegelt sich darin doch eine wachsende Anerkennung der zentralen Bedeutung von Städten für globale Entwicklungsprozesse wider.
Dieser Beitrag teilt diese Einschätzung, betont jedoch, dass für die wirkungsvolle Umsetzung der Agenda 2030 Aspekte der städtischen und lokalen Governance deutlicher thematisiert werden müssten. So verweist das „städtische“ SDG 11 nicht explizit auf Governance. Das „Governanceziel“ SDG 16 spricht zwar von Institutionen „auf allen Ebenen“, jedoch nicht von lokalen und städtischen Zuständigkeiten. Bei sektoralen Zielen wie SDG 13 (Maßnahmen gegen den Klimawandel) und SDG 9 (Aufbau robuster Infrastruktur) fehlen ebenfalls Verweise auf die lokale oder städtische Ebene.
Bislang nicht ausreichend thematisierte Aspekte städtischer Governance könnten bspw. im Rahmen der für die nächsten Monate geplanten Methodenarbeit der Interinstitutionellen Arbeits- und Expertengruppe zu den SDG-Indikatoren weiter ausgearbeitet werden (UN-Economic and Social Council, 2016, S. 9).
Noch wichtiger ist es, die städtische Governance-Dimension durch Verknüpfung mit anderen globalen Politikprozessen zu konkretisieren – und dadurch die SDG-Umsetzung zu erleichtern. Insbesondere die New Urban Agenda (NUA), die auf dem Weltsiedlungsgipfel 2016 (Habitat III) in Quito, Ecuador, vom 17. bis zum 20. Oktober 2016 formuliert werden soll, ist hier von zentraler Bedeutung.
Die NUA sollte sich insbesondere zu drei Dimensionen städtischer Governance deutlich positionieren:
- Rahmenbedingungen für städtische Governance: Dies beinhaltet nationale Stadtentwicklungspolitiken und andere Rahmenkonzepte; darüber hinaus betrifft es ebenen- und bereichsübergreifende Kooperations- und Koordinationsmechanismen und formelle und informelle Verbindungen über administrative Grenzen hinaus.
- Innerstädtische Partnerschaften: Effektive Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen lokaler Verwaltung, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft bilden die Basis guter städtischer Governance. Besonders wichtig sind Instrumente, die benachteiligte Gruppen an Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen beteiligen.
Transformative städtische Governance: Um den globalen Herausforderungen mit einer tatsächlich transformativen Entwicklung zu begegnen, müssen die zentralen Elemente einer klimafreundlichen Governance auf städtischer Ebene für Minderungs- wie auch für Anpassungsmaßnahmen definiert werden.
Mon, 04/07/2016 - 12:05
Jedes Jahr fallen Zehntausende Zivilisten Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten zum Opfer; allein in den letzten fünf Jahren wurden Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen. Seit Mitte der 1990er-Jahre schien die Zahl der innerstaatlichen Konflikte stetig zurückzugehen, seit 2013 gilt dies aber nicht mehr. Im Gegenteil, 2014 war sogar das tödlichste Jahr seit dem Völkermord in Ruanda 1994.
Die meisten heutigen Gewaltkonflikte sind Wiederausbrüche früherer Kriege. Die große Herausforderung besteht deshalb nicht nur darin, anhaltender Gewalt ein Ende zu setzen, sondern insbesondere auch darin, einen erneuten Ausbruch zu verhindern. Genau dieses Ziel setzt sich die Friedensförderung seit den 1990er-Jahren. Aber wie erfolgreich sind Maßnahmen der Friedenssicherung nach bewaffneten Konflikten wirklich? Und wie kann deren Wirksamkeit erhöht werden?
Gestützt auf zahlreiche empirische Studien zum Thema Friedensförderung zeigt dieses Papier auf, welche Arten externer Unterstützung sich als wirksam erwiesen haben. Es beleuchtet die vier Themenbereiche internationaler Friedensförderung: Sicherheit, sozio-ökonomische Entwicklung, demokratische Regierungsführung und Transitional Justice, und diskutiert und synthetisiert wesentliche Erkenntnisse und offenen Fragen. Drei Kernaussagen ergeben sich besonders deutlich:
- Erstens sind internationale Friedensmissionen – also die unmittelbare Herstellung von Sicherheit – ein wirksames Instrument, um nach einem Bürgerkrieg Frieden zu sichern. Peacekeeping ist besonders erfolgreich, wenn es Teil eines umfassenden Ansatzes ist: Politische, wirtschaftliche und soziale Belange müssen frühzeitig integriert angegangen werden.
- Zweitens muss bei der Unterstützung von Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogrammen sowie von Sicherheitssektorreformen die politische Natur dieser Prozesse berücksichtigt werden. Diese als rein technische Themen anzugehen und die davon betroffenen Interessen zu ignorieren riskiert, neue Konflikte zu entfachen, statt zu verhindern.
- Drittens ist Transitional Justice ein wichtiger Teil der Friedenskonsolidierung, sofern dabei die Belange vieler relevanter Akteure in der betroffenen Gesellschaft zum Tragen kommen: im Parlament, in Regierung und Verwaltung, in der Zivilgesellschaft.
Patentlösungen für die nachhaltige Förderung von Frieden nach Bürgerkriegen gibt es nicht. Unterschiedliche Konflikte erfordern unterschiedliche Wege zum Frieden. Eine Richtung zukünftiger Forschung sollte darauf abzielen, Typen von Nachkriegssituationen zu identifizieren, denen jeweils mit ähnlichen Strategien der Friedensförderung begegnet werden kann.
Wed, 20/04/2016 - 13:36
Viele Regierungen rund um den Globus bedienen sich inoffizieller bewaffneter Gruppierungen. Diese Praxis bedeutet eine erheblich gesteigerte Gefahr für die Zivilbevölkerung, da das Vorgehen solcher regierungsnahen Milizen (Pro-Government Militias, PGMs) meist mehr Menschenrechtsverletzungen wie Tötungen, Folter und Verschwindenlassen mit sich bringt. Beispiele hierfür sind die Shia-Milizen im Irak, die Shabiha-Milizen in Syrien und die Imbonerakure in Burundi.
Angesichts des extremen Ausmaßes an Leid, Gewalt und Instabilität, das mit ihnen einhergeht, muss das Wissen über diese Gruppierungen dringend ausgebaut werden. Dieses Papier erläutert, dass es PGMs nicht nur in gescheiterten Staaten, armen Ländern und Bürgerkriegsländern oder Ländern mit bewaffneten Konflikten gibt. Sie sind auch in mehr oder weniger demokratisch regierten Ländern zu finden und in Halbdemokratien an der Tagesordnung.
Regierungen lagern Sicherheitsaufgaben aus Effizienzgründen an irreguläre Kräfte aus, wenn sie sich in einem unklaren Umfeld bedroht fühlen. PGMs sind für Regierungen attraktiv, weil sie billiger, flexibler und vielfach besser informiert sind als die regulären Streitkräfte. Die Frage der Verantwortung für die ausgeübte Gewalt wird durch sie unübersichtlicher, sodass die politischen Kosten bei umstrittener Gewaltanwendung für die Regierung sinken. Angesichts dieser Faktoren sind PGMs insbesondere für Staaten attraktiv, die mit Gewalt gegen Gegner im Innern vorzugehen beabsichtigen, aber nationale und internationale Folgen durch übermäßige Menschenrechtsverletzungen fürchten. Auch wenn sich Konflikte mit solchen Gruppierungen also einfacher finanzieren lassen und die politischen Kosten zu sinken scheinen, können PGMs mittel- und langfristig – manchmal unbeabsichtigte – Folgen wie gesteigerte Formen von Leid und Gewalt für die Zivilbevölkerung sowie höhere Instabilität und Kriminalität nach sich ziehen.
Die Gefahr für Frieden, Sicherheit und Stabilität durch PGMs lässt sich nur reduzieren, wenn die internationale Gemeinschaft weiß, wie Regierungen Sicherheitsaufgaben delegieren, und sie gleichermaßen für die Gewalt zur Rechenschaft zieht, die staatliche wie nichtstaatliche Akteure in ihrem Auftrag ausüben.
- Die internationale Gemeinschaft muss, wenn sie Demokratie fördert, mögliche unbeabsichtigte Nebenfolgen ihres Handelns berücksichtigen. Werden Anreize geschaffen, dass Regierungen in Partnerländern Repression begrenzen, kann dies dazu führen, dass sie sich lediglich von der Gewalt distanzieren, statt sich um ihre Reduzierung zu bemühen.
- Zusagen für internationale Unterstützung müssen auf Grundlage einer eingehenden Prüfung des Sicherheitssektors erfolgen, die sowohl reguläre als auch irreguläre Kräfte einbeziehen muss.
Regierungen sind dafür verantwortlich, das Leben ihrer Bürger zu schützen. Gehen Milizen gegen die Zivilbevölkerung vor, hat die Regierung bei dieser Aufgabe versagt und muss deshalb für die ausgeübte Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden.
Fri, 19/02/2016 - 13:31
Mit den gegenwärtig zunehmenden Anforderungen und Erwartungen an Europa, stellt sich die Frage, wie die Europäische Union (EU) ihre Rolle als globaler Akteur besser und wirkungsvoller wahrnehmen kann. Auch die dramatische Zuspitzung der Ereignisse in der Europäischen Nachbarschaft und die daraus resultierende Flüchtlingskrise in zahlreichen Mitgliedsstaaten (MS) zeigen deutlich, dass ein Neudenken der EU Außen- und Entwicklungspolitik notwendig ist. Die EU war einer der am stärksten engagierten Partner bei den Verhandlungen zur neuen 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung. 2016 wird sie sich der Herausforderung stellen müssen, diese Agenda in und außerhalb Europas umzusetzen.
Im Juni 2015 hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini einen Konsultationsprozess in Gang gebracht, der bis zum Frühsommer 2016 eine EU Globalstrategie, auf die sich alle Mitgliedsstaaten einigen können, zum Resultat haben soll. Einer wertebasierten und nachhaltigen Entwicklungspolitik, die auch die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) berücksichtigt, sollte eine zentrale Stellung in einer solchen Strategie zukommen. Der Europäische Konsens für die Entwicklung kann nicht länger als isoliertes Dokument frei im Raum stehen bleiben, sondern muss mit den anderen Strategien der EU-Außenpolitik verknüpft werden. Ausgehend davon, dass der Europäischen Entwicklungszusammenarbeit (EU-EZ) in der Globalstrategie und in einer reformierten ‚Europa-2030-Strategie‘ ein angemessener Platz zukommen sollte, haben Kommission und der Europäische Auswärtigen Dienst (EAD) angefangen, Gedanken zu einer möglichen Reform des Konsenses zu formen. Am 28. Januar 2016 informierte EU Entwicklungskommissar Neven Mimica das Europäische Parlament, dass nach dem informellen Ministerrat vom Dezember 2015 die Vorbereitungen dazu bereits begonnen haben.
Aus diesen Gründen ist es notwendig, den sich wegen Veränderungen in- und außerhalb der Union ergebenden Reformbedarf des Europäischen Konsenses für Entwicklungspolitik zu beleuchten. Im Folgenden werden die Rolle des Konsenses in der Vergangenheit, seine wichtigsten Beiträge und Möglichkeiten sowie die zentralen Herausforderungen und Chancen einer Weiterentwicklung des Konsenses thematisiert. Die Verbesserung der Koordination und Zusammenarbeit zwischen Humanitärer Hilfe sowie Entwicklungs- und Nachbarschaftspolitik könnte hier¬bei neue Wege und Ansätze aufzeigen. Aus dieser Analyse werden vier Empfehlungen für eine Reform des Konsenses abgeleitet:
- Nutzung der Reformdynamik für ein Überdenken des EU Konsens und die anstehende Verhandlung über die Zukunft der Beziehungen zwischen EU und der Gruppe der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen (AKP) Staaten.
- Entwicklung eines holistischen und nachhaltigen Sicher¬heitskonzepts durch Konsens und Globalstrategie.
- Synergien aus der Verzahnung von Politikbereichen sowie zwischen MS und EU in der Koordination von Humanitärer Hilfe und Entwicklungspolitik.
- Definition von Schwerpunkten in der Zusammenarbeit mit Mitteleinkommensländern (middle-income countries – MICs) und den aufstrebenden Mächten.
Mon, 18/01/2016 - 15:02
Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern haben Zentralbanken in den letzten zehn Jahren begonnen, wieder mehr Gewicht auf die aktive Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und strukturellen Wandels zu legen. Zentralbankpolitiken zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung umfassen auch Strategien zur Entwicklung des Finanzsektors, zur Förderung der finanziellen Inklusion und zu einer nachhaltigeren Ausrichtung des Finanzsystems.
Dies stellt eine Abkehr von der seit den 1980er-Jahren vorherrschenden Doktrin dar, die von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und multilateralen Entwicklungsbanken in den Entwicklungsländern proklamiert wurde. Der orthodoxe Ansatz, nach dem sich Zentralbanken hauptsächlich auf die Preisstabilität zu konzentrieren haben, wurde jedoch von der globalen Finanzkrise untergraben, in der deutlich wurde, dass Zentralbanken auch Verantwortung für die Sicherung der Finanzstabilität übernehmen müssen. Im Nachgang der Krise haben viele Zentralbanken in Industrieländern zu unkonventionellen Maßnahmen gegriffen, um Problemen wie Schulden, Stagnation und Deflation zu begegnen. So wurde eine neue Diskussion über die Bandbreite und die Grenzen ihres Mandats entfacht. Tatsächlich versuchen viele Zentralbanken in Entwicklungsländern bereits seit langem auf proaktive Weise eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu fördern. Insbesondere setzen sich immer mehr Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden in Entwicklungsländern aktiv für finanzielle Inklusion sowie „grünere“ Finanzsysteme ein, was sie zu wichtigen, wenn auch in internationalen politischen Diskussionen meist unterschätzten, Akteuren der Finanzsystementwicklung macht.
Eine Erweiterung der Zentralbankmandate kann zur Förderung nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung und einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Post-2015-Entwicklungsagenda beitragen. Allerdings kann ein erweitertes Mandat zweifelsohne auch zu Zielkonflikten zwischen Entwicklungs- und Stabilitätszielen führen. Bei einem erweiterten Mandat müssen deshalb die institutionellen Rahmenwerke von Zentralbanken mit Blick auf potentielle Risiken reformiert werden um sicherzustellen, dass Zentralbanken die wirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität gleichermaßen fördern und so einen wichtigen Beitrag für die ökonomische Prosperität eines Landes leisten können.
Mon, 18/01/2016 - 13:43
Ein Strang der aktuellen Konfliktforschung behauptet, Frieden würde durch militärische Siege befördert. Sie brächten, so die These, weniger stark gespaltene Post-Konflikt-Gesellschaften hervor, was Wiederaufbau und wirtschaftliche Entwicklung erleichtere. Diese Sichtweise impliziert, dass internationale Akteure entweder einer Seite zum Sieg verhelfen oder Konflikte sich selbst überlassen sollten, statt sich für Verhandlungslösungen einzusetzen. Das vorliegende Papier argumentiert, dass weniger für einen „Siegfrieden“ spricht als dessen Befürworter behaupten. Die erfolgreichsten Konfliktlösungen sind jene, die die Konfliktursachen angehen und viele verschiedene Akteure einbeziehen.
Ein Blick auf den Ausgang von Bürgerkriegen seit 1946 legt die Vermutung nahe, dass militärische Siege etwas besser stabilisierend wirken als andere Kriegsausgänge. Eine genaue Analyse von Kontext und Inhalt von Friedenskonsolidierung zeichnet ein ganz anderes Bild.
- Die häufigste Form der Beendigung von Bürgerkriegen ist weder ein militärischer Sieg noch ein Friedensabkommen, sondern eine Fortdauer der Auseinandersetzung mit begrenzterer Gewaltanwendung.
- Die Bürgerkriege, die mit einem Friedensabkommen schlossen, dauerten durchschnittlich achtmal länger als jene, die ein militärischer Sieg beendete. De facto gibt es einseitige Siege fast nur, wenn Kämpfe Tage oder Monate, nicht Jahre dauern. Das weist darauf hin, dass Langzeitkonflikte kaum enden, wenn ihnen freier Lauf gelassen wird, und dass Verhandlungen der einzige Weg sind, lang andauernde Kriege zu beenden.
- Die unterschiedliche Konfliktdauer bedeutet auch, dass die Hindernisse für einen Wiederaufbau nach einer Verhandlungslösung deutlich höher sind als nach einem militärischen Sieg. Internationale Akteure, die nach einem Friedensschluss am Wiederaufbau mitwirken wollen, stehen Gesellschaften mit mehr Opfern, tieferer Spaltung und größeren materiellen Schäden gegenüber.
- Gleich, wie ein Konflikt ausgeht – der wichtigste Faktor für anschließende Stabilität ist eine geordnete Demobilisierung ehemaliger Kämpfer. Zudem kommt es darauf an, zugrunde liegende Missstände durch gewaltfreie Politik zu beseitigen, etwa indem die Besiegten Gelegenheit erhalten, eine politische Partei zu gründen und/oder sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen.
Langfristig erfolgreiche Konfliktbearbeitung verlangt die Demontage der Strukturen zur Truppenmobilisierung wie auch jener zur Repression. Armee und Milizen müssen in Kasernen zurückkehren und unter zivile Kontrolle gestellt werden. Externe Akteure können am besten helfen, indem sie Anlaufstellen einrichten, wo Missstände vorgebracht und friedlich beseitigt werden können.
Folgende Empfehlungen leiten sich aus diesem Papier ab:
- Lang anhaltende Konflikte lassen sich nur mit Gesprächen über die Konfliktursachen beenden.
Mon, 14/12/2015 - 15:37
Die 2030-Agenda mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung stellt die Frage nach einer Reform des Systems der VN-Entwicklungszusammenarbeit (VN-EZ) in neuer Dringlichkeit. Soll das VN-EZ-System auch in Zukunft eine tragende Rolle in der nachhaltigen Entwicklung spielen, so muss es fit for purpose gemacht werden. Die Staaten haben den Handlungsbedarf erkannt und einen Reformprozess in die Wege geleitet. In einem Staatendialog, der seit Dezember 2014 im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) läuft, sollen konkrete Reformvorschläge erarbeitet und Mitte 2016 präsentiert werden. Bislang zeichnet sich kein Durchbruch ab: Alle beteiligten Staaten optieren lediglich für inkrementelle Reformen innerhalb existierender Mandate und Strukturen, welche kaum die notwendigen Veränderungen bringen dürften.
Dabei stehen die Zeichen für eine ambitionierte Reform derzeit vergleichsweise günstig: Die im September erfolgreich verabschiedete 2030-Agenda verlangt nach einem VN-EZ-System, welches Staaten hilft, ihre eigenen und kollektiven Entwicklungsinteressen umzusetzen. Das Bewusstsein für weltweite Probleme, z. B. infolge von Globalisierung und Klimawandel, ist gestiegen – und erfordert entsprechend auch eine verbesserte globale Problemlösungskompetenz. Auch sind es längst nicht mehr nur OECD-Staaten, welche die Fragmentierung und Inkohärenz des VN-EZ-Systems beklagen und Veränderungen fordern.
Die zweite Phase des Dialogs bietet nun die Gelegenheit, die notwendigen Schritte in Richtung einer ambitionierten VN-EZ-Reform zu unternehmen. Dabei sollte ein umfassenderes Reformpaket im Mittelpunkt stehen, welches das gesamte System in den Blick nimmt. Dieses Papier schlägt eine föderale Organisation für das VN-EZ-System vor, die auf zwei Elementen beruht: (1) einer Stärkung der zentralen, systemweiten Steuerungskapazität bei (2) weitgehender Beibehaltung der subsidiarischen Unabhängigkeit der Fonds und Programme.
Wesentliche Elemente eines föderal organisierten VN-EZ-Systems sind:
- Aufwertung des ECOSOC als Forum für die politische, systemweite Steuerung des VN-EZ-Systems und Umwandlung der VN-Entwicklungsgruppe (UNDG) in eine legal eigenständige Einheit;
- Beibehaltung der weitgehenden subsidiarischen Eigenständigkeit der Fonds, Programme und Sonderorganisationen sowie Überprüfung ihrer Mandate;
- Ausbau von Mechanismen einer systemweiten Finanzierung, wobei auch über die Einführung von Pflichtbeiträgen nachzudenken wäre;
- Reform der Aufsichtsstrukturen, um die VN auch politisch an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dazu gehören eine geografisch faire Verteilung der Sitze und die Repräsentanz unterschiedlicher, auch nichtstaatlicher Interessengruppen.
Diese Reformen sind anspruchsvoll, können aber bei einer großen Mehrheit von Staaten auf politische Akzeptanz treffen. Es gilt jetzt, durch einen offenen, inklusiven und kon¬struktiven Dialog die Lagerbildung zwischen Nord und Süd zu überwinden und nach gemeinsamen Interessen zu suchen.
Mon, 14/12/2015 - 09:24
Seit Monaten diskutiert Europa, wie man mit der Ankunft von Hunderttausenden von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, Afrika und anderen Teilen der Welt umgehen soll. Dabei wird oft übersehen, dass nur ein kleiner Teil der weltweit etwa 60 Millionen Flüchtlinge nach Europa kommt – so belief sich im Zeitraum 2008 bis September 2015 die Zahl der Asylanträge in der gesamten Europäischen Union auf ca. 3, 5 Millionen. Die Türkei, Pakistan, der Libanon und der Iran beherbergen jeweils mehr als eine Million Flüchtlinge und damit bislang vermutlich mehr als die Europäische Union.
Insgesamt lag die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, wohl noch nie so hoch wie im Jahre 2015. Flucht ist eine Reaktion auf die Bedrohung der physischen oder psychischen Integrität von Menschen. Die Ursachen von Flucht sind Kriege, politische Repression, Terrorismus, Nahrungsmangel oder Naturkatastrophen. Was kann Entwicklungspolitik – inklusive humanitärer Hilfe – tun, um diesen Ursachen zu begegnen?
Kurzfristig muss versucht werden, sog. ‚Stabilitätskerne‘ zu schaffen oder zu erhalten – Räume, in denen Menschen auf der Flucht physische Sicherheit und eine materielle Grundversorgung (Wasser, Nahrung, Bildung, Gesundheit) erhalten. Diese Räume können in den Herkunftsländern selbst oder in Aufnahmeländern der Region eingerichtet werden. Dabei gilt es, Verwaltungsstrukturen der Aufnahmeländer von Anfang an mit einzubinden und Hilfe auch der angestammten Bevölkerung in den Aufnahmeländern zugutekommen zu lassen.
Mittelfristig müssen die Flüchtlinge gut auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer oder eine Integration in den Aufnahmeländern vorbereitet werden. So oder so müssen für sie wirtschaftliche, soziale und rechtliche Perspektiven geschaffen werden, um Apathie, Hoffnungslosigkeit und damit auch Bedingungen von Frustration und Gewalt zu vermeiden. Derzeit sind dringend höhere Beträge, mehr Zuverlässigkeit und eine längerfristige Perspektive bei der Finanzierung der humanitären und der Übergangshilfe geboten.
Entwicklungspolitik kann Fluchtursachen vor allem präventiv und damit auf längere Sicht abmildern. Es muss dafür gesorgt werden, dass nicht weitere Länder wie z.B. Ägypten, Pakistan oder Nigeria in Krisen (Bürgerkrieg, politische Repression etc.) geraten und die Zahl der Flüchtlinge dadurch nochmals deutlich ansteigt. Voraussetzung dafür sind Beiträge für eine nicht nur kurz-, sondern auch langfristige Stabilisierung dieser Länder. Diese setzt nicht nur eine politisch, sozioökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung voraus, sie erfordert auch die Partizipation großer Teile der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen. Nur dann kann ein sozialer und politischer Ausgleich widerstrebender Interessen innerhalb der Gesellschaft erreicht werden. Das Primat kurzfristiger politischer Stabilität durch die Unterstützung autoritärer Regierungen auf Kosten von politischer Legitimität und Partizipation sollte künftig nicht mehr akzeptiert werden. Entwicklungspolitik verfügt über Instrumente, um inklusiven gesellschaftlichen Wandel und den Ausgleich politischer Kräfte zu fördern, ohne den finanziellen Spielraum autoritärer Regime stark auszuweiten. Krisenprävention und Friedensförderung müssen daher wieder ein Schwerpunkt der Entwicklungspolitik werden. Die Erfahrungen mit „multidimensionalem Peacekeeping“ in Post-Konflikt-Ländern zeigen, dass konzertiertes internationales Engagement unter multilateraler Führung – gerade unter schwierigsten Umständen – der beste Weg ist.
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